Ich sag Du zu mir - Christian Knull - E-Book

Ich sag Du zu mir E-Book

Christian Knull

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Beschreibung

Wenn Frau Kredelbach in Fahrt gerät, spricht sie Kölsch, ihre Muttersprache, und dann wird sie lebhaft, denn Frau Kredelbach ist eine gewitzte, alte Dame, die sich die Butter nicht vom Brot nehmen lässt. Sie lebt in Köln-Sülz. Und dort macht sich Frau Kredelbach ihren Reim auf die Welt und kommt zu überraschenden, gelegentlich eigenwilligen Ansichten.

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INHALT

Die Filmwohnung

Man hört sie nicht kommen

Heringsmilch und Pellkartoffeln

Das Fenster wärmt

To bee or not to bee

Pichelsteiner ist aus

Und wohin mit der Seife?

Die Schuhe der deutschen Einheit

Lichterketten sind meine Spezialität

Kein Leben ohne Kleckse

Corona bringt Regen

Nicht scharf, aber süß

Der Kuss

Das Virus vom Trottwar

Herrensachen von Amazon

Die Atome vom Südfriedhof

Coronasonntage

Die Schwämm der Frau Kredelbach

Ich sag du zu mir

Der Tod macht kleine Schritte

Wie beim Eisstockschießen

Besuch aus der Pfalz

Hosen mit Fenstern

Zoom in Porz

Die Filmwohnung

Mit Blumen fing es an. Gerbera. Langstielig. Die mit dem grünen Draht um den schlanken Hals, damit sie nicht umkippen. Ich hatte einen Strauß bunter Blumen binden lassen und als Krönung einige Gerbera genommen. Ihre feuerroten Blütenblätter sahen sehr weihnachtlich aus.

Blumen in der Hand, das Papier halb abgezogen, stehe ich im Flur, eine Etage unter meiner Wohnung, und nehme den Finger vom Klingelknopf, als ich ihre Schritte höre. Es ist Heiligabend. Langsam öffnet sich die Tür. Frau Kredelbach steht im Türrahmen, guckt freundlich und sagt, isch han ald gewaadt.

- Ah, sage ich überrascht, Sie haben schon gewartet?, und verhaspele mich. Ich komme wegen der Treppe, sage ich, ich möchte mich bei Ihnen wegen der Treppe, jetzt zu Weihnachten, wird ja Zeit, dachte ich, also weil Sie unsere Treppe, jede Woche …

- Kommen Sie rein, ich mache uns eine gute Tasse Kaffee.

- … putzen, murmele ich in ihren Rücken, und sie geht voran, und ich sage, müssten Sie wirklich nicht.

- Nicht direkt gewartet, sagt Frau Kredelbach, dass Sie das nicht missverstehen, aber als ich Sie heute Morgen mit den Blumen sah, habe ich gehofft, also gedacht, nur ein bisschen, sie macht eine vage Handbewegung, ich weiß ja nicht, was Sie heute so vorhaben …

Frau Kredelbach wohnt unter mir. Schon immer. Ein ganzes Leben lang wohnt sie dort. Und seit der Dachboden zu einer Wohnung ausgebaut wurde, sind wir Nachbarn. Eine schöne Wohnung habe ich, mit Dachflächenfenstern und Schräge bis zum Boden und vielen dunkel gebeizten Dachbalken. Wollen Sie mal sehen, wie es geworden ist?, habe ich Frau Kredelbach gefragt, als sie die Steintreppe feucht wischte. Kenne ich, kenne ich, hat sie abgewehrt. Ich habe da meine Wäsche getrocknet.

Das wars.

Wäsche getrocknet.

Sie wischte weiter.

Ich wohne da, wo Frau Kredelbach die Wäsche über ihre Leinen hing, nach dem Krieg und auch später noch, als sie schon längst eine Waschmaschine besaß, ihre Handtücher, die Hemden ihres Mannes, die Socken, die Unterwäsche, wo sie all das auf dem Dachboden trocknete, ein halbes Jahrhundert lang, wahrscheinlich länger. Und weil Frau Kredelbach seit Ewigkeiten im Haus lebt, hat sie darauf bestanden, weiter die Treppe, die zu unseren Wohnungen führt, zu putzen - trotz des neuen Mieters und seiner halbherzigen Einwände.

Aber an Heiligabend tilge ich die Schuld, die sich im Jahr aufgetürmt hat, da kommt meine Stunde, mit einem großen Strauß Blumen, und doch will es mir nicht gelingen, meine Schuld abzutragen, sie wächst immer weiter, und das liegt an einer Tüte.

- Setzen Sie sich auf die Bank, sagt Frau Kredelbach. In ihrer Küche steht eine helle Eckbank, in der Mitte ein Tisch mit Resopalplatte. Sie wischt drüber, stellt zwei Tassen hin und gießt kochendes Wasser in den Kaffeefilter.

- Nein, sind die schön, sagt sie. Der Strauß passt kaum in die Vase, ich habe mir die Vase vorhin schon mal, sagt sie, nur für den Fall, ist aber zu klein, habe ich mich verschätzt, ist ja wirklich schön, so groß, ich habe auch was für Sie. Ühr Tüüt es do unge.

Ich habe die mit Süßigkeiten prall gefüllte Tüte, die sie griffbereit am Stuhlbein abgestellt hat, schon vom Flur gesehen und befürchtet, dass Frau Kredelbach sie für mich gepackt hat.

- Das ist nicht nötig, protestiere ich, Sie machen mich verlegen, das ist viel zu viel. Ich wollte mich bei Ihnen …

- Milch?

Nougattafeln und Dominosteine beulen die Plastiktüte aus, Lebkuchen hat sie eingepackt, ja reingezwängt, die Edelmarzipan-Baumstämme des Discounters liegen wie beim Mikado aufeinander, dazwischen sehe ich Weingummi, gezuckertes Gelee, Erdnüsse mit und Kekse ohne Schokoladenmantel, eine derartige Menge an Süßigkeiten, dass eine Großfamilie aus dem Jubeln nicht mehr herauskäme.

- Mein Sohn kriegt die andere, sagt Frau Kredelbach. Da, haben Sie gesehen? Sie zeigt neben die Tür. Und als gelte es jeden Zweifel im Keim zu ersticken, sagt sie, ist dasselbe drin.

Frau Kredelbach hält sehr auf Gerechtigkeit.

- Danke, sage ich.

- Bitte, sagt sie.

Ich suche nach Worten.

Sie gießt Kaffee ein.

- Sehen Sie ihren Sohn heute?

- Morgen.

- Ah.

- Die holen mich ab.

Die sind ihr Sohn und seine Frau. Aber im Grunde doch eher ihr Sohn, und Frau Kredelbachs Augen beginnen zu leuchten.

- Ooh, der hät en Wunnung!

Sie schlägt die Hände vors Gesicht. Ich bemerke, dass sie beim Frisör gewesen ist, war mir nicht aufgefallen, peinlich, denke ich, und will ihr ein Kompliment machen.

- En Draumwunnung, sagt sie.

- Eine Traumwohnung, wo?, frage ich.

- Der Hubert ist umgezogen, sagt Frau Kredelbach feierlich. Die müssten Sie sehen, die Wunnung. Weiße Sofas, und groß. Die geht um die Ecke, die Wunnung, zwei Mal, überall Fenster. Da könnten Sie glatt einen Film drin drehen, ne Filmwunnung.

- Haben Sie nicht erzählt, dass er in Zollstock wohnt?

- Rodenkirchen, sagt sie, nicht mehr Zollstock, kennen Sie bestimmt, die Hochhäuser, direkt am Rhein. Nein, was sind Ihre Blumen schön.

- Was macht ihr Sohn?, frage ich.

- Mein Sohn, sagt Frau Kredelbach, und ein Ruck geht durch ihren Körper, sie wird größer und ihr Blick schwingt sich auf, mein Sohn, der fährt, und so, wie sie spricht, klingt es, als fliege er einen glitzernden Dreamliner, der fährt Bus, sagt sie, aber einen großen, so einen langen, wie heißen die gleich, die neuen, die so federn, die mit dem Schwung …

- Gelenkbus?

- Ja, der Hubert ist bei der K-V-B.

Frau Kredelbach betont jeden Buchstaben mit glänzenden Augen.

- Sollten Sie mal sehen, wie der fährt, das kann nicht jeder, auch nicht bei den Kölner Verkehrsbetrieben, so elegant, so gekonnt.

Sie breitet die Arme aus, als griffe sie um ein großes Lenkrad, dabei will sie doch nur die Arme um ihren einzigen Sohn legen, dann senkt sie ihren Blick.

- Ävver de Wunnung, hoooch, sagt sie und bricht ab, die Hände vor ihrem Gesicht, nä nä nä.

Damit ich nicht sehe, wie ihr die Sorgen um die hohe Miete zusetzen, springt sie auf, eilt ins Wohnzimmer und kommt mit einer dicken Apfelsine zurück.

- Die kriegen Sie auch noch.

Sie hat eine Träne im Auge.

- Frau Kredelbach, sage ich hilflos.

Sie bückt sich nach meiner Weihnachtstüte und versucht die Apfelsine hineinzustopfen. Die Tüte bekommt bedrohlich Schlagseite, und ich sehe unter dem Tisch die Hände von Frau Kredelbach, die vergeblich Süßigkeiten hin- und herschieben und drücken.

- Und ihre Schwiegertochter. Was macht die?

- Mmmh, kommt es von unten.

Frau Kredelbach rüttelt an der Tüte.

- Die arbeitet auch?

- Jo, sagt sie knapp und zerrt eine Schachtel mit Dominosteinen heraus.

- Dat Vivien hat sogar eine Putzfrau.

- Für die Filmwohnung?

- Für die Treppe.

- Ach, sage ich. Und womit verdient sie ihr Geld?

- Die? Die schnigg ander Lück de Hoor.

Mein Stichwort, Haare schneiden, denke ich, und bedaure, dass ich über die Geschichte mit der Traumwohnung wieder vergessen habe, Frau Kredelbach ein Kompliment zu machen, deute auf ihre Frisur, sehr schön geworden, Ihre Frisur, sage ich mit strahlendem Lächeln, wirklich gut geschnitten, was nicht geschwindelt ist, aber auch nicht einfallsreich, denn Frau Kredelbach hat wenige Haare, und sie wirken, ich weiß nicht, warum ich an Blumen denken muss, ein bisschen welk, und leider schiebt sich das Bild des Blumenbindens in den Vordergrund, und ich sehe wieder Gerbera, kein Wunder, ich hatte mich im Blumengeschäft nicht entscheiden können, und minutenlang die dünnen Drähte, die die Gerbera halten, bewundert, und so ein Geflecht, ganz fein, vielleicht in hellgrau, wenn man es geschickt anstellte …

Frau Kredelbach guckt mich empört an, und ich weiß nicht, ob sie Gedanken lesen kann.

- Ming nit, meine Haare doch nicht, sagt sie. Da lass ich das Vivien nicht dran.

Man hört sie nicht kommen

Das Pedal ist im Weg. Es hängt auf den steilen Stufen der Kellertreppe da, wo ich meinen Fuß hinsetzen will. Ich hebe ich mein Rad an und stoße mit dem Vorderrad gegen eine Stufe, der Lenker springt mir entgegen und trifft mit der scharfkantigen Fahrradklingel meine Stirn.

Oben höre ich Frau Kredelbach schimpfen.

- Du Strunzbüggel, mir hier über die Fööss, du avjeleckte Heringsstetz, und nicht mal anhalten.

Ich stolpere die letzten Stufen hoch, setze mein Fahrrad ab und reibe mir die Stirn. In der geöffneten Haustüre sehe ich Frau Kredelbach, weit vornübergebeugt blickt sie zur Berrenrather Straße und brüllt, du Rievkoochejeseech, dich meine ich, ja dreh dich ruhig um, du Hungksfott du.

- Was ist passiert?, frage ich.

- Dem habe ich es gegeben, sagt sie zufrieden, blickt noch mal um die Ecke und sagt, jetz es er fott.

- Ein Radfahrer?

- Ein Kerl auf einem E-Ding, rast mir über die Zeh. Ich wollt gerade raus.

- Sie Arme, sage ich und schiebe mein Rad hinter ihren Einkaufstrolley mit dem verblichenen Schottenmuster.

- Man hört die nicht kommen, sagt sie und behält die Straße misstrauisch im Auge. Zoom, sind die da. Fahren auf dem Bürgersteig. Für das Kopfsteinpflaster sind die Räder zu klein.

Ihre Hand zittert auf dem Griff des Marktwägelchens.

- Wollen Sie sich setzen?, frage ich.

- Was? Nein, ist schon wieder gut. Ich habe mich erschrocken, der blöde Poosch. Fährt an der Hauswand lang. War verkabelt, habe ich gesehen.

Ich gucke fragend, und Frau Kredelbach mustert mich mit strengem Blick.

- Ich kenn mich aus mit den Dingern. Meine Enkelin, die Jacqueline, wünscht sich einen Roller. Ist aber zu klein dafür. Meine ich. Jedenfalls für einen Roller mit Motor. Ohne ja. Aber ohne ist nicht cool. Vivien ist anderer Meinung, mal wieder, gut, ich mische mich nicht ein, mache ich nie, aber ich weiß, wie die Dinger funktionieren. Mit Batterie, sind aber nicht gekauft, wussten Sie das? Die meisten nicht, die gehören den Leuten nicht, die damit rumfahren, die haben die nur geliehen.

- Stimmt, sage ich.

- Die leihen sich die Dinger auf der Straße.

Frau Kredelbach guckt mich entrüstet an.

- Die bezahlen auch auf der Straße, sagt sie.

Ich überlege, wie ich mit meinem Rad an Frau Kredelbach vorbeikomme.

- Da schmeißt man kein Geld rein, insistiert sie. Ist nicht wie auf der Kirmes, einen Euro rein und zehn Minuten fahren.

- Schon klar, sage ich.

- Da wird man verkabelt. Mit dem Handy. Und deswegen sagt das Jaqueline, es will auch einen E-Roller haben, weil es ein Handy hat. Es könnte also verkabelt werden. Und losjücken. Theoretisch. Und mir erzählt die Kleine, dann mache ich auch nicht so viel mit dem Handy rum, Oma.

- Schlau, sage ich.

- Obwohl, stimmt schon, wenn Sie mal drauf achten, die Leute telefonieren nicht, wenn sie auf dem E-Ding stehen. Ist Ihnen das aufgefallen? Sonst immer, ständig haben die Leute das Handy am Ohr, aber nicht auf dem Roller. Geht nicht, die sind verkabelt.

- Ah, ja.

- Aber die Jaqueline ist zu jung.

- Ja.

- Viel zu jung. Aber ich misch mich nicht ein.

Frau Kredelbach setzt unwirsch einen Fuß nach hinten und schiebt ihren Trolley zurück. Das Wägelchen verkeilt sich in den Speichen meines Vorderrads.

- Müssen Sie mal drauf achten, sagt sie, die Leute, die mit den Dingern rumgurken, haben weiße Stoppen in den Ohren ...

- Ihr Wagen hat sich in meinem Rad verfangen, sage ich.

- Das sind Antennen, sagt sie.

- Wir hängen fest, sage ich.

- Die brauchen die Antennen, um zu wissen, wie weit sie gefahren sind. So wird abgerechnet. Über Handy. Und Antenne. Und Satellit. Sagt der Hubert.

Ihr Sohn Hubert weiß alles über Autos und alles über Motoren. Offenbar auch über Satelliten.

- Der hat Ahnung, sagt Frau Kredelbach, ein Ausdruck, der ehrfürchtige Verneigung vor technischem Universalwissen bedeutet, denn wenn Frau Kredelbach der hat Ahnung sagt, meint sie nicht Ahnung, sondern Kompetenz, sie denkt an das tief verzweigte Wissen eines Experten. Und Hubert ist ein technisches Genie, das nicht nur über Talent, sondern auch über praktische Intelligenz verfügt. Das unterscheidet ihn von mir. Ihr Sohn ist mir in Fragen der Mobilität weit voraus, er könnte vermutlich mit einem Blick sagen, wie wir unsere Gefährte rangieren müssten, um sie voneinander zu lösen.

- Über Satellit, wiederholt Frau Kredelbach, zeigt nach oben und versucht dabei unauffällig ihren Einkaufswagen zu befreien. Die Leute, sagt sie, sind alle mit dem Satelliten verbunden. Die Strippen, die da hochgehen, sehen Sie nicht.

- Mh.

- Sind aber da. Jeder von denen hängt an der Strippe. Das ist heute so. Fast wie, sie ruckelt wild an ihrem Wagen, fast wie ein Marionettenspiel. Die Leute hängen an Fäden. Und merken es nicht.

Sie zerrt bei ihren Erklärungen am Trolley, versucht ihn vor- und zurückzuschieben und bewegt damit mein Rad wie einen Anhänger, der sich mit jedem Zug weiter querstellt. Wütend sieht sie nach unten. Der Flur ist blockiert. Das steigert ihre Ärger.

- Die machen Gesichter wie ferngesteuert, ruft sie, wie der Kerl gerade, die gucken wie Roboter, nur geradeaus, und tun nichts. Stehen auf den Dingern. Manchmal zu zweit. Wie die Ölgötzen. Unbeweglich. Oder zu dritt. Habe ich auch schon gesehen. Aber die sehen nichts. Fahren wie auf Schienen. Sehen nicht links und nicht rechts. Passen nicht auf, und, dä, entfährt es Frau Kredelbach, weil ihr die Haustüre aus der Hand rutscht, nieten die die Leute um.

Mit einem dumpfen Schlag fällt die Tür ins Schloss, wir stehen im dunklen Flur.

- Ich war schön am schänge, nicht wahr?, sagt sie plötzlich mit samtweicher Stimme.

- War nicht zu überhören, sage ich, aber völlig richtig. Hoffentlich merkt der Typ sich das.

Ich atme auf, weil Frau Kredelbach sich entspannt. Aber sie hat nur Kräfte gesammelt und reißt mit aller Kraft ihren Wagen nach vorne. Ich staune, wie viel Energie sie hat.

- Sie haben wenigstens große Räder, stößt sie hervor, unter diesen E-Dingern sind nur Spielzeugrollen. Sogar mein Wägelchen hat größere Räder. Da wundert man sich nicht, dass es so viele Unfälle gibt.

- Frau Kredelbach, sage ich, wenn Sie mit dem Ruckeln aufhören, könnte ich mein Fahrrad freikriegen.

- Und ich stell mich nicht drauf, tobt sie, und dreht ihren Körper mit angewinkeltem Arm so schwungvoll zur Tür, dass eine Speiche knackt. Das würde ich nie machen, presst sie hervor.

Sie atmet schwer, ist aber noch nicht bereit aufzugeben.

- Geleckte Lück!

- Rücksichtslos, sage ich …

- Stehen da wie die Zinnsoldaten.

- Bleiben Sie bitte mal stehen!

- Bloß nicht bewegen.

- Gehen Sie bitte einen Schritt zurück!

- Ich mache immer einen Schritt zurück, ruft sie. Jedesmal, wenn einer auf mich zufährt, springe ich in Hauseingänge. So weit sind wir schon, das ist überhaupt das Allerletzte, und wenn die Leute den Spaß verlieren, dann lassen Sie die Dinger stehen. Und der nächste kommt und schmeißt das Dingen um. Dann liegt es da und ich sehe es nicht im Dunkeln. Liegen rum, die Scheißdinger, auf dem Trottoir, sogar im Rhein, habe ich gelesen.

- Tun Sie mir den Gefallen ...

- Die blenden wie Lastwagen.

- Frau Kredelbach …

- Hab schon überlegt, ob ich meine Friedhofshacke mal fallen lasse, ganz zufällig, wenn einer kommt.

- Es reicht, Frau Kredelbach, fahre ich sie an, bleiben Sie mit ihrem Trolley eine Sekunde stehen.

Frau Kredelbach guckt überrascht auf, fragt, warum?

Ich strecke die Hand zum Schalter aus, um Licht zu machen, als mein Handy klingelt. Die Fanfare ermutigt Frau Kredelbach, den Einkaufswagen entschlossen an sich zu reißen. Dabei schlägt sie mir den Lenker aus der Hand, das Vorderrad rollt auf mich zu, kippt weg und ich stürze mit dem Handy in der Hand auf mein Rad.

In dem Geschepper geht das Treppenhauslicht an. Auf dem oberen Absatz steht Frau Wilden.

- Muss ich den Krankenwagen rufen?

- Wir unterhalten uns nur über diese neuen Roller, sagt Frau Kredelbach aufgeräumt, und macht eine Geste zur Tür, grad kam wieder einer vorbei. Diese E-Roller, die leisen, die schwer in Mode sind.

- Die mit den kleinen Rädern, sage ich.

- Die so schnell unterwegs sind.

- Mitten auf dem Bürgersteig, sage ich.

- Manchmal auch an der Hauswand, sagt sie und weitet ihre Augen.

- Wirklich gefährlich, setze ich hinzu.

- Die verunglücken oft, sagt Frau Kredelbach, und so, wie sie ihre Stimme moduliert, hat sie tiefes Mitgefühl.

- So, sagt Frau Wilden.

Ich stehe auf und hebe mein Fahrrad hoch. Frau Kredelbach nickt mir aufmunternd zu. Das Handy hat aufgehört zu klingeln, ich blicke auf das Display.

Auf dem Treppenabsatz lauert Frau Wilden noch ein paar Sekunden, bedenkt uns dann mit einem vernichtenden Blick und schlägt die Wohnungstür geräuschvoll hinter sich zu.

- Fffh, macht Frau Kredelbach.

- Jetzt ist sie fort, sage ich.

- Stand direkt hinter der Tür, sagt Frau Kredelbach.

- Gefährlich, sage ich.

- Man hört sie einfach nicht kommen, sagt sie.

- Und schon fällt einem das Rad auf den Fuß, sage ich.

- Man muss ja so aufpassen, sagt Frau Kredelbach.

- Wollen Sie durch?, frage ich.

- Warum durch?, antwortet sie. Ich will raus.

- Dann bitte nach Ihnen, sage ich.

Und Frau Kredelbach bedankt sich höflich, blinzelt mich an und sagt, jetzt haben wir beide lädierte Fööss.