Im Besitz der Nacht - Christine Feehan - E-Book

Im Besitz der Nacht E-Book

Christine Feehan

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Beschreibung

Die junge Blaze ist nur von einem Gedanken beseelt: Rache! Ihr Vater wurde grausam ermordet, und nun setzt sie alles daran, die Killer zur Strecke zu bringen. Doch nicht die Mörder tappen in ihre vorbereitete Falle, sondern ein verführerischer Fremder: der Karpatianer Maksim. Blaze taucht in seine dunkle Welt der Nacht ein und findet in ihm einen mächtigen Verbündeten. Gemeinsam suchen sie Rache - und finden eine Leidenschaft jenseits aller Grenzen ...

»Die Geschichte ist voll von rauer Sinnlichkeit - sie hat alles, was Feehan-Fans lieben.« Romantic Times

Dunkel, gefährlich und extrem heiß - Im Besitz der Nacht ist der 27. Band der umfangreichen NEW YORK TIMES und SPIEGEL-Bestsellerserie Die Karpatianer.

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Inhalt

Cover

Grußwort des Verlags

Über dieses Buch

Titel

Stammbaum

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Über die Autorin

Weitere Titel der Autorin

Impressum

 

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Über dieses Buch

Die junge Blaze ist nur von einem Gedanken beseelt: Rache! Ihr Vater wurde grausam ermordet, und nun setzt sie alles daran, die Killer zur Strecke zu bringen. Doch nicht die Mörder tappen in ihre vorbereitete Falle, sondern ein verführerischer Fremder: der Karpatianer Maksim. Blaze taucht in seine dunkle Welt der Nacht ein und findet in ihm einen mächtigen Verbündeten. Gemeinsam suchen sie Rache – und finden eine Leidenschaft jenseits aller Grenzen …

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CHRISTINE FEEHAN

Im Besitzder Nacht

Aus dem amerikanischen Englischvon Ulrike Moreno

Kapitel 1

Blaze McGuire fasste ihr taillenlanges rotes Haar zu einem hohen Pferdeschwanz zusammen, während sie darüber nachdachte, dass sie an diesem Abend sterben würde – und das aus freiem Willen. Sie würde sterben, weil sie den Kampf gegen die Brüder Hallahan und ihren Gangsterboss beginnen würde. Sie wussten es noch nicht, aber sie würden geradewegs in die Hölle hineinspazieren. Sie bildeten sich ein, sie könnten tun, was immer sie wollten, doch da irrten sie sich.

Sie war eine Frau, und sie war jung. Schon allein aus diesem Grund hielten sie sie für ungefährlich und glaubten, sie stellte keine Bedrohung für sie dar. Und was das anging, begingen sie wirklich einen sehr, sehr großen Fehler.

Blaze’ Haar hatte nicht nur einen rötlichen Schimmer; es war feuerrot. Diesen ungewöhnlich kräftigen Rotton hatte es schon am Tag ihrer Geburt gehabt. Deshalb hatte ihr Vater ihr auch den Namen Blaze gegeben, als er mit großen Augen zugesehen hatte, wie seine neugeborene Tochter den Ärzten schon die Hölle heißmachte, sowie sie sie aus ihrer sicheren kleinen Welt herausgeholt hatten. Blaze, die Flamme … Sie trat in dem ungewohnten kalten Licht schreiend um sich, und ihre Lunge war genauso kräftig wie das feurige Rot ihres Haares – das den Hallahan-Brüdern schon eine Ahnung hätte vermitteln müssen, worauf sie sich einließen, als sie ihren Vater umbrachten.

Die meisten Leute kennen den Zeitpunkt ihres Todes nicht, sinnierte Blaze, während sie mit akribischer Genauigkeit den Sprengstoff an der Tür montierte. Es war genau die richtige Ladung, um jeden, der davorstand, mit großer Wucht nach außen zu schleudern, aber mit wenig genug Rückstoß in ihre geliebte Bar, um sie hoffentlich intakt zu lassen. Sollte diese Ladung sie nicht alle töten, war Blaze jedoch auch bereit, das Innere des Lokals zu opfern, um den Kampf dort fortzusetzen. Heute Nacht würden die vier Hallahan-Brüder kommen, um sie zu töten, und sie würde so viele von ihnen wie nur möglich in den Tod mitnehmen.

Sean McGuire war ein anständiger Mann gewesen, ein guter Nachbar und ein sogar noch besserer Vater. Ihre Bar war erfolgreich, weil Sean für seine Redlichkeit bekannt war und als guter Zuhörer galt, weil er sich aufrichtig für seine Gäste, Nachbarn und insbesondere seine Tochter interessierte.

Es gab keinen in diesem Viertel, den er nicht mit Namen kannte. Er lachte mit seinen Nachbarn und Gästen und ging zu den Beerdigungen, wenn sie jemanden verloren hatten. Er sorgte dafür, dass sie nachts sicher nach Hause kamen, wenn sie zu viel getrunken hatten. Er bremste diejenigen, die zu viel Geld ausgaben und besser zu Hause bei ihren Familien sein sollten. Sean McGuire war schlicht und einfach ein anständiger Mann, ein guter Mensch, den Gangster aus seiner Bar geschleift und totgeschlagen hatten, weil er ihnen sein Lokal, das sich seit zwei, nein, jetzt sogar schon drei Generationen im Familienbesitz befand, nicht verkaufen wollte.

Sean hatte bei den US-Marines gedient und kannte sich mit Waffen und besonders mit der Herstellung von Bomben aus. Er war ein Spezialist auf diesem Gebiet, ein so guter, dass er auch schon dreimal dem einheimischen Bombenentschärfungskommando ausgeholfen hatte, als es angefordert worden war, weil nur wenige andere sein Wissen über Sprengstoffe besaßen. Und was er darüber wusste, brachte er seiner Tochter bei.

Blaze hatte eine ungewöhnliche Erziehung genossen und immer sehr viel Freude daran gehabt. Ihr Vater machte nie einen Hehl daraus, wie sehr er sie liebte und wie stolz er auf sie war, und er hatte auch stets Geduld mit ihr gehabt, aber er hielt es für sehr wichtig, seiner Tochter alles beizubringen, was er auch einen Sohn gelehrt hätte. Er war geduldig, doch er machte es ihr nicht leicht, weil sie ein Mädchen war. Sie musste alles lernen, was er über Angriff und Verteidigung wusste. Und Blaze hatte das Training genossen und alles, was ihr Vater ihr vermittelt hatte, begierig in sich aufgenommen.

Sie waren immer nur zu zweit gewesen, nachdem Blaze’ Mutter fortgegangen war. Blaze hatte sie als labile Frau in Erinnerung, die nie glücklich oder zufrieden gewesen war – falls sie sich überhaupt einmal an sie erinnerte, was nicht sehr häufig vorkam, da sie erst vier gewesen war, als ihre Mutter sie verlassen hatte. Sie hatten nie etwas zusammen unternommen, nicht ein einziges Mal. Blaze konnte sich nicht einmal erinnern, je von ihrer Mutter umarmt worden zu sein. Nur ihr Vater war zärtlich und liebevoll zu ihr gewesen.

Sean war Boxer gewesen, ein Käfigkämpfer in gemischten Kampfkünsten, und dieser Lebensstil hatte ihm gefallen. Er hatte stets darauf bestanden, dass seine Tochter mit ihm trainierte, und das hatte sie – seit ihrem zweiten Lebensjahr. Blaze wuchs damit auf, beim Boxen gegen ihren Vater anzutreten, und erhielt von ihm auch Unterricht in den verschiedenen Kampftechniken und im Straßenkampf. Sie lernte, richtig zu fallen, und wusste alles über Gelenke und Druckpunkte. Darüber hinaus hatte Sean auch nicht versäumt, ihr das Schießen oder den Umgang mit einem Messer beizubringen, und erst recht nicht ihre Ausbildung auf dem Gebiet der Sprengstoffe vernachlässigt.

Später, als sie gerade einmal zehn Jahre alt gewesen war, war Emeline Sanchez in ihr Leben getreten. Emeline lebte hauptsächlich auf der Straße, auch wenn sie hin und wieder für eine gewisse Zeit in einem Heim unterkam. Sie wurde zu einem Familienmitglied, stieg immer häufiger über die Feuertreppe und durch Blaze’ Schlafzimmerfenster ein und verbrachte die Nacht bei ihr. Sean tat so, als bemerkte er es nicht. Zum Glück war Emeline jetzt weit weg von alldem hier, da Sean sie nach Europa geschickt hatte, um sie zu schützen. Nachdem er ermordet worden war, hatte Blaze sie natürlich angerufen, aber sie hatte ihr auch gesagt, sie solle bleiben, wo niemand ihr etwas antun konnte.

Blaze lächelte grimmig vor sich hin, als sie ein Gitternetz aus Zündkabeln auf dem Fußboden der Bar verlegte und dann einen Moment lang innehielt, um durch das Fenster einen Blick auf die Straße zu werfen. Dieser Stadtteil war einmal ein guter und anständiger gewesen, ein Ort, den sie vierundzwanzig Jahre lang ihr Zuhause genannt hatte. Sie war in der Wohnung über der Bar aufgewachsen, die in einem großen Gebäude direkt an einer Straßenecke lag, das eine erstklassige Immobilie war. Dieses Gebäude und drei weitere zu beiden Seiten hatten sich seit Generationen im Besitz ihrer Familie befunden. Die Häuser waren gut gepflegt und nie verkauft worden, nicht einmal, als die Immobilienpreise in die Höhe geschossen waren.

Blaze kniff die Augen zusammen, als sie sich wieder an die heikle Arbeit machte, Drähte quer durch die ganze Bar zu spannen. Sie brachte sie in Höhe der Knöchel, der Waden, der Oberschenkel und hüfthoch an, verband sie kreuz und quer miteinander und webte sie zu einem Netz. Ja. Diese Kerle hätten über das rothaarige Baby Bescheid wissen sollen, bevor sie seinen Vater aus seiner Bar gezerrt und erschlagen hatten. Sie hatten Sean fast jeden Knochen im Leib gebrochen und ihn erst dann getötet. Blaze wusste das, weil der Gerichtsmediziner es ihr gesagt hatte.

Unbändiger Zorn erfasste sie wieder und sammelte sich in ihrem Magen. Tief. So tief, dass dieser Zorn für immer ein Teil von ihr bleiben würde. Sie wusste, warum die Gangster ihrem Vater die Knochen gebrochen hatten. Von einigen der anderen Geschäftsleute hatte sie von dieser »Überredungstaktik« schon gehört. Die Gangster wollten damit Immobilienverkäufe an sie erzwingen. Ihr Vater hatte sein gesamtes Eigentum jedoch bereits auf Blaze überschrieben. Die Bar gehörte also ihr. Sie hatten die falsche Person angegriffen. Und jetzt würden sie zu ihr kommen, weil sie ihnen eine Einladung geschickt hatte. Allerdings hatte sie nicht vor, mit ihnen über einen Verkauf zu verhandeln. Die Einladung war eine Kriegserklärung.

Blaze hätte ihnen die Bar ohne Zögern überlassen, wenn sie angerufen und ihr gesagt hätten, dass sie ihren Vater in ihrer Gewalt hatten. Doch diese Mistkerle hielten es offenbar für wichtiger, im Viertel ein Exempel zu statuieren und den anderen Geschäftsleuten eine Lektion zu erteilen: Was sie wollten, das bekamen sie. Diesmal würde es jedoch anders sein. Sie würden ihren Willen nicht bekommen, nicht einmal, nachdem sie Blaze getötet hatten. Dafür hatte sie gesorgt. Und Emeline würden sie auch nicht zu fassen kriegen. Dem letzten Menschen auf der Welt, den Blaze liebte, würden sie nichts antun können.

Sie presste die Finger auf die Augen, damit sie aufhörten zu brennen. Blaze hatte seit Tagen nicht mehr geschlafen, seit sie heimgekommen war und die Entdeckung gemacht hatte, dass ihr Vater fort war. Die Tür zur Bar hatte offen gestanden, und der Fußboden war voller Blut gewesen. Blaze war außer sich gewesen, war verzweifelt und aufgelöst durch die Straßen gelaufen und hatte wiederholt die Polizei angerufen, nur um zu hören, dass sie innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden nichts unternehmen konnten, aber jemanden vorbeischicken würden. Doch das hatte sich als falsches Versprechen entpuppt. Und so hatte sie allein in der Wohnung über der Bar gesessen, die Arme um die Knie geschlungen, sich vor und zurück gewiegt wie ein Kind und sich einzureden versucht, dass ihr Vater stark war und auf sich aufpassen konnte. Aber andererseits war da so viel Blut in der Bar gewesen …

Mit Klebeband befestigte sie ein Messer unter dem Tisch gleich neben der Treppe. Falls sie den ersten Angriff überlebte, würde sie einen Fluchtplan brauchen. Sie musste die Treppe mit Waffen versehen. Falls sie es bis zur Wohnung schaffte – und sie wusste, dass die Aussichten gering, wenn nicht gar gleich null waren –, konnte sie über die Feuertreppe auf das Flachdach hinausgelangen. Diesen Weg nahm sie heute noch oft und hatte es mit Emmy getan, seit sie zehn Jahre alt gewesen war. Befand sie sich erst einmal auf dem Dach, konnte sie sich in jede Richtung wenden, denn auch dort oben würde sie Waffen verstecken.

Zwei Gangsterbanden waren in das Viertel gezogen, die erste und brutalste anderthalb Jahre zuvor. Vier Brüder – Iren, ihrem Aussehen nach zu urteilen, die Sean jedoch noch nie zuvor gesehen hatte, obwohl er jeden Iren in der Stadt kannte. Diese vier, unter dem Namen Hallahan bekannten Gangster mit ihren grimmigen Gesichtern und dreisten Forderungen waren die Strohmänner eines der beiden Gangsterbosse, und alle vier wurden schnell brutal und waren extrem gewalttätig. Und die Cops standen auf ihrer Lohnliste. Die Polizisten, die früher Abende und manchmal sogar Tage beim Billardspielen in der Bar verbracht hatten, kamen nicht mehr vorbei. Blaze wusste, dass sie für einen Mann namens Reginald Coonan arbeiteten. Dieser Mann war immer im Verborgenen geblieben, aber er sah gern Blut, und seine Männer liebten die Gewalt.

Einige Monate zuvor hatte ein großer, ausgesprochen gut aussehender Mann in einem schicken Anzug in der Bar vorbeigeschaut und ihrem Vater eine Visitenkarte dagelassen. Diese Karte enthielt jedoch nur eine Telefonnummer, weiter nichts. Der Mann hatte eine leise, angenehme Stimme gehabt und ihnen nur gesagt, sie sollten diese Nummer anrufen, falls sie Schutz benötigten, dann würde jemand kommen. Blaze fand es sehr bezeichnend, dass ihr Vater die Karte nicht weggeworfen hatte, obwohl beide dachten, dass dieser Mann auch nur ein weiterer Gangsterboss war, der Coonans Territorium übernehmen wollte. Sean hatte nie mit ihr über die Begebenheit gesprochen, doch die Visitenkarte hatte er sorgsam gleich neben dem Telefon aufbewahrt.

Blaze hatte sie nie weggeworfen, sie sich aber viele Male angesehen. Schließlich hatte sie ein paar Nachforschungen angestellt, und es war nicht leicht gewesen, die Identität der Gangster herauszufinden, doch zumindest wusste sie jetzt etwas über die vier irischen Brüder. Sie waren in Chicago aufgewachsen und dann in ihre Stadt gezogen. Die Hallahans waren alle klein, muskulös und ungemein beängstigend. Sie waren hergekommen, weil es dort, wo sie aufgewachsen waren, ein bisschen zu heiß für sie geworden war, und wahrscheinlich auch, weil Reginald Coonan, ihr Boss, aus Chicago hergezogen war.

Über die andere Gangsterbande wusste Blaze nur wenig. Der Mann, der in der Bar erschienen und so unaufdringlich aufgetreten war, nannte sich Tariq Asenguard. Er besaß einen Nachtclub, der sehr beliebt im Viertel war. Er war ein stiller Mann, ging anscheinend nur bei Nacht aus und besaß ein riesiges Anwesen, das direkt am Ufer des Flusses lag. Der gesamte Besitz, der viele Tausend Quadratmeter Land umfasste, war eingezäunt, und es befanden sich ein Pförtnerhaus, eine Blockhütte und ein Bootshaus mit einem Boot auf diesem riesigen Grundstück. Blaze hatte keine Ahnung, woher dieser Tariq kam, und alle Wege, über die sie mehr herauszufinden versucht hatte, waren blockiert gewesen.

Jeder wusste, dass er Geld hatte – jede Menge Geld. Darüber hinaus war er ein sehr imposanter, ja fast schon beängstigender Mann. Er konnte einen ganzen Raum einnehmen, indem er ihn einfach nur betrat. Blaze hatte sehr uneinheitliche Berichte über ihn gehört. Die Hälfte der Leute, die ihm begegnet waren, hielten ihn für den Teufel selbst; die andere Hälfte war überzeugt davon, er sei ein Heiliger.

Er hatte einen Partner, einen stillen Teilhaber namens Maksim Volkov, über den niemand irgendetwas wusste. Ihm gehörte das Anwesen, das an Tariq Asenguards Grundstück grenzte, doch kaum jemand hatte ihn je gesehen. Er war zwar Asenguards Partner in dem Nachtclub, doch anders als Tariq Asenguard, der sich oft dort aufhielt und eindeutig der Geschäftsführer des Clubs war, bekamen nur wenige Volkov jemals zu Gesicht. Schon sein Name hatte etwas an sich, das Blaze frösteln ließ – und das, obwohl sie keineswegs zu überspannten Fantasien neigte. Tariq Asenguard war zweifellos ein harter Typ, aber er war klug genug, es nicht zu zeigen. Maksim Volkov dagegen war ihr ein Rätsel. Blaze wusste, dass sie Leute hatten, die für sie arbeiteten und die sie hätte fragen können, doch das spielte jetzt keine Rolle mehr. Es war ihr gleichgültig. Sie hatten ihren Vater nicht ermordet, und deshalb würde sie sich mit ihnen zusammentun: Falls sie starb, sollte jemand die Hallahans für sie erledigen.

Systematisch versteckte sie Waffen überall im Lokal und um die Bar herum, und als das erledigt war, übte sie, so schnell wie möglich an sie heranzukommen. Sie durfte keine Sekunde zögern. Auf jeden Fall wollte sie die Hallahans in den Tod mitnehmen, wenn sie ging. Sie war ruhig und gefasst. Die Nervosität würde erst später kommen. Und dann der Adrenalinstoß.

Blaze warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. Das Tageslicht verblasste allmählich, aber die Straßenbeleuchtung würde heute nicht angehen. Jemand hatte die wie altmodische Gaslichter aussehenden Laternen, die den Straßen eine besondere Note gaben, zerschlagen. Die vier Brüder kamen fast immer bei Nacht. Blaze wusste, dass es sie nicht kümmerte, ob jemand ihre Gesichter sah und beschreiben könnte. Im Viertel waren ohnehin alle viel zu eingeschüchtert, um gegen diese Männer auszusagen.

Und Blaze war nicht der Typ, der sich als Zeugin meldete. Schon gar nicht, da sie nicht einmal einen Moment lang glaubte, dass es je zu einer Verurteilung käme. Diese Männer hatten ihren Vater ermordet. Zuerst hatten sie ihn gefoltert, dann hatten sie ihn getötet und seinen zerschlagenen Körper wie Müll aus einem fahrenden Wagen geworfen, direkt vor die Bar und vor Blaze’ Füße.

Die Brüder hatten genau den richtigen Zeitpunkt abgepasst und waren bei Geschäftsschluss in die Bar gekommen, als Sean gerade die Tür hatte abschließen wollen. Der Gerichtsmediziner sagte, er habe Taserspuren gefunden, Einstichstellen von nicht nur einem, sondern gleich vier Elektroschockern, mit denen ihr Vater überwältigt worden war. Kaum hatten die Kerle ihn außer Gefecht gesetzt, hatten sie brutal zugeschlagen und noch in der Bar eine beträchtliche Menge Blut zurückgelassen. Es war Blaze gewesen, die beim Heimkommen die Bar unverschlossen vorgefunden hatte, das Blut auf dem Boden gesehen und das Verschwinden ihres Vaters entdeckt hatte.

Sie blickte sich um. Das Gebäude – und die Bar – waren über hundert Jahre alt. Sie verstand nicht, warum die Gangster einige der Immobilien hier unbehelligt ließen und sich für andere so brennend interessierten. Ihre Übernahmen schienen wahllos, völlig willkürlich zu sein. Sie hatte versucht, ein Muster darin zu erkennen, konnte aber keines finden. Es waren definitiv nicht die Geschäfte, die sie haben wollten, denn nach dem Erwerb einer Immobilie eröffneten sie den Laden nie wieder. Die Reinigung sechs Türen weiter blieb geschlossen, ebenso der schöne kleine Lebensmittelladen an der gegenüberliegenden Straßenecke. Deshalb waren die Leute in der Nachbarschaft nun gezwungen, für Lebensmitteleinkäufe in ein anderes Viertel zu fahren.

Blaze ging langsam die Treppe hinauf und ließ eine ganze Reihe versteckter Waffen hinter sich zurück. Sie glaubte zwar nicht, dass sie an sie herankommen würde, aber ihr Vater hatte sie gelehrt, alle Eventualitäten in Betracht zu ziehen, und zu überleben war eine dieser Möglichkeiten. Die Wohnung, in der sie aufgewachsen war, war groß. Blaze liebte sie, denn hier war sie ihr Leben lang daheim gewesen.

Daheim. Ihr Vater hatte dieses Zuhause für sie geschaffen und alles getan, damit sie sich dort wohlfühlte. Er hatte viel gelacht. Seine Augen hatten dabei geleuchtet. Wie oft hatte er sie auf dem Arm herumgewirbelt, aus vollem Hals gesungen und sie mit seinem Lachen angesteckt! Er hatte das Leben in vollen Zügen genossen und sich das Gleiche für sie gewünscht.

Blaze hatte gewusst, dass ihr Vater sich mit Frauen traf, aber er hatte sie nie mit nach Hause gebracht. Sie hatte ihn unzählige Male gefragt, warum er nicht wieder heiratete, weil sie immer befürchtet hatte, dass er sich einsam fühlen würde, falls sie einmal jemanden fand, und weil sie nicht gewollt hatte, dass ihr Vater jemals einsam war. »Es macht für mich keinen Sinn, mich mit irgendeiner Frau zufriedenzugeben. Für mich ist es entweder die Richtige oder keine«, hatte er erwidert. Diese Lektion hatte er auf die harte Tour gelernt, und bisher hatte er die Richtige noch nicht gefunden, aber immer noch gesucht.

Blaze hatte sich das stets für ihn gewünscht. Sie wollte, dass ihn noch jemand anderes so liebte wie sie, doch außer Emeline hatte er keinen Menschen voll und ganz in ihr Leben hineingelassen, und vielleicht war es das, was Blaze so vorsichtig gemacht hatte. Sie hatte Verabredungen, ließ sich jedoch nie wirklich auf jemanden ein, weil sie wusste, dass er nicht der eine war. Vielleicht gab es den perfekten Mann, den Richtigen für sie, ja auch gar nicht. Und jetzt würde sie es nie mehr erfahren, weil sie heute Abend sterben würde.

Auf dem Dach bei der Feuertreppe, wo sie von unten nicht zu sehen war, versteckte sie eine Reisetasche mit etwas Kleidung und Geld. Noch zwei weitere Schusswaffen, und das war’s auch schon. Sie war mehr als bereit für ihren Krieg. Ein paar Minuten blieb sie auf dem Dach noch stehen, ließ den Blick über ihr Viertel gleiten und erinnerte sich an das Lachen und Gemurmel von Stimmen, das früher immer zu hören gewesen war. Doch jetzt war alles nur noch … still.

Blaze seufzte und stieg über die Treppe wieder in das Lokal hinunter. Es hatte eine wunderschöne Bar aus elegant geschwungenem Mahagoni, mit langen Spiegeln und ordentlich aufgereihten Flaschen und Gläsern an der Wand dahinter. Blaze war eine gute Barkeeperin, schnell und tüchtig, und eine auffallende Erscheinung. Sie konnte die Flaschen kippen und mit ihnen Tricks vorführen, und an manchen Abenden verlangten ihre Gäste das sogar. Gewöhnlich war ihr Vater dann zurückgetreten, um ihr Platz zu machen. Er hatte den Kopf geschüttelt und gelacht, aber seine Augen hatten stets vor Stolz auf sie gestrahlt.

Trat er nicht zurück, schubste sie ihn mit der Hüfte aus dem Weg und sagte: »Lass mich dir zeigen, wie’s gemacht wird, alter Mann!«, um dann ein paar besonders ausgefallene Kunststücke zu zeigen, um die Gäste anzuheizen. Wenn sie das tat, hatten sie immer eine fabelhafte Nacht. Da es ihnen auch Scharen von Gästen aus anderen Vierteln bescherte, war die Bar fast immer gut besucht. Es fehlte ihnen nicht an Geld. Aber die Gangster, die ihren Vater ermordet hatten, waren nicht hinter diesem Geld her. Sie wollten ihr Zuhause. Das ganze Gebäude. Doch sie würden es nie bekommen, nicht einmal nach ihrem Tod.

Blaze griff nach dem Telefon, um die Nummer auf der Visitenkarte zu wählen, und tippte ungeduldig mit der Karte auf die Bar, während sie wartete. Schon nach dem zweiten Klingelzeichen meldete sich jemand.

»Ja, bitte?« Die Stimme war weich, maskulin und schon fast unheimlich schön. Der Mann, dem sie gehörte, war jedoch eindeutig nicht derselbe, der in die Bar gekommen war und seine Karte hinterlassen hatte. Dieser Mann hier hatte einen Akzent, den Blaze nicht zuordnen konnte. Er klang gefährlich, wie ein Mann, der es nicht nötig hatte, seine Stimme zu erheben, um einen Raum voller Menschen zu beherrschen. Wie ein Mann, den man nicht – niemals – verärgern wollte.

»Ich bin Blaze McGuire. Jemand mit dieser Telefonnummer kam vor ein paar Wochen bei uns vorbei. Die Hallahan-Brüder haben meinen Vater ermordet und sind jetzt hinter mir her. Sie werden jeden Moment kommen. Nach meinem Tod werden Sie einen Umschlag mit den Besitzurkunden unserer Immobilien erhalten. Tariq Asenguard und Maksim Volkov werden sie erben. Danach können Sie sich mit dem befassen, was von den Hallahans nach dieser Nacht noch übrig sein wird.«

Ein kurzes Schweigen folgte, dann flüsterte diese Stimme ihr gebieterisch ins Ohr: »Machen Sie, dass Sie dort hinauskommen! Auf der Stelle!«

Blaze erstarrte. Ihre Finger umklammerten das Telefon, und ihr war, als hallte jedes einzelne Wort in ihrem Körper nach. Er verstand diese Stimme sehr gut einzusetzen. Selbst durch das Telefon wollte Blaze ihm gehorchen, obwohl ihr das gar nicht ähnlich sah – manchmal war es ihr sogar schwergefallen, Sean zu gehorchen.

»Das kann ich nicht«, entgegnete sie leise. »Ich werde heute Nacht sterben, und diese Gangster werden bezahlen. Falls die Hallahans jedoch nicht hereingelangen und ich nicht da bin, seien Sie vorsichtig! Die ganze Bar ist verdrahtet, um in die Luft zu fliegen. Ein falscher Schritt, und Sie sind tot. In dem Umschlag werden Sie Anweisungen finden, wie Sie hier alles entschärfen können. Wohin Sie gefahrlos treten können und was Sie vermeiden sollten. Wie Sie sicher durch das Labyrinth von Drähten gelangen.«

»Blaze. Nichts wie raus da!«

Er sprach ihren Namen aus, als würde er sie kennen, sehr gut kennen. Als hätte er das Recht, um sie besorgt zu sein und sie zu beschützen. Als gehörte sie ihm. Blaze war ein Name, der ihr ganz und gar nicht feminin erschien, doch er machte ihn dazu, indem er ihn mit seinem fremdartigen Akzent liebkoste und in etwas völlig anderes verwandelte.

Unwillkürlich strich sie mit der Zunge über ihre Oberlippe, und ihr stockte der Atem. Sie musste sich gegen den Zauber seiner Stimme wehren.

»Sie verstehen nicht«, sagte sie. »Und das brauchen Sie auch nicht. Ich muss das tun. Die Mörder meines Vaters werden nicht ungestraft davonkommen.«

»Nein, meine Liebe, das werden sie nicht. Aber was Sie da vorhaben, ist nicht der richtige Weg. Verschwinden Sie also von dort, und warten Sie auf uns! Wir sind schon unterwegs.«

Irgendetwas an der Art, wie seine Stimme scheinbar über ihren Körper glitt, ihn streichelte wie die Liebkosung einer etwas rauen Zunge und doch immer noch gebieterisch, sandte ihr einen kalten Schauder über den Rücken. Vor allem jedoch wollte sie dem Mann gehorchen. Nicht aus Angst zu sterben, sondern weil der gebieterische Unterton in seiner Stimme ihr in einer Art und Weise naheging, die ihr unerklärlich war.

»Das kommt nicht infrage«, flüsterte sie mit klopfendem Herzen. Sie hatte das Gefühl, dass er schon in Bewegung war und sich auch noch sehr schnell bewegte. »Diese Kerle haben meinen Vater umgebracht.«

»Ich weiß, draga mea.« Seine Stimme war jetzt sogar noch sanfter, überzeugender und floss in ihr Bewusstsein ein, bis sie Wärme verspürte, wo nur Finsternis und Kälte gewesen waren. Und Zorn. Wo sie diesen Zorn festhalten musste und dem Zauber seiner Stimme nicht erlauben durfte, diese Kälte zu vertreiben. »Wir werden das für dich erledigen, und diese Männer werden bezahlen. Bring dich in Sicherheit, draga mea! Wir sind schon auf dem Weg.«

Blaze drückte fest die Hand ans Herz. Es schlug viel zu schnell und hart. Ihr Mund war mit einem Mal wie ausgedörrt. Sogar ihr Kopf schmerzte – als protestierte ihr ganzer Körper dagegen, dass sie sich diesem Mann widersetzte. Was überhaupt keinen Sinn für sie ergab. Sie war immer selbstständig und in der Lage gewesen, sich anderen gegenüber zu behaupten. Doch nun, da sie nicht mehr mit dem Fremden reden wollte, konnte sie nicht einmal die Finger von dem Telefon lösen. Sie stand nur da, mit der Hüfte an die Bar gelehnt, weil die sie aufrecht hielt, und zitterte am ganzen Körper, obwohl nicht einmal der sichere Tod vor Augen sie zum Zittern hatte bringen können.

»I … ich …«, hörte sie sich stammeln. Sie brauchte nur den Hörer aufzulegen, doch das konnte sie nicht, weil ihre Finger ihr einfach nicht gehorchen wollten.

»Du willst doch nicht, dass deine schöne Bar in die Luft fliegt«, flüsterte die Stimme an ihrem Ohr. »Unsere Methode ist viel besser. Du wirst deinen Besitz behalten. Ihn und dein Zuhause. Und die Nachbarschaft wird von einigen weiteren dieser Bestien befreit sein.«

Wie sanft diese Stimme war! Und wie vertraut sie ihr erschien! Als wären sie miteinander im Bett, in so inniger Umarmung, dass sie ihn fast schon in sich spüren konnte. Und sie konnte das Telefon nicht weglegen, weil sie wie hypnotisiert von seiner Stimme war. Blaze starrte aus dem großen Fenster, das nahezu eine ganze Wand einnahm. Auf der anderen Seite des Fensters befanden sich eiserne Gitterstäbe. Sie hatte geweint, als sie sie anbringen lassen mussten. Fast ihr ganzes Leben hatte Blaze hier in völliger Freiheit gelebt, und dann hatte jemand den Entschluss gefasst, ihr Viertel nach und nach zu zerstören.

»Hier sterben Menschen.«

»Ich weiß, draga mea. Wir werden dem ein Ende machen, aber diesen Kerlen dein Leben zu opfern wäre nur ein weiterer Sieg für sie.«

»Sie haben meinen Vater umgebracht«, entfuhr es ihr. Sie hatte nicht geweint, als es passiert war. Sie hatte es sich verboten, selbst als sie es Emeline erzählt hatte. Erst später würde sie sich erlauben, Tränen zu vergießen. Erst wenn die Männer, die Sean ermordet hatten, in der Hölle schmorten. »Sie haben ihm sämtliche Knochen gebrochen und ihn dann getötet.«

»Ich weiß, inimǎ mea«, flüsterte er.

Blaze hatte keine Ahnung, welche Sprache er sprach, nur, dass er im intimsten Tonfall mit ihr redete, den sie je gehört hatte. Sie wagte nicht, den Blick vom Fenster abzuwenden, weil sie sonst einfach die Augen geschlossen hätte, um seine Stimme in sich festzuhalten. Blaze wünschte, sie hätte ihn gekannt, bevor sie innerlich versteinert war. Bevor das in ihr glimmende Feuer zu einem Flächenbrand geworden war, der vor Rachsucht außer Kontrolle geraten war.

»Lass uns das erledigen! Das ist unser Metier.«

»Später.« Blaze schob das Kinn vor und straffte die Schultern. »Sie können sich später um sie kümmern.« Diesmal zwang sie sich, ihre Finger um das Telefon zu lockern. Seine Stimme war so fesselnd und hypnotisch, dass sie beinahe glauben könnte, er sei ein finsterer Hexenmeister, der darauf aus war, sie allein durch seinen Tonfall zu beherrschen. Aber sie neigte ja nicht zu Spinnereien. Sie war dazu erzogen worden, mit jedem Problem fertigzuwerden, und der Mord an ihrem Vater war ein sehr persönliches Problem. »Später«, wiederholte sie leise. »Kümmern Sie sich später um sie!«

»Warte, Blaze! Warte auf mich!«

Diese Stimme … Sie schien in ihr zu sein, in ihrem Kopf und überall, und sie von innen heraus zu liebkosen. Blaze hatte sich ihr Leben lang auf sich selbst oder auf ihren Vater verlassen. Das hatte Sean sie gelehrt und ihr damit dieses Selbstvertrauen gegeben. Doch die Stimme des Fremden und der Eindruck, als hätte sie von ihrem Kopf Besitz ergriffen, gaben ihr das Gefühl, als wäre sie ohne ihn nicht mehr die alte Blaze. Als wäre sie halt- und hilflos ohne ihn.

»Dann tu wenigstens das für mich: Geh hinauf in deine Wohnung! Ich bin in etwa vier Minuten da. Dann können wir uns zusammen um sie kümmern. Geh hinauf! Ich werde vom Dach zu dir herunterkommen, sobald wir sie losgeworden sind, und dann werden wir einen Plan schmieden. Zusammen.«

Blaze schloss die Augen und zwang ihre tauben Finger, sich zu bewegen und den Hörer aufzulegen. Kaum war es ihr gelungen, wurde ihr übel. Vor allem jedoch schmerzte ihr der Kopf, und zwar so schlimm, dass er dröhnte, als wären durch das Auflegen in ihrem Schädel kleine Presslufthämmer zurückgeblieben. Blaze drückte eine Hand an ihren verkrampften Magen und griff nach einer der Schusswaffen, die auf der Bar lagen. Dass ihre Finger dabei zitterten, schockierte sie.

Sie war von äußerster Entschlossenheit, was die Bestrafung der Mörder ihres Vaters anging. Natürlich hatte sie auch Angst. Niemand wollte sterben. Aber sie war zuversichtlich und fühlte sich ihrer Sache voll und ganz verpflichtet. Trotzdem zitterte ihre Hand, obwohl ihr das noch nie zuvor passiert war … So heftig hatte die Stimme des Fremden sie aus dem Gleichgewicht gebracht.

Eine elektrisierende Hitze erwachte jäh in ihrer Magengrube, und ein wohliges Erschauern durchlief sie. Sie hätte den Besitzer dieser Stimme gern kennengelernt … doch andererseits vielleicht auch nicht. Sie sprach andauernd mit Männern, wobei die Theke sie allerdings immer trennte. Dort konnte sie lachen und flirten, weil sie wusste, dass es diese Grenze gab, die niemand überschritt. Die Stimme des Fremden hatte nun jedoch jede Barriere überschritten.

Blaze schob das Magazin in ihre Waffe und wandte sich dem Fenster zu, das teilweise vom Tresen verdeckt wurde. Draußen sah sie das Scheinwerferlicht eines Wagens, der die Straße herunterraste und auf ihr Lokal zuhielt, und wusste sofort, dass sie es waren. Die Hallahans. Sie waren gekommen. Blaze’ Magen beruhigte sich, und sie konnte den Adrenalinstoß spüren, der durch ihre Adern ging. Sie holte ein paar Mal tief Luft, als der große SUV gegen die Bordsteinkante prallte und mit kreischenden Bremsen zum Stehen kam. Alle vier Türen sprangen auf und spuckten die Insassen des Wagens aus.

Sie konnte sie nur allzu deutlich sehen, selbst im nachlassenden Tageslicht, da sie die Glühbirnen an der Außenfassade des Lokals ausgetauscht hatte, um den Gehsteig zu erhellen. Dazu hatte sie sehr starke Birnen mit hoher Wattleistung genommen, ohne sich um die Kosten des Stromverbrauchs zu scheren. Sie würde ohnehin nicht mehr da sein, um die Rechnung zu bezahlen. In diesem Licht betrachtete sie jetzt die Männer – nein, es waren Ungeheuer –, die ihren Vater getötet hatten. Diese Bestien, die ihm mit voller Absicht die Knochen gebrochen hatten, um ihn zu foltern. Sie hätten sie anrufen können, um zu verhandeln, doch das hatten sie nicht getan. Weil sie es genossen hatten, ihn zu quälen.

Blaze wandte den Blick nicht von dem Fenster ab und beobachtete, mit welch selbstbewussten Schritten die Hallahans den Bürgersteig heraufkamen und wie ihre bulligen Gestalten zusammenrückten, als sie sich der Tür zur Bar näherten.

Dann wurde alles still. Die Zeit blieb stehen wie so oft vor einem Kampf. Blaze’ Aufmerksamkeit konzentrierte sich jetzt völlig auf die Tür. Sie wurde sich des Pochens ihres Herzens bewusst, jedes einzelnen schnellen Schlags, und des Rauschens ihres Blutes, das durch ihre Adern raste. Alles um sie herum wurde still. Totenstill. Sie hörte keinen Verkehr mehr. Nicht einmal die schweren Schritte der Männer in ihren Stahlkappenstiefeln, die näher kamen. Für Blaze gab es nur noch sie selbst und die Schusswaffe in ihrer Rechten.

Ihre Hand war jetzt sicher und ruhig, und Blaze holte langsam Atem, während sie das Fenster beobachtete und den Türgriff der Bar im Auge hielt. Falls sie den berührten, um die Tür zu öffnen, würde das die Bombe zünden.

Ganz unvermittelt zogen sich die Hallahans jedoch zurück, alle vier, und bewegten sich schnell wieder auf ihren Wagen zu. Blaze trat einen Schritt vor und stieß dabei gegen die Bar. Ungläubig schüttelte sie den Kopf. Sie konnten nicht einfach wieder gehen! Blitzschnell ging sie um den Tresen herum und verhielt abrupt den Schritt, als sie das Netz aus Drähten sah. Das ganze Lokal war eine einzige Falle. Es würde eine gute Stunde dauern, alles wieder abzumontieren. Was hatte die Kerle gewarnt? Sie waren nicht einmal bis in die Nähe des Eingangs gekommen. Verdammt, verdammt,verdammt!

Kapitel 2

Fluchend rannte Blaze die Treppe zu ihrer Wohnung hinauf, die automatische Waffe in der Hand. Oben angekommen lief sie durch die Wohnung auf die Feuerleiter zu, hängte sich das Schnellfeuergewehr um und schaffte es auf das Dach, bevor der SUV mit den Hallahans schon ganz am Ende ihrer Straße war. Er war schnell, doch als sie sich über das massive Betongeländer beugte, konnte sie noch immer alle vier im Wagen sehen.

Für einen Moment schloss sie die Augen. Nun würde sie den Kampf zu ihnen tragen müssen, auf ihr Territorium, was niemals eine gute Idee war. Und bis dahin konnte sie ihre Bar nicht allein lassen – nicht mit all den Sprengkörpern versehen. Falls irgendjemand Harmloses versuchte hineinzugelangen, könnte das sehr schlimm werden. Entmutigt lehnte sie sich an die niedrige Brüstung und zog langsam die Halterung der Waffe über ihren Kopf.

All diese Vorbereitungen, und jetzt würde sie noch einmal ganz von vorn beginnen müssen. Sie wusste, wo die Hallahans sich verkrochen. Ihnen gehörte ein Striplokal nur einige Blocks entfernt. Na ja, nicht ihnen, aber ihrem Boss, dem gesichtslosen Mann, der sich Reginald Coonan nannte. Es gab keine Fotos von Coonan, überhaupt keine, obwohl er eine beträchtliche Anzahl von Immobilien in ihrem Viertel besaß und auch ein paar Gebäude zwischen diesem hier und dem, in dem sich das Striplokal befand.

Es gab allerdings keine Immobilien in Wohnvierteln, die auf die Hallahans oder Reginald Coonan eingetragen waren, was bedeutete, dass sie sich noch viel mehr würde anstrengen müssen, um an sie heranzukommen. Sie würde mit dem Club beginnen, der Coonan gehörte, aber sie hatte keine Ahnung, wo er oder die Hallahan-Brüder ihren Wohnsitz hatten. Blaze stieß ein paar weitere Flüche aus und starrte auf die inzwischen leere Straße hinab. Nichts rührte sich. »Verdammt!«, wiederholte sie, als sie zur Feuertreppe zurückkehrte, um wieder zu ihrer Wohnungstür herabzusteigen. »Verdammt noch mal!«

Den Schlupfwinkel der Gangster aufzusuchen würde sehr gefährlich sein und völlig andere Taktiken erfordern. Blaze wollte nicht, dass Unschuldige verletzt wurden, vor allem nicht die Tänzerinnen und Angestellten in dem Club. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass die Hallahans die Stripperinnen mit Respekt behandelten oder sich etwas daraus machen würden, wenn die Frauen in ein Kreuzfeuer gerieten.

Sie entfernte das Magazin aus ihrer Waffe und warf es auf den Küchentisch. Blaze hatte die Baupläne des Clubs. Es war nicht einmal sehr schwierig gewesen daranzukommen. Über dem Club befand sich eine Wohnung, ähnlich wie die über ihrer eigenen Bar, doch die bewohnten sie nicht, sondern benutzten sie nur, um sich mit Frauen zu vergnügen. Wo lebten die Hallahans also? Blaze seufzte. Sie würde sie wohl noch eine Weile beobachten und verfolgen müssen, um Möglichkeiten zu finden, gegen sie vorzugehen, ohne Unschuldige zu gefährden.

Resigniert stieg Blaze die Stufen zur Bar hinunter. Sie hatte viel Arbeit vor sich, um all die Fallen und Sprengkörper zu entfernen, mit denen sie das Lokal versehen hatte. Zunächst einmal sammelte sie die Waffen ein, die sie auf der elegant geschwungenen Treppe platziert hatte, und bahnte sich dann vorsichtig einen Weg zum Tresen. Sie hatte jedoch kaum zwei Schritte gemacht, als sich kräftige Arme um sie legten und große Männerhände ihr die Waffen abnahmen.

Blaze’ Herz raste. Sie fuhr mit erhobenen Händen herum, bereit, sich zu verteidigen, aber auch schockiert darüber, dass jemand in die Bar hatte gelangen können, ohne sich dabei in die Luft zu jagen. Beinahe noch beängstigender war, dass sie weder ein Geräusch gehört noch die Anwesenheit eines anderen Menschen gespürt hatte. Der Mann, dem sie sich gegenübersah, stand nun schon in einiger Entfernung von ihr, und wieder hatte sie keine Bewegungen gesehen. Er wartete völlig reglos ab, die Arme entspannt an den Seiten und die ihr abgenommenen Waffen locker in den Händen.

Blaze holte tief Luft, denn selbst ohne seine Stimme zu hören, wusste sie schon sehr gut, wen sie hier vor sich hatte. Dieser Mann musste Tariq Asenguards stiller Teilhaber sein. Sie hatte noch nie einen attraktiveren Mann gesehen, allerdings war er nicht im herkömmlichen Sinn attraktiv, denn dazu wirkte er zu hart. Aber er war zweifelsohne sexy und ausgesprochen maskulin. Er hatte breite Schultern; sein Haar war schwarz wie die Nacht und mindestens schulterlang. Er hatte es zurückgenommen und am Hinterkopf mit einem Lederband zusammengefasst. Blaze trat einen Schritt zurück. Sie war kein Feigling, wirklich nicht. Aber dieser Mann war nicht nur gefährlich, sondern richtiggehend Furcht einflößend. Seine Augen waren die schwärzesten – und kältesten –, die sie je gesehen hatte. Und sein Gesicht war völlig ausdruckslos. Er wirkte unnahbar. Distanziert und eiskalt.

Sein Blick glitt über sie und ließ sie frösteln. Ihm entging nichts. Er ließ sich Zeit mit seiner Musterung. Noch immer stand er unbewegt wie eine Statue da, und dennoch vermittelte er den Eindruck, dass er jederzeit mit allem fertigwerden würde. Und alles, ohne eine Miene zu verziehen.

Blaze wusste, dass er nicht im Entferntesten so wie die Hallahans war. Sie hatten Freude an Gewalt. Dieser Mann dagegen hatte an gar nichts Freude. Er war zu distanziert dafür, als wäre er über alles Menschliche hinaus. Gefühle schienen ihm fremd zu sein. Er konnte gewalttätig werden, doch er würde nicht einmal den kleinsten Anflug von Gefühl dabei verspüren.

Die Zeit verlangsamte sich – bis sie scheinbar ganz zum Stillstand kam. Blaze stockte sekundenlang der Atem, und sie trat einen weiteren Schritt zurück und auf die Theke zu. Einen winzigen Moment nur ließ sie den Blick durch das Lokal gleiten. Das Netz aus Drähten war verschwunden. Etwas, wofür sie eine Stunde oder länger gebraucht hätte, um es zu entwirren, hatte dieser Mann in wenigen Minuten geschafft. Auch wie er hereingekommen war, war ihr immer noch ein Rätsel.

Es war ein schrecklicher Fehler gewesen, Maksim Volkov und Tariq Asenguard als Verbündete auszuwählen. Sie hatte ihnen von dem Umschlag mit den Papieren erzählt, die sie zu den Eigentümern ihres Besitzes machen würden, wenn sie starb. Die Hallahans hatten kehrtgemacht und waren wieder abgezogen, ohne auch nur eine Waffe zu ziehen. Waren die beiden Gangsterbanden in Wirklichkeit Verbündete und bearbeiteten gemeinsam dieses Viertel?

Blaze wusste, dass der Partner dieses Fremden nicht weit entfernt war, sondern hier bei ihnen im Lokal. Sie konnte spüren, dass er sich irgendwo hinter ihr befand. Hoffentlich nicht zu nahe, dachte sie, als sie sich an die Pistole erinnerte, die unter dem Rand des Tresens festgeklebt war. Sie musste irgendwie an sie herankommen. Asenguard und Volkov konnten nicht alle Waffen gefunden haben, wenn sie vorher alle über den Raum verteilten Sprengladungen entschärft hatten.

»Versuch es nicht einmal!«, sagte er leise, als sie sich in Bewegung setzte.

Sie ignorierte den seltsamen Drang, sich von seinen Worten beherrschen zu lassen, und da sie zum Glück schon in Bewegung war, warf sie sich in einer Aikidorolle über die Bar und riss die Waffe unter dem Rand des Tresens los. Doch kaum spürte sie das beruhigende Gewicht des Schafts in ihrer Hand und schloss die Finger darum, wurde ihr Handgelenk von einer so harten Faust ergriffen, dass sie die Waffe weder loslassen noch benutzen konnte. Außerdem drückte ihr Angreifer ihren Arm an seine Brust, sodass der Lauf der Waffe von ihm wegzeigte.

Sie konnte ihren Gegner riechen. Es war ein ausgesprochen maskuliner Duft. Er roch gut. Zu gut. Und er fühlte sich an wie ein Fels, so hart und unnachgiebig, als trüge er eine Rüstung statt Haut am Körper. Instinktiv hielt Blaze den Atem an, als befürchtete sie, irgendetwas von ihm in sich aufzunehmen.

»Ich will dir nicht wehtun, Blaze«, sagte er dicht an ihrem Ohr. »Du weißt ganz offensichtlich, was du tust, und ich kann kein Risiko eingehen. Gib mir die Waffe!«

Da war er wieder – dieser Drang, ihm zu gehorchen. Sie hatte ihrem eigenen Vater kaum jemals gehorcht. Wieso hatte sie also auf einmal ein solches Bedürfnis zu tun, was dieser Mann ihr sagte? Etwa nur des leisen, so sanften Klanges seiner Stimme wegen? Blaze hatte keine Ahnung, doch sie durfte sich nicht von ihm aufhalten lassen. Wenn sie innehielt, und sei es nur für einen Moment, würde sie sich wieder dem Anblick ihres toten Vaters stellen müssen, wie er blutig und mit gebrochenen Knochen aus einem fahrenden Auto geworfen wurde, über den Gehsteig rollte und neben der Tür und direkt vor ihren Füßen liegen blieb.

Reflexartig verkrampften sich ihre Finger um den Schaft, und sie versuchte, ihr Gewicht zu verlagern, um ihn ins Straucheln zu bringen. Doch er zeigte keinerlei Reaktion. Seine Haltung veränderte sich nicht. Auch seine Finger blieben fest und lockerten sich nicht. Er schien nicht einmal Luft zu holen. Blaze war sich plötzlich gar nicht sicher, dass er menschlich war. Er war zu ruhig, zu selbstsicher. Und er sah zu leicht jede ihrer Bewegungen voraus, obwohl sie sehr gut ausgebildet war.

»Blaze.«

Plötzlich hatte sie Schmetterlinge im Bauch, Hunderte von Schmetterlingen. Das war ihr noch nie passiert. Ihr Magen geriet sonst niemals ins Flattern; sie reagierte nicht körperlich auf Männer. Besonders dann nicht, wenn der Mann ein Feind war. Außerdem war ihr Vater gerade erst begraben worden. Trotzdem nickte sie langsam, weil ihr keine andere Wahl blieb. Ein Arm, der sich wie ein eisernes Band anfühlte, lag um ihren Bauch und hielt sie fest, sodass sie sich nicht mehr bewegen konnte.

Wieder nickte sie, schluckte und versuchte, ihren Verstand dazu zu bringen, über das Gefühl, gefangen und handlungsunfähig zu sein, hinauszudenken und sich einen Plan zurechtzulegen. Sie versuchte zu ignorieren, wie sein männlicher Körper sich an ihrem anfühlte, und sich nicht ihrer Weiblichkeit bewusst zu sein.

»Lassen Sie mich los!«, zischte sie. Auch sie sprach mit leiser Stimme, die jedoch nicht einmal annähernd so autoritär wie seine klang. Eher unsicher sogar. Und sie war auch unsicher.

»Gib mir die Waffe, dann lasse ich dich los! Ich werde dir nichts antun. Und Tariq auch nicht. Wir sind hergekommen, um dir zu helfen. Du hattest uns darum gebeten, oder hast du das bereits vergessen?«

Blaze lockerte den Griff ihrer Finger und ließ sich die Waffe aus der Hand nehmen. Das eiserne Band um ihren Bauch verschwand, und auch der Mann war nicht mehr da. Wieder hatte er sich so lautlos bewegt, dass sie es nicht gehört hatte, aber sie wusste, dass er nicht mehr hinter ihr stand, weil er alle Wärme mitgenommen hatte.

»Ich erinnere mich, Sie gebeten zu haben, nicht hierherzukommen, bevor alles vorbei ist«, erwiderte sie betont. Dann drehte sie sich langsam um und ließ den Blick durch das Lokal gleiten. Und jetzt entdeckte sie auch den anderen: Tariq Asenguard. Ihr Herz schlug noch schneller, sofern das überhaupt noch möglich war. Er sah genauso unnahbar aus wie sein Partner. Blaze hatte immer gedacht, dass Nachtclubbesitzer charmante und lebenslustige Leute waren, doch diese beiden Männer waren eiskalt. »Und eigentlich habe ich es mir sogar ganz und gar anders überlegt und möchte, dass Sie beide gehen.«

»Ich bin Tariq Asenguard«, stellte sich der Mann zu ihrer Linken vor und deutete mit einer Handbewegung auf den anderen – den mit der faszinierenden Stimme. »Und das ist Maksim Volkov. Wir haben es sehr bedauert, vom Tod Ihres Vaters zu erfahren. Er war ein anständiger Mann.«

Blaze erschrak. Sie konnte nicht über ihren Vater reden. Sie konnte nicht mal an ihn denken. Denn andernfalls würde sie vollkommen zusammenbrechen, und die Männer, die ihn ermordet hatten, würden genauso ungestraft davonkommen, wie sie schon mit der Ermordung anderer davongekommen waren.

»Mr. … Asenguard, ich danke Ihnen beiden, dass Sie so schnell gekommen sind, doch die Hallahans sind gleich wieder umgekehrt und haben die Flucht ergriffen. Und nun werde ich sie auf ihrem Territorium bekämpfen müssen …«

Maksim veränderte seine Haltung, worauf Blaze’ Blick zu ihm hinüberglitt. Sein Gesichtsausdruck war noch immer derselbe, aber eine Gefühlsregung flackerte in seinen Augen auf. Etwas Gefährliches erschien für den Bruchteil einer Sekunde in seinem Blick und war dann genauso schnell auch wieder verschwunden. Jetzt waren seine Augen wieder kalt wie Eis. Wie Gletschereis. Doch seine Bewegung, so minimal sie auch war, hatte ihn näher an sie herangebracht.

Blaze konnte wieder seine Hitze spüren. Es war jedoch keine angenehme Hitze. Obwohl sein Gesicht völlig ausdruckslos war, spürte sie den von ihm ausgehenden Zorn, der dem Raum die Luft entzog und sie durch etwas Schweres und Erdrückendes ersetzte.

Unwillkürlich wich Blaze zurück und stieß mit dem Rücken gegen den Tresen. Maksim trat einen Schritt auf sie zu, und dieser eine Schritt brachte ihn sogleich in ihren Bereich, wo er auch sofort beide Arme ausstreckte, um rechts und links von ihr die Kante der Theke zu umfassen, sodass sie wieder einmal gefangen war.

»Wollen Sie sich umbringen lassen? Ist das Ihr Endziel hier?«, stieß er zwischen blendend weißen Zähnen hervor.

Blaze ertappte sich dabei, dass sie seinen Mund anstarrte. Was für Zähne! Sie waren stark und gerade, aber nicht perfekt, weil zwei von ihnen fast schon in einer Spitze endeten und sehr … scharf aussahen. Blaze’ Herz vollführte einen Satz beim Anblick seines Mundes. Sinnlich, verführerisch, mit sehr schön konturierten Lippen. Dazu hatte er eine gerade, schmale Nase, die ihm ein aristokratisches Aussehen verlieh. Aber die Augen – wie kalt sie waren! Und wie schwarz! Trotz der Schwärze erinnerten sie sie an einen undurchdringlichen und bislang völlig unberührten Gletscher.