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"Im Garten des Propheten" berichtet von der Rückkehr des Propheten auf die Insel seiner Geburt und in den Garten mit den Gräbern seiner Eltern, die in seiner Abwesenheit gestorben sind. Die erstmals 1934 postum veröffentlichte Erzählung setzt Gibrans Welterfolg "Der Prophet" fort. Es ist ein nachdenklich stimmendes und zutiefst poetisches Buch, das nach dem Sinn des Leidens, nach der Einsamkeit und nach Gott fragt.
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Seitenzahl: 48
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Über das Buch
Impressum
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Khalil Gibran
Im Garten des Propheten
Aus dem Englischen übersetztvon Ursula Assaf-Nowak
Patmos Verlag
Vorwort
Der Garten des Propheten
Die Prophetenbücher hatte Gibran eigentlich als Trilogie konzipiert. Das erste Buch Der Prophet beginnt mit Almustaphas Abschiedsrede vor den Bürgern von Orphalese. Bevor sein Schiff in See sticht, beantwortet er die Fragen, die ihm die Bewohner von Orphalese stellen. Es sind Fragen praktisch-moralischer Natur, die beispielsweise die Arbeit, die Kleider, die Häuser, aber auch die Liebe, die Ehe und die Kinder betreffen.
Der zweite Teil der Trilogie trägt den Titel Der Garten des Propheten. Er berichtet von der Rückkehr des Propheten auf die Insel seiner Geburt und in den Garten mit den Gräbern seiner Eltern, die in seiner Abwesenheit gestorben sind. Im Deutschen hat sich der Titel Im Garten des Propheten durchgesetzt.
Vom dritten Teil der Trilogie, der den Titel Der Tod des Propheten tragen sollte, existiert nur der folgende Satz: »Er wird in die Stadt Orphalese zurückkehren, und sie werden ihn auf dem Marktplatz zu Tode steinigen, und er wird jeden Stein segnen.« (Karam 173 f.)
Auch im zweiten Teil ImGarten des Propheten geht es wieder um Fragen der Inselbewohner und der Seeleute, die Almustapha ihnen beantwortet. Aber diese Fragen sind metaphysischer Art, die nach dem Sinn des Leidens, nach der Einsamkeit und nach dem Leid, nach dem Tod und nach Gott fragen. Auf die Frage nach dem Sein antwortet er seinem Schüler: »Es bedeutet: der Schönheit zu folgen, auch wenn sie euch an den Rand des Abgrunds führt, und selbst wenn sie Flügel hat und ihr keine; ja, ihr sollt ihr sogar folgen, wenn sie über den Abgrund schwebt, denn wo es keine Schönheit gibt, gibt es nichts.« (45) Und auf die Frage: »Was hast du über Gott zu sagen?« antwortet er: »Stellt euch ein Herz vor, das all eure Herzen enthält, eine Liebe, die all eure Liebe umfasst, einen Geist, in dem sich der Geist eines jeden von euch wiederfindet.« (37)
Mit Karima, der Nachfolgerin Al-Mitras, aus dem ersten Band sowie neun Jüngern, in denen man unschwer die neun Mitglieder der von ihm gegründeten Schriftstellervereinigung Al-Rabita erkennen kann (Karam 193), geht er auf den Marktplatz und predigt den dort Versammelten: »Ihr seid Geist, obgleich ihr euch in euren Körpern bewegt; wie das Öl,das im Dunkeln brennt, seid ihr Flammen, die in Lampen eingeschlossen sind.« (28) Dieses Buch schließt mit der großartigen Hymne an den Nebel, in der auch Gibrans Überzeugung der Wiedergeburt anklingt, wenn er schreibt: »Zusammen werden wir über dem Meer schweben / bis zum zweiten Tag des Lebens / wenn die Morgendämmerung dich als Tautropfen / in einen Garten legt / und mich als Säugling an die Brust einer Frau.« (60)
Karima, seine Spielgefährtin aus Kindertagen, hatte seiner Mutter nach ihrem Tod die Augen geschlossen. Ihr Name ist nicht von ungefähr gleichlautend mit dem seiner Mutter Kamila, und er erinnert auch an Mary Haskell, die ihn so großzügig unterstützt hat, denn die Bedeutung von Karima ist »großzügig«. (Dahdah 482)
Im Oktober 1924 hatte Gibran Mary geschrieben: »Das Buch des Propheten wächst in der Stille.« Parallel dazu hatte er eine Arbeit über Shakespeare begonnen, die aber nie vollendet wurde. »Ich sollte vielleicht lieber zuerst den Propheten fertig stellen, bevor ich an Shakespeare weiterarbeite«, heißt es in einem anderen Schreiben an Mary. (Geliebte Mary 117)
Und dennoch waren bei seinem frühen Tod am 10. April 1931 die Arbeiten an diesem Band noch nicht abgeschlossen. Nach Angaben seiner Sekretärin und Biografin Barbara Young existierten wohl die Texte, aber es fehlte der rote Faden, um sie daran aufzureihen, was sie dann selber vor der Drucklegung besorgte. (Young 131 f.)
Es bleibt offen, ob sie vielleicht auch Texte hinzufügte, die anderweitig bestimmt waren, und wie groß ihr Anteil an diesem Werk tatsächlich ist, das zwei Jahre nach Gibrans Tod erschien.
Ursula Assaf-Nowak
Bibliografie
Jean-Pierre Dahdah: Khalil Gibran. Eine Biographie. Zürich 1997
Antoine Gattas Karam: La Vie et l’Oeuvre Littéraire de Gibran Halil Gibran. Beirut 1981
Khalil Gibran: Geliebte Mary. Briefe von Khalil Gibran an Mary Elizabeth Haskell. Zürich/Düsseldorf 2001
Barbara Young: Khalil Gibran. Die Biografie. Grafing 1994
ALMUSTAFA, DER ERWÄHLTE UND GELIEBTE, der seiner Zeit als Mittag des Lebens galt, kehrte im Monat Tischrin* auf die Insel zurück, wo er das Licht der Welt erblickt hatte.
Als sein Schiff den Hafen erreichte, stand er am Bug, umgeben von den Seeleuten. Und Freude über die Heimkehr erfüllte sein Herz.
Mit einer Stimme, in der das Meer nachhallte, sagte er: Seht die Insel unserer Geburt! Hier hat uns die Erde hervorgebracht – als Lied und als Rätsel; als Lied für den Himmel und als Rätsel für die Erde. Und welche Macht zwischen Himmel und Erde könnte das Lied emportragen und das Rätsel lösen, wenn nicht die Liebe?
Einmal mehr bringt uns die See an diese Küste zurück. Wir sind nur eine ihrer Wellen. Sie sendet uns aus, ihre Botschaft zu verkünden; doch wie sollen wir dies tun, ohne die Symmetrie unseres Herzens aufzubrechen zwischen Felsen und Sand?
Denn dies ist das Gesetz der Seefahrer: Wenn ihr die Freiheit sucht, müsst ihr zu Nebel werden. Das Formlose strebt immer nach Form, so wie die zahlreichen Nebel danach streben, Sonnen und Monde zu werden. Und wir, die wir lange suchten und nun in fest umrissener Gestalt auf diese Insel zurückkehren, müssen wieder zu Nebel werden und von den Anfängen lernen.