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Beten ist für viele Menschen ein existentiell wichtiger Grundvollzug. Ein Indiz dafür ist die Vielzahl praktischer Gebetsanleitungen und -sammlungen. Flankierend dazu bietet der vorliegende Band eine theologische Reflexion im Sinne einer überblickshaften Einführung. Nach einer Eingrenzung der Fragestellung und einer Einordnung in das "Fach" Theologie der Spiritualität werden die anthropologische Bedeutung des Betens, sein theologischer Gehalt und seine Bedeutung für das Verständnis der Kirche analysiert. Danach werden der Schatz biblischer Gebete sowie Ausdrucksformen und Gestalten des Betens in den Blick genommen. Die seit je am heißesten umstrittene Frage der Wirksamkeit des Bittgebets und die dringliche Frage einer zeitgemäßen Gebetspädagogik schließen den Band ab. Als Leitfaden dient dabei der theologische Begriff des Geheimnisses. Ein Geheimnis hat - solange es nicht zum angstbesetzten, zerstörerischen Tabu wird - etwas Bergendes, Schützendes. Im Geheimnis kann ein Mensch daheim sein und Vertrauen in die Gutheit seines Lebens finden. Genau darum geht es im christlichen Glauben.
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Seitenzahl: 222
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Michael Rosenberger
Im Geheimnis geborgen
Einführung in die Theologie des Gebets
MICHAEL ROSENBERGER
Einführung in die Theologie des Gebets
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.
© 2012 Echter Verlag GmbH, Würzburg
www.echter-verlag.de
Umschlag: Hain-Team, Bad Zwischenahn
Titelbild: © Heidrun Bauer SDS, dem göttlichen DU Raum geben (Ausschnitt), 2008, Acryl-Mischtechnik auf Leinwand, 40 × 40 cm
Druck und Bindung: CPI – Clausen & Bosse, Leck
ISBN 978-3-429-03529-7
Einführung: Scheinbar völlig nebensächlich?
1. Theologie des Gebets und Theologie der Spiritualität
1.1 Die Fragestellung: Was heißt das eigentlich: Beten?
1.2 Der Gegenstand: Das Gebet
1.3 Das »Fach«: Theologie der Spiritualität
1.4 Die spezifische Rolle einer Reflexion des Gebets für die Theologie
2. Jenseits von Selbstsucht und Selbstflucht
2.1 Beten – sich seine Identität schenken lassen Entdeckungen der Analytischen (Sprach-)Philosophie
2.2 Beten – sich selbst und die Welt immer ehrlicher wahrnehmen. Erkenntnistheorie des Gebets
3. Mit Gott reden?
3.1 Das bergende Geheimnis »du« nennen (Gotteslehre)
3.2 »O Gott, komm mir zu Hilfe!« Sich das (innere) Beten schenken lassen (Gnadentheologie/Pneumatologie)
3.3 In Christus den »Vater« sehen (Christologie)
3.3.1 Was das Gebet über Jesus von Nazaret sagt: Mit Jesus zum »Abba« beten
3.3.2 Was das Gebet über Jesus als Christus sagt: Wer ihn sieht, sieht den Vater
3.4 Zum Vater durch den Sohn im Geist beten (Trinitätslehre und Theologie der Religionen)
3.5 Gott ansprechen
4. Transpersonale Innerlichkeit?
4.1 Die vier Stufen zur Gotteserfahrung in der Gebetspraxis des Mönchtums
4.2 Die Hohelied-Mystik in den Frauenklöstern des Hochmittelalters
4.3 Die Mystik des Alltags bei Ignatius von Loyola
4.4 Die platonische Prägung im Mainstream christlicher (Männer-)Mystik
4.5 Die moderne Interpretation unter fernöstlichem Einfluss
4.6 Gotteserfahrung als liebende Begegnung in vermittelter Unmittelbarkeit
4.7 Das ignatianische Gebet der Hingabe
5. Sprachregelungen für das Beten?
5.1 Beten als Interaktion in der Kirche
5.2 Beten als Interaktion der Kirche
5.3 Fürbitte als Interaktion zwischen den Gliedern der Kirche
5.4 Interreligiöses Beten als Interaktion der Religionen
5.4.1 Denkbare Modelle interreligiösen Betens
5.4.2 Leitlinien für das Gebet bei Treffen von Christen, Juden und Muslimen. Eine Handreichung der deutschen Bischöfe von 2008
5.4.3 Theologische Reflexionen
6. »Herr, lehre uns beten!«
6.1 Das Buch der Lobpreisungen. Die Psalmen
6.2 Die Matrix christlichen Betens. Das Vater Unser
6.2.1 Die Überlieferungsformen des Vater Unser
6.2.2 Struktur und Inhalt des Vater Unser
6.2.3 Die Bedeutung des Vater Unser für die Kirche
6.3 Gründungsgebete des Christentums
7. Mit Leib und Seele
7.1 Körperhaltungen beim Gebet
7.2 »Lobt ihn mit Pauken und Tanz« (Ps 150,4) Das religiöse Tanzen als Gebet
7.3 Gebärden der Hände beim Gebet
7.4 Die Einbeziehung der Sinne in das Gebet
7.5 »Wer singt, betet doppelt«. Das religiöse Singen als Gebet
7.6 Zusammenfassung: Leibhaftig im Geheimnis geborgen
8. Beten im Pulsschlag des Lebens
8.1 Beten im Rhythmus des Tages. Das Stundengebet
8.1.1 Beten im Rhythmus der Schöpfung
8.1.2 Beten im Rhythmus des Tages
8.1.3 Das Leben wird Gebet – und das Gebet ermöglicht Leben
8.1.4 Die Gestalt des Stundengebets
8.2 Mit Gott auf das Leben schauen. Die abendliche Gewissenserforschung
8.3 Im Kontext der Feier. Die Gestalt liturgischen Betens
8.4 Mit den Füßen beten. Wallfahrt als Gebet
8.5 Beten im Rhythmus des Atems. Das Jesus-Gebet der östlichen Kirchen
8.6 Anregungen des »fremden Propheten«. Fernöstliche Meditationsformen
8.7 Das ganze Leben wird Gebet. Explizites Beten und implizites Leben in Gottes Gegenwart
9. »Herr, gib!«
9.1 Zwecklos? Beten als ein frag-würdiges Tun
9.2 Um alles bitten und es erhalten. Das biblische Zeugnis
9.3 Eine Entgegnung aus der Perspektive Gottes (Karl Rahner)
9.4 Beten ja, aber nicht um etwas Konkretes?
9.5 Beten um Zeichen der Auferstehung. Erkenntnistheoretische Vertiefung
9.6 Zwecklos? Ja, zweckfrei! Aber nicht sinnlos!
10. Wer und was uns zu beten lehrt
10.1 »Not lehrt beten«? Was uns zu beten lehrt
10.2 »Mutter-Sprache«. Wer uns zu beten lehrt
10.3 Gebetbücher. Lehrmittel des Betens
10.4 »Übung macht den Meister«. Wie wir zu beten lernen
11. Im Geheimnis geborgen. Ein Epilog
Literaturverzeichnis
Quellen
Allgemeine Literatur
Spezielle Literatur
Personenregister
Eine Lebenszeitbudgetanalyse des deutschen Statistischen Bundesamts destatis von 2001/2002 zeigt, dass jedeR Deutsche im Laufe seines bzw. ihres Lebens durchschnittlich rund zwei Wochen für das Beten verwendet. Zwei Wochen – einen halben Monat, ungefähr 0,5 Promille der Lebenszeit. Der Zeitanteil des Gebets am gesamten Leben und Erleben ist damit extrem gering. Es scheint, als sei das Gebet für das durchschnittliche menschliche Leben in der modernen Industriegesellschaft ziemlich unwichtig.
Allerdings wäre der Schluss von der Menge auf die Wichtigkeit ein Kurzschluss. Auch der Sexualität widmen die Deutschen im Laufe ihres Lebens nur 1,5 Monate und damit 1,5 Promille der gesamten Lebenszeit. Aber niemand käme auch nur entfernt auf den Gedanken, dass Sexualität für das menschliche Leben unwichtig sei. Im Gegenteil wissen wir, wie entscheidend ein sinnerfüllender Umgang mit der eigenen Sexualität für das Gelingen des Lebens ist. Die (Zeit-)Menge sagt also wenig bis gar nichts über die existenzielle Relevanz eines Vollzugs.
Eher schon könnte heute die Zahl einschlägiger Internetseiten ein grober Indikator für die Wichtigkeit eines Gegenstands sein. Was den Menschen wichtig ist, darüber werden sie sich in dem Medium austauschen, das zum ersten und wichtigsten Kommunikationsort geworden ist. Und in der Tat: Nimmt man eine Suchmaschine und gibt die Schlagworte der zitierten Lebenszeitbudgetanalyse von destatis ein, dann holt das Gebet gegenüber allen Vollzügen außer der Sexualität deutlich auf. Zwar bleibt es mit 6 Mio. Internetseiten weiterhin das Schlusslicht, doch der Abstand hat sich deutlich verringert. Offenbar geht es um einen für viele Menschen auch in der Moderne wichtigen Grundvollzug.
Selbst Menschen, die selber keine Gebetspraxis pflegen, gehen nicht selten der Frage nach, was denn Beten sei und was es womöglich »bringe«. Kommen sie in eine Klosterkirche, nehmen sie staunend und interessiert am Gebet der Mönche oder Nonnen teil und bewundern deren spirituelle Verwurzelung. Erleben sie das regelmäßige Tischgebet einer befreundeten Familie, drücken sie dafür ihren Respekt aus. Werden sie ZeugInnen einer muslimischen Gebetszeit, nötigt ihnen das nachdenkliche und ehrfürchtige Stille ab. Das Gebet beeindruckt und fasziniert also auch im aufgeklärten 21. Jh.
Dem trägt zwar eine unübersehbare Zahl praktischer Gebetsanleitungen und Gebetssammlungen Rechnung. Aber die Palette wissenschaftlich-theologischer Reflexionen bleibt sehr überschaubar und klein. Eine solche möchte dieses Büchlein im Sinne einer überblicks- haften Einführung liefern. Nach einer Eingrenzung der Fragestellung und einer Einordnung in das »Fach« Theologie der Spiritualität (Kap. 1) soll zunächst die anthropologische Bedeutung des Betens analysiert werden (Kap. 2), ehe sein dezidiert theologischer Gehalt (Kap. 3 und 4) und seine Bedeutung für das Verständnis der Kirche (Kap. 5) in den Blick kommen. Der Schatz jüdischen und christlichen Betens in der Bibel soll wenigstens kurz gestreift werden (Kap. 6), ehe die Aufmerksamkeit sich auf Ausdrucksformen (Kap. 7) und Gestalten (Kap. 8) des Betens richtet. Die seit Jahrhunderten am heißesten umstrittene Frage der Wirksamkeit des Bittgebets (Kap. 9) und die heute überaus dringliche Frage einer zeitgemäßen Gebetspädagogik (Kap. 10) schließen das Büchlein ab.
Als begrifflicher Leitfaden durch die gesamte Abhandlung dient der theologische Begriff des Geheimnisses. Spiritualität und Gebet können wir nicht rational-distanziert analysieren wie das Funktionieren eines Automotors oder das Gesetz der Schwerkraft. Vielmehr braucht es eine ganzheitliche, rationale und emotionale Annäherung an das Phänomen des Betens. Diese aber, so lautet eine uralte Erkenntnis der Theologie, ist nur möglich, wenn wir uns dem Geheimnis des menschlichen Lebens öffnen und dieses zulassen.
Was meint die Rede vom Geheimnis? Die Dogmatische Konstitution »Dei Filius« des I. Vatikanischen Konzils räumt im Jahr 1870 zwar ein, dass »eine gewisse Erkenntnis der Geheimnisse« des Lebens durch die Herstellung von Analogien zu innerweltlichen Vorgängen möglich sei. Doch nie sei das jene Art der Erkenntnis, wie sie üblicherweise der Vernunft zu eigen ist: Ein »Durchschauen der Wahrheiten« (perspicere veritatum) mag im Bereich der Naturwissenschaften möglich sein – im Bereich der Fragen nach dem Wesen und der Bestimmung des Menschen sei es unmöglich. »Denn die göttlichen Geheimnisse … bleiben mit dem Schleier des Glaubens selbst bedeckt und gleichsam von einem gewissen Dunkel umhüllt« (DH 3016).
Was das I. Vaticanum von Gott sagt, gilt selbstverständlich ebenso vom Menschen: Jeder Mensch ist und bleibt sich selbst und anderen ein Leben lang ein Geheimnis – sein Leben ist ihm permanent eine Frage, deren letzte Antwort er nicht ergründen kann (Karl Rahner 1967, 192). Der Grund der menschlichen Person ist ein unauslotbarer Abgrund. Damit steht der Mensch aber immer und unausweichlich vor der Frage, ob er sich dem Geheimnis seines Lebens anvertrauen kann oder ob er gegen es ankämpft wie gegen Windmühlenflügel; ob er sich fallen lassen kann und erfährt, dass das Geheimnis in der Lage ist, ihn zu tragen, oder ob er sich ängstlich verkrampft und sich dieser Erfahrung verschließt; ob er im Geheimnis daheim ist und Heimat findet oder ob es ihm fremd und bedrohlich bleibt.
Ein Geheimnis hat – solange es nicht zum angstbesetzten, zerstörerischen Tabu wird, sondern Freiheit, Ehrfurcht und Demut atmet – etwas Bergendes, Schützendes. Im Geheimnis kann ein Mensch daheim sein und Vertrauen in die Gutheit seines Lebens finden. Genau darum geht es wohl verstanden im christlichen Glauben. Der Glaube will beheimaten, bergen, wärmen und behüten. Doch tut er das recht verstanden nicht, indem er Gott und die Welt durchschaut und für alles eine glatte Antwort bietet. Vielmehr nähert er sich scheu und mit größter Vorsicht dem Geheimnis. Im Glauben wird das Geheimnis Gottes und des Lebens größer, nicht kleiner. Aber gerade dadurch immer wunderbarer.
Zur Fragestellung und zum Fach
Ehe man ein Thema darstellt, ist es wichtig, es zu verorten: Wo ist sein (materialer) Platz auf der theologischen Landkarte? Was sind seine Nachbarthemen? Welche Querverbindungen gibt es zu ihnen? Verortung bedeutet aber nicht nur eine Aussage über die material-inhaltliche Ansiedelung eines Themas, sondern auch über die formale Methode seiner Behandlung: Welche theologische Disziplin ist für die gegebene Fragestellung primär gefragt? Von welcher Warte aus wird sie vorrangig betrachtet? Dem soll hier vorab zur konkreten Durchführung nachgegangen werden.
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