Im Land der Hoffnung steht mein Zelt - Tomas Sjödin - E-Book

Im Land der Hoffnung steht mein Zelt E-Book

Tomas Sjödin

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Beschreibung

Wo möchten Sie wohnen? Ihr Zelt kann überall stehen. Sie suchen den Platz aus, wo Sie leben wollen. Falls Sie sich für das Land der Hoffnung entscheiden, haben Sie hier das passende Buch. Tomas Sjödin verbindet eigens für dieses Buch übersetzte Bibelstellen aus der englischen "The Message"-Übersetzung mit täglichen Andachten für ein Jahr, die den Duft der Hoffnung verbreiten. Stellen Sie sich vor, Sie öffnen den Reißverschluss Ihres Zeltes, schauen hinaus und sehen auf einmal im Tageslicht, wo Sie in der Nacht gelandet sind - im Land der Hoffnung.

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Über den Autor

TOMAS SJÖDIN (Jg. 1959) ist Schriftsteller, Pastor, Dozent und Kolumnist. Er lebt mit seiner Frau Lotta in Säve bei Göteborg. Er kommt aus der schwedischen Pfingstbewegung und ist seit vielen Jahren ökumenisch tätig, darunter in vielen Radio- und Fernsehsendungen. Mit seinen Büchern hat er in Schweden und Deutschland großen Erfolg.

Über das Buch

JEDEN TAG HOFFNUNG

Wir suchen uns den Ort, wo wir leben wollen, selbst aus. Das trifft auch auf unseren inneren Wohnort zu. Ist die Seele in einer düsteren Umgebung zu Hause oder zelten die eigenen Gefühle und Gedanken an einer taghellen Quelle, die zuversichtlich sprudelt? Falls Sie sich für das Land der Hoffnung entscheiden möchten, ist dieses Buch ein passender Begleiter.

Tomas Sjödin verbindet eigens für dieses Buch übersetzte Bibelstellen aus der englischen »The Message« mit täglichen Andachten für den Verlauf eines Jahres. Texte, die den Duft der Hoffnung verbreiten.

Stimmen zum Buch

»Mal weit ausholend, dann wieder ganz direkt; mal mit klaren Aussagen, dann vor allem mit offenen Fragen – dieses Andachtsbuch ist ein wunderbarer Begleiter für alle, die offen sind für neue Gedanken und unaufdringliche Anstöße von einem großen und lebenserfahrenen Autor aus dem hohen Norden.«

MARTIN GUNDLACH, CHEFREDAKTEUR AUFATMEN

Im Land der Hoffnung steht mein Zelt

Impressum

SCM R. Brockhaus ist ein Imprint der SCM Verlagsgruppe, die zur Stiftung Christliche Medien gehört, einer gemeinnützigen Stiftung, die sich für die Förderung und Verbreitung christlicher Bücher, Zeitschriften, Filme und Musik einsetzt.

ISBN 978-3-417-27102-7 (E-Book) ISBN 978-3-417-01003-9 (lieferbare Buchausgabe)

Datenkonvertierung E-Book: typoscript GmbH, Walddorfhäslach

© 2024 SCM R. Brockhaus in der SCM Verlagsgruppe GmbH · Max-Eyth-Straße 41 · 71088 HolzgerlingenInternet: www.scm-brockhaus.de; E-Mail: [email protected]

Originally published in Swedish under the titleJag har slagit upp mitt tält i hoppets land by Libris förlag, Stockholm, Sweden. Copyright © Libris förlag.

Bibelzitate wurden ins Deutsche übersetzt auf Grundlage folgender Bibelausgabe: THE MESSAGE, copyright © 1993, 2002, 2018 by Eugene H. Peterson. Used by permission of NavPress. All rights reserved. Represented by Tyndale House Publishers, Inc.

Übersetzung: Friedemann, LuxUmschlaggestaltung: Kathrin Spiegelberg, Weil im SchönbuchLektorat: Christiane Kathmann, Sonja ReinemannTitelbild: Irtsya (shutterstock.com)Satz: typoscript GmbH, Walddorfhäslach

Vorwort

Die Bibel öffnen, das ist so ähnlich wie eine Weltraumreise in ein anderes Universum. Wir durchqueren Raum und Zeit, treffen Glaubensriesen wie Abraham, Noah und Mose, aber auch Menschen, die nur ein einziges Mal Erwähnung finden – wie jener Malchus, der durch sein abgehauenes Ohr in die Geschichte einging, oder all die, die aus irgendeinem Grund namenlos bleiben. Galaxien und Milchstraßen öffnen sich, wir entdecken neue Dimensionen und der Seele will es schwindlig werden. Wer in der Bibel von vorne anfängt zu lesen, muss sich durch manches Kapitel durchkämpfen, das sich mit scheinbar ungerechten Kriegen und blutigen Gewalttaten wie ein Metzgerladen der Geschichte liest. Aber Aufgeben gilt nicht. Es warten andere, schönere Landschaften. Und wenn man am Schluss angekommen ist, weiß man, dass die Geschichte dieser Erde nicht mit einem großen Knall, sondern mit einem rauschenden Fest enden wird. Wer die Bibel aufschlägt, der öffnet sich für das große Wow des Daseins.

Aber so erleben wir es nicht immer.

Als ich vor etlichen Jahren die englische Bibelausgabe The Message, übersetzt von dem geschätzten Autor Eugene H. Peterson, in die Hand bekam, haute es mich fast um. Mir war, als lese ich die Bibel zum ersten Mal. Ich lugte aus meinem Zelt hervor und sah eine Landschaft, die neu war und doch ähnlich wie die meine. Es gab weniger wehende Gewänder, Kamele und Wildhonig, aber dafür mehr Haudegen, Rätsel und verdiente Mittagsschläfchen. Gott wurde mit neuen Wörtern beschrieben: Erdbändiger, Meerausschöpfer, Bergmacher, Gipfelschneider, Sturmbremser, Wellenbrecher, Menschenmeerstiller.

Ich weiß noch, wie ich denken musste: »Hm, so kann man die Bibel auch lesen.«

Aber ich entdeckte nicht nur eine neue Sprache, ich entdeckte auch in mir selbst eine neue Leselust, einen wiedergefundenen und dringend nötigen Appetit auf den nächsten Abschnitt, auf die nächste Seite. Ich entwickelte eine neue Lese-Energie, die auf meine Lektüre der »normalen« Bibel übergriff. Eine Lesefreude, die sich nicht mehr bremsen ließ.

Es ist nicht alles in der Bibel leicht zu verstehen, und ich glaube, das soll es auch gar nicht sein. Was man auf Anhieb begreift, wird oft schnell uninteressant. Nein, die Bibel ist ein Buch zum Anfassen, zum Einsehen, wie wenig ich weiß, und zum Entdecken, wie schön Gott ist und wie geliebt ich bin. Die ganze Bibel – alle 66 Bücher – ist ein »Land der Hoffnung«. Ein Ort, an dem man sein Zelt aufbauen kann, bevor es irgendwann Zeit wird, es wieder abzubauen, um zu einem neuen biblischen Buch und einer neuen Aussicht weiterzuziehen.

Ich gehöre zu denen, für die jede neue Bibelübersetzung oder Paraphrase ein Glücksfall ist. Je mehr solcher Werke, desto besser, finde ich. Solange es Menschen gibt, die daran arbeiten, Gottes Wort für neue Generationen und Sprachwelten aufzuschließen, lebt die Bibel mit uns. Ich möchte betonen, dass ich The Message nicht anstelle der »normalen« Bibel lese, sondern zusätzlich zu ihr. Ich lese sie auch nicht, um zu prüfen, ob jedes Wort oder jeder Ausdruck eine korrekte Übersetzung des Urtextes ist. Diesen Anspruch erhebt The Message ausdrücklich nicht, auch wenn sie ursprünglich direkt aus dem hebräischen bzw. griechischen Urtext ins Amerikanische übersetzt wurde. Es ist eine Übersetzung, die eine Paraphrase sein will.

In seinem Buch Leap over a Wall berichtet Eugene H. Peterson, wie seine Mutter ihm, als er ein kleiner Junge war, die biblischen Geschichten erzählte. Sie tat das mit ihren eigenen Worten und ihrer eigenen Stimme, ohne die Texte zu entstellen – was völlig normal war. Wir wählen unsere Worte und Bilder ja nach dem, was wir erfahren, gesehen und gehört haben. Wir sehen alle unsere eigenen Bilder. Wer The Message liest, der hört, wie nun der Sohn dieselben Geschichten erzählt wie die Mutter damals. Doch jetzt mit seinen Worten und seiner Stimme. Wir lesen eine freie Wiedergabe der ältesten und wichtigsten Geschichte.

The Message wurde von einem Gemeindepastor geschrieben, und das ist wichtig zur Kenntnis zu nehmen. Peterson unterrichtete künftige Theologen im Hebräischen und Griechischen und dachte nichts anderes, als dass er für den Rest seines beruflichen Lebens Professor und Forscher bleiben würde. Aber dann geschah das Unerwartete; er wurde Pastor. Die Menschen in seiner Gemeinde schienen sich nicht sonderlich für die Bibel zu interessieren. Es gab in ihr – so Peterson – im Wesentlichen zwei Gruppen: Die einen wussten gar nichts über die Bibel und schienen auch keine besondere Lust zu haben, das zu ändern. Die anderen lasen ihre Bibel seit vielen Jahren, aber sie war ihnen irgendwie nichtssagend geworden. Sie hatten die Worte so oft gelesen oder gehört, dass sie nur noch Klischees, Schall und Rauch, waren. Eine dritte Gruppe zwischen diesen beiden gab es so gut wie nicht.

Nun, Peterson fand, dass beide Gruppen seine Aufgabe waren, und er ging diese Aufgabe mit großem Engagement an. In seinem Buch Nimm und iss schildert er, wie er sich Bibelkommentare, Wörterbücher und Konkordanzen kaufte, um seinen Gemeindegliedern einen soliden Bibelunterricht zu bieten. »Ich hatte ihnen ja so viel zu sagen!« Aber dann ging ihm irgendwann auf, dass die ursprünglichen Adressaten der biblischen Texte all das ja gar nicht gebraucht hatten. Als Jesaja predigte, verspürte niemand das Bedürfnis, eine Bibelschule zu gründen und einen Professor anzustellen, um herauszufinden, was er (Jesaja) meinte. Das Griechische und das Hebräische waren keine Sprachen der gebildeten Oberschicht, sondern Alltagssprachen. So unterhielt man sich auf dem Markt, so erzählte man sich Geschichten! Genauso verhielt es sich später mit dem Neuen Testament. Sämtliche Schriften kamen aus dem Alltagsleben und richteten sich an Menschen, die zumeist Analphabeten waren. Peterson änderte also seinen Bibelunterricht. Statt seine Gemeinde mit seinem Wissen zu füttern, versammelte er die Menschen zu Bibelstunden, wo er zusammen mit ihnen den Text einfach las, so wie er war.

Die erste Reaktion der Leute war fast immer: »Das verstehen wir nicht, aber Sie haben das doch studiert! Erklären Sie’s uns!« Aber Peterson weigerte sich. Stattdessen ließ er die Menschen gemeinsam die biblischen Texte lesen, so wie sie dastanden. Die Leute begannen damit, sich den Inhalt vorzustellen und um das rechte Verständnis zu beten. Dann und wann stellte Peterson eine Frage, die bei der eigenen Suche nach Verständnis des Textes einen Schritt weiterhalf.

Es zeigte sich bald, dass die Gemeindeglieder nach vielleicht einer Stunde Textstudium und mithilfe der Assoziationen, die die Lektüre in ihnen hervorrief, das gleiche herausgefunden hatten, was er sich durch seine Bibelkommentare angelesen hatte. Und so wurde er ein Übersetzer. Ein Übersetzer aus der Notwendigkeit heraus. Er baute eine Brücke zwischen zwei Sprachwelten, um seinen Gemeindemitgliedern zu helfen, die Worte der Bibel in derselben Sprache zu hören, die sie in ihrem Alltag benutzten. Sie bekamen einen Blick dafür, dass die Bibel ja für ganze normale Menschen geschrieben war.

Ein Wort kommt bei Eugene H. Peterson immer wieder vor: liveable, zu Deutsch: »lebbar« oder »anwendbar«.

Im Laufe von knapp 30 Jahren entstand eine Gemeindekultur, in der die Bibel hoch im Kurs stand. Die Menschen lebten die Bibel wieder! Das war der Boden, aus dem The Message wuchs. In seinem Vorwort schreibt Peterson, dass er, als er dieses Mammutprojekt begann, auf praktisch jeder Seite die Gesichter der Männer und Frauen vor sich sah, mit denen er auf die eine oder andere Art zusammen die Bibel gelesen hatte. Und so entstand The Message.

Ich habe für dieses Andachtsbuch Bibelverse ausgesucht, die mir viel bedeuten und die vielleicht ein neues Licht auf das Bekannte werfen, nicht zuletzt aber den Weg ins Land der Hoffnung zeigen. Es geht also nicht um etwas Neues, sondern um das Alte in neuem Licht.

Wie ist es bei dir? Ist die Bibel auf der Liste der Dinge gelandet, die du eigentlich dringend erledigen müsstest, aber immer wieder aufschiebst? Das muss nicht so bleiben. Es gibt Hoffnung – hier und jetzt. Veränderung ist möglich. Du musst dazu nicht dein ganzes Leben umkrempeln. Gute Hilfsmittel und eine Portion Ausdauer genügen völlig.

Beim Schreiben dieses Andachtsbuches musste ich an zwei positive Kräfte denken, die auf dem Weg vom schlechten Gewissen zur Sehnsucht nach dem guten Ziel wirksam sind: Energie und Ordnung. Ich habe dieses Buch als eine Art Frühstück für den inneren Menschen geschrieben. Kein komplettes Mittagessen, sondern etwas zur Stärkung, bevor wir in die Welt hinausgehen. Ich glaube an zwei Arten des Bibellesens: die fortlaufende Lektüre und das Studium ganz kurzer Abschnitte. Wir brauchen den großen Überblick und den Zusammenhang. Wir sollten uns aber auch in die einzelnen Geschichten und Sätze vertiefen und sie gleichsam wiederkäuen, lange und gründlich. Nicht in erster Linie, um sie perfekt zu verstehen, sondern um mit ihnen und durch sie zu leben.

Ich habe auf meinem Smartphone eine Bibel-App. Sie führt ein Eigenleben. Dann und wann macht es »Ping!« und auf dem Bildschirm erscheint der Satz: »Zeit zum Bibellesen!« Es ist mein Wunsch, dass viele von uns auf diese Erinnerung mit den Worten antworten können, mit denen Eugene H. Peterson, als er starb, in die Ewigkeit hinüberging: »Los geht’s!«

Tomas Sjödin

Säve, im Spätsommer 2022

Die Bibelübersetzung The Message

Die Bibelübersetzung The Message, die diesem Andachtsbuch zugrunde liegt, ist ein Werk des US-amerikanischen Pfarrers und Sprachwissenschaftlers Eugene H. Peterson (1932–2018). Die erste Ausgabe zunächst des Neuen Testaments wurde 1993 veröffentlicht; 2003 erschien die erste Gesamtbibel. Seither erfreut sich diese ungewöhnliche Bibelübersetzung einer großen Beliebtheit im englischsprachigen Raum, aber auch weit darüber hinaus.

Die Bibelübersetzung The Message orientiert sich zwar an den hebräischen und griechischen Grundtexten, geht aber sprachlich eigene Wege. Im deutschsprachigen Raum gibt es keine Bibel mit ähnlichen Übersetzungsprinzipien. Leserinnen und Leser erwartet keine wortgetreue Bibelübersetzung (wie etwa bei der Elberfelder Bibel). Im englischen Original ist der Text sehr an eine gehobene Alltagssprache des Amerikanischen angepasst. Es finden sich im Text viele Redewendungen, die nicht alle so ohne Weiteres ins Deutsche direkt übertragbar sind, den Text aber lebendig und nahbar machen. Bisweilen kann Peterson etwa Sprachbilder verwenden, die man im Ausgangstext wörtlich vergeblich sucht, ja, wo vielleicht überhaupt gar kein Bild, sondern nüchterne Prosa zu finden ist. Es gibt aber auch den umgekehrten Fall, dass antike Bilder in Prosa aufgelöst werden, so etwa bei der so genannten »geistlichen Waffenrüstung« in Epheser 6. Peterson wollte, dass die Texte heute dieselben Emotionen auslösen, wie sie es vermutlich beim damaligen Leser oder Hörer der Texte getan haben. Und am Beispiel der Waffenrüstung: Diese ist dem heutigen Leser nicht mehr so geläufig wie sie es den ursprünglichen Adressaten noch war. Ab und an geht Peterson sogar noch einen Schritt weiter und verwendet sehr eigengeprägte Wendungen (Neologismen), die noch nicht einmal im amerikanischen Sprachgebrauch geläufig, sondern eigene poetische Erfindungen sind.

Es kommt Peterson (und das fast ausschließlich) darauf an, dass der Leser die Bedeutung der Inhalte versteht. Die Absicht philologisch exakt zu sein, tritt dabei in den Hintergrund. Dennoch war sich Peterson der hohen Verantwortung seiner Arbeit am Wort Gottes bewusst. Er hat auch die Bibelübersetzung nicht im Alleingang verfasst, sondern es standen ihm über 20 Professoren und Dozenten der Bibelwissenschaften hilfreich zur Seite.

Bei der Übersetzung dieses Buches bestand noch die weitere Herausforderung, dass Tomas Sjödin mit seinen Andachtstexten auf die schwedische Übersetzung der Message zurückgegriffen hat, die sich wiederum auch einige Freiheiten gegenüber dem Originaltext erlaubt hat, sicher auch hier in der Absicht, sprachlich näher am Puls des schwedischen Lesers zu sein. Wo möglich, wurde die vorliegende Übersetzung aber an die englische Ursprungsfassung angepasst. Für diese anspruchsvolle Übersetzungsarbeit gebührt dem Übersetzer Dr. Friedemann Lux ein besonderer Dank.

Leserinnen und Leser, die vor allem an wortgetreuen Übersetzungen interessiert sind, werden sich von den Texten der Message möglicherweise nicht so abgeholt fühlen. Für alle anderen aber können die Texte ein vertiefender Einstieg in die Welt der Bibel sein, bei dem mancher Aha-Effekt und manch anrührendes Wort wartet. Erst recht, wenn man in diesem Buch die kongenial ausgelegten Andachtstexte von Tomas Sjödin auf sich wirken und in sich Wurzeln schlagen lässt.

Wir wünschen Ihnen, dass sie mit den Texten dieses Buches, den Bibeltexten wie den geistlichen Betrachtungen von Tomas Sjödin, Freundschaft schließen! Viel Freude dabei!

SCM R.Brockhaus

Tag 1

Halte Ausschau nach Gott

Haltet Ausschau nach Gott und seinem Tun,

seid wach für die Zeichen seiner Gegenwart!

Denkt an die Welt der Wunder, die er erschaffen hat,

an seine Wunder und Gerichte –

ihr Nachkommen seines Dieners Abraham,

ihr Kinder Jakobs, seines Erwählten.

Psalm 105,4-6

Ein neuer Tag beginnt in unserer vielfältigen und gleichzeitig von Widersprüchen behafteten Welt. Hier sehen wir die wunderbarste Schönheit und dort wohnt das finsterste Böse. Es ist unmöglich, in dieser Welt zu leben, ohne immer wieder mit beidem zusammenzustoßen: mit der Schönheit und mit dem Bösen. Aber eines ist uns immer möglich: in dem, was uns begegnet, Ausschau nach Gott zu halten. Und ich glaube, das ist etwas, was wir lernen und einüben können.

Wenn wir in unserem Denken und Reden die Welt nur als Hort des Bösen verstehen, ist die Gefahr groß, dass unsere Wahrnehmung sich darauf versteift. Stellen wir uns die Welt hingegen – wie der Psalmist es hier tut – als eine Welt der Wunder vor, steigen die Chancen gewaltig, dass wir die Zeichen der Gegenwart Gottes entdecken.

In diesen neuen Tag hineingehen mit weit geöffneten Augen für all das, was uns die Wahrheit über Gott zeigt – das ist ein Boden, auf dem Freude gedeihen kann. Böses ist zwar nach wie vor da und das wird so bleiben, bis Gott mit seiner Güte zuletzt ganz durchbrechen wird. Aber das ändert nichts daran, dass jeder Tag eine neue Chance ist, sich den Schlaf aus den Augen zu reiben und Ausschau zu halten nach Gottes Wundern und nach seiner Ausrichtung. Denn er hat das Böse ein für alle Mal gerichtet. Das werden wir mit Sicherheit sehen; jedes Wunder in unserem Alltag ist ein Fingerzeig in diese Richtung.

Tag 2

Du öffnest deine Hand

Alle, die du erschaffen hast, schauen erwartungsvoll zu dir hin,

der du ihnen rechtzeitig Speise gibst.

Wenn du kommst, scharen sie sich um dich.

Du öffnest deine Hand, und sie essen aus ihr.

Psalm 104,27-28

Wie ein roter Faden durchzieht die Schönheit den 104. Psalm. Gottes Schönheit, die Schönheit der Natur und die Schönheit des Menschen werden sichtbar. Von »Gott, mein Gott, was bist du schön!« bis hin zu »Welch eine wilde und schöne Welt du erschaffen hast!«. Hier werden uns das Gewölbe des Himmels und die Tiefen des Meeres, hier werden uns Wildesel, Raben und Gämsen vor Augen gemalt.

Alles und alle, die zu diesem Panorama der Schönheit gehören, all die Beispiele für Gottes grenzenlose Kreativität und Schöpferfreude haben etwas gemeinsam: Sie essen aus Gottes Hand. Alle, sogar die Sonne und der Mond. Und mittendrin in diesem Kaleidoskop aus schwimmenden, fliegenden und grünenden Geschöpfen steht der Mensch. Er ist ein Teil der Schöpfung Gottes, er erntet Speisen und baut Wein an, er genießt, wird satt, ist fröhlich.

Auch wir Menschen essen aus Gottes geöffneter Hand. Wohlgemerkt: Seine Hand ist geöffnet. Es lohnt sich, im Laufe dieses Tages auf diesen Gedanken zurückzukommen. Alles, was wir brauchen, befindet sich, in dieser Hand. Gottes Hand ist nicht geschlossen; sie ist genauso offen und einladend wie Gott selbst.

Tag 3

Den Riss dichten, bevor der Damm bricht

Streitigkeiten beginnen wie ein Riss in einem Damm. Hör also mit ihnen auf, bevor alles bricht.

Sprüche 17,14

Wieder liegt ein Tag vor uns, von dem wir nicht wissen, was er bringen wird.

Manches lässt sich planen – aber nur manches. Und ehe wir uns versehen, stehen wir in einem Konflikt, den wir gar nicht wollten. Konflikte sind an sich nichts Gefährliches. Richtig behandelt, können sie uns eine Menge lehren, was wir nicht lernen würden, wenn alles nur glattginge.

Das Wort »Streitigkeiten« klingt nach einem Konflikt, den man nicht rechtzeitig angegangen ist und der sich immer mehr verzweigt. Das Bild in den Sprüchen ist außerordentlich treffend: Es ist wie ein kleiner Riss in einem Damm. Risse haben es an sich, dass sie größer werden, und der Rat, sofort zu handeln, sobald man einen entdeckt, kann allen Beteiligten viel Leid ersparen. Die Sache auf sich beruhen zu lassen, in der Hoffnung, dass sie sich von alleine löst, führt meistens zum genauen Gegenteil: Die Verwicklungen werden immer größer, bis der Druck zu groß wird und der Damm bricht – Reparatur ungewiss.

Meine Erfahrung ist, dass dann, wenn man sofort miteinander redet, wenn das unbedachte Wort gefallen oder das Missverständnis offensichtlich geworden ist, sich alles wieder einrenken kann. Warte ich stattdessen, werden die Erfolgschancen mit jedem weiteren Tag geringer.

Vielleicht wird der heutige Tag Reibungen mit sich bringen, wie sie nun einmal zum Leben dazugehören. Werden wir sofort aktiv, packen wir die Sache an! Und der Heilige Geist, unser Helfer, der es liebt, wenn wir Dinge in Ordnung bringen, wird dir mit seiner Kraft beistehen.

Tag 4

Beter gesucht

Betet beharrlich und oft. Betet für eure Brüder und Schwestern. Haltet die Augen offen. Helft einander nicht den Mut zu verlieren, damit niemand hinterherhinkt oder abspringt.

Epheser 6,18

Ich finde in der ganzen Bibel keine Aufforderung, möglichst lange zu beten. Es heißt, dass wir beharrlich im Gebet sein sollen, aber nicht: »Je länger, desto besser.«

Es kam wohl vor, dass die Menschen in der Bibel das Gefühl hatten, dass in einer bestimmten Situation eine längere Gebetsversammlung dran war, aber normalerweise hatten sie einen festen Gebetsrhythmus, der ihrem Leben Stabilität gab. Der feste Rhythmus hat einen prominenten Platz in der Bibel, nicht zuletzt, wenn es um das Beten geht. Es geht darum, eine feste Gewohnheit zu finden und dann unnachgiebig einzuhalten. Martin Luther soll den Rat gegeben haben, kurz, aber häufig und intensiv zu beten – und das kann jeder tun, egal, wie sein Tag aussieht. Und wer das eine tut, muss ja das andere nicht lassen; dann und wann einen oder mehrere Tage ganz dem Beten und Hören zu widmen, heißt seine Zeit gut investieren. Die Seele braucht ihre Zeit, um zur Ruhe zu kommen.

Hier gibt es eine Struktur: beten – sehen – gehen. Das Gebet öffnet unsere Augen, es zeigt uns, was der andere braucht, und erinnert uns daran, dass wir alle manchmal mutlos werden und dann jemanden brauchen, der als Mutmacher an unserer Seite steht. Dann ist es an uns, dem anderen Hilfe und Ermunterung zu geben. Dies ist eine schöne Aufgabe – und eine, die immer möglich ist, zum Beispiel heute.

Tag 5

Gott bleibt

Warum solltest du klagen, Jakob, oder jammern, Israel, und sagen: »Gott hat mich aus den Augen verloren, er kümmert sich nicht mehr um mich«?Begreifst du nicht? Hast du nicht zugehört? Gott ist nicht jemand, der kommt und wieder geht. Gott bleibt!

Jesaja 40,27-28

Es gibt in unserem Leben so viel, was flüchtig ist. Das, womit wir uns gerade beschäftigen, kann uns eine gewisse Zeit lang, vielleicht mehrere Jahre, wichtig vorkommen – aber irgendwann ist es nicht mehr so wichtig, ja glatt belanglos. Menschen kommen und gehen, Situationen ändern sich. Heute bin ich wichtig und morgen komme ich mir vielleicht schon überflüssig vor. Oder Gott schenkt mir einen Freund – einen richtigen Freund –, und dann stirbt er viel zu früh. Oder meine Kräfte, Dinge anzugehen und fertig zu bekommen, werden weniger, bis plötzlich die kleinste Aufgabe wie ein Berg vor mir steht. Heute könnte ich Bäume ausreißen und morgen eröffnet mein Arzt mir, dass ich schwer krank bin; ich habe es bisher nur nicht gemerkt, weil die Krankheit so schleichend kam. So ist das Leben. Halt – so ist es nicht ewig, denn früher oder später werde ich aufgefangen von einem Gott, der immer da ist. Nicht einer, der mal kommt und mal geht. Ohne diese Gewissheit ähnelt das Leben einem Lotteriespiel.

Tag 6

Bringe mich in deine Reinigung!

Bringe mich in deine Reinigung, dass ich sauber werde.

Schrubbe mich so kräftig, dass mein Leben weiß wie Schnee wird.

Stimme mich auf mitreißende Lieder ein,

lass die Beine, die gebrochen waren, vor Freude tanzen.

Psalm 51,9-10

Schlimmer als ein verschmutzter Körper ist eine verschmutzte Seele. Verdreckte Kleider kann man einfach ausziehen und weglegen, bis man sie waschen kann; der innere Dreck bleibt an unserer Seele kleben. Es fühlt sich an, als ob unsere Sünden uns heimlich anstarren, wie es weiter vorne in dem Psalm heißt. Es ist unmöglich zu leben, ohne sich schmutzig zu machen. Aber es gibt eine Reinigung selbst für den Dreck der Seele.

David denkt in seinem Bußgebet im 51. Psalm an den Tag zurück, wo er Batseba sah, als sie auf dem Flachdach ihres Hauses badete. Als er sie unbedingt haben musste und sie holen ließ, Ehebruch mit ihr beging und anschließend ihren Ehemann in den Tod schickte. Jetzt scheint es zu spät, um Batseba um Vergebung zu bitten. Aber in der Welt Gottes gibt es kein »Zu-spät«. Eine höhere Instanz macht das Unmögliche möglich. Genau an die wendet sich David mit seinem Sündenbekenntnis. Er geht in die »Wäscherei Gottes« und ruft zu Gott, dem verschwenderisch Liebenden und leidenschaftlich Vergebenden. Er bittet darum, ihn sauber zu schrubben. Und um noch etwas bittet er: dass er sich wieder seines Lebens freuen kann. Er möchte den Takt mitreißender Lieder spüren und vor Freude tanzen können.

Sündenbekenntnis und Vergebung entleeren uns nicht einfach, wie man einen überfüllten Abfalleimer leert. Wir werden damit überrascht, immer mehr zu bekommen, als wir erbeten haben.

Tag 7

Als die Menschen anfingen zu beten

Damals fingen die Menschen an, zu Gott zu beten.

1. Mose 4,26

Es braucht nur vier Kapitel in der Bibel, bis wir lesen, wie die ersten Menschen das Reden mit Gott im Gebet entdeckten. Gerade liegen die Entstehung der gewaltigen Schöpfung und der tragische Sündenfall hinter ihnen. Die Menschen, die durch den Lustgarten spazierten und sich dort ohne Kleider komplett zu Hause fühlten, verstecken sich plötzlich vor Gott. Sie müssen den wunderbaren Park verlassen und ihr Leben verheddert sich auf eine Weise, die unseren heutigen Beziehungsstress weit übersteigt. An die Stelle von Liebe treten Hass und Tod. Doch da entdecken die Menschen den Lichtspalt in ihrem Kerker namens Einsamkeit. Sie fangen an zu beten – den Namen Gottes anzurufen.

Es ist ein großer Augenblick im Leben eines Menschen, wenn er entdeckt, dass er beten kann. Es ist eine Entdeckung, die das Leben verwandelt und die Einsamkeit durchbricht. Ein Mensch, der betet, ist nie einsam. Wo nichts mehr geht und alle Wege verschlossen oder unpassierbar sind, steht immer ein Weg offen: der Weg nach oben. Der Weg des Gebets. Erinnern wir uns und erinnern wir andere daran!

Tag 8

Schaffe etwas Neues aus meinem Chaos

Gott, gib mir einen Neustart im Leben,

nimm das Chaos meines Lebens und mache

eine Schöpfungswoche daraus.

Psalm 51,12

Es ist David, der diese Worte betet. Er bezweifelt, dass sein Leben etwas hat, was den Namen »Zukunft« verdient. Er hat schlimme Fehler begangen, hat andere verletzt und indirekt einen Mord begangen. Sein Gebet ist ein einziger langer Herzensschrei.

Was er jetzt braucht, ist eine Kraft, die größer ist als die seine; es reicht nicht, sich selbst am Wickel zu packen. Er braucht eine Kraft, die all das Verknotete, Verdreckte und Verkorkste in seinem Leben nimmt und etwas Neues, Gesundes daraus macht. Er braucht nicht weniger als einen kompletten Neustart oder, wie es in dem Psalm heißt, »eine Schöpfungswoche«.

Ein solches Gebet zu sprechen heißt, prophetisch zu beten, also in die Zukunft gerichtet. Es geht darum, meine Hoffnung auf die zweite Schöpfungswoche zu richten – die, die »Erlösung« heißt und die Welt für immer verändert hat. Seit dem Tod und der Auferstehung von Jesus gibt es in der Welt heilende, reinigende, neu machende Kräfte, die keine Grenzen und kein »Geht-nicht« kennen. Es sind gewaltige Kräfte. Gott nimmt das Kaputte nicht einfach weg, er schafft etwas Neues daraus. In diesem Schöpfungsprozess dürfen wir leben. Jede Woche. Jeden Tag. Auch heute.

Tag 9

Nicht im Einklang

Ich bin schon mein ganzes Leben lang

nicht im Einklang mit dir,

schon vor meiner Geburt war ich ein Problem.

Du willst Wahrheit sehen, die von innen heraus kommt.

So komm in mich hinein;

schaffe in mir ein neues, wahres Leben.

Psalm 51,7-8

Das Leben mit Gott kann missverstanden werden: in Reih und Glied mitzumarschieren, stramm im Takt bleibend, wie ein Roboter. Doch das Leben mit Gott ist kein Marsch, sondern eher ein Tanz, bei dem der eine führt und der andere folgt. Aber nicht zur Marschmusik, bei der alle Musikanten die gleiche Uniform tragen. Nein, wir dürfen das Tanzbein schwingen, uns ausstrecken und uns dem anderen in die Arme werfen. Auch heute fordert Gott uns zum Tanz auf, und wenn wir uns nicht recht trauen, können wir mit dem Psalmisten antworten: »So komm in mich hinein; schaffe in mir ein neues, wahres Leben.« Nur wenn Gott in uns ist, können wir den Takt halten, im Einklang mit ihm sein. Wenn Gott führt und wir ihm folgen, heißt das nicht, ein Leben ohne Probleme zu führen – die werden wir immer haben. Wenn wir im Takt mit unserem Schöpfer bleiben, bekommt unser Leben seine ursprüngliche Freiheit und Beweglichkeit zurück.

Tag 10

Blase deine Kraft in mich hinein

Wirf mich nicht auf den Müll;

vergiss nicht, deine heilige Kraft in mich hineinzublasen.

Bring mich zurück aus dem grauen Exil,

fülle meine Segel mit deinem Wind!

Psalm 51,13-14

Der 51. Psalm leuchtet von Bildern. In zwei kurzen Sätzen treten uns drei Bilder entgegen, die alle das Gleiche beschreiben: die Angst vor dem Weggeworfenwerden, ein Leben im Exil und schlaffe Segel, die Wind brauchen. Und mittendrin ein Gebet: »Vergiss nicht, deine heilige Kraft in mich hineinzublasen.«

Davids Leben ist in tausend Scherben zerbrochen und er ist sich seiner Schuld bewusst, schiebt sie niemandem oder etwas anderem in die Schuhe. In dieser Situation hat er Angst, dass das Leben seinen Körper, ja seine Seele verlassen wird. Er tut das einzig Richtige und öffnet sein Inneres und schüttet sein Herz vor Gott aus. Er weiß: Das Einzige, was ihn vor dem Müllhaufen, dem Exil und dem wilden Meer retten kann, ist Gottes heilige Kraft. Und so bittet er Gott, sein Leben in ihn hineinzublasen. Es ist ein wichtiges Gebet, auch wenn unsere Lage vielleicht nicht so dramatisch und bedrohlich ist wie in dem Psalm. Und als David es sprach, schaute er auf eine geheimnisvolle Art nach vorne zu dem Tag hin, an dem Jesus die Seinen anblies und sagte: »Nehmt den Heiligen Geist entgegen.«

Tag 11

Ein Herz, auf das Gott achtet

Du gibst nichts auf Äußerlichkeiten;

eine tadellose Performance reicht dir nicht.

Was Hingabe an Gott wirklich ist,

lernte ich, als meine Selbstgerechtigkeit in Trümmern lag.

Ein Herz, das so zerbrochen ist, dass die Liebe eindringen kann,

ist ein Herz, auf das Gott achtet.

Psalm 51,18-19

Es gibt Erkenntnisse, die einen hohen Preis haben. Ohne ein gewisses Maß an Schweiß und Blut kriegt man sie nicht. Etwas ist gründlich schiefgegangen, es gab einen Kurssturz an der Börse, und jetzt ist alles weg. Dumm gelaufen. Damit könnte man es bewenden lassen, und manche Menschen tun das in solchen Situationen. Aber nicht David. Gegen Ende seines langen Sündenbekenntnisses im 51. Psalm schüttet er in einem absolut ehrlichen Gebet sein Herz aus. Er hat Gott um Vergebung gebeten für Sünden, die sein Leben so beschmutzt haben, dass es so aussah, als ob man den Dreck mit nichts wieder wegbekommen konnte. Aber – und dasselbe findet man auch in anderen Psalmen – zum Schluss wagt er es zu glauben, dass Gott ihm vergeben hat, und zwar wirklich vergeben. Dass Gottes Barmherzigkeit unermesslich ist. David hat etwas gelernt aus dem Zusammenbruch seines Lebens – unter anderem was es bedeutet, sich Gott ganz auszuliefern, seine ganze Hoffnung auf eine Karte zu setzen: Gott. Durch die Jahrhunderte hindurch ruft er es uns zu: Gott vergisst uns nicht; für ihn gibt es keine hoffnungslosen Fälle. Wo das Herz zerbrochen ist, kann Gottes Liebe in es hineinfließen.

Tag 12

Oben auf dem Berg

Als alle gegessen hatten, bestand er darauf, dass seine Jünger das Boot nehmen und zurück ans andere Ufer des Sees fahren, während er die Menschen verabschiedete. Als alle gegangen waren, stieg er hinauf auf den Berg, um in Ruhe zu beten. Bis weit in die Nacht hinein blieb er dort, ganz allein.

Matthäus 14,22-23

Die Bibel ist voll von Bergen, die die Bühne für Sternstunden mit Gott sind. Jesus hat viel erlebt, bevor er auf diesen Berg steigt, um in Frieden beten zu können. Tausende Menschen haben sich satt gegessen, nachdem er ein paar Brotfladen und Fische gesegnet hatte. Er bleibt, bis auch der Letzte gegangen ist. Er muss fix und fertig sein von diesen Stunden, wo er im Mittelpunkt stand. Jetzt zieht er sich wie so oft zurück; diesmal ist der Zufluchtsort der Gipfel eines Berges. Hier kann er endlich allein sein. Das ganze irdische Leben von Jesus pendelte zwischen diesen beiden Polen – der Öffentlichkeit und der Einsamkeit.

So ist es bei uns auch. Hier sind unsere Kollegen auf der Arbeit, dort die Zwiesprache mit Gott. Hier unser Familienleben, dort der nächste Termin mit Gott. Das Alleinsein und Beten ist nicht nur eine Möglichkeit, eine Weile auszuruhen und Abstand von den anderen zu haben. Es ist auch eine Kraftquelle, die es uns möglich macht, der Mensch zu sein, der wir gegenüber den anderen sein wollen.

Tag 13

Ein quietschendes Tor

Wenn ich schöner reden könnte als jeder Mensch und inbrünstiger als ein Engel, aber keine Liebe hätte, wäre ich nicht mehr als ein rostiges und quietschendes Tor.

1. Korinther 13,1

Von M. Scott Peck stammt der Satz: »Liebe ist das, was Liebe tut.« Es ist schon etwas dran, wenn jemand schöner als ein Mensch und inbrünstiger als ein Engel reden kann. Wir missverstehen den Auftakt des Hohelieds der Liebe, wenn wir auf solches Reden herabschauen. Das Hohelied der Liebe will nicht unsere Worte schlechtmachen, sondern die Liebe groß machen. Die Sprache ist uns als eines der mächtigsten Werkzeuge gegeben, die im Jetzt große Dinge bewirken können.

Gott schuf die Welt, indem er sprach. Das Essenzielle ist die Liebe in unseren Worten; denn man merkt es sofort, wenn die Worte leer sind und das Mitgefühl nur aufgemalt ist. Darauf reagiert unsere Seele so empfindlich wie unser Auge auf ein Staubkorn. Dann hören wir förmlich, wie ein Tor grell quietscht. Ganz anders sind Worte, die aus der Liebe kommen. Wir können nur immer wieder staunen, was sie bewirken. Gewöhnliche, einfache und bekannte Worte, die durch die Liebe gleichsam Flügel bekommen und die dort, wo sie landen, Heilung und Hoffnung bringen.

Tag 14

Aus dem Nichts

Am Anfang erschuf Gott die Himmel und die Erde – alles, was man sehen kann, und alles, was man nicht sehen kann. Die Welt war eine Suppe des Nichts, eine bodenlose Leere, ein pechschwarzes Dunkel. Gottes Geist brütete wie ein Vogel über der nassen Tiefe. Gott sprach: »Licht!« Und schon war es da, das Licht. Gott sah, dass das Licht gut war, und trennte das Licht vom Dunkel. Gott nannte das Licht »Tag«, und das Dunkel nannte er »Nacht«. Es war Abend. Es war Morgen. Tag eins.

1. Mose 1,1-5

Die Einleitung zum 1. Buch Mose könnte man 365-mal im Jahr lesen, ohne dass es einem langweilig würde. »Am Anfang« jeden Tages, bevor wir etwas anderes beginnen, ist es eine gute Idee, daran zu denken, dass Gott die Welt erschaffen hat. Alles, was sichtbar ist, und alles, was unsichtbar ist. Die Welt, in der wir uns bewegen, ist nicht zufällig entstanden, sondern es gibt sie, weil es einen Gott gibt. Einen Gott des Lichts. »In ihm ist keine Finsternis«, schreibt der Evangelist Johannes in seinem ersten Brief über Gott.

Dass Gott die Welt erschaffen hat, kann man glauben oder anzweifeln. Ich habe den Glauben gewählt. Den Glauben, dass die Welt aus dem Nichts, einem Durcheinander von Finsternis und Leere, entstand. Den Glauben, dass der Geist Gottes wie ein Vogel über dem Wasser schwebte und dass Gott sein »Licht!« sprach. Den Glauben, dass die Dunkelheit und Leere sich in Gottes Schöpferhänden in Licht und Ordnung verwandelten. Gleich am ersten Tag der Schöpfungswoche hat Gott das Licht von der Finsternis getrennt. Und damit hat er weitergemacht; dass Jesus in unsere Welt kam, ist das größte Beispiel dafür.

Dieser Schöpfungsprozess geht heute weiter, weshalb wir es wagen zu glauben, dass Gott auch in den Tag, der gerade vor uns liegt, sein »Licht!« hineinspricht. Dass er sein Licht hineinspricht in das Chaos unserer Beziehungen und Umstände. Jeder Tag ist ein neues Schöpfungswunder und es tut gut, sich »am Anfang« jeden Tages daran zu erinnern.

Tag 15

Gott ändert seine Meinung

Gott sah, was sie getan hatten und dass sie mit ihrem alten, bösen Leben Schluss gemacht hatten. Da überlegte es sich auch Gott anders, und er tat das, was er ihnen angedroht hatte, nicht.

Jona 3,10

Das Buch Jona ist eine der merkwürdigsten Geschichten, die man lesen kann. Vom Anfang bis zum Ende pendelt es hin und her. Sowohl Gott als auch Jona sind mal zornig, mal mitleidig. Und beide ändern sich. Bei Jona ist das leicht zu verstehen. Wir Menschen ändern uns ständig. Da beschließen wir etwas, und schon bald sehen wir, dass das dumm war und dass wir umdenken müssen. Aber dass Gott sich ändern kann – das ist etwas, womit wir nicht gerechnet hätten. Und das ungeheuer tröstlich ist. Wir denken ja oft, dass es ein Zeichen von Schwäche ist, wenn man eigene Beschlüsse nachträglich wieder ändert. Es gilt das Gegenteil! Es ist ein Markenzeichen großer Menschen, dass sie ihr Urteil manchmal ändern. Offenbar ist das auch bei Gott so. Es gibt in der Bibel noch mehr Beispiele dafür, dass Gott etwas, das er vorhatte, wieder zurücknimmt. Darin liegt ein tiefes Geheimnis. Und ein ebenso tiefer Trost. Nicht alles ist ein vorherbestimmtes Schicksal und in Granit gemeißelt. Gott ist ein dynamischer Gott, der uns dann, wenn wir am wenigsten damit rechnen, mit einer unerwarteten Wende überraschen kann. Vielleicht wird er das heute tun?

Tag 16

Gott segnete den siebten Tag

Himmel und Erde waren bis ins letzte Detail fertig. Am siebten Tag hatte Gott sein Werk beendet. Am siebten Tag ruhte er von all seiner Arbeit. Gott segnete den siebten Tag. Er erklärte ihn zu einem heiligen Tag, denn an ihm ruhte er von seiner Arbeit, von all dem, was erschaffen hatte. Dies ist der Bericht, wie alles anfing und wie der Himmel und die Erde erschaffen wurden.

1. Mose 2,1-4

Es klingt wunderbar, dass Gottes Arbeiten fertig waren. Fertig bis ins letzte Detail. Aber was hat das mit uns Menschen zu tun? Ist das für uns nicht ein frommes Wunschdenken? Wir sind ja keine Götter. Wir sind Menschen mit allem, was das an Potenzial und an Grenzen bedeutet. Manchmal haben wir das Gefühl, dass wir nie fertig werden mit dem, woran wir gerade arbeiten – und wenn wir es dann doch schaffen, warten gleich die nächsten Aufgaben auf uns. Auch die wollen erledigt werden, und bald wissen wir nicht mehr, wo uns der Kopf steht. Immer im Verzug, nie ganz zufrieden. Wie sollen wir damit umgehen?

Der Schöpfungsbericht gibt uns eine Antwort. Es liegt ein Rhythmus in der Schöpfung, eine Ordnung, die uns helfen will, das rechte Verhältnis zu Erwartungen, Pflichten und Terminen zu haben. Dieser Rhythmus gehört zu der Ordnung, die Gott aus dem Chaos erschuf. Als Gott mit seiner Arbeitswoche fertig war, folgte darauf der siebte Tag, und er hörte auf zu arbeiten. Nun ja, streng genommen erschuf er an ihm noch etwas: das Ausruhen. Er machte diesen Tag zu einem heiligen Tag und segnete ihn. Und seitdem steht der Ruhetag wie eine ständige Einladung an uns in der Zeit: Lass deine Arbeit und deine Termine los und lass dich in den Segen von Gottes Ruhe fallen. Welcher Wochentag der »siebte« für uns ist, ist nicht entscheidend. Aber wenn wir einfach immer nur weitermachen mit unserem Arbeiten, ist die Gefahr groß, dass wir den Segen des siebten Tages verpassen. Wenn ich erst mit allem fertig sein muss, bevor ich Luft holen kann, werde ich atemlos durchs Leben gehen. Also: Probieren wir den Wochenrhythmus aus, den Gott uns gegeben hat, und schmecken wir den Segen, den er verheißen hat.

Tag 17

Der Ort, an dem Gott sich mir gezeigt hat

Also verließ Abram Ägypten und kehrte in den Negev zurück – er und seine Frau und alles, was er hatte; auch Lot war nach wie vor dabei. Abram war mittlerweile sehr reich und hatte jede Menge Vieh, Silber und Gold. Vom Negev aus zog er weiter und schlug seine Zelte mal da, mal dort auf, bis er zurück nach Bethel kam, an die Stelle zwischen Bethel und Ai, wo er schon einmal seine Zelte aufgeschlagen und seinen ersten Altar erbaut hatte. Dort betete Abram zu Gott.

1. Mose 13,1-4

Man weiß nie, was das Leben bringen wird. Für die einen bringt es Reichtum – im buchstäblichen oder im übertragenen Sinn –, für die anderen Armut. Mal kommt der Reichtum aus harter Arbeit, mal durch ein Lotterielos. Der eine wird arm durch seine Schlampigkeit oder Charakterfehler, der andere, weil er zu oft Pech gehabt hat. Abram wurde – aus welchem Grund auch immer – sehr reich. Sehr reich – das kann wunderbar sein. Aber auch gefährlich, vor allem, wenn einem der Erfolg zu Kopf steigt und man vergisst, wer man eigentlich ist.

Ich glaube, diese Stelle will uns etwas Wichtiges sagen. Abram kehrt an den Ort zurück, wo er schon einmal seine Zelte aufgeschlagen und seinen ersten Altar erbaut hatte. Für den Armen wie für den Reichen ist es sehr, sehr wichtig, nie zu vergessen, wo man herkommt, nie den Ort zu vergessen, wo man von Gott mit Leben beschenkt und aufgerichtet wurde. Das erinnert uns daran, dass alles, was wir haben, aus Gottes Hand kommt. Und dass es ausreicht. Es ist kein schlechter Start in den neuen Tag, wenn ich mich in meinem Gebet daran erinnere, wie meine Wanderung mit Gott begonnen hat. Wie er in meinem Leben das tat, was ich selbst nicht tun konnte. Dies ist eine gute Medizin gegen den Hochmut sowie gegen die Hoffnungslosigkeit.

Tag 18

Zähle die Sterne, wenn du kannst

»Mach dir keine Sorgen«, sagte Gott. »Nicht er wird dich beerben, sondern du wirst einen Erben haben, der aus deinem Leib kommt.«

Dann führte er ihn nach draußen und sagte: »Schau in den Himmel hoch! Zähle die Sterne. Kannst du das? Zähle deine Nachkommen! Du wirst eine große Familie haben, Abram!«

Und er glaubte! Glaubte Gott! Und Gott nannte ihn »Der, der mit Gott im Reinen ist«.

1. Mose 15,4-6

Abram hatte viel geschenkt bekommen in seinem Leben. Alles außer dem, wonach er sich am meisten sehnte: Kinder. Auch wenn sie nichts lieber gehabt hätten als Kinder – manche Menschen bekommen keine. Andere bekommen Kinder, aber dann verlieren sie sie oder der Kontakt reißt ab. Was in dieser Geschichte hier geschieht, ist ein Wunder, das zu groß für alle unsere Vordrucke und Formulare ist. Und es geht hier nicht nur um Kinder, es geht um jene grauen Morgenstunden, wo wir die Fensterjalousien hochziehen, mit leeren Augen hinausblicken und nicht glauben können, dass es für uns einen Weg in die Zukunft gibt. In solchen Situationen kann es trostreich sein, einfach hinaus in den Wald oder auf eine Wiese zu gehen. Vielleicht auch spätabends dort jene Übung zu wiederholen, die Abram von Gott aufgetragen bekam. Nach oben zu schauen.

Hinauf in den Sternenhimmel zu schauen heißt, Spuren zu sehen von dem Gott, der das Unmögliche möglich machen kann. Wenn ich nur auf das schaue, was Menschen geschaffen haben, stoße ich bald an Grenzen und Mauern. Aber draußen in der Natur begegne ich dem Unerhörten, dem Unzählbaren, dem Unermesslichen und Unfassbaren. Dem Tosen der Elemente, die mit Ozeandampfern spielen, als wären sie Spielzeugschiffchen, und den Sternen, die den schwarzen Nachthimmel übersäen. Meine Probleme verschwinden dadurch nicht immer, aber sie werden in einen Rahmen gerückt, der ihre Proportionen verändert. Dort draußen, unter dem funkelnden Sternenhimmel, höre auch ich manchmal, wie Gott mir zuflüstert: »Keine Angst.«

Tag 19

Vertrauen

Weil Henoch Gott vertraute, entging er dem Tod. »Sie suchten überall, aber sie konnten ihn nicht finden, denn Gott hatte ihn zu sich genommen.« Wir wissen aufgrund zuverlässiger Zeugenaussagen, dass er, bevor er hinweggenommen wurde, »Gott gefiel«. Es ist unmöglich, Gott zu gefallen, wenn man kein Vertrauen zu ihm hat. Und warum? Jeder, der sich Gott nähern will, muss erstens glauben, dass es ihn gibt, und zweitens davon überzeugt sein, dass Gott sich um diejenigen kümmert, die ihn suchen.

Hebräer 11,5-6

Henoch ist eine merkwürdige Gestalt in der Bibel. Schattenhaft und doch spannend. Wir wissen fast nichts über ihn, außer dass er 365 Jahre alt wurde, Söhne und Töchter zeugte und laut dem Brief des Judas ein Prophet war. Und dass er unter geheimnisvollen Umständen verschwand; eben war er noch da und dann plötzlich nicht mehr. Ja, man kann dafür berühmt werden, dass man verschwindet.

Aber wir können auch etwas Wichtiges aus Henochs Leben lernen. Unter anderem etwas über das Gottvertrauen. Gottvertrauen – was für ein schönes Wort. Um Gottvertrauen zu bekommen, braucht es laut dem Hebräerbrief zwei Dinge: erstens zu glauben, dass es Gott gibt. Und zweitens zu glauben, dass er sich um die kümmert, die ihn suchen.

Gottvertrauen entsteht nicht dadurch, dass ich glaube, dass Lazarus wirklich tot war oder Jesus wirklich auf dem Wasser ging. Sondern bei meinem Gottvertrauen geht es darum, zu wissen, dass ich bei Gott willkommen bin, er sich um mich kümmert und ich mich traue, vor ihn zu treten. Auch wenn Henoch nur eine kleine Episode in der biblischen Geschichte ist, zeigt er uns doch, wie man zu einer echten Beziehung zu Gott kommt.

Tag 20

Er hat mich gesehen, und dann sah ich ihn!

Sie rief Gott mit Namen an und betete zu dem Gott, der zu ihr gesprochen hatte: »Du bist der Gott, der mich sieht! Er hat mich gesehen und dann sah ich ihn!«

So kam der Brunnen in der Wüste zu dem Namen »Quelle des lebendigen Gottes, der mich sieht«. Diesen Brunnen gibt es noch heute zwischen Kadesch und Bered.

1. Mose 16,13-14

Hagar ist wirklich schlecht behandelt worden, als sie in die Wüste floh. Sie war selbst schuld, denn anstatt Gott dankbar zu sein, wurde sie aufmüpfig gegenüber ihrer Herrin. Als sie von Abram schwanger wurde, fing sie an, sich für etwas Besseres zu halten als Sarai. Der Konflikt eskalierte und sie flüchtete. Dann landete sie bei einem Brunnen in der Wüste. Dort blieb sie nicht lange allein; ein Engel besuchte sie und erklärte ihr, wie aus dieser verfahrenen Situation etwas Gutes kommen würde.

Manchmal zwingen auch uns die Lebensumstände hinaus in ein dürres, heißes, wegeloses Land. So ist das Leben halt. Aber dort an diesem Brunnen begreift Hagar, dass Gott sie sieht, ja dass er sie die ganze Zeit gesehen hat. Sie hätte nicht flüchten müssen, es hätte genügt, wenn sie in die richtige Richtung geschaut hätte. Es ist gerade so, als ob in diesem Augenblick Hagar und Gott einander in die Augen sehen. Sie bekommen Augenkontakt. »Er hat mich gesehen, und dann sah ich ihn!« Der Bericht erzählt uns, dass der Brunnen später den Namen »Quelle des lebendigen Gottes, der mich sieht« bekam, und er heißt noch bis heute so.

Tag 21

Was ist mit dir?

Früh am nächsten Morgen stand Abraham auf, besorgte etwas zu essen und eine Feldflasche mit Wasser für Hagar, legte ihr beides auf den Rücken und schickte sie mit dem Kind fort. Sie wanderte in die Wüste von Beerscheba. Als das Wasser aufgebraucht war, ließ sie das Kind unter einem Busch liegen und ging ein Stück fort, ungefähr fünfzig Meter weit. Sie sagte: »Ich kann nicht mitansehen, wie mein Sohn stirbt.« Und sie setzte sich und ließ die Tränen fließen. Doch Gott hatte gehört, wie der Junge weinte. Und der Engel Gottes rief Hagar vom Himmel her zu: »Was ist mit dir, Hagar? Hab keine Angst! Gott hat den Jungen gehört und weiß, in was für einer Lage er ist. Steh auf! Hol den Jungen! Drück ihn richtig fest!«

1. Mose 21,14-18

Hagar ist mit ihrem Sohn auf der Flucht. Wieder einmal. Das erste Mal trug sie den Jungen noch unter ihrem Herzen, jetzt kann er alleine laufen. Aber der Grund für die Flucht ist gleich geblieben: Sie ist vertrieben worden hinein in die Fremde der Leere und des Nichts. Es sind etliche Jahre vergangen, seit sie den Jungen geboren hat. Nun versteht er es, andere zu necken und zu ärgern. Und das ist nicht nur für ihn, sondern auch für seine Mutter zum Verhängnis geworden. Jetzt kann sie sich nicht mehr auf den Beinen halten, bringt es nicht fertig, ihren Sohn sterben zu sehen. Oder ihre Tränen zurückzuhalten.

Alle, die selbst schon an diesem Punkt gewesen sind, wissen, dass dies ein Albtraum ist – aber auch eine Chance. Der Junge scheint den sicheren Tod vor sich zu haben. Seine Mutter ist ein Stück fortgegangen, damit sie seinen Todeskampf nicht mitanhören muss. Doch es gibt noch eine dritte Person in diesem Drama: Gott. Und Gott muss nicht den Weg über einen Menschen nehmen, der erwachsen oder reif oder stark ist. Das Kind hat seine eigene Beziehung zu Gott, die keine Mittelspersonen benötigt. Ich denke hier an all die Menschen, für die wir uns sorgen und beten und wo wir spüren, dass wir nichts tun können. Wir sind müde geworden von all dem Mittragen, und da kommt Gott zu uns und fragt: »Was ist mit dir?« Er hat die Lage im Griff. Wir können unseren »Jungen« zu uns holen und in die Arme nehmen. »Was ist mit dir?« – Das ist eine sehr wichtige Frage.

Tag 22

Gott ist hier – und wie!

Jakob erwachte aus dem Traum. »Gott ist hier – und wie!«, entfuhr es ihm. »Und ich habe es nicht einmal gewusst!« Er war erschrocken. Er flüsterte voller Ehrfurcht: »Unglaublich. Wunderbar. Heilig. Das hier ist Gottes Haus. Hier ist die Tür zum Himmel!«

Als der Morgen graute, stand er auf, nahm den Stein, der ihm als Kopfkissen gedient hatte, stellte ihn als Gedenkstein auf und goss Öl auf ihn. Er nannte die Stelle Bethel, »Gottes Haus«. Der Name der Stadt war früher Lus.

1. Mose 28,16-19

Wir sollten dankbar dafür sein, dass viele Träume nur Schäume sind. Im Traum vermischt sich alles Mögliche zwischen Himmel und Erde zu einem Gebräu, das manchmal peinlich, quälend oder auch sehr lustig sein kann. Aber hin und wieder ist es Gottes Methode, durch unsere Träume etwas zu uns zu sagen, was wir im Wachzustand nicht aufnehmen konnten.

Jakob ist auf einer langen Reise. Es wird dunkel und er wird müde – so müde, dass er einen Stein als Kopfkissen nimmt. Er schläft ein und träumt von einer Treppe zwischen dem Himmel und der Erde, auf welcher Engel auf- und absteigen. Und dann spricht Gott über Jakobs Zukunft. Jakob wacht auf. Was er da gerade geträumt hat, ist so ungeheuerlich, dass er nur flüstern kann: »Unglaublich. Wunderbar. Heilig.« Er versteht auf einmal: Gott war nicht nur in der Vergangenheit für ihn da, als ikonenhafte Erinnerung, oder er wird in der Zukunft bei ihm sein, als starke Vision. Nein, Gott ist hier! An dem Ort, wo Jakob gerade geschlafen hat. Und er nimmt sein »Kopfkissen« und stellt es als Gedenkstein auf.

Man kann aus dem, was in jener Nacht bei Lus geschah, viel Wichtiges herauslesen: Ruhen kann eine gute Methode sein, sich aufnahmebereit für Gottes Reden zu machen. Die Tür zum Himmel ist hier auf der Erde. Es ist gut, sich an die Tage zu erinnern, wo Gott uns besonders nah war. Und wer weiß: Vielleicht ist heute so ein Tag. Dann vergiss nicht, dein Kopfkissen als Gedenkstein aufzurichten. Das ist dieser Tag wert.

Tag 23

Große und unerwartete Dinge

»An deiner Stelle würde ich mich direkt an Gott wenden; ich würde mich auf die Gnade Gottes verlassen. Er ist ja bekannt dafür, dass er große und unerwartete Dinge tut; seine Überraschungen nehmen kein Ende.«

Hiob 5,8-9

Die Freunde des gebeutelten Hiob geben ihm ihre Ratschläge. All die sind gut gemeint und theoretisch richtig – aber in der Wirklichkeit des Lebens erprobt sind sie nicht. Und daher helfen sie Hiob nicht, sie machen sein Elend womöglich noch schlimmer. Man kann sich sehr einsam fühlen, wenn die anderen mit großen Tönen und Floskeln über das Leben kommen. Doch in dieser Bibelstelle gibt ausnahmsweise einer der Freunde, Elifas, einen guten Rat: »Hiob, wende dich direkt an Gott!« Ob Hiob wirklich noch nicht darauf gekommen war? Elifas erinnert ihn jedenfalls, dass es nie sinnlos ist und unbelohnt bleibt, wenn man direkt zu Gott geht. Es ist immer der richtige Weg. Gott ist immer für eine wunderbare Überraschung gut.

Was für eine wichtige Wahrheit! Wenn ich Gott nicht begegne auf einem der Wege, die ich kenne, kann er auf einem ganz unerwarteten Weg auftauchen, den nur er kennt. Gott hat die volle Bewegungsfreiheit im Verborgenen. Also: Wenn dort, wo du dich gerade abmühst, alle Wege verschlossen aussehen und das letzte Wort gesagt zu sein scheint – Gott ist der große Überrascher. Er kann Wege bahnen, wo keine sind. Das ist eine seiner Spezialitäten.

Tag 24

Tu’s einfach!

Wenn du jemandem hilfst, solltest du nicht die Aufmerksamkeit auf dich lenken. … Tu’s einfach – ruhig und ohne dich aufzudrängen. So hilft Gott, der dich aus lauter Liebe erschaffen hat, dir ja auch. Er ist hinter den Kulissen aktiv.

Matthäus 6,3-4

Die Bergpredigt ist voller guter Ratschläge für das Leben. Aber es sind nicht nur Ratschläge, es sind auch die grundlegenden Richtlinien für gelebte Nachfolge. Was ich tue, ist wichtig, aber noch wichtiger ist, warum ich es tue.

Es scheint für Jesus selbstverständlich zu sein, einander zu helfen; er sagt ja nicht: »Falls du jemandem hilfst«, sondern: »Wenn du jemandem hilfst.« Es ist nichts Besonderes, einem Mitmenschen zu helfen; dafür hat Gott uns erschaffen. Jeder, der schon einmal im sozialen Bereich tätig war, weiß, dass diese Arbeit einem unendlich viel gibt, eine Erfüllung, wie man sie sonst kaum findet. Aber diese Freude darüber, einem Mitmenschen helfen zu können, kann einem mit der Zeit zu Kopf steigen und einen stolz auf seinen Einsatz machen. Dies gilt besonders, wenn man vielen hilft. Dann bekommt man zwar den Beifall der Zuschauer, hat aber nicht mehr die tiefe Verbundenheit mit den Hilfesuchenden.

Hier hat Jesus einen guten Rat für uns: Kümmere dich nicht darum, welchen Eindruck das macht, was du tust. Tu es einfach still und leise und ohne Trara. Und anschließend erinnert er uns daran, dass Gott ja ständig hinter den Kulissen aktiv ist. Wenn ich etwas ruhig und ohne mich aufzudrängen, tue, erweise ich damit dem anderen ein Stück Respekt. Ich signalisiere ihm: Du bist nicht einfach eine Nummer in der Masse. Du bist du.

Tag 25

Sei so schlicht und ehrlich, wie du kannst

Auch wenn ihr euch an Gott wendet, solltet ihr keine Theateraufführung daraus machen. So viele ziehen eine regelrechte Show ab, wenn sie beten, und hoffen auf fünfzehn Minuten Ruhm. Meinst du etwa, Gott sitzt in der Loge? Folgendes solltest du tun: Geh an einen ruhigen Ort, wo du allein sein kannst, damit du nicht in Versuchung gerätst, vor Gott Theater zu spielen. Sei so schlicht und ehrlich, wie du irgend kannst. Dann stehst nicht du im Mittelpunkt, sondern Gott und du beginnst, seine Gnade zu spüren.

Matthäus 6,5-6

Beten ist keine Kunst. Wiederholungen schaden nicht. Es ist eine Sprache der Liebe. Aber Vorsicht: Es steckt eine Versuchung in unserem Beten. Wann immer wir so darauf schauen, wie unsere Gebete klingen, bekommen wir keine mehr zustande, die Gottes Ohr erreichen. Wenn es mir wichtig wird, wie meine Gebete auf meine Mitmenschen wirken, sollte ich besser innehalten, denn dann habe ich das stille Kämmerlein verlassen und mich auf die Bühne gestellt. Hier kennt Jesus kein Pardon, erst recht nicht in den langen Reden, die wir als die Bergpredigt kennen. Das Gebet gehört nicht zu den Disziplinen, bei denen man Erfolg oder Misserfolg haben kann. Jeder Mensch hat das Recht, auf die eigene Weise zu beten, mit den eigenen Worten oder auch ohne Worte. Es ist gerade so, als ob Jesus sagt: »Mach es dir nicht zu kompliziert, das Komplizierte ermüdet nur.« Sei ehrlich. Ehrlichkeit macht einen leicht und frei. Du musst dich nicht krampfhaft daran erinnern, was du alles gesagt hast, so wie ein Lügner oder ein Heuchler das muss. Geh an einen ruhigen Ort und bete dort, wo du allein bist. So wird dein Beten schlicht und ehrlich.

Manchmal ist es schön und auch wichtig, mit anderen zusammen zu beten. Aber die tiefste Dimension des Gebets wird im unsichtbaren, heimlichen Kontakt zwischen Gott und dem Beter erlebt. Alles Beten – auch das in einer Gebetsgemeinschaft – profitiert davon, dass man so betet, als ob man allein mit Gott ist.

Tag 26

Gott zahlt mit Zinsen zurück

Jemandem, der in Not ist, zu helfen ist so, wie Gott ein Darlehen zu geben, und Gott zahlt diese Darlehen mit Zinsen zurück.

Sprüche 19,17

Die Bibel hat viele Bilder für Gott. Sie bezeichnet ihn – um nur einige Beispiele zu nennen – als Mutter, als Vater, als Burg und als Licht. Wir brauchen alle diese Vergleiche, um unser Bild von Gott vollständig zu machen. Und doch wissen wir die ganze Zeit: Gott ist so viel mehr als alle unsere Bilder von ihm. Ein Grund mehr, die ganze Bibel zu lesen, weil jedes neue Bild von Gott unser Zusammenleben mit ihm und mit unseren Mitmenschen reicher macht.

In unserem heutigen Text vergleicht der weise Salomo Gott glatt mit einer Bank. Man zahlt Geld ein, lässt es für sich arbeiten und kann es später mit Zins und Zinseszins wieder abheben. So ist das mit unserem Geld, aber auch mit all dem, was wir für andere Menschen tun. Wenn ich die Bibel richtig verstehe, lehrt sie uns, das Klügste mit unserem Geld zu machen, nämlich es wegzuschenken oder auszuleihen, auch wenn wir es wahrscheinlich nie zurückbekommen werden. Das Geld ist ja nicht weg. Es liegt auf einer Bank, die uns Dividenden auszahlt, mit denen wir vielleicht nicht einmal gerechnet haben. So funktioniert Gottes Bank. Verschenktes oder ausgeliehenes Geld kann zu uns zurückkommen in Form von besseren Beziehungen, verständigerem Denken oder einem offeneren Herzen.

Tag 27

mein Zelt im Land der Hoffnung

Ich sehe Gott allezeit vor mir. Nichts kann mich erschüttern; er steht an meiner Seite. Mein ganzer Mensch jubelt und ist fröhlich; ich habe mein Zelt im Land der Hoffnung aufgeschlagen. Ich weiß, dass du mich nicht in den Hades werfen wirst, ja, dass ich noch nicht einmal den Geruch des Todes riechen werde. Du hast meine Füße auf den Weg des Lebens gestellt, und dein Angesicht ist die Sonne auf meinem Weg.

Apostelgeschichte 2,25-28

Hier findet sich der Satz, der mich zu den Tagesandachten von Texten aus The Message animierte. So groß und so tief ist das Mysterium der Sprache. Ich weiß nicht mehr, wie oft ich die Apostelgeschichte und den Bericht über die Ausgießung des Heiligen Geistes auf die Jünger von Jesus gelesen habe. Manch einer verwechselte die erstaunten Augenzeugen mit den Folgen eines Trinkgelages. Aber die Jünger waren nicht voll von Alkohol, sondern voll vom Heiligen Geist.

In dieser Situation tritt Petrus nach vorne, flankiert von den anderen Jüngern des inneren Kreises um Jesus, und hält seine Rede. Es ist keine Verteidigungsrede – denn es gibt nichts zu verteidigen. Trotzdem geht Petrus zum Angriff über. Er klärt seine Zuhörerschaft auf, dass dieses Geschehen nichts anderes als die Erfüllung einer alten Prophezeiung des Propheten Joel ist. Dann redet er über Jesus und erklärt, dass er gekreuzigt und begraben worden war, aber dass Gott ihn anschließend, wie geplant, von den Toten auferweckt hat. »Der Tod hatte keine Chance«, sagt er. Und dann zitiert er das, was König David im 16. Psalm sagt: »Ich bin rundherum glücklich«, und: »Ich habe mein Zelt im Land der Hoffnung aufgeschlagen.«

Das Alte Testament ist voll von Zelten. Über 300-mal werden sie erwähnt. Es war damals keine Übernachtungsgelegenheit für Camper und Touristen, sondern Wohnungen für die Menschen und für Gott. So ein Zelt stand für Schlichtheit und Flexibilität. Man stellte es dort auf, wo man gut leben konnte, auch wenn die Umstände sich veränderten. Dann baute man es eben wieder ab. Dieses Bild benutzt Petrus, allerdings ist mit diesem »Zelt« gemeint, dass man in dem »wohnt«, was Jesus getan hat. Wer bei Jesus sein Zelt aufschlägt, der wohnt im Land der Hoffnung und braucht nie mehr umzuziehen.

Tag 28

Lass jedes Wort ein Geschenk sein

Überlege dir, wie du etwas sagst. Hüte dich vor Gehässigkeiten und Dummheiten. Sage nur solche Dinge, die die anderen stärken; lass jedes Wort ein Geschenk sein.

Epheser 4,29

Der ehemalige Chefredakteur einer großen Tageszeitung sagte einmal: »Das Erstaunliche an Worten ist, dass sie etwas bedeuten.«

Als Paulus den Unterschied zwischen dem alten und dem neuen Leben beschrieb, ging es nicht um die plötzliche Veränderung unserer Gefühle, sondern darum, dass man mit gewissen Dingen Schluss machte und dafür andere anfing. Ein Beispiel dafür ist unser Reden. Was spreche ich und was spreche ich nicht (mehr)? Paulus fordert uns auf, gehässiges oder dummes Geschwätz abzulegen. Also: Wenn es mich juckt, eine spitze Bemerkung an den Mann oder die Frau zu bringen, habe ich an mich zu halten, falls diese Bemerkung in die Rubrik »Gehässigkeiten« oder »Dummheiten« fallen sollte. Deshalb sage nur solche Dinge, die den anderen stärken. Nur solche. Das heißt nicht, dass man nur noch schöne Belanglosigkeiten von sich geben soll. Oder höfliche Lügen. Nein, es geht darum, auf die tröstende, heilende, stärkende und Mut machende Kraft der Worte zu setzen. Zu glauben, dass sie etwas bedeuten.

Tag 29

Sonnenklar

Niemand hat Gott je gesehen oder auch nur einmal flüchtig wahrgenommen. Aber er, die einzigartige Gottesgestalt, die im Herzen des Vaters lebt, macht ihn sonnenklar für uns.

Johannes 1,18

Die schwedische Schriftstellerin und Musikerin Ylva Eggehorn sagte einmal, dass Gott vielleicht ein Geheimnis ist, das von Jesus enthüllt wird. Diese Worte finden sich in ihrer Gedichtsammlung Jesus liebt dich wieder. Sie erschien 1972, als Ylva ganze 22 Jahre jung war. Doch diese Sammlung, in einfache Worte gegossen, liest sich wie eine Erkenntnis, für die man ein ganzes Leben braucht, um sie zu erfassen.

In der schwedischen Übersetzung Bibel 2000 steht an dieser Stelle im Johannesevangelium, Jesus habe uns Gott »erklärt«. »Erklären« ist ein etwas plattes Wort in einem Kontext, in dem es um Liebe und Glauben geht. Es klingt ein wenig so, als sei Gott eine knifflige Gleichung, die ein begabter Mathematiklehrer uns verständlich macht.