Im Licht des Lebens – Erinnerungen - Xam Retchir - E-Book

Im Licht des Lebens – Erinnerungen E-Book

Xam Retchir

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Beschreibung

Geschichte wird vor allem in Biographien lebendig. Das gilt auch für die DDR. Hier ist insbesondere interessant, wie die Menschen in ihr lebten und wie sie sie wahrgenommen haben. Ein Beispiel hierfür liefert Xam Retchir in seinem autobiographischen Roman "Im Licht des Lebens". Geboren 1939 in Schiebsdorf in Brandenburg bekommt er noch die Schrecken des Krieges wie insbesondere die Flüchtlingstrecks oder die Belagerung seiner Heimatgemeinde mit. In der DDR erreicht er aber über eine Maurerlehre und die Weiterbildung zum Ausbilder den sozialen Aufstieg. Schließlich gelingt es ihm auch, in der BRD Fuß zu fassen. Ein sehr spannender Einblick in eine bemerkenswerte deutsche Biographie. Vor allem das Reflektieren über seine Verantwortung im DDR-System ist lesenswert.

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Seitenzahl: 497

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Inhaltsverzeichnis

Impressum 2

Vor dem Lichte 3

Die Ankunft 10

Meine Abstammung 13

Umzüge 18

Meine Vorschulzeit 21

Wieder Wohnungswechsel 35

Der Zusammenbruch 39

Die neue Zeit 45

Einschulung, Schulzeit, Wirtschaft, Freizeit 50

Spiele, Streiche, Dummheiten 65

Zentralschule 101

Maurerlehre 111

Der schnelle Abschied 135

Beruf und Junggeselle 137

Mein Arbeitsplatzwechsel 144

Spaß, Vergnügen, Karneval und Lotto 150

Weiter in der Dominanz der Arbeit 160

Ausbildung zum Meister 168

Die Entscheidung 173

Abenteuer von Liebe und Glück 178

Die Schule geht weiter 193

Widerwillige Soldat 201

Beruf und Familie 217

Leiter polytechnischer Unterricht 245

Wartezeit-Ende 261

Umbruch, Wende 288

Von der Arbeitslosigkeit ins Rentnerleben 302

Mit dem Rückblick in die Zukunft 331

Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie­.

Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Funk und Fern­sehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger, elektronische Datenträger und ­auszugsweisen Nachdruck, sind vorbehalten.

© 2022 novum publishing

ISBN Printausgabe: 978-3-99130-122-6

ISBN e-book: 978-3-99130-123-3

Lektorat: Tobias Keil

Umschlagfoto: Alex Grichenko | Dreamstime.com

Umschlaggestaltung, Layout & Satz: novum publishing gmbh

Innenabbildungen: Xam Retchir

www.novumverlag.com

Vor dem Lichte

Irgendwann nimmt alles seinen Anfang. In meinem Fall stellt sich die Frage: Wann war der Anbeginn? Es war dunkel nichts als Dunkelheit. Kein bisschen Licht, kein Funkeln, kein Schimmern, das Schwarze dominierte. In der Weite und Tiefe des Universums gibt es viele Dinge, von denen unsere Schulweisheit uns nur träumen lässt. Doch von einer wahrhaften Träumerei konnte überhaupt keine Rede sein. Umgeben von einer mannigfachen Vielfalt, in welcher das Existenzielle jedes auf seine Art und Weise integriert. Aber wenn ich mich selbst hinterfrage, was war ich, wie war ich und in welchem Zustand befand sich das materielle stoffliche! Blicken wir in die Tiefe unserer tatsächlichen Existenz hinein, so wird die Vorstellung sehr vage. Auf jeden Fall blicke ich in eine dunkle Zeit zurück, welche mich aber doch im Lichte erscheinen lässt. In der Vorstellung dominiert natürlich das Lichtlose. Wenn ich aber davon ausgehe, dass aus nichts auch nichts werden kann, war wohl doch Licht im Spiele. Es kann davon ausgegangen werden, dass zu meiner Schnürung der Sonne Strahl erquickte. In der Tiefe des ganzen Daseins trudelten meine ungeordneten Bestandteile daher. Es war erforderlich, einen Ordner anzulegen, in welchem ich mich sammeln konnte. Die Struktur war völlig unübersichtlich. Ausgehend von der Vorstellung, dass ich, in welcher Form auch immer, schon ewig existierte, lässt mich im neuen Lichte erscheinen. Von Dunklem umgeben kam ich dem Hellem immer näher. Die Orientierung war stetig eine Gratwanderung. Meine Urelemente trieben, drifteten, schwammen und wurden miteinander verkettet. Inwieweit ein Blinzeln, ein Leuchten oder das Strahlen vakanter Objekte die nötigen Impulse meinem Werden auch verhalfen, möchte ich bejahen. Entscheidend zu meiner Förderung waren mit Sicherheit solche Einflussgrößen wie Wärme und Kälte. In vielerlei Hinsicht möchte ich eine angenehme Frische, aber einer gediegener molligen Wärme gab ich allzeit den Vorzug. Eine ganze Portion von Bedingungen waren die Voraussetzung, um überhaupt den Weitblick der Zukunft zu sehen. Hauptprobleme bestanden in einem fort von gerechten Hilfen dergestalt, dass es so wenig Wegweiser für die Richtung gab. Das Schwabbeln von hier nach da, der Sog von oben nach unten, nach links nach rechts, ja, nach allen Richtungen war nicht zweckdienlich, sinnvoll oder günstig in Enthusiasmus zu verfallen. Kein Pate stand zur Seite, oder doch? Alles im Alleingang? Zum Beispiel die Kräfte der Anziehung der Gegner, die Widersacher waren sicher im Spiele und sollten schon kräftig mitgemischt haben. Fleiß und Ausdauer, das Gute und Schöne, aber auch Hingabe und Mut waren mit Sicherheit bestimmende Größen. Der richtige Zeitpunkt, Umfeld und Gespür von Vertrautheit und nicht zu vergessen viel Gefühl. Nah damit konnte ich zumindest noch sehr wenig bewerkstelligen. Meine totale Verantwortung lag im Grunde noch mehr in der Tiefe. Ich musste mich um eine ordentliche Profilierung bemühen, sozusagen auf ein gutes Image ausrichten. In gewisser Weise war es ein Kampf in eingeengtem Platze. Der Spielraum war eng bemessen, aber Raum genug. Für die Ewigkeit dennoch nicht geeignet. Kampfgesellen ließen sich an meiner Seite nieder. Ohne Streit lümmelte jeder so vor sich her. Der Wettbewerb war noch nicht entbrannt. Jeder dümpelte nach seiner Fasson und Eigenheit herum. Es gab nur wenig Hinweise, Orientierungshilfen, Anhaltspunkte, Fortschritte und Tipps eben dem Dunklen zu entkommen. Wann hatte man das Gefühl für die Wegbereitung? Manchmal war es wie ein Streicheln, den Druck im Kessel verspürten alle Eingeschlossenen. Wenn so ein wuschig eingebendes Prickeln gegeben war, dann war stets Eile im Verzug. Die Schöpfung bedachte, dass die Voraussetzung für mein Werden zu einer gestalteten, reifen Sache geworden. Wir waren da nicht einige, wir waren immens viele und von unterschiedlicher Konstitution, aber immer noch in gewisser Weise einträchtig miteinander. Einige derbe Stöße waren nicht ohne und im daher schwirren sollten zum Funktionieren und in allen Aktionen Kollisionen ausgeschlossen werden. Alle hatten an unterschiedlichen Manövern Erfahrungen sammeln können. Für den Ausflug wollte ich nicht an letzter Stelle im Aufgebot stehen. Es galt beherzt, forsch, unbeirrt, zielbewusst zu entfliehen im wahren Lichte sich quantitativ neu zu ordnen. Der entscheidende Impuls ließ noch auf sich warten. Im Grunde hatte keiner von uns Gesellen unbedingte Gedanken zur Flucht, denn wir hatten nie Not und verdrießlichen Kummer. Immer ein warmes, gemütliches und molliges Wohlbehagen. Wir waren viele und ähnelten einander. Alle hatten den gleichen Formenaufbau. Eine Ausbildung wurde uns zuteil, die dem Kampfsport entlehnt war und somit galt es, wenn es an der Zeit ist, die Bewährung als Kampfschwimmer zu bestehen. Immer öfter wurden wir in Aufregung gebracht. Der Sturm auf das Ungewisse, das wahrhaft Neuem war nur eine Frage des Glückes im Felde der Liebe. Es woben des Kornes bewegte Felder. Es war Maien-Tag, überall die Pracht von Grün und ein Blumenmeer ergoss sich im Überschwang. Im Umfeld ein Flattern, Zirpen, Zwitschern, Brummen und Summen erfüllten die Lüfte. Des Frühlings warmer Tag vom Stern des Lichtes in gleißender Fülle umhüllt, tobten in erquickender Weise die Gefühle von Sehnsucht und Glück. Wie im Garten Eden waren die sich schon innig Vertrauten im herrlichen Umfeld der reinen Natur sich selbst überlassen. Kein Störendes vertrieb sie aus diesem paradiesischen Anwesen. Immer näher sich kommend und jede Berührung und jedes Betasten verzückt und beglückt die Liebenden. Ringsum alles hinter sich lassend, keinen Sinn mehr für den Frühling holden den Tag, nur noch in die Tiefe der Glückseligkeit versunken bricht Amor das Siegel. Versunken im Gesamtspiel wird nur noch von einer puren glückhaften Befriedigung begleitet und ebbt in den Nebel der Verzücktheit.

Alle Gesellen verspürten einen großen Moment. Ein Rütteln und Schütteln holte uns in höchster Wachsamkeit, alle Glocken läuteten, alles war in Aufregung versetzt, der Befreiung ging der Sturm voraus. Wir wiegten uns nicht mehr in Sicherheit. Noch in der gesicherten und objektiven Einhüllung waren wir verwahrt. Im befindlichen Medium stets um zwei Grad kühler gehüllt als im um-und anliegenden Umfeld. Diese Notwendigkeit war Voraussetzung, damit unsere Existenz nicht verloren ging. Im Hergang der Romanze verstärkten sich die Druckverhältnisse potenziell. Der Augenblick, aus der Vorratshaltung entbunden zu werden und dem Lichte näher zu kommen, drängelte alle Mitbewerber. Alle waren entschlossen, jeder war in Bereitschaft, um ein Ankommen zu verpassen, auszuschließen. Es fehlte noch das letztendliche Signal. Der Startschuss zur Erlösung stand unmittelbar bevor. Jetzt musste die Befreiung in jedem Augenblick passieren.

So, als wenn man an der Kante über dem hochaufragenden Felsen zur Selbstopferung zum Sturz in die Tiefe haltlos fällt und keine Gegenwehr spürt, in einer solchen Situation wie explosionsartig im Hin- und Wegströmen eine neue Dimension. Das Rennen um den besten Erfolg war entbrannt. Jetzt gab es kein Halten mehr. Dramatisch war der Kampf um die Spitze. Wer hier im Schwimmkampf versagte, war verloren. Die Problematik bestand darin, weiterhin im Dunkeln auszuharren und nach dem Licht der Zukunft zu streben. Ich war vorne und ließ nicht nach, das Tempo zu erhöhen. Die Einfälle der Konkurrenten waren nicht ohne. Die Blockaden funktionierten noch ausgezeichnet. Nachstoßender Druck war vorteilhaft und mit neuem Schwung dem Ziel entgegenzueilen. Noch gab es keine Gewissheit, worin das Neue den Vorteil beflügelt. Man musste höllisch aufpassen im stetigen Kampf mit den Artgenossen. Doch plötzlich gab es Ohnmacht und Aufruhr, die Fahrt in die neue Tiefe wurde gebremst, fast rückläufig war die Fortbewegung. Später erfuhr ich des Übels Umstand, aber ich konnte mich äußerst in Front bringen. Mit dem letzten Schuss brachte mich die Treibladung im Fluss der Zukunft entgegen. Ich bemerkte hinter mir desolate Erschlaffung, Kraftlosigkeit und ein Ermüden, in dessen ich so lange heimatlich gebunden war. Was war meine Rettung? Mein neuer Aufenthaltswechsel war darauf pikant ausgerichtet. Der Wechsel des Mediums war das entscheidende Kriterium, quantitativ wie auch qualitativ unübertrefflich. Zwei Grad wärmer war es hier, die Batterie konnte ich füllen. Ja, Egoist musste man ohnehin sein. Nur der Beste, Kräftigste würde den Sieg erringen und zur Pforte der Empfängnis den Durchbruch schaffen, zum letztendlichen Ziel ankommen. Ich war auf gutem Wege. Noch eines war sehr wichtig, der mir zugeordnete Duftsensor war ein probates Mittel, die Tür zum Einlass zu orten. Bei der weiterhin herrschenden Dunkelheit war diese potenzielle Hilfe von eminenter Bedeutung. Nur so konnte ich das Andocken finden und mit neuer Hoffnung dem Lichte entgegenstreben. Im Kampf mit den Mitbewerbern konnte ich ein Quäntchen Vorsprung erarbeiten.

In letzter Anstrengung verstärkte ich das Kraulen und belagerte die Lichtung der Hoffnung. Ein Scheitern hier bedeutete gleich eine Hinrichtung. Ohne Ruh und Rast drang ich schlüpfrig ein. Ohne Gegenwehr wart ich aufgenommen, nach der Ejakulation verschmolzen, vereint, geeint zu Neuem programmiert. Die Verwandlung meiner neuen Zukunft wurde rasant und ohne Widerspruch prompt augenblicklich entschieden. Der Zuschlag war, ich blieb ich. Das war hier eine ganz andere Verpackung, ja, nobel, exklusiv und mit großzügiger Zuwendung veränderte ich mich in nie da gewesener Art und Weise. Die Versorgung wurde ohne Unterbrechung in bester Qualität organisiert. So ist es, wenn der Mut mit Entschlossenheit geführt wird. Das Turteln der Partner war die Voraussetzung, von der Einzelhaft in die Zelle der Partnerin zu schlüpfen und mit der Vereinigung etwas ganz Neues zu werden.

Schon nach wenigen Tagen und Wochen war ich völlig neu konstruiert. Noch war ich ganz gelassen, ruhig und in bequemer Lagerung. Wie ein Paar waren wir ein einziges. Doch bald darauf teilten wir uns, aber nicht jeder für sich, sondern immer weiter zu Größerem, Vielfältigem, zu etwas ganz Neuem. Anfangs war der Wuchs noch verhalten. Ich hatte keine Ahnung, aber der Aufbau ging rasant voran. Ich wurde wie aus einem Nichts gefügt, gestrickt, geformt, verbunden in wundervoller Weise zauberhaft im steten Wuchs und Wandel neu erschaffen. Eine Konstruktion von Gliedern, Fließen und Kanälen, Stützen und Bögen, Schläuchen und Röhren, Puffern, Stoßdämpfern und Polstern, einem tollen Motor und moderner Schaltzentrale wie ein Puzzle gefügt. Genau nach vorgegebenem Plan erfolgte die systematische Schaffung meines Egos. Alles war von Anfang an dem Ziel untergeordnet. Niemals kam ich in Not. Für meinen Aufbau wurden alle erforderlichen Zutaten peinlichst bereitgestellt. Hier, in einem so komfortablen Asyl war alles wunderbar geregelt. Schon nach etwa sieben Monaten hatte ich gewissermaßen die Selbstständigkeit in mir aufgebaut. Oder anders gesagt, der Rohbau war mehr als fertig. Feinschliff von Ecken, Rundungen, ja quasi die TÜV Prüfung nahm bisher Zeit in Anspruch. Der gesunde Ehrgeiz mahnte mich noch auszuharren. Vor allem war zu erreichen, dass das Seelenzentrum nicht zu kurz kam. Ich beugte mich der Vernunft weiterhin auszuharren als eine vernünftige gute Entscheidung. Manchmal war es mir so, als wenn es flackerte. Die Bettung, die Erschaffung war quasi Sonderausstattung. In allen Lagen war es möglich, sich zu recken, zu strecken, zu drücken und zu pochen, sich zu dehnen wie in einem Sportsalon jeder Kräftigung nachzuhelfen. Ich spürte auch von außen her ein Tönen, Streicheln, Klatschen in der Umhüllung. Auch Horchposten legten ihr Ohr an und jetzt war ich bemüht, mit gezielten Fußtritten die Neugier freudig zu zelebrieren. Das Verweilen in meinem Schutzbunker war zwar ein langes, dunkles, aber auch unübertroffenes Aufenthaltsmedium. Das Wackeln, Schaukeln und das Hin und Her waren pures Vergnügen. Dieser Vorteil wurde stetig abgebaut. Die Lagerung wurde immer prekärer. Zu diesem Zeitpunkt war die Beköstigung intakt, gewollter maßen lief alles dosiert, oder hatte ich hier noch Zusatzrationen? Irgendwie muss meiner Ansicht nach hier ein Zeitfenster gegeben haben, um später den Essegoismus im Nachlass eine gewisse Berechtigung zu entsprechen. Alles war noch sehr vernebelt. Auch ein Blinzeln verhalf mir nicht vom umnebeltem einen helleren Umriss zu erhaschen. Dieses von Anbeginn erstrebte Ziel in die Helligkeit einzuhandeln, harrte noch auf mir. Aber der Drang, aus der gegebenen und wundervollen Einhüllung zu entfliehen, wurde stetig entschlossener. Einer wundersamen Revue gleich präsentierten sich der Mutter Freude in ihrem Innern und äußerlich im erhabenen gewachsenem Glück. Als Flatterheini vom Gel umspült, aus der sicheren Verschanzung mit Hochdruck im neuen Röhrenmuster platziert, einen guten Rang belegen und im Kraulstiel das An- und Eindockziel zur innigen Vereinigung mit dem Lieben von Ei war ein fantastischer Akt vom Heimkommen. Dann diese gegenseitige Befruchtung zum Eigenständigen entwickelt. Eine solche kolossale Verwandlung zu einem bewegenden Triumph gebührt der Schöpfung höchste Ehrung. Zwei von sich aus gegensätzliche Dinglichkeiten müssen naturgemäß mit sich vereinigt werden. Ja, ins Leben gewebt zu werden und in Helligkeit den Glanz zu entfalten. Dem ewigen Dunkel entfliehen und im Stern des Lichtes aufgehen, war jetzt mein unbedingtes Streben. In guter Hoffnung wähnend war ich lang genug behütet und verhüllt. Mein Sponsor, in dem ich mein Verweilen noch fristen musste, wollte ich Unterhaltungspflichten nicht länger in Haftung lassen wollen. Das Vorhaltungspotenzial ging zur Neige. Die Zeit des totalen Schutzes, der Obhut, Behütung und Geborgenheit war abgelaufen. Das Nebelhafte, das Sein im Trüben hatte die Endlichkeit genommen. Nur noch Licht verhalf zu neuem Quell.

Die Ankunft

Etwas versetzte mich in helle Aufregung. Ein allseitiger Druck war zu verspüren. Der gewöhnliche Tagesablauf schien gestört. Mit der Ruhe war es vorbei. Hier noch eine ruhige Kugel zu schieben, sollte endgültig der Vergangenheit zugeordnet sein. Einträchtig, ohne Wenn und Aber waren meine Reifung sowie Schutz und Werden im Quartier gegen null gelaufen. Der Schutzbefohlenen die höchste Ehre für Sorgfaltspflicht, welche in hervorragender Art und Weise mir angedeihen ließ. Den Status des embryonalen erreicht war das Vorausschauen hinsichtlich meinerseits, dass das Versorgungssystem den weiteren Anforderungen nicht mehr folgen konnte. Aber die entscheidende Bedingung für einen den weiteren Aufenthalt in solcher komfortablen Herberge war die Begrenztheit des Raumes oder besser gesagt mein erreichtes Volumen. Mit der Gemütlichkeit war es endgültig vorüber. Noch hatte alles einen gewissen Automatismus. Aber wie gesagt, es herrschte keine Normalität mehr. Nun wollte ich auch vorteilsweise den schon gezeigten Strapazen entfliehen, weil es sehr ungemütlich wurde. Aus meiner wundersamen Lage rutschte ich immerfort und immer tiefer. Irgendwie verlor ich den Halt. Mein Ganzes war so verändert, das Erinnern auch nicht nobel. Später war mir in diesem Fall, als wäre ich der Strecke schon einmal passiert. Der Vorgang vor neun Monaten war ein völlig anderer. Kämpferisch allemal, wie auch jetzt. Nein, nein, das Ganze war nun auf höherer Ebene platziert. Am Anfang war es eine Liebesverschmelzung. In der verstrichenen Zeitperiode wurde ich derart modelliert und völlig neu geformt. Wie sagt man heute, alles hatte nun Hand und Fuß. Das ging einher mit ungeheurem Gewichtszuwachs. Hier liegt auch eine Begründung, dass meine Sorgende das Tragmoment anders lösen musste. Ich glaube, sie dachte damals schon, der Junge muss laufen lernen. Noch ließ die Ankunft auf sich warten. Es wurde eng, wohnlich, unbequem, die Ungemütlichkeit nahm zu. Der Drang verstärkte sich vehement, hier gab es kein Zurück mehr.

Lange wollte ich in dieser Phase nicht mehr gleiten. Ich dachte, mit dem nächsten Wellenschub muss die Befreiung legalisiert werden. Und sie kam und ich verspürte schon ein wenig Frische. Ein handfestes Gefühl verspürte ich. Gewissermaßen etwas Handgreifliches war um mich. Noch zu unkundig oder schwach, um mich zu wehren, im Gegenteil, ich verspürte Hiebe. Dem widersetzte ich mich und schrie aus Leibeskraft den Unmut aus mir heraus. Doch alsbald vernahm ich mehr Sanftmut. Der Umgangston ward in Fröhlichkeit gestimmt. Allerhöchste Aufmerksamkeit war zu vernehmen. Eine Trennung wurde vollzogen, die Versorgungsbahn durchtrennt, jetzt war ich nur noch ich. Das war der Anbeginn meiner Selbstständigkeit. Die Hiebe, welche ich vermerkte, waren natürlich erhaltene Klapse, welche mir verhelfen sollten tüchtig, tief, gründlich den ersten Atemzug zu vollziehen, damit ich kräftig frei im Leben ankommen kann. Jetzt war mein Organismus voll in Fahrt gekommen. Mit einem Urschrei nahm ich endgültig Abschied aus der bisherigen Verbannung.

Alle um mich herum waren froh und heiter. Man jubilierte und war sehr glücklich, meinem Vater schwelgte vor Stolz die Brust. Warum? Die Verkündung verhieß Stammhalter. Ich dachte, bei so großer Überschwänglichkeit darf ich auch schon einen Anspruch in dem Umtrieb geben. Lange genug war ich abgenabelt. Hatte so viele Glückwünsche vernommen und dermaßen an den Kräften gezehrt, dass ich Forderungen für mein Fortkommen vermelden musste. Jeder kann sich vorstellen, dass Durst und Magenknurren, gewisse Schmerzen ein Leiden in mir schufen. Zum zweiten Mal, aber jetzt noch schallender, tönte es aus mir heraus. Meine Drohung wurde wohl erhört und das Anlegemanöver an die Versorgungsbar klappte ohne Komplikationen. Dieser Lebenssaft war ohnegleichen. Das Anlegen am Balkon war ohne Mühe. Ich sog mich fest bis, dass der Schlaf mich wollte zwingen, beklopfte man den Rücken, um dann in rülpsender Weise das Bäuerchen den Arbeitseinsatz beenden konnte. Mit dem neuen Lebenselixier gedieh ich prächtig. Zur guten Orientierung blinzelte ich um mich herum und viel Wohlgefallen ob der objektiven Behütung. Dieser Versicherung bewusst, gönnte ich mir den errungenen, verdienten Erholungsschlaf.

Ich hatte das Licht der Welt erblickt, war im wahren Leben angekommen, ein Neugeborener. Alles um mich herum war froh und glücklich. Meine liebe Mutter, von der gewaltigen Anstrengung bisher gezeichnet, erholte sich bereits ein wenig. Sie war ob der Anstrengung jetzt weiterhin sehr geschwächt und doch schon so kurz nach diesem Freilassen weiter bereit, meinem Leben zu noch Besserem zu verhelfen. Die Mutternahrung setzte zeitgemäß zur sprudelnden Quelle ein. Meine Lieblichkeit blinzelte bei jedem Quelltermin und das Spiel des Lichtes umfing meine Sinne.

Meine Abstammung

Wem muss ich hier den Dank für mein Hiersein huldigen? Im Metaphysischen liegt das Ursprüngliche und philosophiere im „Vor dem Lichte“ und begab mich ein wenig auf dessen Pfaden. Die Natur fokussierte alles auf zwei Betulichkeiten, der Frau und dem Manne. Meinen Paps möchte ich an vorderster Stelle setzen, obwohl dass eine ohne den anderen gar nicht machbar wird. Dennoch will ich meinen Papa, wir nannten unseren Daddy dann stetig so, als ersten in der Biografie rahmen. Er wurde just am 21. November 1903 in dieses Leben gekommen. Er, wie mein jüngerer Bruder Kurt und ich, erblickten im kleinen Örtchen von Schiebsdorf das Licht der Welt. Im benachbarten Dorf Niewitz, wo Vater später in seiner Familie lebte, lernte er in der Schule notwendiges Wissen. Mit einer Schwester und sechs Brüdern wuchs Papa bei meinen Großeltern zum Jüngling heran.

Ein spezieller Beruf wurde nicht erlernt. Seine Grundschule beendet, der Erste Weltkrieg vorbei, der zweite in nicht weiter Ferne und alle Bauernhöfe hatten Mannesverluste, da waren solche heranwachsenden Junggesellen begehrenswert. Mal von hier nach da verschlug es ihm auch nach Zauche. Hier war es auch, wo Papa seine große Liebe fand. Meine, unsere liebe Mutter Frieda Richter, geborene Markus, wuchs auch mit drei Schwestern und zwei Brüdern in ihrem väterlichen Landwirtschaftsbetrieb auf.

Am 8. April 1934 wurde das Sakrament der Ehe geschlossen. Zum 31. August war die junge Familie zu dritt. Meine Schwester Erika war geboren. Bei Mutters Schwester, der wundersamen Tante Emma, welche ein eigenes Haus besaß, bekam die junge Familie ein Unterkommen. Bald zogen alle drei mit Sack und Pack nach dem doch weiter entfernten Ort Ragow, zwischen Lübben und Lübbenau. Von dem Hof Schenker in Zauche, auf dem Papa als Landarbeiter walten und schalten konnte, nun auf dem Hof von Burisch im idyllischen Gefilde des Spreewaldes. Nach gut zwei Jahren wurde wieder umgesiedelt. Mein Geburtsort wurde erwählt. Die Ursächlichkeit hierfür sind zu wenig hinterliefert. Vater auch hier wieder als Knecht, so möchte ich eher die Anstellungen auf den Bauernhöfen, wo er in seinem jungen Leben wirkte, beschreiben oder bezeichnen. Doch ein separates kleines Häuschen konnte die junge Familie ihr internes Leben führen.

Nun war es so weit, mitten im Winter, dem 19. 02. 1939, trällerte ich ins Leben. Schon am 30. August 1940 wurde mein Bruder Kurt mir als Spielgefährte zur Seite gelegt.

Mein Papa wie auch die Mutter waren im Allgemeinen liebe nette Eltern. Wir hatten in der Kindheit große Freiheiten, aber auch fürsorgliche Aufsicht, wobei die Mutter einen nennenswerten Anteil hatte. Das Grobe im Erzieherischen war natürlich Vaters Anteil, aber in Allem ein lieber und fürsorgender.

Es war Kriegszeit und Vater wurde nicht zum Militär gezogen. Die Ausmusterungsgründe sind nicht überliefert, er hatte Glück und es sollten nicht alle ins Gras beißen. Welche genauen Gründe dem Vater die Aufgabe als Knecht oder Landarbeiter bewegten, ist auch nicht genügend hinterbracht, doch strengte er das wieder Loskommen zielgerecht an. Das Wegkommen aus diesem Arbeitsverhältnis war schon problematisch. Später in meiner Neugier ihn danach gefragt, meinte er, dass ihm da die Nazis Beistand gegeben haben, um loszukommen. Es war sicherlich ein Kraftakt, mit dieser Arbeitswelt zu brechen, welche bislang den Lebensunterhalt sicherte, aber auch zu keinem Reichtum schaffte.

Die Familie zog von hier weg. Es ging zum nahen Nachbarort nach Niewitz, welches Vaters Kindheit war. Mitten im Ort eine Erhöhung, heute als Granso Berg bezeichnend, siedelten wir in ein Gebäude, in welchem wir selbstständig herrschen konnten. Hier legte ich auch den Grundstein, wie man dem schönen Foto nachempfinden kann, eine hoffnungsvolle Berufsfindung.

„Bäckermeister“ Max in Niewitz 1941

Die Familie war zu fünft und der Mutter fiel das Los der Hausfrau zu. Der Vater nun als Tagelöhner unterwegs. Die Anreisen zu den Arbeitsmöglichkeiten immer mit dem Fahrrad bei Wind und Wetter. Dann einen Job, welcher über zweieinhalb Jahre zum Barackenbau nach Halbe das Einkommen sicherte. Sein Leben war immer durch schwere körperliche Arbeit geprägt. Auf den Bauernhöfen von der Frühe bis abends und niemals Urlaub im Sinne, wie wir es gewohnt sind. Der Krieg rottete ganze Familien aus. So war auch kurz vor Kriegsende der kleine Landwirtschaftsbetrieb von Mutters Cousine ohne jegliches Haupt auf dem Anwesen, meine Eltern übernahmen diesen. Er brachte uns die Selbstversorgung in schweren Zeiten. Der Vater konnte zwar hier seine guten landwirtschaftlichen Erfahrungen einbringen, was aber letztlich auch seine physischen Kräfte im Dauerstress erheblich schlauchte. Der Vater war meines Wissens nach schon als Kleinkind in den Lebensunterhalt der großköpfigen Familie eingebunden und zur Arbeit verpflichtet. Wenn auch die Begründung bei seiner frühen Hinfälligkeit plausibel erscheinen mag, so meine aber ich, die Belastung aller Jahre zuvor bedingten das Verlassen. Im nicht vollendeten 53. Lebensjahr, am 12 August 1956, entsagten unserem lieben Papa die Lebenskräfte.

Natürlich ohne Mutter kein Hiersein, kein Wesen der Welt. Am 12. Mai 1912 in Zauche im herrlichen Wonnemonat blinzelten ihre Augen das Licht auf unserem wunderbaren Gestirn. Ihr Rufname Frieda und weitere wie Emma und Helene wurden im Geburtenregister schwarz auf weiß eingetragen und gesiegelt. Ihr Heimatliches, einst ein großer Bauernhof, schmolz durch erblichen Tribut. Mutter war die Jüngste von drei Schwestern und zwei Brüdern. Alfred, der Älteste, bekam den Hof. Erich starb schon 1945 und die Mädchen fanden alle einen Liebsten und wurden mit einer Mitgift ausbezahlt. Vater war kein Reicher. Als Mutter meinen Vater freite, brachte sie Schlaf-Wohnzimmer, Küche und Geschirr als Ausstattung mit in die Ehe. Nachfolgend eine schöne Erinnerung im Garten ihrer Eltern in Zauche.

Hochzeitstag 1934 als Eheleute Frieda und Max Richter

Meinerseits war ich schon als junger Bub und später auch noch stets neugierig und wissensdurstig. Früh bedrängte ich meine Eltern von sich über das verlaufende Leben zu erzählen. Von der Mutter mehr erfahrend als vom Vater. Aus Kindheitstagen erzählte sie von der Schule und ihren Kinderspielfreuden. Vater erlernte nur die deutsche Schrift. Die Mutter war beider Schriftarten kundig, also auch der lateinischen Schreibweise mächtig. Auswendig lernen war in ihrer Schulzeit, so will ich nicht behaupten eine Existenzfrage, aber doch ein Muss. Bis in ihr gesegnetes Alter gab sie ihrer Freude Ausdruck vom behaltenden Können. Ihr Heimatort war klein. Schule und Kirche waren im nahen Nachbarort Kasel-Golzig. Hier thronte auch das Grafengeschlecht Solms einschließlich Gutshof. Sie schwärmte aus der Kinderzeit von den Erlebnissen, wie der Graf persönlich zu den Kindern war. Zum Beispiel in Wintern, wie er die Kinder mit dem Schlitten zog auf dem zugefrorenen Fluss, der Berste. Ein Flusslauf, der hinter Luckau bei Neumühle/Gehren und zum „Niederer Fläming“ gehörend seinen Quell hat und auch an Zauche, Freiwalde, Niewitz vorbeifließt, um dann bei hinter Frauenberg in die Spree des Unterspreewaldes zu münden. Ein Flüsschen von einer mittleren Breite zwischen fünf und acht Metern. In der Regel immer Wasser führend. Die anliegenden Weiden und Buschlandschaften wurden in Wintern oft überflutet und Schlittschuhfreuden waren überschwänglich, dazu in späterer Betrachtung weitere Gedanken.

Unsere Mutter war eine ruhige, besonnene, sehr freundliche und liebevolle Person. Sie war eine ausgleichende, nette, gutmütige und friedfertige Persönlichkeit. Die auch hier eingebetteten Schwächen waren auch für sie manchmal von Nachteil überkommen. Es fehlte ihr ein wenig das Wehrhafte. Großherzigkeit und Gutgläubigkeit waren stille Begleiter. Doch ihre innere Ruhe und Besonnenheit waren einen positiveren Ausgleich in der Lebensphilosophie. Der Vater war Familienoberhaupt, in dessen Schatten seine Angetraute sich geborgen wusste. Das frühe Ableben von Papa war für Mutti eine enorme Herausforderung.

Umzüge

Vom ersten Umzug, als die Familie noch zu dritt war, wurde nach Ragow zwischen Lübben und Lübbenau vollzogen, bis dann das Trüppchen zu meinem Geburtsort übersiedelt. Der Bauernfrondienst hier führte zum Zwiespalt und letztlich zum Ortswechsel nach dem Nachbarort Niewitz. Vater erhielt die Kunde, dass in Freiwalde die Schulwohnung unbesetzt war. Die Verantwortlichen gaben den Bezug frei. Mit Mann und Maus zogen wir im Wohnteil der Schule ein. Zwei große Zimmer, große Küche und ein Alkoven waren nun unsere neue Herberge. Die Lehrer auf den Fronten der Verwüstung, die Wohnung mit allem Nebengelass frei. Ein großer Garten und eine Scheune gehörten dazu. Hier hielten die Eltern ein Schwein, eine Ziege, Hühner und Kaninchen. Für uns Kinder wahrer Tummelplatz erster Güte. Wir genossen eine unabhängige Freiheit sondergleichen in überschwänglicher Weise. Ein Vergleich wie ein Treffer im Lotto, da wir unser eigenes Hofimperium hatten. Die tägliche Reinigung von Hof und Klassenzimmer übernahm unsere Mutter. Doch der Dorflehrer Schmidt musterte ab und Ende 1944 wurde Herr Schrank als neue Lehrkraft verpflichtet. Wir mussten ein Zimmer abtreten, worin er mit seiner Frau sein Dach über den Kopf hatte, natürlich auch gemeinsame Küchennutzung, es war eine Wohnmisere und doch wohnten wir erstaunlicherweise sehr friedlich beisammen. Erika, meine Schwester, hatte im Alkoven das Schlafgemach, eine Kammer ohne Fenster. Wir anderen vier im Schlaf- und Wohnzimmer. Knappe zwei Kilometer der Bahnhof im Nachbarort Schönwalde, von welchem der Vater jeden Tag nach Halbe zur Arbeit fuhr. Was mit der Wohnung am Anfang sehr passabel war, verkehrten die neuen Bedingungen und Geschehnisse in keine gute Lage. Das Dritte Reich, was ein tausendjähriges werden wollte, ging bereits im ersten Jahrzehnt in die Insolvenz. Schon im Reich donnerten die feindlichen Geschoßsalven. Vom Osten her drängten immer öfter die Trecks der Vertriebenen gen Westen. Wenn der Tag sich neigte, erreichten auch uns die heimatlos Gewordenen. Die Schule als öffentlicher Raum bot sich an, Nachtasyl zu gewähren. Schulbänke raus, früh wieder rein, die Bauern mussten Stroh beibringen und das Nachtlager für viele ein Ruhepol, das hinter ihnen Liegende im Vergessen anzuheften. Diese Dramatik zog sich über Wochen hin.

Meiner Mutters Cousine Minna Lehmann, geb. Borch (†) lebte im Ort Klasdorf in der Nähe bei Baruht und hatte ihre Mutter in Freiwalde wohnend. Die Familie Borch besaß eine Landwirtschaft von knapp fünf Hektar einschließlich Acker, Weiden und Wald. Mitten im Ort das Wohnhaus von 1787 mit Schuppen, Scheunentrakt und Stallungen. Weiterhin gehörte zum Anwesen auf der anderen Seite der Straße 100 Meter vom Hofgrundstück versetzt eine gute massive Scheune sowie eine Gartenfläche von mehr als 2000 Quadratmetern. Der Mann von Frau Borch und ihre zwei Söhne waren im Krieg gefallen.

Nun war auch sie verstorben. Der Vater nahm mich zu dem Hause mit und ich sah zum ersten Mal einen verstorbenen Menschen.

Meine Eltern wurden von Mutters Cousine erbeten, den Hof für eine geringe Pacht von Dreihundert Mark pro Jahr zu übernehmen und zu pachten. Diese Umstände führten dazu, dass meine Eltern mit dem Bauerngewerbe sehr vertraut waren und sich schließlich dafür entschieden.

Wieder stand ein Umzug an. Es war zwar erneut nichts Eigenes und doch für eine gewisse Selbstständigkeit ein Herrschaftsbereich, wo wir nur selbst entscheiden mussten und konnten. Wir richteten uns ein, jeder hatte sein separates, wenn auch nicht fürstlich. Wichtig, voran Reparaturen im Dachbereich. Auch die Räumlichkeiten erforderten eine malermäßige Instandsetzung. Nun hier über zwei Jahrzehnte unser Wohn- und Lebensbereich. Die Mutter im Anwesen, zuletzt allein. Inhaber und die Gemeinde einigten sich das Haus zu eliminieren. Wiederholt der Umzug meiner Mutter. Sie zog zu meinem Bruder Kurt nach dem schon erwähnten Ort Ragow, wo dieser sich hin verheiratet hatte. Hier verstarb Mutter am 13 Juli 1999 im gut vollendeten 87. Lebensjahr. Aus diesem Ganzen kann die Schlussfolgerung gezogen werden, dass meine Mutter schon eine verrückte Zeit durchleben musste. Dass dennoch ein gesegnetes Alter erreicht werden konnte, muss wohl ihrer guten Natur gestundet werden.

Meine Vorschulzeit

Zurück zu meinem biografischen Faden. Nun war ich da und schob die weitere Verantwortung weit von mir, ich war nur ein Fordernder. Aufmerksamkeit und Fürsorge waren eben erforderlich, damit ich ein Ordentlicher für die Menschheit werde. Klar, jetzt am Anfang, im zartgliedrigen Alter, der Bewegungsradius erheblich eingeschränkt. Uneingeschränkt in fasst allem auf Hilfe angewiesen war gebotene Wachsamkeit meiner Schutzbefohlenen angeraten. In der Bewegungsfreiheit noch eingeschränkt, aber immer mehr fortschreitend in Eigeninitiative die Babyfesseln nachdrücklich hinter mir zu lassen. Mit dem Krabbelalter forcierte ich den Aktionsradius und markierte erheblich des Lebens Fortschrittsbalken. Doch, so wurde mir berichtet, stellte ich mich beizeiten auf eigene Füße. Eine wichtige Angelegenheit darf ich hier nicht verschweigen, ich hatte ja auch einen Namen bekommen. Mit der Zeit verinnerlichte und hörte ich auf den Anruf meines so schönen kurzen Rufnamens Max. Mich so nennen zu dürfen, darauf hat ein Neugeborener gar keinen Einfluss und war auch nur eine Seite und so erfolgte, kurz nachdem ich da war, die amtliche Registrierung. Da war ich zum ersten Mal bei der Behörde, hier wird jeder einzelne registriert, sozusagen nachweislich geführt. Nicht registriert kommt der Vogelfreiheit gleich. Im Falle des Verschwindens dann wird die Suche zielgerichteter von Staatswesen an die Leine genommen. Die Angelegenheit im Bürgerrecht war geregelt, nun stand noch der liebe Gott außen vor. Ihm musste natürlich auch Gerechtigkeit widerfahren. Die Sünde vertrieb den Menschen aus dem Paradies. Mit dem Makel verhaftet ist Gott, Sohn und Heiliger Geist in Gnade dem Menschen wohlgefällig. Mit der Taufe in das Reich Gottes kommend, seinen Geboten folgend vergibt uns die Herrlichkeit, erlässt unsere Sünden der Welterbauer. Ihm war man sehr verpflichtet und nur eine Taufe war reinigend ungläubiger zu begegnen und sicherte die Aufnahme in seinem Reiche. Gut, dachte ich, wenn es nicht zu meinem Niedergang führt, dann soll es so geschehen. Im Heimatort gab es kein geweihtes Extra. Die Gaststätte war ein gutes Universelles und Kindstaufen konnten gar nicht besser, als hier für ein fruchtvolles Omen mit Dank angenommen zu werden. Der Pastor wiederholte noch einmal, was von Amtswegen schon lange geschehen war, zelebrierte meine Rufnamen Horst, Günter, Max und besprenkelte mich über mein Köpfchen mit geweihtem Wasser im Namen des Heiligen Geistes des Sohnes und ich ließ alles protestlos mit mir geschehen. Ich soll sogar den Vertreter Gottes angestrahlt haben, aber ansonsten hielt ich mich kommentarlos im Schweigen, also ohne Tamtam. Danach gab es eine feuchtfröhliche Fete und mich speiste man mit einer Brustmahlzeit ab, um Ruhe zu geben. Später soll ich die Flaschenmilch von Kuh nicht sonderlich gemocht haben. Als mein Brüderchen Kurt später von der lieblichen Brust auf Flasche langsam umgestellt wurde, da soll ich darauf verwiesen haben, Pippi geben, ich bestand auf etwas Handfestem. Muss mich sehr energisch durchgesetzt haben und wurde dann wie die Großen gespeist.

Als die Umsiedelung nach Niewitz anstand war ich schon gut zu Fuß. Hier träumte ich auch schon davon, was ich einmal werden wollte. Bildhaft wurden auf Zelluloid die Dinge gebannt (siehe Bild Seite 12 Bäckermeister Max). Meine Berater meinten solch ein Beruf liegt im warmen, in Notzeiten gibt es stets essbares sollten in der Entscheidung Hilfen sein. Die Ansätze für das Zuckerhandwerk untrüglich dokumentiert. Ob mir der Kuchen aller Art zu so früher Kindheit abgöttisch über alle Maßen mundete, soll eine Vermutung sein, ja, Kuchen esse ich heute noch gern. Wem gelingt es schon in so früher Kindheit die spätere Berufsfindung festzulegen? Ungewollt haderte ich später noch sehr dem Wunsche nach. Einmal mit dem Backhandwerk in Niewitz zu protzen, erledigte sich von selbst. Umzug war angesagt und ich wusste mit keiner Silbe, wo es eigentlich hingehen sollte. Das Erinnerungsvermögen, das Wahrhafte war bis dato noch gar nicht so geprägt. Gewissermaßen war Niewitz insofern von Bedeutung, als dass hier einige Wurzeln der Familie begründet sind. Der Opa lebte mit seiner Familie nicht unwesentlich lange genug. Hier war des Vaters Schule. An der Stelle eine Episode, welche Papa später und zum Besten gab.

In welcher Klassenstufe der Vater sich befand, ist wohl nicht so erheblich. Zu seiner Zeit war die Prügelstrafe immerhin schon gesetzlich verboten. Die Schüler waren jeher von keinem braven Völkchen und wie sollte nun ein jeder Pauker Mäuschenstille zelebrieren? Am Prügeltag hat der Schüler Ypsilon seinem Pädagogen übel zugesetzt. Dieser packte den Schüler über das Knie und hieb mit dem Rohrstock auf seinen Allerwertesten, was den Jungen an seine Grenzen brachte. Ypsilon klammerte sich mit seinen Händen um des Paukers Beine und verbiss sich in dessen Wade. Jetzt war das Schmerzempfinden beim Prügelnden bemerkenswerter als beim Buben. Die Lehrkraft verklagte den Knaben oder richtigerweise dessen Eltern. Das Gericht musste den Fall klären. Die Rechtsprechung erhörte nicht den Prügelnden. Fortan soll dort kein Bub mehr übers Knie gelegt worden sein. Geprügelt wurde dennoch, es fehlte nur die Bissigkeit mutiger Schüler. Zwei weitere Brüder, Cousin vom Vater und andere Verwandte, waren hier verheiratet bzw. lebten in Niewitz. Eine Ziegelei bot hier für wenigen Beschäftigten Arbeitsplätze. Wer dem Proletariat zugeordnet war, hatte in diesem Ort schlechte Karten. Die An- und Rückreisen zur täglichen Arbeit mussten auch einen Gestählten an die Kräfte gehen. Es war, glaube ich, auch eines jener Gründe, sich zu bemühen günstigere Voraussetzungen woanders zu finden, hier bot der Ort Freiwalde mehr Gegebenheiten. Ein Örtchen meiner bewussten Kindheit. Nun beginnt auch jene Zeit, wo ich besser aus meiner eigenen Registratur schöpfen kann. Die Bedingungen im neuen Domizil ergaben sich allseitiger, viel günstiger. Es war ein Flächengrundstück der Gemeinde.

Die einklassige Grundschule, wo alle Schüler des Ortes von der ersten bis zur achten Klasse die nötige Lebensweisheit vermittelt bekamen. Wohnhaus und Schule bildeten ein Gebäude. Der Wohnbereich diente stets dem Lehrpersonal. Die beiden ansässigen Lehrkräfte, Herr Oberlehrer Schmidt und Fräulein Degner (diese auch schon betagt), besaßen eigene Mobilien. Wir hatten Glück, in diesem Freiraum einzumieten, der wie schon betont. nicht lange von Bestand sein sollte. Der große Pausenhof, auch für Sport und Spiel war unbefestigt. Am Gartenland befand sich ein lieblicher Teich, auf welchen wir Winterfreuden hatten. Das gesamte Areal ideal für uns Kinder.

Mutter und Kurt im Arm, Max, Erika stehend

Im Ort lebten circa 280 Personen. Es gab um die 48 Unternehmen, welche in unterschiedlichen Größen Landwirtschaft betrieben.

Unterschiedlich lebten die kleinen Betriebe vom Nebenerwerb, weil eben der Hof nicht ausreichend gewinnbringend war. Um das Dorf herum befanden sich die Äcker, Weiden, Wälder der Eigentümer. Gräben, Bäche, Fließe wanden sich durch die Feldmarkten. In der Siedlung gab es einige Teiche, welche im Winter, wie ich schon bemerkte, Schlittschuhbahnen wurden. Es war eine ebene Landschaft. Die höchste sichtbare Erhebung wurde durch die Autobahnbrückenrampen und deren Brücke in die Flur gesetzt. Für das Abfahrtsrodeln in der Winterzeit ein unvergessliches Gaudi. Für kindliches Tollen war alles grenzenlos. Mehr als doppelt so groß der Nachbarort Schönwalde. Nur die Autobahn A13 trennte beide Dörfer. Diese Gemeinde besaß Bahnanschluss. Je nach Richtung konnten Berlin oder Cottbus direkt angefahren werden.

Mein Bruder und ich waren quirlige Knirpse. Mit zunehmender Zeit eroberten wir hier das neue Umfeld. Alle Leute im Ort waren freundlich gesinnt. Uns gegenüber befand sich der Hof von Robert Ziege. Ich glaube zu wissen, dass sie keine Kinder hatten. Die netten Herrschaften nahmen uns gern in den Arm, heute weiß ich des Umstands. Da gab es immer Zubrot und andere Köstlichkeiten. Diese zu nutzen, wurde natürlich verinnerlicht. Ein im wahrsten Sinne des Wortes wundervolles Bonbon bleibt stets in der Erinnerung. Zuckerrüben hatte fast jeder Bauer auf seinen Feldern angebaut. Die Bauern waren im Wesentlichen Selbstversorger. Eine der schwersten Zeiten war ohnehin angebrochen. Sirup als Brotaufstrich aus Zuckerrüben ist im Prinzip einfach herzustellen. Die Rüben vom Feld roden, daheim putzen, waschen, kochen, den Rübensaft auspressen, den Saft im Kessel tun und Feuer darunter und wenn aus dem Saft das enthaltende Wasser so weit verdampft ist, dass die Konsistenz des Sirups erreicht wird, dann gibt es den allerbesten Brotaufstrich der Welt. Auf einer Butterstulle Genuss und Labsal. Während das Wasser aus dem Saft im Kessel immer mehr schwindet, bildet sich am Kesselrand ein süßer Film. Der wird in der Regel mit einem scharfen Messer lang gestrichen und im verbleibenden Saft eingelassen. Mit einem Span aus Holz wird immer wieder am Kesselrand langgefahren und langsam wird ein Lutscher daraus. Solche Bonbons sind von reiner Natur und unübertroffen köstlich. Diese lieben Nachbarn sprachen wir mit Tante und Onkel an, das war Usus und sie freuten sich mit uns. Wir fühlten uns wie in der eigenen Familie mit ihnen sehr verbunden. Sie liebten uns wie eigene Kinder, weil sie keine hatten.

Noch ein unvergessliches Erlebnis mit den Vorgenannten. Mein Bruder und ich bemerkten, dass Herr Ziege sein Gespann zum Heueinholen vorbereitete. Ich voran fragte, ob wir mitfahren dürften und die lieben Leute hatten nichts dagegen. Der Tag war schön, ein herrlicher Sommertag. Das Ehepaar setzte auf den Leiterwagen und wir natürlich freudig mit auf. Der Wagen wurde durch ein Mischzugpaar von Pferd und Rindvieh gezogen. Gegen 15:00 Uhr setzte das Gespann in Bewegung. Am Ortsausgang fuhr das gemächliche Gefährt auf die B115 in Richtung Lübben. Auf der geraden Anfahrt zu Fernverkehrsstraße wurde uns schon sehr mulmig. Der Tag war warm aus Richtung Schiebsdorf zog ein Donnerwetter auf. Das Gewitter rückte derart schnell über uns, dass die Fuhrleute uns baten fix nach Hause zu laufen, das waren knapp 1000 Meter. Etwa 300 Meter rannten wir noch zurück, dann kam der Guss über uns und wir wurden pitschenass. Wir kauerten uns beide in einer Hecke aus Liguster. Unbewusst an einer Eingangspforte und harrten darauf, dass das Unwetter abzog. Eng aneinandergeschmiegt und nass wie die Pudel. Hemd und die kurzen Hosen klebten an unseren Leibern. Dass hier unsere künftige Lehrerin, das Fräulein Degner, wohnte, wussten wir nicht. Der Regen ließ nach und jemand kam aus dem Dorf mit dem Fahrrad auf uns zu. Frl. Günzel, wie wir später erfuhren, war die Haushälterin von Frl. Degner. Im Übrigen war Frl. Günzel als an Kindes statt von Frl. Degner angenommen worden und blieb ihr treubis zum jüngsten Tag. Diese Dame nahm uns mit ins Haus. Wir kleideten unsere nassen Sachen aus und sie gab uns aus ihrem Ressort andere Kleidung. Die künftige Lehrerin war auch zugegen. Frl. Günzel fuhr zu unserer Mutter, welche keine Ahnung hatte, wo wir gelandet waren, um uns nach Hause zu holen. Wir waren froh unter die Flügel unserer Mutti zu schlüpfen. Ein erlebnisvoller Sommer-Nachmittag und wir kamen mit einem großen Schrecken davon. Eine erneute Fahrt solcher Art wiederholte sich nicht mehr.

Eine andere Begebenheit der kindlichen Vergnügtheit zur Kirschenreife. Zwei Höfe weiter spielten zwei Mädchen meines Alters, zu denen ich mich gesellte. Ich sprach sie mit Ursel und Elli an. Letztere war ein Jahr jünger. Wir spielten in einem riesig großen Garten. Tollten und tobten quietschvergnügt. Wir lachten und jauchzten, trudelten uns in die Arme, fielen ins Blumenmeer im Grün der Wiese. Allerweil wieder pflückten wir Kirschen, stopften die Mäuler und übten uns im Weitspucken mit den Kirschsteinen. Immer ein paar von den süßen roten in den Fäustchen hingen wir unseren lieblichen Balgen hin. Nur mit leichten Höschen bekleidet, also fast nackig, trieben wir unsere Spiele. Hierbei fielen wir wiederholt ins flauschige Gras. Wir wuschelten uns abermals im Rasen und spacig drückte ich einem Mädel Kirschsteine in den Allerwertesten. Klagelaute waren nicht zu vernehmen und dass ich unzüchtig handelte, kam mir nicht in den Sinn, der Spaß hat sich so ergeben. Das Toben ging weiter. Inzwischen sahen wir selbst wie die Farben der Früchte aus. Kirschen rot betupft, trödelten wir auseinander, waren irgendwann wieder auf heimischem Boden. Der Tag ging zur Neige. Vater war von der Arbeit daheim und der Verzehr vom Abendbrot füllte die Stunde. Zu fünft saßen wir allesamt einträchtig in der geräumigen Küche. Es klopfte an der Hauseingangstür und das Oberhaupt der Familie schaute nach dem Rechten. Draußen vor Haustür dauerte es eine Weile, eine gewisse Zeit. als dann der Papa wieder in die Küche weniger freundlich zurück. Nahm mich ins Gebet und forderte von mir so was wie eine Erklärung. Hatte schon verstanden, worum es ging, aber verstohlen unschuldig stotterte ich verdattert einige Erklärungsversuche, was für mich längst vergessen war, wurde nun zum Eklat gestempelt. Mein Stammeln erregte das Gemüt vom Papa. Des Umstands der begangenen Unzucht seines Sohnes verlor der Vater seine Geduld und legte mich über sein Knie. Klopfte unsanft mich gehörig. So richtig lautes Weinen löste heftigen Protest der Mutter aus. Die Masche zog. Vater ließ ab und ermahnte mich mit strengen Worten. Kläglicher Ausklang des tollen erlebten Sommernachmittags. Warum kann es zu einem so dramatischen Ausgang. Die Jüngere erzählte ihrer Mutter, was sich im Spiel zugetragen hatte, und war erbost von der Unzucht dieses Lümmels. Deren Tochter hatte ich gar nicht bedient, von der anderen Seite gab es kein Beklagen. Eine solche Situation hatte meinen Vater überfordert und konnte nicht anders handeln.

Zu einer späteren Zeit im gleichen Garten widerfuhr mir ein anderes Erlebnis. Wieder auf dem Anwesen von dem Mädchen, welches mich bei ihrer Mutter der Kirschsteine halber beklagte. Auf diesem Gehöft war ich oft, weil man hier unkontrollierten Auslauf hatte. Hinter dem Garten waren Weidekoppeln. Die Abzäunung geschah durch Stacheldraht. Unter diesen kroch ich hindurch. Wegen Unaufmerksamkeit beim Durchschlüpfen verpasste mir der Draht eine lange Kratzschramme am Bein. Es blutete, ich heulte wie blöd und machte auf das Geschehen aufmerksam. Ein Sohn des Hofes, viele Jahre älter als ich, kam auf mich zu, um zu beruhigen, zu trösten. In erstaunter Weise öffnete er seinen Hosenstall und pinkelte mir auf das verwundete Bein. Wieder liefen die Tränen, denn es brannte gewaltig. Er versuchte mich zu beruhigen und ging mit mir zum wunderschönen Eierpflaumenbaum und pflückte mir die Hosentaschen voll. Ich selbst war zu klein, um an die Früchte zu kommen, und hatte inzwischen das Geschehene vergessen. Irgendwann erzählte ich meinem Vater von dem Vorfall. Er meinte: „Das war gut so, es muss immer ein Fremder sein.“ Auch wir Kinder, zumindest Kurt und ich, verblieben manche Zeit ohne direkte Aufsicht. So spielten wir Buben an einem Tage in der Küche wie ebenfalls in der Stube. Schwester Erika muss zum Unterricht in der Klasse gewesen sein. Die Mutter war irgendwo, darüber machten wir uns keine Gedanken. In der Küche war ein ordentlicher Kohlekochherd installiert. Über dem Ofen verlief ein Sims, wo einige Dinge abgelegt sind. Ich nicht dumm die Höhe des Herdes überwindend, um in Reichweite des Gesimses zu gelangen.

Die abgelegte Streichholzschachtel muss mir sehr ins Auge gefallen sein. Wieder auf dem Boden der Küchenebene angekommen, wurde das Zeug ausprobiert. Die Finger verbrannte ich mir nicht. Doch es blieb nicht aus, dass ich ebenso in der Stube mit dem Feuerwerk hantierte. So kam es zu dem teuflischen Verhalten meinerseits, dass ich das lodernde Streichholz auch unten an der Gardine anhielt. Das Szenario nahm seinen Lauf. Das Feuer fraß sich nach oben und leuchtete nach draußen hin. Welch ein Glück, in diesem Moment kam die Gattin des Herrn Schrank, welche in unserer Wohnung mit einwohnten, auf Höhe der Fensterflamme daher. Den Schrecken erfassend handelte die gute Frau blitzschnell. Ihr Einschreiten verhinderte möglicherweise eine Katastrophe. Ich schaute sicher bedeppert aus der Wäsche. Die Gardine war hin und das Zimmer etwas verqualmt. Mit dem gesonnenen Verhalten der lieben Frau Schrank kam das ganze Problem an keine große Glocke. Natürlich ließ die familiäre Auswertung nicht auf sich warten. Bis der Vater abends von der Arbeit kam, war dies noch eine Gnadenzeit. Es hätte mich Haut und Haare kosten können. Jetzt, in Vaters tönender Anwesenheit, wurde es ganz mulmig um mich. Ja, schließlich bekam ich meine gerechte, verdiente Strafe. Wütend er mich über sein Knie, packte und versohlte mich nach Strich und Faden, wie man es zu sagen pflegte. Mein bewehrtes lautes Schreien bewirkte bei den übrigen Familienmitgliedern das nötige Mitleid. Was ich da gemacht habe, war unerhört, das musste den Vater in Rage bringen, indem er mich ordentlich versohlte. Ob oder nicht angemessen, in Liebe verzeihe ich ihm diese Tracht. Mit sehr nachdenklichen Bemerkungen floh ich in die Arme der Mutter. Das war wirklich ungezogen und im höchsten Maße hatte ich Glück im Unglück. Mit sehr nachdenklichen Bemerkungen floh ich in die Arme der Mutter. Das war niederträchtig ungezogen und im höchsten Maße hatte ich Glück im Unglück. Eltern, lasst die Kleinkinder (ich war vier) nicht alleine, sie sind zu Außerordentlichem fähig.

Ich muss es noch einmal betonen, obwohl sieben Personen und zwei Familien beengt wohnten, wurde ein vertrautes und verständnisvolles Miteinander gepflegt, Reibereien blieben außen vor. Die Versorgung zur gegebenen Zeit war schon nicht mehr ganz normal. Beim Getier, welche wir züchteten, wurde das Lehrerpaar einbezogen. Knapp drei Jahre wohnten wir auf dem Schulhof, wir hatten uns eingerichtet. Als Aussteuer bekam meine Mutter nicht wenige Handtücher aus Leinen gewebt, welche, wenn sie neu sind, noch sehr steif und grau erscheinen. Um diese geschmeidiger im Gebrauch zu handhaben, werden sie gekocht und dann zum Bleichen in die pralle Sonne ausgelegt, hier in unserem großen Garten.

Es war sehr früh von mir eine Eigenheit, wenn der Vater irgendwo hinmusste oder -wollte, dann setzte ich alle Möglichkeiten an, um mit ihm mitzukommen. Eine Ziege war unser Eigen. Wie bei den Kühen, wenn sie Milch geben sollen, müssen sie Kälber in die Welt setzen. Der Nachwuchs von Ziegen bedingt, dass die Meck zum Bocke geführt werden musste. Ein guter Freud vom Vater, Max Kockkro (†), wohnte kurz vor dem Bahnhof in Schönwalde. Mit der Geiß am Strick ging es zum Bock des bekannten Freundes. Das war ein spaßiger Ausflug mit der Ziege selbst, sie brauchte ein paar Pausen, um sich auszuruhen. Beim nächsten Mal zogen wir sie mit dem Handwagen dort vor. Ich lernte neue Leute kennen. Interessant als stiller Zuhörer den Gesprächen zu lauschen. Das Zusammenführen von Ziege und Bock trug auch zur Frühaufklärung bei. Nach 150 Tagen kamen Zwillinge im Stall zur Welt.

Als Kinder durften wir alles machen, von Nutzen solle es schon sein. So etwa die Tiere füttern, in gewisser Weise mit ihnen spielen dürfen. Auch bei der Schlachtung waren wir dabei. Von Huhn, Kaninchen, Schwein und Ziegen. Schon als Vorschulkind erfuhren wir, oder ich, Methoden der Konservierung. Fleisch verdirbt sehr schnell. Die Frostmethode im Haushalt noch nicht gängig, aber Salz zum Pökeln, Einmachen in Gläser und Räuchern uralt.

Sehr praktisch die Büchsenkonservierung als eine sehr sichere Methode. Das Schlüsselproblem hierbei war das Verschließen der Blechkonserve. Zu teuer, wenn jeder solch eine sein Eigen nennen wollte. Der Schmied im Ort besaß solch eine Mechanik und gegen einen geringen Obolus wurden die Büchsen verschlossen. Je nach Inhalt in den Dosen mussten diese noch erhitzt werden, um die Haltbarkeit auf lange Zeit zu sichern. Eine frühzeitige Erfahrung, Lehrzeit ohne Meisterprüfung.

Als Vorschulkind war mir gar nicht bewusst, was mit Krieg im weitesten Sinn für verheerende Auswirkungen im Einzelnen, geschweige im Großen das ganz verheerende. Eher vernahm ich die Geschehnisse, die Begebenheiten als mehr oder weniger abenteuerlich. Das Spielzeug, also jene Freudengaben zu Anlässen rekrutierten sich aus Soldaten, Burgen, Indianern, Panzer, kurzum, Spielsachen förderten nicht die Friedfertigkeit von Anfang an.

Ich komme nochmals auf die Trecks der Flüchtenden zurück. 1944 beginnend und im Verlaufe des Jahres riss der Strom nicht ab, bis die Russen uns belagerten. Die Vertriebenen kamen aus den östlichen Siedlungsgebieten des Reiches. Von Haus und Hof vertrieben. Dem Schrecklichem zu entfliehen, die grausamen Erlebnisse verarbeitend, eine neue Heimat finden, die unsagbaren Strapazen werden sehr schwerwiegend die Erinnerung prägen. Wenige waren mit technischen Mobilen beweglich. Nach der Ruhemöglichkeit für eine Nacht zogen die Gehetzten weiter, um irgendwo Ruhe und eine Bleibe zu finden. Auf mich prasselten so viele neue Eindrücke ein, spektakuläre Erfahrungen und aufregende Momente mitzuerleben, wo ich die Ausmaße erst viel später verstehen konnte, beeinflusste mich. Ein Frl. Sieglinde aus unserem Ort war als Helferin die Nachtlager herzurichten tätig. Sie nahm mich oft auf den Arm und drückte mich zärtlich in ihrem Haupte. Ich quiekte vergnügt, kuschelte und wuschelte mit meinen Händchen in ihr wallendes Haar. Ich ließ mich gern auf ihren Arm nehmen um zu kuscheln. Die von ihr geförderten Schmatze ließ ich mit mir gern ohne Gegenwehr geschehen. Dieses Prägende blieb in meinem Gefühl oder Herzen verwahrt. Einige Flüchtenden wurden in unseren Ort sesshaft. An anderer Stelle werde ich meine Gedanken an sie erinnern.

Längst hatten die Gegner über den Aggressor die Initiative. Die Fronten rückten immer mehr dem Angreifer auf den Pelz. Fliegergeschwader flogen vor allem nachts mit markantem, verheizendem Gebrumm am Sternenhimmel todbringende Bahnen. Was wir im eigentlichen Sinne bestaunten, waren die Zielmarkierungen, welche wie leuchtende, blinkende Christbäume hoch oben schwebten. Leuchtende Geschosse flogen schweifziehend geräuschlos schnelle Bahnen. Bilder am Abendhimmel Januar 1945. Das Lichtergesteck bannte unser Schauen. Dies zu sehen, löste Staunen aus. Jene, welche den Umstand besser kannten, waren betroffen und die schlimme Realität machte nachdenklich. Mit dem Blick von heute verhallen die Geschehnisse, Mahnungen schon wieder von einst im leichtsinnigen Vergessen.

Noch eine kindliche Episode. Ich möchte das Erlebnis als untauglichen Spaß bezeichnen. Herbst 1944, die Kartoffelernte war einzubringen. Es gab einen Mangel an Arbeitskräften. Noch sehr verbreitet wurden die Kartoffeln mit der Hacke, also manuell aus dem Boden geholt. Größere Wirtschaften besaßen eine Schleuder, welche von Traktoren oder Pferden gezogen wurde. Die so wertvolle Kartoffel wurde nur noch aufgelesen und zum Abtransport auf Wagen verstaut. Die Nachbarn in Zauche, wo Mutter geboren, baten sie, bei der Kartoffelernte mitzuhelfen. Dorthin mit dem Fahrrad knappe fünf Kilometer. Ich wurde in dem Fahrradkorb vor der Lenkung mitgenommen. In dem angehakten Korb erbot sich eine feine Sicht, während Mutti sich abstrampelte. Angekommen auf dem freien Felde ging es auch bald los mit dem Einsammeln der Früchte. Jeder Mitstreiter sollte einen bestimmten Abschnitt schaffen. So spielte und guckte ich die Zeit vertreibend. Ab und zu las ich auch Kartoffeln auf und rein in den Korb, in welchen meine Mutter die Knollen tat. Nach anstrengender Arbeit forderten Mensch und Tier auch Erholung. Energie tanken durch Essenszeit. Das war was für mich, solche Art von Pausen waren die besten. Die Täfelung erfolgte im Freien, wo sonst? Weißes Tuch wurde ausgebreitet, darauf die Speisen platziert. Viel Verschiedene, schöne, gute, leckere, wohlmundende sättigten, stärkten alle, die Arbeit mit vollem Elan weiter fortzusetzen. Lustig und interessant war es auch den Gesprächen zu lauschen, es war ein fröhlicher Erholungsschmaus. Usus war es, dass das Kartoffelkraut zu einem großen Haufen getragen und dann angezündet wurde. Der Qualm und die Kokerei ließen bei mir keine Müdigkeit aufkommen, das war was Interessantes. Doch irgendwann nahm mich ein erwachsener Bursche in seine Arme und schwenkte mich herum. Da hatte ich nichts dagegen und quiekte noch vergnügt. Alsbald aber schwenkte er mir über den brennenden Kartoffelhaufen und plötzlich schlug alle meine Lust in furchtbarer Heulerei und in schlimmer Verstimmung um. Der Tag war hin. Meine Vertrautheit missbraucht. Die Mutter war in Gram. Alle schimpften auf den dummen Kerl. Ich war froh, als der ganze Einsatz sein Ende fand. Die feine Brotzeit war vergällt. Mein Schluchzen hielt noch lange an.

Mit dem Ableben der Familie Borch und die Bereitschaft, jenen Hof künftig zu übernehmen, waren die Stunden am Ort der Schule gezählt. Die Tage, da ich selbst Schüler dieses Hauses werden würde, erwarteten mich in einem guten halben Jahre. Mehr oder weniger erlebte ich den täglichen Schulbetrieb, insbesondere die Pausen. Noch war ich sehr unbeschwert und verschwendete sicher keine Gedanken organisierten Lernens. Es war herrliches Winterwetter.

Als Vater und ich die verstorbene Frau Borch aufsuchten, schauten wir auch hier gelegentlich nach unserer Kondolenz uns in den Räumen des Anwesens um und erspähten einen Rodel, auf welchem mich der Herr Papa heimzog. Es war ein aus Stahlprofilen hochgebauter Schlitten. Zwei Knirpse wie ich hatten eng sitzend darauf Platz. Bei scharfen Kurven ziehend war das Kippmoment sehr groß. Auf gefrorenem Wasser wie dem schon erwähnten Teichgewässer hinter dem Gartenschulhof war freudiges Vergnügen. Ende Januar, Anfang Februar, das Kriegsgeschehen beeinträchtigte den Arbeitsplatz vom Vater und er verlor oder kündigte diese Stelle, um den besagten Wirtschaftshof der Familie Borch zu übernehmen. Im dramatischen Endkampf sollte der Ort Halbe auch noch ein blutiges Szenario erfahren. So war es gut, dass Vater nicht mehr dort sein musste. Doch nach der Kesselschlacht holte ihn das Geschehen auf den Boden der Tatsachen zurück, aber dazu später.

Wieder Wohnungswechsel

Das Schulgebäude lag am Ende des Dorfausgangs. Der Umzug zur Dorfstraße 38 entgegengesetzt, aber zentraler im Ort als zuvor. Hier zweigte noch eine Straße ab zum sogenannten Sandberg, auch mit Ortsausgang. Unser Fünfpersonenhaushalt zog von einem Tag zum andern in ein neues Gefilde. Hier konnten wir schalten und walten nach unserem Gutdünken. Über 37 Jahre wurde dieses Anwesen bewohnt, als dann unsere Mutter auch von hier nach Ragow, wo sie einst mit Mann und Tochter Erika, wie schon erwähnt, in diesem Dorfe des Spreewaldes arbeitete und wohnte.

Einige Daten zur Lage, Größe und Anlagen unserer neuen Residenz. Hof und Gebäude waren auf einer Fläche von ca. 31 x 11,5 Metern angelegt. Mit Schmalseite zur Hauptstraße in der Längsachse hin zum Sandberg, zum Friedhof, dann durch den dorfbegrenzenden Wald zur B 115, welche u. a. von Lübben nach Golßen verläuft. Ein Fachwerkhaus aus dem Jahre 1787 und anschließende Tiefstallungen (tiefer, als das Hofterrain liegend) und Scheunentrakt markierten den Grundriss. An den wurden später eine Futterküche für die Nutztiere und ein wunderbarer gemauerter Backofen integriert. In einem Kippdämpfer wurde hier die Kartoffel für das Vieh gegart, Zuckerrüben gekocht und anschließend in einer Presse der Saft gewonnen, um ihn dann in dem integrierten Waschkessel zu Sirup einzudicken. Gleichzeitig diente der Trakt als Wasch- und Badehaus. Dahinter, quer am Ende des Hofes, wurde später ein moderner Stall für Rind- und Borstenvieh errichtet. Über der Stalldecke befand sich ein geräumiger Boden im Wesentlichen zur Aufnahme von Heu. Hier war auch ein Tor wie vorne auf dem Hof. Dieser Hoföffnung gegenüber verlief die Grundstücksgrenze. Unser Nachbar, der Schmied des Ortes. Hier konzentrierte sich der Haufen für alle komposttierbaren Abfälle, wie dito der Dung der Tiere. Auch unsere wasserlose Toilette stand in diesem Eck. Winters wie Sommers waren es viele Schritte von der gemütlichen Stube bis dorthin und der Wind pfiff durch die Fugen. Wie angenehm doch der heutige Komfort ist. Dem Gebäude des Hauses gegenüber waren noch Kleinställe für Kaninchen, Hühner und Schuppen mit einer freien Seite, in denen das Holz, Kohle, Gerätschaften eingelagert wurden. Ganz rechts vorn am Haupttor war die Pumpe installiert, unser täglich Wasser. So ein altes Haus, da zehrt der Zahn der Zeit, einiges war zu renovieren, doch es war funktional. Drei Räume, ebenso das gute Zimmer waren Schlafgemach. Am Eingang etwas Flur, dann links und rechts Zugangstüren zu den Stuben und in gerader Richtung der Kücheneingang. Linker Hand in der Küche der Zugang zur Speisekammer und ganz zur Rechten dem Stübchen, wo meine Eltern zur Nachtruhe kamen. Eine dünne Trennwand mit Türchen verband beide Zimmer.

Kachelöfen sorgten für Wärme. Die Raumhöhen gerade mal zwei Meter. Links in unser Kinderstübchen war über der Zimmerdecke alles aus Holz, ebenso der Heuboden darüber. Über der „guten“ der Bodenbereich, wo die Vorräte von Korn und anderes lagerten. Über den Flurbereich oben auf dem Boden die alte installierte Räucherkammer. Genüsslich darinnen zu schnuppern. Der Hofbereich bot genügend Auslauf zum Toben und allerlei Spiel. Ich würde meinen, das Einleben im neuen Umfeld war unkompliziert. Zu allen Nachbarn entwickelte sich ein gutes Miteinander. Zu dem Anwesen zu dem Hofe gehörte gute 100 Meter schräg über zur anderen Hauptstraßenseite ein Gartenareal mit massiver Scheune. All unser zukünftiges Erntegut von Getreide kam hier zum Drusch, lagerte das Streumaterial, im Garten wuchsen unser Gemüse, Kräuter, Obst und eine kleine Grasfläche ebenfalls im Flächenbereich wurden die Rüben, Karotten und Kartoffeln in Mieten über den Wintern gesichert. Wie schon angedeutet, lag der Hofkomplex an der Gabelung von Haupt- und Nebenstraße. In NO verlief die Dorfstraße (an jener Seite auch die Haus-Nr. 38 angebracht) mit Großgranitpflaster. Beiderseits der Straßen waren die Flächen unbefestigt. Unserem Wohnbereich gegenüber und gleichzeitig auch die Hofbegrenzung in selbiger Fluchtrichtung standen das Wohngebäude der Nachbarschaft und wie schon gesagt der Schmied des Dorfes, welcher auch den gleichen Namen trug. An der Stelle möchte ich eine Namensbetrachtung erklären, Phänomen im Orte. Unserer Namen, na klar, Richter. Der Schmied den gleichen wie wir. Der Name dominierte, nicht der Vorname. Weil wir im Schulkomplex im Dorfe zuvor wohnten, waren wir im Sprachgebrauch fortan Schulrichters und unsere Nachbarn Schmiederichters. Den Namen Beiche gab es dreimal. Weil der eine einen Trecker hatte, war es der „Treckerbeiche“. Pöschla, weil er Bienen hatte, klar, „Bienenpöschla“. Die Palette ließ sich beliebig fortsetzen, erweitern und in anderen Beispielen noch verzückter.

Als Kinder litten wir in gewisser Weise an diesem Zusatz. Im Pulk der Kinder gab es immer wieder Reibereien. Um den einen oder anderen aufs Korn zu nehmen, sind Kinder erfinderisch. Wenn wir oder auch nur ich in der Schar der „Wilden“ ausgefeimt, dann wurden wir u. a. im Chor verrufen mit: „Schulrichter, Schulrichter, Schulrichter“. Ich merkte mir jenen, welche besonders geblödelt hatte, und derjenige bekam eine Tracht Prügel, wir kämpften miteinander, dass die Fetzen flogen. Nach dem Gerangel sah ich oft nicht mehr schön aus und vom Vater gab es noch Maulschellen, weil er mich mit zerkratztem Gesicht ertragen wollte. Die Rangfolgen wurden unerbittlich ausgefochten. Aber die Bissigkeit untereinander verflüchtigte sich auch genauso schnell, als wie sie aufflammte. Das Spiel miteinander war stärker als alles andere. Der neue Wohnort im Orte besaß eine strategische Stellung. Er war quasi ein Mittelpunkt in der Gemeinde, obwohl es nicht das Zentrum bildete. Die gegebene Straßenkonstellaion die Nähe der Schmiede, bald auch eine Schlosserei für Fahrradreparaturen, viele Höfe und eine an unserem Hause stehende Rampe, auf deren Fläche die anliegenden Bauern die Milchkannen jeden Morgen zu sieben Uhr zum Abtransport zur Molkerei nach Golßen abstellten war ein Stelldichein des morgendliches Plausches. Jenen Transport leistete der „Milchlehmann“. Hier war jeden Tag in der Frühe der Talk angesagt, hier gab es die neuesten Nachrichten untereinander. Es war auch für uns Kinder ein großer Spielplatz auf offener Straße, winters wie sommers.

Die soziale Stellung der Familie wandelte sich in einen kleinbäuerlichen Betrieb. Arbeitnehmer und wohnen in einem Miethaus der Gemeinde und nun der Bauernhof mit all den Folgen unserer Familie. Zwar nicht Eigentum, doch in nie da gewesener Art und Weise ein selbstständiges Territorium. Daraus ergaben sich Konsequenzen für jeden Einzelnen der Familie dergestalt, dass alle vom frühesten Alter an im Prozess der Arbeitsaufgaben einbezogen wurden. Das Licht- und Wärme spendende Gestirn stand von Tag zu Tag höher am Horizont.

Mein sechster Geburtstag, am 19. 02., schon längst ohne große Pomp der Vergangenheit gestundet, war ich mit dem Vater in jenen Tagen oft unterwegs, unsern Feldmarkt zu erkunden. Wir mussten wissen, was jetzt unser war, Wald, Wiesen, Acker. Der Vater sorgte für eine Menge Holz, noch unwissend, welchen Vorteil es haben sollte, außer es verfeuern. Die Vorbereitung der Felder zur Frühjahresbestellung lag im Fokus der Arbeit. Unheilvoll, aber das Kriegerische um uns, über uns, in uns und gleichzeitig verharrend in Erwartung der Ungewissheit jedem neuen Tag entgegen.

Der Zusammenbruch