Im Regen erwartet niemand, dass dir die Sonne aus dem Hintern scheint - Bernhard Blöchl - E-Book

Im Regen erwartet niemand, dass dir die Sonne aus dem Hintern scheint E-Book

Bernhard Blöchl

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Beschreibung

Er will nichts mehr vom Leben – sie will alles. Knoppke sucht Ruhe – Sam sucht Gesellschaft. Gemeinsam verschlägt es das ungleiche Duo in Knoppkes Transit nach Schottland, sein Motto: Im Regen erwartet niemand, dass dir die Sonne aus dem Hintern scheint. Was aber, wenn dich gerade dort das Glück verfolgt, das sonst nur die anderen haben? Das Glück der anderen ist ein Arschloch, so dachte Knoppke früher, nachdem er um seine große Liebe nicht gekämpft hatte. Zu seinen vergrabenen Gefühlen findet er ausgerechnet in den stürmischen Highlands zurück: Er traut sich Extremes und will wieder was. Und dann ist da noch Sams Geheimnis, das anscheinend auch ihn betrifft, oder vielleicht doch nicht?

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Für piz,kleine MünchnerHighlanderin aus WuppertalFür Bär und Cooper,unvergessene Superkatzen

ISBN 978-3-492-97630-5März 2017© Piper Verlag GmbH, München/Berlin 2017Covergestaltung: FAVORITBUERO, MünchenCoverabbildung: Richard Nixon / ArcangelDatenkonvertierung: psb, BerlinSämtliche Inhalte dieses E-Books sind urheberrechtlich geschützt. Der Käufer erwirbt lediglich eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf eigenen Endgeräten. Urheberrechtsverstöße schaden den Autoren und ihren Werken. Die Weiterverbreitung, Vervielfältigung oder öffentliche Wiedergabe ist ausdrücklich untersagt und kann zivil- und/oder strafrechtliche Folgen haben.In diesem E-Book befinden sich Verlinkungen zu Webseiten Dritter. Wir weisen darauf hin, dass sich der Piper Verlag nicht die Inhalte Dritter zu eigen macht.

»There is a crack in everything.That’s how the light gets in.«

(Leonard Cohen)

ZU EINEM SPÄTEREN ZEITPUNKT DER GESCHICHTE

Am Ende des Regenbogens beginnen die Probleme. Das fängt schon mit der zermürbenden und erst recht nicht mit einem GPS zu bewältigenden Suche nach dem Ende an und hört mit der Enttäuschung darüber noch lange nicht auf, dass es einen Goldtopf in aller Regel nicht gibt, zumindest nicht in der Nähe eines Naturspektakels, da ist sich das Schauspiel selbst Gold genug.

Aber so etwas hatte Knoppke ohnehin nicht im Sinn, also einen Goldtopf, der hätte ihm keine seiner Sorgen genommen, im Gegenteil. Reichtum macht ja alles nur noch schlimmer, davon war er überzeugt, seit er Grätschi beim Großkotzwerden zugeschaut und beschlossen hatte, arm zu bleiben. Knoppke stieg aus einem anderen Grund seit fünf Stunden den Ben Nevis hinauf, den Kopf in den Wolken, die Nase im Eiswind. Er war auf dem Weg zum höchsten Punkt, den die Insel zu bieten hatte, und keine Regentropfen dieser Welt würden ihn davon abhalten. Schon eher sein linkes Knie, das solche Strapazen nicht mehr gewohnt war und dem er in den vergangenen Wochen ohnehin mehr zugemutet hatte, als die Krankenkasse empfehlen würde. Aber Knoppke biss die Zähne zusammen, er war bereits nah dran, fast oben, und es müsste ihn schon der Teufel holen, um ihn jetzt noch zu stoppen.

Dummerweise kann auch ein Regenbogen teuflisch sein, weil man die Sache mit dem Glück gelegentlich überspannt. Knoppke war gerade in so einer überspannten Phase, also berauscht von der wiedererlangten Abenteuerlust, überrascht vom Leben, dem er keine Überraschungen mehr zugetraut hatte. Aber dann war da dieser Regenbogen, er hatte den Eindruck, er wandere direkt hinein, und als dieser sich mitsamt dem Nebel in Luft auflöste, war da zwar kein Eimer Gold, aber ein Klavier. Knoppke wollte es zunächst auch nicht glauben, aber mitten am Berghang, knapp unterhalb des Gipfels, in 1300 Meter Höhe, wuchs die Ruine eines Klaviers aus dem nasskalten Boden. Abseits der Touristenpfade, womöglich wirklich am Ende des Regenbogens, wer wusste das schon? Und damit fingen sie an, die Probleme, das kann man sich denken.

Eine mächtige Kraft zog Knoppke zu dem Fundstück, einige Tasten fehlten, das sah er sofort. Das Klavier muss schon länger hier herumstehen, dachte er und staunte. Das Holz war verwaschen und erdig, der Korpus hatte sich ein Stück in den Boden gedrückt. Knoppke musste in die Hocke gehen, aber das war es ihm wert. Mit zittrigen Beinen stand er da und erinnerte sich an die Lieder, die ihm sein Großvater in Vohwinkel beigebracht hatte. Ohne lästige Gedanken, im Zustand des reinen Bewusstseins, legte Knoppke seine klammen Finger auf das schwarz-weiße Ensemble, und dann spielte er »Stairway to Heaven«. Der Klang war eine Katastrophe, Led Zeppelin würden ihn dafür in die Hölle prügeln, aber Knoppke war selig wie lange nicht. Auf dem Barometer der Gefühle ganz weit oben, Emo-Stand 10, das war Rekord! Wie in Trance bediente er das Instrument, dem das hohe C und mehrere Fis fehlten. Doch er bestieg die Treppe zum Himmel, immer weiter, immer lauter. Und merkte nicht, dass ihm der Boden unter den Füßen entglitt. Aus dem Gleiten wurde Rutschen, aus dem Rutschen wurde Schlittern, das Klavier verstummte, Gestrüpp und Felsen schossen an ihm vorbei, und seine Hände griffen ins Nichts.

Knoppke fiel, er fiel viel zu lang, schließlich ein Schlag, dann kamen die Bilder. Bilder, die ihm durch den Schädel flimmerten wie Kopfkino mit analoger Projektion. Es lief eine Dokumentation, rückwärts erzählt wie von einem überambitionierten Filmhochschüler, und Knoppke dachte, das bin ja ich, bevor er Bilder eines himmelblauen Bullis sah, der in einer Horde Kühe feststeckte, die lustige Frisuren trugen. Er erblickte Landschaften mit magischem Licht, Umrisse einer fluchenden Frau, der er eine Blutwurst unter die Nase hielt, dann senkte sich ein Vorhang aus gold gelocktem Haar, und Knoppke sah jubelnde Menschen in der Münchner Arena, blaue Fans, die völlig aus dem Häuschen waren, die sich umarmten, auszogen, niederknutschten, alles.

Das Glück der anderen war das Letzte, das er sah, bevor es um ihn herum schwarz wurde, und fast kam es Knoppke so vor, als würde am Rande seines Blickfeldes noch einmal ein Regenbogen aufblitzen, der schönste, den er je gesehen hatte, in den Farben seines Lieblingsvereins.

DAS GLÜCK DER ANDEREN IST EIN ARSCHLOCH

1)Das Glück der anderen traf ihn mit voller Wucht.

Knoppke zupfte gerade seine orange Weste zurecht, die neuerdings in der Hüftgegend bedenklich spannte, als das Tor fiel, welches das Schauspiel vor seiner Nase eröffnete. Er hob den Kopf und schaute auf Hunderte entrückter Gesichter, genauer gesagt schaute er in Hunderte Kehlen, so weit standen ihre Münder offen. Knoppke sah Fäuste, überall Fäuste, wie sie durch die flirrende Luft tanzten, Kerle, die zu Kindern wurden und flennten, wahlweise ihre Freundinnen knutschten oder die Freundinnen der Nachbarn oder völlig fremde Frauen. Er entdeckte graubärtige Matrosen in diesem hochhaushohen Wimmelbild, Tätowierte, die ihre Fish-&-Chips-Plauzen enthüllten und ihren Nebenmännern Bierküsse auf die Glatzen drückten. Ein blaues Meer des Überschwangs schwappte durch das rote Stadion, als Knoppke sich am Bauch kratzte.

Diese Halunken, dachte er voller Respekt für die Gäste aus London, denen er den Triumph zu keiner Zeit der Partie zugetraut hätte. Knoppke konnte den entscheidenden Elfmeter zwar nicht sehen, sondern nur hören, ein dumpfes, weit entferntes Flappen, dafür erlebte er hautnah, was dieser eine Schuss mit den Menschen machte, die ihn live und ganz genau verfolgten. Der Schuss zum High-Sein. Die Überdosis Gefühl.

Knoppke stand ein paar Meter vor dem Block der Auswärtsmannschaft in der Münchner Arena und sah den Fans der Sieger dabei zu, wie sie sich gegenseitig in die Arme fielen und rangelten. Einer zog sogar seinen Schwanz aus dem Hosenschlitz, einen gar nicht mal so mickrigen, wie Knoppke befand, so einen konnte man schon herzeigen. Später würden alle das Teil auf YouTube begutachten können, in dem verwackelten Video eines dieser Hobby-Filmer. Ein Glück, dachte Knoppke, dass es diese Dinger zu seiner Zeit noch nicht gegeben hatte, also diese Handykameras. Große Schwänze hatte es immer gegeben, kleine übrigens auch, weiß Gott. Aber wenn das Penisfechten in der Kabine des WSV im Netz gelandet wäre, damals in der A-Jugend, dann hätten sich ja doch nur wieder alle aufgeregt.

Drei Jahrzehnte später waren noch viel mehr Erwachsene aus dem Häuschen, es roch nach Silvester und Testosteron, nach feuchtem Gras und dem Schweiß der Massen. So sieht also Ekstase aus, dachte Knoppke und versuchte sich daran zu erinnern, wann er zuletzt so erregt war wie diese Meute. Wann er zuletzt geweint hatte. Oder sich entblößt hatte. Oder geschrien, getanzt, irgendwas. Musste lange her sein. Ihm kam nichts in den Sinn.

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