Im schwarzen Loch ist der Teufel los - Ulrich Walter - E-Book

Im schwarzen Loch ist der Teufel los E-Book

Ulrich Walter

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Beschreibung

Wie warm ist es im Weltraum? Kann man die Chinesische Mauer wirklich aus dem All sehen? Und wie würde eine Alieninvasion tatsächlich ablaufen? Ulrich Walter ist Physiker, Astronaut und einer von elf Deutschen, die im All gewesen sind. Während seiner Mission hat er allerhand gesehen und ausprobiert. In seinem Buch erklärt er wissenschaftlich korrekt, aber sehr unterhaltsam alles Wissenswerte über den leeren Raum um uns herum und lüftet das Geheimnis, ob wir wirklich auf dem Mond waren.

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Ulrich Walter

Im Schwarzen Loch ist der Teufel los

Astronaut Ulrich Walter erklärt das Weltall

Leserhinweise:

Multiplikationen:

Auch dieses Buch kommt nicht ganz ohne Formeln aus. Für die Multiplikation zweier Zahlen stellt × das Rechenzeichen dar. Beispiel: 2 × 1010. Bei Variablenprodukten hat der Autor als Rechenzeichen den Punkt genutzt. Beispiel: x · y

Erstellungszeitraum:

Dieses Buch entstand zwischen 2014 und 2016. Bis zum Redaktionsschluss des Buches haben wir die Texte an den aktuellen Stand der Wissenschaft angepasst. Da sich dieser jeden Tag ändert, sehen Sie das Buch bitte als Momentaufnahme.

Zum Nachschauen:

Ab dem 27. September 2016 moderiert Ulrich Walter die Sendung Spacetime mit gleichen Themen wie in diesem Buch, dienstags um 20.05 Uhr bei N24.

Originalausgabe

5. Auflage 2017

© Verlag Komplett-Media GmbH

2016, München/Grünwald

www.komplett-media.de

ISBN E-Book: 978-3-8312-5785-0

Umschlaggestaltung: Marco Slowik, München

Korrektorat: Redaktionsbüro Diana Napolitano, Augsburg

Satz und Layout: Daniel Förster, Belgern

eBook-Herstellung und Auslieferung: Brockhaus Commission, Kornwestheimwww.brocom.de

Dieses Werk sowie alle darin enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrecht zugelassen ist, bedarf der vorherigen schriftlichen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Speicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen sowie für das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung.

INHALT

Editorial

Space rocks!

Wie kann das Universum aus dem Nichts entstehen?

Der Urknall – Was war davor?

Der Urknall – Was war direkt danach?

Echo des Urknalls entdeckt? Sensationsfund oder viel Lärm um nichts?

Eine kurze Geschichte unseres Universums

Einsteins Theorien und unsere heutigen Beweise dafür

Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie für Dummies

Einstein-Trilogie – Nichts fliegt schneller als das Licht!

Einstein-Trilogie – Das Zwillingsparadox

Einstein-Trilogie – Bewegen sich Galaxien mit Überlichtgeschwindigkeit?

2:0 für Einstein – Gravitationswellen beweisen Relativitätstheorie

Die Grundlagen unseres Universums

Unser Universum – Wie für uns gemacht?

Wie warm ist es im Weltraum?

Was ist eigentlich Gravitation?

Was ist Dunkle Materie?

Was ist Dunkle Energie?

Warum kreisen Himmelskörper?

Warum rotieren Himmelskörper?

Schwarze Löcher für Anfänger

Wurmlöcher für Anfänger

Kann negative Energie Wurmlöcher stabilisieren?

Wie groß ist unser flaches Universum?

Raumkurven – Wie sieht unser Universum aus?

Erdähnliche Planeten gefunden, wo sind die Außerirdischen?

Woher kommt das Wasser unserer Ozeane?

Das Ende aller Dinge – Der Big Rip

Das Ende aller Dinge – Ein falsches Vakuum?

Gibt es Parallelwelten? – Die Theorie

Gibt es Parallelwelten? – Das Experiment

Warum sind wir – und vielleicht nur wir?

Das anthropische Prinzip

Zu Hause im Universum

Sind wir allein im Universum?

Wo sind die Außerirdischen dort draußen?

Wir sind nicht allein!

Wie sehen Außerirdische aus?

Warum ein Alien-Beweis in zehn Jahren totaler Unsinn ist

So würde eine Alien-Invasion wirklich ablaufen

Warum wir nie mit Außerirdischen kommunizieren werden

»Sie verlassen jetzt die Erde« – Unser Sonnensystem

Waren wir auf dem Mond? – Ursprünge des Moon Hoax

Waren wir auf dem Mond? – Na klar!

Wem gehört der Mond?

Terraforming Mars

Wann kommt die erste bemannte Mars-Mission?

Mars-One-Mission – Was ist da dran?

NASAs Mars-Pläne – Das Auf und Ab von Apollo bis heute

Weshalb Sie sich den 2. August 2048 notieren sollten

Was ein Astronaut vom Marsianer hält

Die verblüffende Welt des Pluto

Hinweise

Abbildungsverzeichnis

Über den Autor

EDITORIAL

Unser Universum ist ein höllischer Ort, in dem wir mit unserer Erde wie auf einer Insel der Seligen leben. In unse- rer Sonne fusioniert Wasserstoff bei 40 Millionen Grad Celsius, in größeren Sternen beträgt die Spitzentemperatur kurz vor einer Supernova-Explosion gar 10 Milliarden Grad – wirklich höllisch. Nur die gigantische Schwerkraft solcher Sterne kann sie bei solchen Temperaturen noch zusammenhalten.

Die teuflischsten Orte in diesem höllischen Universum sind jedoch die Schwarzen Löcher. »Schwarze Löcher«, das hört sich schon gruselig an. In der Tat übersteigt das, was dort passiert, unser Vorstellungsvermögen. In diesem Buch werde ich aber versuchen, das Unvorstellbare durch Vergleiche mit uns bekannten Dingen doch irgendwie verständlich zu machen. Trotzdem, die Realität ist doch viel, viel komplizierter als diese Vergleiche.

Nehmen wir die Relativitätstheorie Einsteins (siehe meine drei Artikel der Einstein-Trilogie). Erst sie hat es uns ermöglicht, das, was dort draußen passiert, mathematisch richtig wiederzugeben. Dazu zählt zum Beispiel die Tatsache, dass Zeit zwar von jedem gleich schnell empfunden wird, sie aber je nach Eigengeschwindigkeit oder Schwerefeld, in dem man sich gerade befindet, gedehnt oder gestaucht ist. Dasselbe passiert auch mit dem Raum. Raum und Zeit werden insbesondere in der Nähe eines Schwarzen Loches bis ins Unendliche deformiert. Wir können uns das nicht vorstellen, weil wir selbst Teil dieses Raumes sind und wir daher mitdeformiert werden. Um das zu verstehen, stelle man sich einen Flächenmenschen vor, das ist so ein Vergleich, um das Unvorstellbare vorstellbar zu machen, der in (nicht auf!) einer Kugeloberfläche lebt. Die Oberfläche ist gekrümmt, und weil der Flächenmensch Teil der Oberfläche ist, ist er mitgekrümmt und merkt nichts von seiner Krümmung. Die erkennt man nur als Außenstehender.

SCHWARZE LÖCHER, SO GROSS WIE EINE NADELSPITZE!

Weil der Raum bis ins Unendliche gekrümmt ist, gibt es Erscheinungen, die einfach verblüffen. Stellen Sie sich zunächst die Größe unserer Sonne vor. Sie hat ein 1,4 millionenfach größeres Volumen als die Erde. Wenn unsere Erde eine Erbse wäre, dann hätte die Sonne einen Durchmesser von etwa einem Meter. Nun stellen Sie sich 4 Millionen Sonnen als eine Massenkugel vor, die hätte in diesem Vergleich einen Durchmesser von 160 Meter. In der Realität hat sie den Durchmesser von 100 Millionen Kilometer! Das Schwarze Loch im Zentrum unserer Milchstraße hat genau diese Masse von 4 Millionen Sonnen. Aber, weil der Raum am Ort, dort wo sich das Schwarze Loch befindet, unendlich gestaucht ist, machen diese 4 Millionen Sonnenmassen keine Kugel von 100 Millionen Kilometer Durchmesser aus, sondern schrumpfen auf einen Punkt so groß wie eine Nadelspitze zusammen. Ein Schwarzes Loch mit Milliarden von Sonnenmassen hat die Abmessungen einer Nadelspitze! Ist das nicht teuflisch? Diese unglaubliche Tatsache wurde erst in den vergangenen Jahrzehnten zur Gewissheit, weil wir Raum- und Zeitschrumpfungen durch Experimente im kleineren Maßstab prinzipiell bestätigen konnten. Einstein hatte also recht.

Künstlerische Darstellung des Anflugs eines Shuttles auf ein Schwarzes Loch, von dem man nur den Ereignishorizont, die Oberfläche einer schwarzen Kugel, sieht (Bild: NASA/U. Walter)

EINE TEUFLISCHE ERKUNDUNGSREISE

Teuflisch wäre auch eine Reise als Astronaut in einem Raumschiff zu einem Schwarzen Loch, aber doch anders als man sich das vielleicht vorstellt. Was würde man von dem Loch sehen? Nehmen wir an, es ist das Schwarze Loch in unserer Milchstraße. Aus großer Entfernung sähe man dann vor sich eine schwarze Kugel mit etwa 17 Sonnendurchmesser. Diese Kugel ist nicht das Schwarze Loch selbst, sondern ihre Oberfläche, der sogenannte Ereignishorizont, der den Loch-Punkt verhüllt. Was die schwarze Kugel ist und was in ihr passiert, sehen wir gleich.

Außerdem sähen wir glühende Materie in einer Scheibe in einem großen Abstand um das Loch kreisen, die sich ihm dabei langsam nähert. Diese Materie, das Überbleibsel zerrissener Sterne, die dem Loch zu nahe gekommen sind, glüht umso heller, je näher sie dem Loch kommt. Große Sterne werden schon in großer Entfernung zerbröselt, kleinere Gegenstände, wie wir, erst später. Aber noch geht es uns ganz gut.

Wenn wir im Abstand von 24 Millionen Kilometer vom Ereignishorizont in einen Orbit einbiegen, das ist etwa die Hälfte des Abstands zwischen Merkur und Sonne, dann müssen wir bereits verflucht aufpassen. Denn dieser Abstand ist die innere Grenze des Bereiches, wo wir noch eine stabile Umlaufbahn haben, wir fliegen im freien Fall um das Schwarze Loch herum und brauchen dabei nichts tun. Dabei haben wir aber schon fast Lichtgeschwindigkeit, umrunden das Loch also alle 12,5 Minuten.

DER HÖLLENRITT IN EIN SCHWARZES LOCH

Wenn wir uns nun dem Loch etwas weiter nähern, begeben wir uns auf einen unumkehrbaren Höllenritt. Zunächst wird unser Orbit instabil, was bedeutet, wir müssen ständig die Antriebe feuern, damit wir die Bahn beibehalten. Tun wir das nicht und sind bei 6 Millionen Kilometer Abstand vom Ereignishorizont angekommen, nützen uns auch die besten Antriebe nichts mehr, wir werden unweigerlich ins Schwarze Loch stürzen. Bei diesem Abstand fliegt auch Licht nicht mehr gradlinig am Loch vorbei, sondern umkreist es einmal alle 6,5 Minuten. Licht, das vom Loch direkt nach außen fliegt, kann dem Loch aber noch entkommen. Wenn wir den Ereignishorizont erreicht haben, ist aber auch damit Schluss. Wir, mitsamt allem, was sich um das Loch herum bewegt, einschließlich des Lichts, egal wie es anfangs fliegt, fällt auf Nimmerwiedersehen ins Schwarze Loch. Das ist übrigens der Grund dafür, warum die schwarze Kugel um das Loch herum schwarz erscheint. Wenn nämlich nicht einmal mehr Licht der Kugel entkommen kann, fällt von dort auch kein Licht mehr in das Auge eines Betrachters, und daher erscheint der Bereich stockdunkel.

Dass wir uns bereits in der schwarzen Kugel befinden, davon merken wir aber nichts, denn über uns, aber auch seitlich, fällt ständig neues Licht nach, sodass es recht hell um uns herum ist. Dann geht aber alles sehr schnell. Innerhalb des Bruchteils einer Sekunde wird das Shuttle durch die sogenannten Gezeitenkräfte, also der Zunahme der Schwerkraft in Flugrichtung, zerrissen, dann unser Körper zerfetzt. Schließlich lösen sich die Fetzen in einzelne Atome auf, und die wiederum werden in einzelne Elementarteilchen aufgespalten, die auf das Zentrum treffen, dort wo die 4 Millionen Sonnenmassen lagern und durch unsere Körpermassen weiter anwachsen. Aber davon merken wir schon nichts mehr.

Schwarze Löcher sind also Nimmersatts, sie werden mit der Zeit immer schwerer, bis sie irgendwann die gesamte Materie im Universum in sich aufgesaugt haben. Aber bis dahin ist es noch sehr, sehr lange hin, viele Milliarden Milliarden Milliarden Jahre. Bis dahin lassen wir uns faszinieren von den anderen Geheimnissen, die uns dieses Universum zu bieten hat.

Begleiten Sie mich in diesem Buch auf dieser Erkundungsreise durch unser Universum.

Ulrich Walter

D-2 Astronaut

SPACE ROCKS!

Mehr als 100 Astronauten aus allen Ländern

trafen sich im September 2015 in Stockholm und

begeisterten bei ihren Besuchen in Schulen landesweit

Tausende Schüler – und die Schüler uns.

Es ist inzwischen eine alte Tradition. Einmal im Jahr treffen sich Astronauten irgendwo auf der Welt, nicht nur, um sich wiederzusehen, sondern auch um wichtige Raumfahrtthemen zu diskutieren und sich mit jungen Menschen zu treffen.

WAS ASTRONAUTEN VON RAUMFAHRERN UNTERSCHEIDET

Es ist schon ein sehr exklusiver Club, die ASE, die Association of Space Explorers, also die Vereinigung aller geflogenen Astronauten weltweit. Nicht jeder, der im Weltraum war, sogenannte Raumfahrer (space travelers), darf Mitglied werden, da ist die ASE pingelig. Tatsächlich stammt von der ASE die einzige Definition, wer Astronauten sind, und hier zählt jedes Wort: »[Ein Astronaut ist] jede Person, die wenigstens eine Erdumrundung in einem Raumfahrzeug vollzogen hat.«

Es gibt halt auch Weltraumtouristen, die lediglich suborbital fliegen, also einen kurzen Hopser über 100 Kilometer Höhe machen, dort wo laut IAF der Weltraum beginnt, und gleich wieder im Sturzflug zurückfliegen. Solche Raumfahrer waren zwar im Weltraum und erhalten von Unternehmen wie Virgin Galactic, die solche Flüge für 250.000 $ anbieten, auch ein schönes Zertifikat, das das bestätigt, aber sie sind eben keine orbitalen Astronauten. Sie bekommen von den Amerikanern sogar die sogenannten »Astronaut Wings«, weil nach amerikanischer Tradition jeder, der über 50 nautische Meilen – etwa 80 Kilometer – hoch fliegt, ein solches Abzeichen bekommt.

WIE FIRMEN MIT RAUMFAHRT GELD MACHEN

Aber das ist nach internationalen Normen nichts wert (siehe mein Kapitel Wem gehört der Mond?), genauso wie man beim Amerikaner Dennis Hope Grundstücke auf dem Mond kaufen kann und dafür auch ein Zertifikat bekommt. Nach amerikanischem Recht ist dagegen nichts einzuwenden, aber nach internationalem Recht, dem sogenannten Outer Space Treaty, ist die Beanspruchung von Territorien außerhalb der Erde nicht zulässig.

Dass Weltraumtouristen, die für wenige Minuten in den Weltraum hopsen und dafür Astronaut Wings erhalten, trotzdem keine Astronauten sind und nicht in die ASE aufgenommen werden, dafür habe ich bereits bitterböse E-Mails von denen erhalten, die solche Flüge gekauft haben. Aber da ist die ASE hart.

TOURISTEN-ASTRONAUT-SEIN KOSTET

Es gibt natürlich auch Weltraumtouristen, die auf der Internationalen Raumstation waren und somit viele Erdumkreisungen gemacht haben. Sie sind daher ASE-Mitglieder. Dieses Jahr waren zwei von ihnen dabei, die bildhübsche Anoushi Ansari und der steinreiche Richard Garriott. Er ist übrigens der Sohn des berühmten Apollo-Astronauten Owen Garriott. Auch er ist bei allen ASE-Treffen dabei. Die Garriotts gibt’s bei den ASE-Treffen also immer im 4er-Pack mit ihren Frauen. Geld ist für ISS-Touristen übrigens nicht unwichtig, denn ein Flug dorthin kostet zurzeit 45 Millionen $. Beneidenswert, die Menschen, die so etwas aus der Portokasse zahlen können. Berufsastronaut zu werden und nichts zu zahlen, ist aber auch nicht schlecht.

Die Tradition der ASE will es, dass das Treffen immer in einem Land eines geflogenen Astronauten ausgerichtet wird. Im besagten Jahr 2015 hatte der ESA-Astronaut Christer Fuglesang nach Schweden eingeladen. Man traf sich am 20. September für vier Tage im Grand Hotel in Stockholm, wo der komplette sechste Stock für uns reserviert war. Auf dem Programm standen Besuch der Königlich Technischen Universität, KTH, wo wir viel mit den Studenten weltraumfachlich diskutierten, Empfang und Shakehands mit König Carl Gustaf und seiner Tochter Victoria gleich im Schloss gegenüber und dem wichtigsten Teil unserer jährlichen Mission, dem sogenannten Community Day.

COMMUNITY DAY!

An diesem Tag schwirren alle Astronauten in Autos oder Fliegern manchmal sogar in die entferntesten Landesteile aus, um Schulen zu besuchen und dort die Schulkinder zu begeistern. In diesem Jahr hatte ich es nicht weit, ich fuhr in meinem Flight Suit, ein Muss für solche Besuche bei Kindern, in die Deutsche Schule am nördlichen Rand des Stadtkerns von Stockholm. Mit mehr als 400 Jahren ist sie eine der ältesten deutschen Schulen weltweit und mit etwa 600 Schülern auch ziemlich groß. In der Aula warteten aufgeregt Schüler im Alter zwischen 12 und 16 Jahren. Ein Video von mir, das einen Flug der ISS über die Erde bei Nacht mit den wunderschön erleuchteten Städten und den magisch flatternden Nordlichtern zeigte, machte den Anfang der Veranstaltung. Danach gab es Wissenschaft im Weltraum light: »Kocht Wasser im Kochtopf im Weltraum? (Antwort: Nein) und »Brennt eine Kerze in der Schwerelosigkeit?« (Antwort: Ja, aber ganz anders). Dazu Bilder der entsprechenden Experimente, was selbst für mich immer wieder verblüffend aussieht.

FÄK-CHÖ

Am Donnerstag reisten wir weiter nach Süden zu der Stadt mit dem unaussprechlichen Namen Växjö (ausgesprochen: Fäk-chö, wo bei das »ch« ein für Deutsche kaum aussprechbarer tiefliegender Rachenlaut ist). Dort gab es am Freitag einen weiteren Community Day. Mein Shuttle-Kollege Tom Henricks und ich besuchten eine kleine Grundschule in Timfors. Etwa 80 Kinder in gnadenlos toller Stimmung. Die Eltern hatten im Vorhof eine etwa vier Meter hohe Rakete aus Edelstahl einzementiert, auf der wir uns mit Unterschriften verewigen mussten und daneben, auf einem kleinen Stück Rasen, haben wir unter dem Gejohle aller Kinder einen Apfelbaum gepflanzt. Dafür revanchierten Tom und ich uns mit Bildern der Klassiker: Wie geht man im Weltraum auf die Toilette? Wie isst man? Wie wäscht man sich die Haare? Und wie schläft man in der Schwerelosigkeit des Alls?

DAS BESTE ZUM SCHLUSS

Am Freitag mussten die Kinder dann angeblich in einer Schulstunde ihre Erlebnisse des Besuches in kurzen Sätzen zusammenfassen, die uns bei der Abschiedsfeier am vergangenen Sonntag präsentiert wurden. Es machte einfach Spaß, deren aufrichtige Begeisterung zu lesen. Ein kleiner blonder Junge schrieb: »Das war der schönste Tag in meinem Leben!« und Nancy, 9 Jahre, formulierte es kurz und knapp: »Space rocks!«.

DER URKNALL – WAS WAR DIREKT DANACH?

Was passierte direkt nach dem Urknall unseres

Universums, und was war die Inflationsphase?

Die für unser Universum entscheidenden Dinge passierten in der Zeit vom Urknall bis 0,00000000000000000000000 000000001 Sekunden, also 10-32 s, danach. Diese extrem kurze Zeitspanne wollen wir uns im Folgenden anschauen. Obwohl man über diesen Zeitraum bisher nur indirekt Aussagen machen konnte, lässt sich das heute sogar berechnen. Die Veröffentlichung dazu war die wohl aufsehenerregendste des Jahres 20131. Das entscheidende Ereignis in diesem Zeitraum war die sogenannte Inflationsphase von 10-35 s bis 10-32 s. Daher unterscheidet man grundsätzlich in die Präinflationsphase, 0 s bis 10-35 s, die Inflationsphase und die Postinflationsphase, 10-32 s bis heute.

PRÄINFLATIONSPHASE: URKNALL BIS 10-44 s

Wir können heutzutage nichts über die Zeit von 0 s bis 10-44 s aussagen. Letzteres ist die sogenannte Planckzeit. Mit der Planckzeit – oder ganz allgemein den Planck-Einheiten – endet der Gültigkeitsbereich unserer heute bekannten physikalischen Gesetze. Viel können wir über diese Zeit zwar nicht sagen, aber es gibt wahrscheinlich auch nicht viel zu sagen, außer dass das Universum so extrem klein war, dass die Gesetze der Quantengravitation herrschten. Man glaubt, dass Raum und Zeit nicht wie heute sauber getrennt voneinander waren, sondern eine Art Raumzeitschaum bildeten. Es gab nicht wie heute vier separate Kräfte (gravitative, elektromagnetische, schwache und starke Kraft), sondern nur eine vereinheitlichte Kraft. Stellen Sie sich die vereinheitlichte Kraft wie Wasserdampf vor. Beim Abkühlen (des sich ausdehnenden Universums) kondensiert zuerst flüssiges Wasser (Gravitation) und beim weiteren Abkühlen Eis (eine der anderen Kräfte) heraus.

PRÄINFLATIONSPHASE: 10-44 s BIS 10-35 s

10-44 s nach dem Urknall hatte das Universum einen Durchmesser von nur etwa 10-26 Metern. Zu diesem Zeitpunkt entstand die Gravitationskraft als eigenständige Kraft, während die drei anderen Kräfte zur vermuteten sogenannten großen vereinheitlichten Theorie (Grand Unified Theory oder auch kurz GUT), deren Entwicklung ein aktuelles Forschungsgebiet ist, zusammenblieben. Die Quantenteilchen dieser GUT, also die Teile, die die Kraft zwischen den damals bereits existierenden Quarks und Leptonen vermittelten, wie etwa die Photonen der heutigen elektromagnetischen Kraft, nennt man X-Teilchen. Man muss sich das damalige Universum also als Suppe extrem dichtgepackter Quarks und Leptonen vorstellen, die durch die X-Teilchen und Gravitation wechselwirkten und sogar ineinander umgewandelt wurden. In dieser Phase hatten alle diese Teilchen noch keine Masse, und der Raum expandiert schnell, aber nicht extrem schnell.

INFLATIONSPHASE: 10-35 s BIS 10-32 s

10-35 s nach dem Urknall passierte zweierlei: Durch die Ausdehnung und damit verbundene Abkühlung des Universums verselbstständigte sich als weitere Kraft die starke Kraft, also die Kraft, die zwischen den Kernteilchen wirkt. Sie wird beschrieben durch die heute bekannte Quanten-Chromodynamik (QCD) mit den sogenannten W- und Z-Bosonen als kraftvermittelnde Teilchen. Zurück blieb die sogenannte elektroschwache Kraft. Weit wichtiger war aber die sogenannte Inflation, die ebenfalls bei 10-35 s begann.

Die Inflationsphase direkt nach dem Urknall. Horizontal der Raumbereich, die Zeit läuft von unten nach oben. (Bild: NASA/U. Walter)

INFLATION

Um es vorweg zu sagen: Man ist sich nicht sicher, ob es diese Inflation des Universums gab, aber sie erklärt viele wichtige Eigenschaften unseres Universums auf verblüffend einfache Weise, weshalb die meisten Kosmologen an sie glauben. Es gibt aber einige namhafte Vertreter dieser Zunft, die das bestreiten, wie etwa Paul Steinhardt, der sein Modell des ekpyrotischen Universums dem entgegenstellt.

Die Inflation des Universums war eine extrem, extrem starke und kurzzeitige Expansion des Universums, die das Universum in jede der drei Raumrichtungen um mindestens 50 Größenordnungen explodieren ließ. Was war ihre Ursache? Der treibende Faktor war das Ungleichgewicht des Raumes. Was bedeutet das? Man muss sich das so vorstellen: Durch die relativ langsame Expansion in der zweiten Präinflationsphase erfuhr der Raum selbst, das sogenannte Vakuum, eine Anhebung seines Grundzustandes. Dadurch wurde es zum sogenannten falschen Vakuum. Das bedeutet, das Vakuum musste seine innere Struktur ändern, um zum heutigen richtigen Vakuum zu werden. Dadurch konnte es seine angehobene Grundzustandsenergie wieder so weit absenken, dass gigantische Mengen Energien – umgerechnet in Massen entspricht dies 1074 kg pro Kubikzentimeter! – in den Raum gepumpt wurden.

Dieser Inflations-Übergang bewirkte zweierlei. Erstens entstand mit dem strukturellen Übergang des Vakuums das im letzten Jahr indirekt durch die Higgs-Teilchen nachgewiesene Higgs-Feld. Dieses Feld verlieh durch den gigantischen Energiegewinn allen damals existierenden Teilchen ihre Massen. Außerdem führte dieser Strukturwandel zu der gigantischen Expansion des Universums. Wie man schnell nachrechnen kann, haben sich die Teilchen dabei mit weit über Lichtgeschwindigkeit voneinander entfernt. Wie kann das sein, wo doch Einsteins Relativitätstheorie Überlichtgeschwindigkeiten verbietet? Die Antwort: Nicht die Teilchen bewegten sich im Raum auseinander, sondern die im Raum ruhenden Teilchen expandierenden mit ihm. Die Eigengeschwindigkeit der Teilchen im Raum war also Null. Stellen Sie sich das so vor: Sie malen auf eine ebenen Gummi-Membran viele kleine Punkte. Jeder Punkt ist ein Teilchen im damaligen Universum vor der Inflation. Wenn Sie jetzt die Membran von unten mit einer Flamme erwärmen, dehnt sich die Membran (Raum) aus (Inflation) und mit ihr entfernen sich die Punkte voneinander, ohne dass sie sich im Raum bewegen. Gegen dieses überlichtgeschwindigkeits-schnelle Auseinandertreiben hat Einstein nichts einzuwenden.

Das Universum hatte nach der Inflationsphase praktisch die heutigen Abmessungen. Seitdem dehnt es sich nur wieder relativ langsam aus – nur der Raum selbst, nicht die Sterne und Galaxien im Raum – wobei es bis heute seine derzeit bekannte Gestalt angenommen hat.

1 Nachzulesen: http://bit.ly/2c3YlUX

ECHO DES URKNALLS ENTDECKT?SENSATIONSFUND ODER VIEL LÄRM UM NICHTS?

Anfang März 2014 hieß es überall in den Medien:

Wissenschaftler hätten den Urknall durch Gravitationswellen

nachgewiesen? Was haben sie wirklich gefunden?

N 24 war einer der ersten Nachrichtendienste, die es an die Öffentlichkeit brachten: Echo des Urknalls offenbar entdeckt – Geheimnisvolles Zeichen vom Beginn unserer Zeit2. Dahinter steckt diese Pressemitteilung3 der Harvard Universität, und dahinter wiederum diese Fachveröffentlichung4 einer Gruppe von Physikern. Was ist nun das Neue an der Entdeckung?

DIE KOSMISCHE HINTERGRUNDSTRAHLUNG

Die Wissenschaftler untersuchen seit etwa 15 Jahren mit immer größerer Genauigkeit die sogenannte kosmische Hintergrundstrahlung des Universums. Sie leuchtet unser ganzes Universum aus, ist also allgegenwärtig. Sie ist aber recht schwach, und wir können sie nicht sehen, weil die Wellenlänge der Strahlung für unser Auge viel zu groß ist. Es gibt aber Teleskope, die die Strahlung sehen können und, wie etwa das Planck-Weltraumteleskop, die die Wellenlänge der Strahlung in alle Raumrichtungen genau ausmisst. Wenn man die leicht unterschiedlichen Wellenlängen der Hintergrundstrahlung aus allen Richtungen des Himmels farblich aufträgt und wie die Erdoberfläche im Atlas verzerrt zweidimensional darstellt, dann kommt das heraus:

Die Planck-Daten der Temperaturverteilung der kosmischen Hintergrundstrahlung in der Himmelssphäre, dargestellt in der sogenannten Mollweide-Projektion. (Bild: ESA)

Dieses blau-orangene Rauschen, das zugegebenermaßen im Schwarzweiß-Druck nicht so gut rüberkommt, hat eine kaum sichtbare Struktur, aus der Kosmologen viele Informationen über unser Universum ablesen können. Daraus hat man zum Beispiel erkannt, dass unser Universum nicht wie eine zweidimensionale Erdoberfläche in sich global gekrümmt und somit geschlossen ist, sondern es ist im Bereich der messbaren Genauigkeit absolut flach.

Ein flaches Universum muss aber, genauso wie eine absolut flache Ebene, unendlich ausgedehnt sein. Ergo ist unser Universum, innerhalb unserer Beobachtungsgenauigkeit, unendlich groß. Aus dem Rauschen kann man aber auch ablesen, dass unser Universum 13,80 Milliarden Jahre alt ist. Es ist also nicht unendlich alt! Das ist ein wichtiger Hinweis auf die Richtigkeit der Urknall-Hypothese.

POLARISIERTE HINTERGRUNDSTRAHLUNG

Es gibt mit der neuen Entdeckung aber einen weiteren Hinweis auf den Urknall. Wenn man sich in einer bestimmten Raumrichtung die Wellen zum zugehörigen Farbpunkt anschaut, dann sind diese Wellen einmal mehr, einmal weniger polarisiert. Polarisierte Wellen schwingen in einer bestimmten Richtung, quer zur Beobachtungsrichtung. Wenn man diese Schwingungsrichtung mit in die Rausch-Farbpunkte einzeichnet, und das haben die Wissenschaftler mit ihren Daten vom BICEP2-Teleskop gemacht, dann bekommt man so ein Bild, das ich direkt aus deren Fachveröffentlichung entnommen habe:

Ein Ausschnitt der Planckdaten (Farbdaten), versetzt mit der Polarisierungsrichtung der Strahlung (schwarze Striche) aus den BICEP2-Messungen. (Bild: BICEP2 Collaboration)5

WAS HAT DAS MIT DEM URKNALL ZU TUN?

Jetzt kommt der Clou: Es lässt sich zeigen, dass diese Struktur ein sogenannter gradientenfreier B-Mode ist, dessen Ursprung eine starke Gravitationswelle ist, die bei der Entstehung der Hintergrundstrahlung vor etwa 400.000 Jahren nach dem Urknall existierte. Gravitationswellen sind die Schwingungen der Raum-Zeit unseres Universums. Genauso wie man auf einer Wasseroberfläche durch Antippen Wasserwellen auslösen kann, können starke Massenverschiebungen in unserem Universum Gravitationswellen auslösen. Die LISA-Weltraumantenne soll genau solche Gravitationswellen nachweisen. Weil es aber 400.000 Jahre nach dem Urknall noch keinen Massenklumpen wie Sonnen, Planeten, Schwarze Löcher oder was auch immer gab, können die Gravitationswellen nur durch die Entstehung aller Massen beim Urknall entstanden sein.

Die Argumentation der Wissenschaftler geht also so: Der Urknall hat extrem starke Gravitationswellen erzeugt, die haben noch 400.000 Jahre später der Hintergrundstrahlung eine B-Mode-Polarisation aufgeprägt, und diesen Abdruck kann man heute noch beobachten. Und das nennen sie das Echo des Urknalls. Dies wäre in der Tat ein schönes, wenn auch nur indirektes, Indiz für die Existenz des Urknalls.

Nachtrag

Ein kanadisches Forschungsteam hat im September 2014 herausgefunden, dass die gemessene Polarisation auch durch eine schleifenförmige Staubstruktur, die die Hintergrundstrahlung durchlaufen muss, erklärt werden kann. Damit ist zwar die Urknall-Echo-These nicht widerlegt, jedoch wäre das die einfachere Erklärung. Und gemäß Ockhams Rasiermesser6 ist diese also wahrscheinlich die richtige.

2 N24: Geheimnisvolles Zeichen vom Beginn unserer Zeit: http://bit.ly/2cgfK03

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