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Die Kastagnetten klingen rhythmisch durch die Nacht, immer sinnlicher wird der Flamenco: Zwischen Sadie und dem stolzen Duque de Alegon lodert heiße Leidenschaft! Eigentlich ist Sadie nur seiner Einladung auf die einsam gelegene Burg gefolgt, um ihn bei geplanten Modernisierungen zu beraten. Stattdessen erliegt sie dem erotischen Zauber des adligen Spaniers. Denn hier ist Don Alejandro nicht der beherrschte Unternehmer wie in Madrid, sondern ein temperamentvoller Gitano, der sie zur Liebe verführt. Doch die sündige Nacht hat süße Konsequenzen …
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Seitenzahl: 204
IMPRESSUM
JULIA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© 2019 by Susan Stephens Originaltitel: „A Scandalous Midnight in Madrid“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MODERN ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIABand 2412 - 2019 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg Übersetzung: Anja Görgens
Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 11/2019 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733712556
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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Wie schwarzer Samt breitete sich der Nachthimmel über der Altstadt von Madrid aus, als der athletisch gebaute Don Alejandro, Duque de Alegon, seinem Auto entstieg, das er nachlässig vor dem angesagtesten Club der Stadt abgestellt hatte. Die Kirchturmuhren schlugen gerade Mitternacht. Ein Clubangestellter kam herbeigeeilt, um den PS-starken Sportwagen zu parken. Das Nachtleben in der spanischen Hauptstadt war aufregend und wild … und es begann spät.
Alejandro drückte dem Angestellten ein großzügiges Trinkgeld in die Hand und wandte seine Aufmerksamkeit dann der Flamme zu, die auf der gegenüberliegenden Straßenseite durch ein Fenster hindurch zu sehen war. Dort flambierte in der Küche des El Gato Feroz an der Seite des weltberühmten Meisterkochs und Restaurantbesitzers Sorollo eine junge Frau ein Gericht. Unter ihrer schmucklosen Kochkleidung verbarg sich ein höchst sinnlicher Körper, der Zug um ihren Mund wirkte entschlossen, und die Stirn hatte sie vor lauter Konzentration in Falten gelegt.
Als würde sie spüren, dass jemand sie beobachtete, sah sie plötzlich auf. Auch wenn Alejandro auf die Entfernung nicht alles sehen konnte, bemerkte er doch, dass sie einen wachen und intelligenten Blick hatte. Auf ihrer kurzen, geraden Nase glaubte er Sommersprossen ausmachen zu können, und aus ihrer Kochmütze hatten sich ein paar leuchtend rote Locken befreit. Alejandro fragte sich, ob ihr feuerrotes Haar auf ein feuriges Temperament schließen ließ, und sofort wanderten seine Gedanken hin zu seinem Bett. Dafür, dass das Essen, das sie zubereitete, erstklassig sein würde, konnte er sich verbürgen, denn er hatte schon oft im El Gato Feroz gegessen. Deshalb hatte er auch beschlossen, das morgige Verlobungsfest seiner Schwester in diesem Restaurant stattfinden zu lassen, und stand jetzt hier vor dem Club, in dem seine Schwester mit ihren Freundinnen eine letzte Nacht in Freiheit feiern wollte, wie Annalisa ihm erklärt hatte.
„Alejandro!“, rief sie jetzt nach ihm.
Er hob eine Hand, um sie zum Schweigen zu bringen, und die junge Frau durch das Fenster weiter beobachten zu können. Was hatte die Köchin nur an sich, dass sie ihn so sehr bannte, wenn doch in den Tiefen des Clubs Magia die schönsten Frauen der Stadt auf ihn warteten? Etwas an ihrer selbstbewussten, fokussierten Art erinnerte ihn an seine eigene Lebenseinstellung. Hier in Madrid war er Don Alejandro de Alegon, ein spanischer Grande von makelloser Herkunft und mit der Verantwortung für ein internationales Unternehmen, zahllose Ländereien und eine eigensinnige Schwester. Außerhalb der Stadt aber war er ein anderer Mensch. Die selbstbewusste Gelassenheit der Köchin ließ ihn vermuten, dass sie sich genauso gut anpassen konnte wie er selbst, und neugierig geworden fragte er sich, ob die ernsthafte junge Frau noch eine andere Seite hatte.
„Alejandro!“, wiederholte Annalisa ungeduldig. „Meine Freundinnen warten auf dich!“
Noch ein Grund, sich nicht zu beeilen. „Ich komme gleich nach“, versprach er und überquerte die Straße.
Annalisas Freundinnen hatten von ihm nichts zu befürchten. Er bevorzugte ältere Frauen, die wussten, worum es ging, und die genau wie er keine Beziehung oder Komplikationen wollten. Seine Verpflichtungen ließen ihm nur wenig Zeit für Privates. Die einzige Freiheit, die er sich nahm, war, in seine Zuflucht in den Bergen zu fahren, wo sowohl er als auch Annalisa die Zwänge der Stadt hinter sich lassen und zu den tiefen Wurzeln ihres Gitano- und Flamenco-Erbes zurückkehren konnten. In den Bergen war er nicht der spanische Grande, der allein wegen seines Titels umschmeichelt wurde, sondern einer unter Seinesgleichen; dort spielten sein Reichtum und seine gesellschaftliche Stellung keine Rolle. Nur in den Bergen gelang es ihm, echten Frieden zu finden.
„Alejandro!“, rief seine Schwester ihm nach. „Du musst uns in den Club begleiten!“
„Ich wette, das schafft ihr ohne mich!“, gab er zurück. Seine Bodyguards würden gut auf die jungen Frauen achtgeben, und er hatte genug Essen und Getränke vorbestellt, damit sie einen gelungenen Abend verbringen konnten.
Er betete seine Schwester an, gab aber auch ohne Umschweife zu, dass er sie hoffnungslos verwöhnt hatte. Sie war noch sehr jung gewesen, als ihre Eltern ums Leben kamen, und er hatte die volle Verantwortung für sie übernommen. Sie hatten beide eine glückliche Kindheit genossen, und so war es kein Wunder gewesen, dass es Annalisa aus der Bahn geworfen hatte, als ihre Eltern ihnen völlig unerwartet durch einen tragischen Unfall genommen worden waren. Ohne ihre Mutter, der sie sich anvertrauen konnte, war sie fast verloren gewesen. Alejandro hatte alles für sie getan, was in seinen Kräften stand, und vielleicht hatte er es damit ein bisschen zu gut gemeint, als er ihr ein Gefühl von Sicherheit geben wollte. Annalisa konnte überaus temperamentvoll sein, machte das aber mit ihrem sonnigen Gemüt und ihrer Fähigkeit, Frohsinn zu verbreiten, mehr als wieder wett. Wenn auch nicht gerade bei mir, räumte Alejandro leicht amüsiert ein, als Annalisa ihm jetzt über die Straße folgte.
„Was hast du vor, Alejandro? Du hast versprochen, nett zu meinen Freundinnen zu sein!“
„Das werde ich auch“, beruhigte er sie. „Ich werde mein Versprechen halten, aber mir ist gerade etwas dazwischengekommen.“
„Etwas?“ Seine Schwester, die ihn besser kannte als jeder andere, kniff die Augen zusammen. „Oder eher jemand?“, fragte sie sarkastisch. „Lass dich nur nicht zu lange von ihr aufhalten. Wir brauchen dich, Alejandro.“
„Ich werde mich beeilen“, gab er kühl zurück, während Annalisas Freundinnen das Minidrama, das sich vor ihren Augen abspielte, gespannt beobachteten. „Und ihr tanzt doch sowieso gleich auf den Tischen. Aber Vorsicht, in spätestens zehn Minuten bin ich bei euch. Und denke bitte daran, dass du dich morgen mit einem Prinzen verlobst. Und ich glaube kaum, dass er ebenso nachsichtig ist wie ich, wenn er morgen anzügliche Fotos von dir in der Klatschpresse sieht.“
„Immer musst du ein Spielverderber sein“, erwiderte Annalisa mit der gewohnten Mischung aus Aufsässigkeit und Liebe im Blick, bevor sie sich umdrehte und sich zu ihren Freundinnen gesellte.
Wenn sie mit Spielverderber meint, dass ich meine Schwester liebe und mich um sie sorge, dann hat sie sicher recht, dachte Alejandro, als er die Tür des El Gato Feroz öffnete und der Oberkellner ihn enthusiastisch begrüßte. Alejandro erklärte ihm, warum er hier war, und der Mann eilte davon. Während er wartete, kreisten seine Gedanken um die Zukunftspläne seiner Schwester, und seine Stimmung verdüsterte sich. Als sie fast ihren Tiefpunkt erreicht hatten, betrat eine Frau mit ihrem älteren, wohlhabenden Mann das Restaurant. Alejandro erkannte sie; vor vielen Jahren hatten sie eine kurze Affäre miteinander gehabt. „Alejandro“, säuselte sie und legte eine schwer beringte Hand auf seinen Arm. „Wann treffen wir uns mal wieder?“
„Nie mehr“, antwortete er leise, während eine junge, hübsche Kellnerin den Ehemann ansprach. „Du bist jetzt verheiratet.“
„Na und?“
Die Frau errötete beschämt, als ihr Mann sich zu ihnen gesellte, um sich vorzustellen. „Eure Exzellenz“, sagte er und neigte respektvoll den Kopf. „Es ist mir eine Ehre …“
„Die Ehre ist ganz meinerseits“, versicherte Alejandro ihm.
Die Gerüchte über meine Fähigkeiten im Bett haben mir nicht unbedingt einen guten Dienst erwiesen, dachte er, während der Mann seine Frau an einen Tisch führte, und sie sich nach Alejandro umsah und ihm einen sehnsüchtigen Blick zuwarf.
Als der Oberkellner zurückkehrte, verriet dessen gesenkter Blick ihm, dass die junge Köchin genauso gewissenhaft war, wie er vermutet hatte. Er hatte Mitleid mit dem Kellner, der sich in Grund und Boden zu schämen schien. Entschuldigend warf er die Arme hoch, bevor er erklärte: „Es tut mir so leid, Don Alejandro, aber Sadie ist mitten im Abendgeschäft und bittet mich, Ihnen auszurichten, dass sie ihren Platz jetzt nicht verlassen kann.“
„Dafür können Sie doch nichts“, beruhigte Alejandro den Mann.
Sadie hieß sie also. Stumm probierte er den Namen aus. Gut gemacht, Sadie, dachte er, als er das Restaurant verließ. Dieses Scharmützel mochte er verloren haben, aber die Schlacht war noch nicht vorbei. Er ging über die Straße, dabei umspielte ein Lächeln seinen Mund. Endlich hatte er eine Frau entdeckt, die sich seinem Willen nicht einfach beugte.
Warum hatte Don Alejandro, Duque de Alegon, sie sprechen wollen? Durch das Fenster sah Sadie der athletischen Gestalt hinterher, einem der berühmtesten und wohl auch berüchtigtsten Männer Spaniens. Denn berüchtigt war der Don, gab es doch Gerede darüber, dass seine geschäftlichen Fähigkeiten nur von seinen Talenten im Bett übertroffen wurden. Ein erregender Schauer durchrieselte sie, als sie an die urwüchsige sexuelle Energie dachte, die dieser mächtige Mann in sich trug. Das unterschied sie beide deutlich voneinander, denn sie selber verfügte kaum über erotische Erfahrung – dafür hatte sie gar keine Zeit. Und da sie ihre gesamte Kindheit damit verbracht hatte, zuzusehen, wie ihr Vater ihre Mutter erniedrigte, hatte sie auch keine Eile, an dieser Tatsache etwas zu ändern. Ihr Vater wäre Grund genug gewesen, sich ihr Leben lang von Männern fernzuhalten, doch es gab auch solche wie ihren Chef. Maestro Sorollo war ein außergewöhnlicher Mensch und hielt zuverlässig seine schützende Hand über sie.
Bald schon wanderten ihre Gedanken zurück zu Don Alegon. Noch nie hatte jemand sie während der Arbeit sprechen wollen, außer vielleicht, um nach einem besonderen Gericht zu fragen. Vielleicht hatte er sie um einen letzten Rat zur Speisekarte für die morgige Verlobungsfeier seiner Schwester bitten wollen. Heiße Scham überkam sie, denn wenn er deshalb nach ihr gefragt hatte, wäre es ihre Pflicht gewesen, mit ihm zu sprechen. Aber wenn es wirklich darum gegangen war, warum hatte er nicht direkt nach Maestro Sorollo gefragt?
Durch das Fenster hindurch sah sie Don Alegon im Club Magia verschwinden, in dem sich bevorzugt die Mitglieder der High Society versammelten, um einander zu begutachten. Der exquisite Anzug, den er trug, schmiegte sich eng an einen überwältigend maskulinen Körper.
Als Sadie sich wieder ihrer Arbeit zuwandte, schlug ihr das Herz bis zum Hals. Warum nur hatte sie überhaupt den Kopf gehoben, um zu sehen, wie ein Mann mit der Reputation, wie sie der Herzog hatte, sie beobachtete? Wahrscheinlich war es ein archaischer Instinkt gewesen, dachte sie. Jäger und Gejagte. Noch nie hatte sie das Gefühl gehabt, jemand könnte sie als Beute betrachten, und das machte ihre kurze Begegnung mit dem Feuer umso aufregender. Er hatte etwas eindeutig Animalisches an sich, das ihren Mund trocken werden ließ und sie dazu brachte, sich körperlich nach Dingen zu sehnen, mit denen sie keinerlei Erfahrung hatte. Sie war allerdings zu klug, als dass sie einen Mann wie Don Alegon ermuntert hätte, denn während er sich in den höchsten Kreisen bewegte, bestand ihre Welt aus dieser Restaurantküche.
Nichts macht Sadie mehr Spaß, als für andere Menschen zu kochen. Vielleicht lag es daran, dass sie in den Augen ihrer geltungssüchtigen Eltern nichts als ein lästiges Übel war und sie deshalb schon früh die Nähe und Freundschaft zu deren Hausbediensteten gesucht hatte. Bald schon hatte sie herausgefunden, welche Freude es bereitete, Menschen mit einem guten Essen glücklich zu machen. Als ihr Vater an seinen Alkoholexzessen gestorben war und ihre Mutter sie endgültig zurückwies, hatte Sadie genau gewusst, womit sie ihren Lebensunterhalt verdienen würde.
Am nächsten Tag steckten Sadie und das übrige Team mitten in den Vorbereitungen für Annalisas Verlobungsfeier, als Maestro Sorollo ans Telefon gerufen wurde.
„Was für eine Katastrophe!“, rief er, als er in die Küche zurückkehrte.
Alle um ihn herum verstummten, und Sadie war sicher, dass sie alle dasselbe dachten: Nicht ausgerechnet heute!
Selbst die ausgeglichensten Köche konnten einmal die Fassung verlieren, und zu ihnen zählte Maestro Sorollo sowieso nicht, doch dieser Ausbruch war selbst für ihn ungewöhnlich. Er wirkte ernsthaft erschüttert. Als Sadie vorsichtig nachhakte, erzählte er, dass eine nahestehende Verwandte schwer erkrankt sei. Nichts war Maestro Sorollo wichtiger als seine Küche, außer seine engste und seine erweiterte Familie, zu der auch seine Mitarbeiter zählten, und so wusste Sadie, was sie zu tun hatte.
„Mach dir keine Sorgen. Fahr hin! Hier kann ich übernehmen.“
„Ich wusste, dass ich mich auf dich verlassen kann“, sagte ihr Freund und Mentor erleichtert, bevor er ein Taxi rief.
Es war das Mindeste, was Sadie für ihn tun konnte. Seit dem Tag, an dem sie auf der Suche nach einem Job nach Madrid gekommen war, war der große Meisterkoch wie ein Vater für sie gewesen. Nachdem sie ihr Elternhaus verlassen hatte, war sie als Köchin an Bord einer Luxusjacht hierhergekommen. Schnell hatte sie herausgefunden, dass das Leben auf einem Schiff nichts für sie war, auch wenn der Küchenchef an Bord von ihren Kochkünsten so begeistert gewesen war, dass er ihr die besten Referenzen mit auf den Weg gegeben hatte. Nachdem die Jacht in Barcelona angelegt hatte, war sie nach Madrid weitergereist, beflügelt von dem Traum, in der Gastronomie arbeiten zu können, am liebsten natürlich in dem weltberühmten El Gato Feroz. Sadie hatte in der Schule etwas über das angesehene Restaurant gelesen und konnte sich kaum ausmalen, wie erfüllend es sein musste, Seite an Seite mit dem berühmten Sternekoch zu arbeiten. Als sie als dessen Spülkraft anfing, kam ihr das wie ein Traum vor.
„Fange ganz am Anfang an und arbeite dich nach oben“, hatte Maestro Sorollo ihr geraten. Sie hatte es ihm mit unbeugsamer Loyalität und zahllosen Stunden hingebungsvoller Arbeit gedankt.
„Du hast es weit gebracht“, merkte Maestro Sorollo an, während er nach seiner Jacke griff und ihr das Kommando über die Küche überließ. „Kannst du dich noch an deinen ersten Tag hier erinnern?“, fragte er, während er durchs Fenster Ausschau nach seinem Taxi hielt.
Als könnte sie den jemals vergessen! Sie dachte daran, wie sie voller Entschlossenheit einem Mitarbeiter von Maestro Sorollo durch den Hintereingang gefolgt war. Das Beste an jenem ersten Tag war die Begegnung mit dem Restaurantbesitzer gewesen. Sadie hatte es kaum glauben können, als er das Bewerbungsgespräch mit ihr persönlich durchführte. Dass der große Meisterkoch ein solches Interesse an jemandem bekundete, der im besten Falle eine niedere Position in der Küche bekleiden würde, hatte sie enorm beeindruckt, und sie hatte es ihm nie vergessen. Maestro Sorollo hatte versprochen, das Geschirrspülen wäre nur der Anfang. Wenn sie bereit sei, jeden Abend lange zu arbeiten, würde er ihr beibringen, wie man Gemüse richtig schnitt. Wenn sie das gelernt hatte, würde sie es vielleicht noch weit bringen.
„Dieser erste Tag hier war der beste meines Lebens“, sagte sie jetzt.
„Ich wusste, dass eine Situation wie diese irgendwann eintreten würde“, antwortete er mit einer Zuneigung, die seine besorgten Züge aufhellte. „Ich habe immer gewusst, dass ich mich auf dich verlassen kann, Sadie. Aber mach dich wegen heute Abend nicht fertig – dafür gibt es keinen Grund. Du hast ausreichend Unterstützung, und Don Alegon ist ein guter Mann. Ich kenne ihn schon seit vielen Jahren. Er wird Verständnis für die Planänderung haben.“
Sadie war da weniger optimistisch, hielt aber den Mund, um ihren Freund nicht noch länger aufzuhalten.
„Okay, liebes Team“, verkündete sie, als das Taxi draußen vorfuhr. „Gehen wir an die Arbeit und sorgen wir dafür, dass Maestro Sorollo stolz auf uns ist!“
„Wie bitte?“ Alejandro war aufgebracht. Er war frühzeitig im Restaurant aufgetaucht, um sicherzustellen, dass alles für Annalisas Fest vorbereitet war, und musste erfahren, dass Maestro Sorollo an diesem ganz besonderen Abend nicht in der Küche sein würde!
Er, der niemals die Geduld verlor, stand kurz davor, denn diese Feier wurde nicht für ihn ausgerichtet, sondern für seine Schwester. „Wie kann der Maestro an so einem Abend nicht persönlich anwesend sein?“ Das Silberbesteck und die Kristallgläser schienen unter seinem Furor zu erzittern. Der unglückselige Oberkellner wusste nicht, was er sagen sollte. Anders als die Frau, die in diesem Moment aus der Küche kam. Die Frau, die sich gestern Abend geweigert hatte, mit ihm zu sprechen. Aus der Nähe war sie noch schöner, und das nicht nur im herkömmlichen Sinne. Ihr offener Blick und die Entschlossenheit, die sie ausstrahlte, zogen ihn magisch an.
„Don Alegon“, begrüßte sie ihn herzlich. „Willkommen im El Gato Feroz. Es ist sehr schön, Sie zu sehen …“
„Auf einmal?“, fragte er bissig.
Sie schenkte seiner Gereiztheit keine Beachtung und lächelte ihn an. „Es ist gut, dass Sie so früh hier sind, um sich zu überzeugen, dass alles vorbereitet ist. Ich würde es genauso machen.“
„Würden Sie das?“, gab er zurück.
„Entschuldigen Sie bitte, dass ich mich noch nicht vorgestellt habe“, sagte sie, ohne sich im Mindesten um seine unwirsche Art zu scheren. „Sadie Montgomery, Chefköchin, und heute Abend zu Ihren Diensten. Nennen Sie mich bitte Sadie.“
„Alejandro Alegon …“
Sie ignorierte seine Aufforderung, Nähe herzustellen, indem sie ihn mit Vornamen anredete, und hielt ihm die Hand hin. Distanziert sagte sie: „Es ist mir eine Freude, Sie persönlich kennenzulernen, Don Alegon.“
Er dachte an die Abfuhr, die sie ihm gestern erteilt hatte, und schenkte ihr einen kühlen Blick, den sie mit einem liebenswürdigen Lächeln erwiderte. Er schüttelte ihr kurz die Hand, doch das reichte, um einiges über die junge Köchin in Erfahrung zu bringen. Ihre Hand war kühl und trocken, ihr Handschlag fest. Es war der Griff einer Frau, die alles unter Kontrolle hatte. Hatte er sich gestern geirrt, als er unter ihrem konzentrierten Äußeren ein heißes Feuer vermutet hatte? Zum ersten Mal begann er, an seinem intuitiven Urteilsvermögen zu zweifeln. Er konnte sich nicht vorstellen, dass diese Frau sich jemals gehen ließ.
„Lassen Sie mich Ihnen versichern, dass die Speisekarte trotz Maestro Sorollos Abwesenheit dieselbe ist, und dass das Essen so exzellent wie immer im El Gato Feroz sein wird.“
„Mit Ihnen als Küchenchefin?“ Er hatte keine Ahnung, wie er mit ihrem offensiven Charme umgehen sollte, und beschloss, sie zu provozieren.
„Ja“, antwortete sie fest und hielt seinem Blick unbeirrt stand.
Jetzt sah er, dass ihre Augen beinahe violett waren, und sie wusste sie gut einzusetzen, denn sie sah ihn direkt an, und in ihrem Blick entdeckte er nichts anderes als das Bedürfnis, ihn zufriedenzustellen, und die feste Entschlossenheit, ihn zu besänftigen, weil er nicht den Meisterkoch haben würde, für den er heute bezahlt hatte.
„Ich hoffe, Sie sind zufrieden mit dem, was wir vorbereitet haben“, sagte sie, während sie ihn weiter ins Restaurant führte. „Unser Team hat alles getan, damit für die Feier Ihrer Schwester alles perfekt ist.“
Alejandro sah sich um und stellte fest, dass das Restaurant besser aussah als jemals zuvor. Er hatte um exotische, leuchtende Blumen gebeten, um das lebendige Temperament seiner Schwester widerzuspiegeln, und die Floristen hatten wahre Wunder bewirkt.
„Wir werden gleich die Kerzen anzünden.“ Er blickte die junge Frau an seiner Seite an. „Dann werden Sie sehen, dass das Kristall und das Silber diesen Raum glänzen lassen wie Aladins Höhle“, fügte sie hinzu und ließ den Blick über den Raum schweifen, als würde sie alles schon genau vor sich sehen.
Dann hatte Sadie also auch eine weichere Seite. Interessant, dachte er, während sie im selben Moment aus ihrer Träumerei zu erwachen schien. Als sie ihn weiter herumführte, blieb sie durch und durch professionell, von ihrer gestärkten Kochmütze hin bis zu den unansehnlichen, wenn auch vernünftigen Schuhen. Als sie einander versehentlich streiften, weil sie gleichzeitig eine Tür öffnen wollten, reagierte er körperlich unerwartet heftig auf Sadie. Wahrscheinlich hatte er genug von Schwächlingen, mutmaßte er, während er den entschlossenen Zug um ihren Mund in sich aufnahm.
„Es gibt nichts, worüber Sie sich Sorgen machen müssten, Don Alegon. Hier im El Gato Feroz sind wir sehr gründlich, was Planung und Vorbereitung angeht, und unser Team hat an alles gedacht.“
Ihm fiel auf, dass sie das Team in den Vordergrund stellte und nicht sich selbst. „Ich mache mir keine Sorgen“, sagte er und fügte mit einer lässigen Geste hinzu: „Ich erwarte nur das Allerbeste, und ich bin mir sicher, von Ihnen und Ihrem Team genau das zu bekommen.“ Merkwürdigerweise hatte er tatsächlich keinerlei Zweifel an Sadies Kompetenz.
„Vielen Dank für Ihr Vertrauen“, erwiderte sie zufrieden. „Möchten Sie einen Cocktail, während Sie auf die Gäste warten?“
Sie zeigte zu der berühmten verspiegelten Bar, vor der mit blauem Samt bespannte gepolsterte Hocker aufgereiht waren. „Nein, danke“, sagte er und bemerkte selber, wie kühl er klang. Das lag an der Wirkung, die die Stadt stets auf ihn hatte. Hier war er immer angespannt, und wenn seine Schwester dann noch ins Spiel kam, war sein Perfektionismus grenzenlos.
„Kann ich Sie dann vielleicht zu einem Glas Champagner verführen?“
Es gibt einiges, wozu du mich verführen könntest, dachte er, als er ihr in die Augen sah, aber Champagner gehört nicht dazu. Er wollte heute einen klaren Kopf bewahren. Seine Zweifel an Annalisas Entscheidung für diese Verlobung ließen sich nicht vertreiben, und er hatte vor, ein wachsames Auge auf den Prinzen und dessen Freunde zu haben. Sie mochten zwar großartige Titel tragen, doch sorgfältige Recherchen seines Sicherheitsteams hatten ans Licht gebracht, dass sie nicht über die Mittel verfügten, ihren extravaganten Lebensstil zu finanzieren. Und wenn seine Schwester in der richtigen Stimmung war, würde sie alle Warnhinweise ignorieren.
„Champagner? Nein, danke“, ließ er Sadie wissen.
„Ein Bier vielleicht?“, fragte sie mit einem neckenden Funkeln in den Augen.
Sie scheute nicht davor zurück, ihn aufzuziehen und auf die Probe zu stellen, was sie noch anziehender machte. „Ein Bier wäre nett. Aber nur, wenn Sie mir Gesellschaft leisten.“
Das freundliche Lächeln wich nicht aus ihrem Gesicht, als sie ihm mitteilte: „Ich trinke nie während der Arbeit.“
Lange sahen sie sich in die Augen, bis Sadie sagte: „Ihre Schwester kommt gleich. Ich sage einem Kellner wegen des Bieres Bescheid.“
Bevor Alejandro etwas erwidern konnte, war sie verschwunden. Wieder einmal hat sie sich mir entzogen, dachte er zähneknirschend. Doch er kam nicht dazu, sich darüber zu ärgern, denn vor dem Restaurant fuhren die Limousinen vor, die er bestellt hatte, um Annalisa und ihre Freunde hierherzubringen. Den Rest des Abends würde er zu beschäftigt sein, um sich mit Sadie zu unterhalten, aber er würde die Herausforderung, die sie darstellte, annehmen.
Es würde eine lange Nacht werden, bevor sie in ihr Bett kriechen konnte, doch es gab kaum etwas, was Sadie für Maestro Sorollo nicht getan hätte, und sie genoss jeden Moment als Küchenchefin. Es war das erste Mal, dass sie ohne ihren Mentor auf die Probe gestellt wurde, und sie war fest entschlossen, ihn stolz auf sie zu machen.
Zum gefühlten hundertsten Mal an diesem Abend rief sie nach dem Service. Sie musste daran denken, wie der große Meisterkoch sie gefragt hatte, ob sie ein Dach über dem Kopf habe. Sorollo verfügte über eine untrügliche Intuition und verstand Sadie, ohne dass sie auch nur ein Wort wechseln mussten. „Ich hätte ein Zimmer für dich“, hatte er gesagt. „Es ist zwar nicht besonders groß, aber du hättest deine eigenen vier Wände.“
Seitdem wohnte Sadie dort. Der einfache Raum mit seinem Blick über die Dächer von Madrid war makellos sauber, komfortabel und, was am allerbesten war, ruhig. Es gab kein Gebrüll, kein Porzellan, das zerschmettert wurde, und keine Gewalt. Nur das gedämpfte, geschäftige Summen aus der weit darunter gelegenen Restaurantküche war dort zu hören. Für viele hätte es sich nach der ausschweifenden Opulenz ihres Elternhauses wie ein Abstieg angefühlt, doch Sadie hatte sich immer wie eine Fremde in dem riesigen, von permanentem Streit gefüllten Landhaus gefühlt.
„Die Gäste sind begeistert, Sadie“, rief einer der Kellner ihr zu, während er an ihr vorbeieilte. „Deine Feier ist ein Riesenerfolg!“
„Unsere Feier“, korrigierte sie ihn lächelnd.