Immer den gelben Pfeilen nach! - Gitta Groer - E-Book

Immer den gelben Pfeilen nach! E-Book

Gitta Groer

0,0

Beschreibung

Bei der Überlegung den Portugiesischen Jakobsweg zu gehen, ließ Gitta Groer sich anfangs durch negative Berichte verunsichern. Im Grunde war der Autorin jedoch klar, dass jeder den Weg anders erlebt und sie entschied sich ihre eigenen Erfahrungen auf der Pilgerwanderung von Porto nach Santiago de Compostela zu machen. In humorvoller und authentischer Art erzählt Gitta Groer von wundervollen, teilweise überraschenden Begegnungen, sehenswerten Orten und eindrucksvollen Landschaften. Obwohl die gelben Pfeile ab und zu vermeintlich in die Irre führten - am Ende war alles gut.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 168

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Für meine Familie und Freunde,

für alle, die bereits auf (Pilger)wegen unterwegs waren

oder noch sein werden,

für alle, die mit Geschichten über das Pilgern

unterhalten werden wollen,

und für mich!

Inhaltsverzeichnis

Ich werde oft gefragt, weshalb ich auf Jakobswegen wandere

Nun folgen ein paar Informationen für Nicht-Pilger (was nicht ist, kann ja noch werden!)

Donnerstag, 16.06.2016: Ankunft in Porto

Freitag, 17.06.2016: Besichtigungstag in Porto

Samstag, 18.06.2016: Porto – Praia de Angeiras (ca. 23 km)

Sonntag, 19.06.2016: Praia de Angeiras – São Pedro de Rates

Montag, 20.06.2016: Mit dem Bus nach São Pedro de Rates und zu Fuß nach Barcelos (ca. 16 km zu Fuß)

Dienstag, 21.06.2016: Barcelos – Vitorino dos Piães (ca. 22 km)

Mittwoch, 22.06.2016: Vitorino dos Piães – Ponte de Lima (ca. 15 km)

Donnerstag, 23.06.2016: Ponte de Lima – Rubiães (ca. 18 km)

Freitag, 24.06.2016: Rubiães – Tui (ca. 20 km)

Samstag, 25.06.2016: Tui – Mos (ca. 23 km)

Sonntag, 26.06.2016: Mos – Arcade (ca. 16 km)

Montag, 27.06.2016: Arcade – Pontevedra (ca. 13 km)

Dienstag, 28.06.2016: Pontevedra – Caldas de Reis (ca. 24 km)

Mittwoch, 29.06.2016: Caldas de Reis – Herbón (ca. 19 km)

Donnerstag, 30.06.2016: Herbón – Santiago de Compostela (ca. 27 km)

Freitag, 01.07.2016: Santiago de Compostela

Samstag, 02.07.2016: Muxia

Ich werde oft gefragt, weshalb ich auf Jakobswegen wandere.

Wie sagte die Tochter von Freunden als sie noch klein war und eine Frage nicht beantworten konnte?

»Weil!«

Ja - weil eben. Eine andere Antwort habe ich nicht.

Ich bin Jakobswegpilgerin! Zumindest das kann ich mit Sicherheit sagen. Und ich bin es mit großer Leidenschaft, seit ich im September 2011 zum ersten Mal auf einem Jakobsweg außerhalb Deutschlands unterwegs war. Auf dem Camino Francés, dem Französischen Weg, DEM Weg.

Es gibt viele Jakobswege. Der Camino del Norte, die Via de la Plata, die Via Podiensis durch Frankreich, der Caminho Português, der in Portugal beginnt, der Schwabenweg von Konstanz bis Einsiedeln in der Schweiz, die Via Baltica von Usedom bis Osnabrück und unzählige mehr. Sie ziehen sich wie ein Netz durch Europa und haben alle das Grab des Apostels Jakobus im spanischen Santiago de Compostela als Ziel.

Auf einigen der Wege war ich schon unterwegs.

In diesem Buch erzähle ich von meiner Wanderung auf dem Caminho Português, dem Portugiesischen Weg, die ich im Juni 2016 unternommen habe.

Inzwischen hat sich vermutlich einiges geändert. Vielleicht sind Herbergen dazu gekommen, andere geschlossen, möglicherweise wurde auch der Wegverlauf angepasst. Aber das ist für meine Geschichte gar nicht wichtig.

Nun folgen ein paar Informationen für Nicht-Pilger (was nicht ist, kann ja noch werden!).

Übrigens verzichte ich der besseren Lesbarkeit wegen auf das Gendern. Egal ob der/die Pilger/in, Pilger:in oder Ähnliches. Wir alle sind Menschen!

Die Beschreibungen beziehen sich auf die Jakobswege in Spanien und Portugal. In anderen Ländern können einige Dinge abweichen.

Mein Wissen verdanke ich meiner Erfahrung, einigen Reise- und Kulturführern, dem Internet, Broschüren, Niederschriften am Weg, sowie Tipps und Infos von Einheimischen und anderen Pilgern. Ich garantiere nicht für Vollständigkeit und absolute Richtigkeit der Inhalte.

Das Symbol für die Pilger und Hinweiszeichen auf dem Weg selbst ist die Jakobsmuschel. Eine weitere Markierung ist der gelbe Pfeil. Vor etwa vierzig Jahren begann der galicische Pfarrer Elias Valiña mit gelber Straßenmarkierungsfarbe am Weg Pfeile aufzumalen, die den Pilger sicher zum Apostelgrab leiten sollten. Inzwischen sind sie auf sehr vielen Jakobswegen zu finden und äußerst hilfreich.

Lohn für den Weg, außer unzähligen schönen Erfahrungen, ist die Pilgerurkunde. Die bekommt im Pilgerbüro in Santiago derjenige, der nachweislich mindestens die letzten 100 km zu Fuß oder mindestens die letzten 200 km mit dem Rad oder zu Pferd zurückgelegt hat. Wallfahrer, die aus religiösen Gründen pilgern, erhalten die Compostela. Wer andere Beweggründe hat den Weg zu gehen, bekommt ein Willkommensschreiben ausgehändigt.

Der Pilgerausweis oder Pilgerpass, ist das Ausweisdokument für den Pilger. Dieser berechtigt zum Übernachten in den Pilgerherbergen und ist der notwendige Nachweis für die Pilgerschaft. Mindestens einmal am Tag wird das Papier in einer Herberge, Kirche oder einem sonstigen Ort abgestempelt und gibt so den Hinweis auf die zurückgelegte Wegstrecke.

Traditionell übernachtet der Pilger in einer Pilgerherberge, genannt auch Refugium, Refugio oder Alberge. Diese Unterkunft bietet meist einen Platz zum Schlafen, Wasser zum Waschen und eine Gelegenheit die Wäsche zu waschen und zu trocknen. Geschlafen wird oft in Gemeinschaftsschlafräumen mit Stockbetten, möglich sind auch Einzelbetten oder Matratzenlager. Die Ausstattung der Herbergen ist sehr unterschiedlich und reicht von der absoluten Minimalausstattung bis zum fast luxuriösen Quartier. Unter luxuriös ist dabei das zu verstehen, was ein Pilger auf seiner Wanderung als Luxus empfindet. Das können auch banale Dinge wie frische Bettwäsche, Seife, Klopapier, nach Männlein und Weiblein getrennte Waschräume oder separate Schnarcherzimmer sein.

In der Regel ist etwa um 22 Uhr Bettruhe angesagt. Ab diesem Zeitpunkt ist das Licht gelöscht und die Türen der Herberge sind verschlossen. Meist wird man spätestens um 9 Uhr am nächsten Morgen hinausgekehrt und die Unterkunft wird für die nächsten Schlafgäste hergerichtet. Nur wer aus wichtigen Gründen, wie zum Beispiel Magenverstimmung, schlimme Blasen an den Füßen oder anderen Beschwerden nicht laufen kann, darf eine weitere Nacht bleiben.

Etliche Herbergen bieten eine mehr oder weniger gut ausgestattete Küche für die Selbstversorgung, in einigen Unterkünften wird der Pilger gegen ein Entgelt bekocht.

Die Übernachtung in der Herberge kostet um die 12 €, manchmal wird auch nur eine Spende in freiwilliger Höhe verlangt.

Selbstverständlich ist auch die Übernachtung in einem Hostal oder Hotel möglich, in Privatunterkünften, Klöstern oder sogar unter freiem Himmel.

Der Hospitalero bzw. die Hospitalera sind die Herbergseltern, die, zumindest in den staatlichen oder kirchlichen Unterkünften, ehrenamtlich tätig sind und sich um das Wohl der Pilger kümmern.

Zur Stärkung wird dem hungrigen Wanderer in vielen Lokalen ein preisgünstiges Pilgermenü angeboten. Entgegen der mediterranen Sitte die Hauptmahlzeit erst am späteren Abend einzunehmen, kommt man hier dem Pilger entgegen und versorgt ihn bereits ab mittags mit warmem Essen. Wer für etwa 10 € inklusive Wasser oder Wein keine Sterne-Kategorie erwartet, bekommt eine meist ordentliche Mahlzeit.

Beliebt ist das vielseitige Bocadillo, ein mehr oder weniger reich belegtes Brot, Brötchen oder Baguette, das sowohl von der Größe als auch der Qualität durchaus variiert.

Das Frühstück wird üblicherweise in einer Bar eingenommen, was etwa unserem Frühstückscafé oder einem Bistro entspricht. In einer Bar trinkt man einen Café solo - schwarzen Kaffee, Café con Leche - Milchkaffee, Cola, Limonada oder auch alkoholische Getränke.

Für die Spanier und Portugiesen ist die Bar oft Zentrum des gesellschaftlichen Lebens. Hier treffen sich Jung und Alt, Freunde und Nachbarn, Mann und Frau auf einen schnellen Kaffee, ein Bierchen, ein Glas Wein, um die Zeitung zu lesen oder zu einer ausführlichen Diskussion.

Der übliche Pilgergruß lautet in Portugal bom Caminho oder im Spanischen buen Camino, womit man sich eigentlich nur einen guten Weg wünscht. Auf diesen Gruß trifft man auf dem Jakobsweg (oder überall dort, wo Pilger sich treffen) unaufhörlich. So grüßen die Menschen, die einem unterwegs begegnen und so werden die Pilger verabschiedet. Und immer habe ich das Gefühl, der Gruß ist nicht nur eine Floskel, sondern ein ernstgemeinter Wunsch.

Nicht ganz so geläufig ist das Ultreia, was so viel wie „vorwärts“ oder „weiter“ bedeutet und Mut machend, motivierend zu verstehen ist. Besonders wenn man erschöpft des Weges geht, sich durch strömenden Regen oder brütende Sonne kämpft oder sich mutlos fragt weshalb man sich diese Strapazen eigentlich antut.

Donnerstag, 16.06.2016

Ankunft in Porto

„In welche Richtung soll ich gehen?“, fragte ich mein Herz. Und es antwortete: „Sei ganz leise und lausche. Öffne dich und lass dir Zeit. Du musst deinen Weg nicht finden. Dein Weg findet dich.“

Der Plan wieder einen Jakobsweg zu gehen war schnell gefasst. Mit der Wahl welcher es sein soll, habe ich es mir, wie die vergangenen Male auch, sehr schwer gemacht. In Etappen bin ich den gesamten Camino Francés gegangen, außerdem war ich auf Jakobswegen in Deutschland und der Schweiz unterwegs.

Caminho Português? Der soll eher eintönig entlang des Atlantiks oder wenig attraktiv auf Kräfte raubenden, asphaltierten Straßen oder über holpriges Kopfsteinpflaster verlaufen. Außerdem führt er durch dicht besiedeltes Gebiet und ich fürchte um die Naturerlebnisse, die für mich einen wichtigen Teil des Weges ausmachen. Nach langem Hin und Her entschließe ich mich endlich doch für den Portugiesischen Weg, buche einen Flug nach Porto und dort für zwei Nächte ein einfaches Hotelzimmer. Ich möchte mir zuerst die Stadt ansehen und dann in Ruhe loslaufen. Etwa 250 km nach Santiago de Compostela, was in zwei Wochen gut zu schaffen sein sollte.

Am späten Nachmittag lande ich auf dem Flughafen von Porto, nehme die Metro in die Stadt und laufe vom Bahnhof in meine Unterkunft in der Altstadt. Die Temperatur beträgt angenehme 20 Grad Celsius, am blauen Himmel verziehen sich dicke Wolken, auf den Straßen sind vereinzelt Pfützen zu sehen. Später erfahre ich, dass es in den letzten Tagen heftig geregnet hat und heute der erste schöne Sonnentag ist.

Die zentral gelegene Pension Franca ist ziemlich altertümlich aber irgendwie charmant, mein Zimmer klein aber gemütlich und sauber. Die Gemeinschaftsdusche befindet sich auf dem Flur, Toilette und Waschbecken sind durch eine Falttür von meinem Zimmer abgetrennt. Wenn ich auf dem WC sitze, kann ich den langen, schmalen Raum entlang, an meinem Bett vorbei zum Fenster hinausschauen. Selbstverständlich nur, wenn ich die Tür offen lasse. Das allerdings empfiehlt sich, damit auch meine Füße in dem Mini-Klo Platz finden. Nachdem ich mich etwas frisch gemacht habe, starte ich zu einem ersten Orientierungsgang durch Porto und bin auf Anhieb begeistert. Welch eine schöne Stadt!

Ich bummle durch die Gassen der Altstadt und bestaune die mit Azulejos verzierten Häuser. Azulejos sind für diese Gegend typische Bilder aus meist quadratischen, überwiegend blau bemalten, wetterfesten Keramikfliesen. Sogar die Kirche, die ich von meinem Fenster aus sehen kann, ist komplett mit diesen Fliesen verkleidet.

Ich habe Hunger, finde schnell ein ansprechendes Restaurant und bestelle mir auf Empfehlung des sehr bemühten Kellners einen Bacalhau-Kartoffel-Auflauf, der köstlich schmeckt. Bacalhau oder Stockfisch, ist getrockneter, gesalzener Kabeljau und hier überall zu finden. Auf Märkten, in Lebensmittelgeschäften und in den Lokalen, wo er auf verschiedenste Art zubereitet wird.

Der anstrengende Anreisetag und zwei Gläser des spritzigen Weißweins sorgen dafür, dass ich mich bald in meine Unterkunft zurückziehe und rechtschaffen müde ins Bett falle.

Der Blick aus dem Fenster meiner Pension

Unterwegs im bunten Porto

Freitag, 17.06.2016

Besichtigungstag in Porto

Die beste Bildung findet ein gescheiter Mensch auf Reisen. (Johann Wolfgang von Goethe)

Leider habe ich miserabel geschlafen und fühle mich völlig gerädert. Der Arbeitsalltag, den ich noch nicht so ganz hinter mir lassen konnte, die zahlreichen Eindrücke des gestrigen Tages und die ungewohnten Geräusche der lebendigen Stadt haben mich nicht zur Ruhe kommen lassen.

Gegen 9:00 Uhr trete ich hinaus in den sonnigen Morgen. Heute sind am Himmel nur noch vereinzelte Wattewolken zu sehen und die Luft ist angenehm warm. Ich spaziere schnurstracks zu der Bäckerei mit Café, die ich gestern Abend entdeckt habe und freue mich auf ein Frühstück. Erst jetzt fällt mir ein, dass ich so gar keine Ahnung über die portugiesischen Frühstücksgepflogenheiten habe. Mit der Frage nach meinem auf dem Jakobsweg in Spanien üblichen Lieblingsfrühstück Café con Leche und Tostadas werde ich hier vermutlich kein Glück haben. Was heißt Milchkaffee auf Portugiesisch? Gibt es hier ebenfalls getoastetes Weißbrot mit Butter und Marmelade? Ich werfe einen verstohlenen Blick auf die Teller der Gäste, komme aber nicht viel weiter. Obwohl der Laden voll ist, bemerkt die freundliche Verkäuferin meine Ratlosigkeit und hilft mir auf die Sprünge. Mit Worten und Gesten empfiehlt sie mir einen Café con Leche und ein warmes Brötchen mit Butter. Ich nicke zustimmend und registriere, dass Milchkaffee auch in Portugal Café con Leche heißt. Schon mal gut zu wissen. Mit einem ausgesprochen leckeren Brötchen und einem sehr guten Kaffee zu unglaublichen 1,15 € verziehe ich mich nach draußen, setze mich an einen Tisch in der Sonne, genieße mein einfaches Frühstück, und beobachte das Treiben um mich herum.

Nun kann der Tag beginnen!

Nicht weit entfernt befindet sich der Turm von Clérigos und von dort oben genieße ich einen ausgiebigen Blick auf die Stadt. So langsam kann ich mich orientieren und entdecke die Kathedrale, die ich als erstes besichtigen möchte. Wieder unten angelangt, beglückwünsche ich mich zu der Entscheidung den Turm so früh am Morgen bestiegen zu haben. Mittlerweile hat sich nämlich an der Kasse eine lange Schlange gebildet, und ganz viele Menschen wollen die Stufen hinaufsteigen.

Nun also auf zur Kathedrale. Ich finde sie nicht gleich, entdecke aber einen Wegweiser und bald darauf auch die Kirche. Am meisten begeistert mich der Kreuzgang, der genau wie die Fassade des Gebäudes mit Wandbildern aus Keramikkacheln verziert ist. Im Inneren des Gotteshauses wünsche ich mir einen Moment der Stille und Besinnung, die zahlreichen Touristen nehmen darauf leider keine Rücksicht. Sie plappern und unterhalten sich ziemlich lautstark. Also begebe ich mich wieder in das Getümmel der Stadt und stromere durch die Gassen hinunter zum Hafen am Duoro. Der Fluss mündet etwa 5 km weiter in den Atlantik und ist in Porto von ganzen sechs Brücken überspannt. Die älteste, die Stahlbrücke Ponte Maria Pia, wurde von Gustave Eiffel und seinem Geschäftspartner geplant und erinnert von der Bauweise her tatsächlich an den Eiffelturm von Paris.

In einem der unzähligen Straßencafés esse ich einen sehr leckeren Salat und genieße den Blick auf den Fluss. Am gegenüberliegenden Ufer liegen die Portweinfirmen für die Porto bekannt ist. Die berühmten roten und weißen Likörweine verhalfen der Stadt zu Reichtum und Wohlstand. Die Namen sagen mir nichts, nur Sandeman ist mir ein Begriff. Weine mit diesem Namen habe ich schon oft in Geschäften in Deutschland gesehen.

Nach einer Weile bummle ich weiter durch die Altstadt mit den bunten Häuserfassaden, die zum Weltkulturerbe zählt, und entdecke viele hübsche Ecken und Winkel. Ich betrachte die Auslagen in den Schaufenstern und die teilweise sehr plüschigen Läden. Als mir die Füße weh tun, setze ich mich auf das obere Deck eines der Sightseeing Busse und lasse mich durch die Stadt kutschieren. Vorbei an zahlreichen Sehenswürdigkeiten, den Duoro entlang bis ans Meer, über eine der Brücken auf die andere Seite zu den Portweinkellereien und wieder zurück in die Altstadt.

Inzwischen ist mein Kopf satt von all den vielen Eindrücken der quirligen Stadt, aber mein Bauch ist hungrig und ich gehe zum Essen in das Lokal, in dem ich gestern Abend schon war.

Später packe ich in meiner Pension den Rucksack für morgen, mache mich etwas frisch, und lasse den Tag in einer Bar bei einem Caipirinha ausklingen.

Malerisches Dächergewirr der Altstadt

Während der Stadtrundfahrt mit dem Bus

Samstag, 18.06.2016

Porto – Praia de Angeiras (ca. 23 km)

Möge die Straße uns zusammenführen und der Wind in deinem Rücken sein……

(Irisches Segenslied)

Am frühen Morgen werde ich von dem Geschrei der Möwen, die auf dem Weg von ihren Schlafplätzen zum Meer noch eine Extrarunde über der Pension drehen, wach. Der Schnarcher im Nebenzimmer verstummt endlich und ich stehe auf, um meinen ersten Wandertag zu beginnen. Gegen halb acht verlasse ich das Quartier und steuere die mir inzwischen bekannte Bäckerei an, in der es bereits lebhaft zugeht. Leider habe ich versäumt nach der portugiesischen Übersetzung zu fragen und bleibe bei der englischen Sprache: »Café con Leche and roasted bread, please!« Ich bestelle Milchkaffee und geröstetes Brot, inzwischen habe ich ja dazu gelernt und weiß was man hier üblicherweise frühstückt. Leider versteht mich die Verkäuferin nicht und möchte mir ein Brot verkaufen. Erst nach weiteren mit Gesten untermalten Hinweisen versteht sie, dass ich frühstücken möchte und packt eine dicke Scheibe Weißbrot in den Toaster. »Einmal?«

»Nein, zwei bitte!« Ich bin etwas irritiert als sie fragt, ob ich auch zwei Kaffee möchte, verneine dankend, und sie reicht mir einen Milchkaffee und zwei Teller mit je zwei sehr großen und sehr dicken Scheiben Toast mit viel Butter. Erst jetzt verstehe ich, dass ich nicht zwei Scheiben Toast, sondern zweimal Frühstück bestellt habe. Das kann ich unmöglich aufessen und mitnehmen kann ich das Brot auch nicht. So zucke ich entschuldigend mit den Schultern und lehne den zweiten Teller bedauernd ab. Die verständlicherweise nun doch genervte Verkäuferin nimmt ihn zurück und ich kann förmlich hören, was sie über die dämlichen Touristen denkt, die nicht wissen, was sie wollen. Zerknirscht lächle ich die Dame an und verziehe mich nach draußen. Der warme Toast mit der geschmolzenen, leicht gesalzenen Butter schmeckt köstlich.

Jetzt kann es endlich losgehen. Santiago – ich komme!

Noch einmal spaziere ich durch das Labyrinth der Altstadtgassen. Mehrfach begegnet mir die Eléctrico, die historische Straßenbahn, die mit lautem Gebimmel auf sich aufmerksam macht. Das alte Gefährt, das noch immer als Verkehrsmittel benutzt wird, ist ein beliebtes Fotomotiv für die Touristen. Für mich ist der Anblick nicht ganz so spannend, da sowohl alte als auch moderne Straßenbahnen zum Stadtbild von Darmstadt gehören, der Stadt, in deren Nähe ich wohne. Ich habe mich entschieden zumindest heute die Küstenvariante zu nehmen und spare mir damit Straßenlärm und Industriegebiet. Ich werfe einen letzten Blick auf das malerische Dächergewirr von Porto, das mich sehr begeistert hat und steige dann eine enge Steintreppe hinunter zum Fluss.

Der Camino führt über die Uferpromenade des Rio Duoro bis zur Atlantikmündung und weiter am Meer entlang. Am Fluss treffe ich auf die erste Pilgerin. Die junge Frau läuft leichtfüßig in Trekkingsandalen und mit kleinem Gepäck an mir vorbei und ich komme mir sehr schwerfällig vor. Aber ich bin nun mal von der Statur her keine Elfe und im April sechzig Jahre alt geworden. Damit tröste ich mich und laufe unverdrossen und mit guter Laune weiter.

Am Fluss stehen jede Menge Angler. Die Angelruten lehnen nebeneinander aufgereiht an der Ufermauer und die Schwimmer hüpfen im glitzernden Wasser auf und ab. Einige Männer stehen beisammen und schwatzen, meist heftig gestikulierend, andere sitzen auf niedrigen Klappstühlen und träumen vor sich hin. Diese stimmungsvolle Szene möchte ich gerne festhalten und zücke meinen Fotoapparat. Dabei bemerke ich, dass ich die Fototasche samt Ersatz-Akku verloren habe. Sehr ärgerlich aber leider nicht zu ändern. Zum Glück habe ich das Ladegerät in den Rucksack gepackt und so die Möglichkeit die Batterie immer wieder aufzuladen. Ich schieße mein Foto und spaziere grüßend an den Männern vorbei.

Der Fluss wird immer breiter, es geht auf die Mündung zu und das Meer lässt sich erahnen. Schließlich gelange ich an eine ehemalige Wehranlage und habe den Atlantik erreicht. Mit einem tiefen Atemzug nehme ich die frische Meeresluft in mir auf. Eine Weile beobachte ich die Möwen, die kreischend über dem Wasser des Duoro kreisen, der sich im Meer verliert. Dann wende ich mich nach rechts und wandere in Strandnähe am Meer entlang.

Die Sonne strahlt vom Himmel, aber ein kühler Wind bläst mir unangenehm entgegen. Ich biete eine breite Angriffsfläche und muss mich ordentlich anstrengen, um vorwärts zu kommen.

»Buen Camino!«, rufe ich einer Gruppe junger Pilgerinnen zu. Die vier Mädels, die mit sich selbst beschäftigt sind, schrecken hoch, wissen nicht so recht, wie sie auf meinen Gruß reagieren sollen und stottern völlig verdutzt: »Oh, hello! Si! Olá! Thank you!«.

Ich muss grinsen. Na gut, vielleicht sind es gar keine Pilgerinnen.

Die Cafés und Restaurants an der Promenade locken sehr. Schließlich gebe ich nach und lasse mich zu einem Café con Leche hinreißen. Windgeschützt, mit Blick auf das Meer und die hohen, schäumenden Wellen, die sich am menschenleeren Sandstrand brechen, schmeckt der Kaffee gleich noch viel besser. Ich genieße mein Dasein und könnte stundenlang einfach nur hier sitzen. Da ich jedoch mein Quartier irgendwann am Nachmittag erreichen muss, raffe ich mich auf und lasse mich weiter durchpusten. Bald erreiche ich Matosinhos. Der Ort gehört zu den am dichtest besiedelten Ballungsgebieten Portugals und ist mit zahlreichen Konservenfabriken und petrochemischen Anlagen einer der wichtigsten Industrieräume. Der Anblick ist nicht sonderlich attraktiv und die Jakobsweg-Legende, die sich hier zugetragen haben soll, interessiert mich im Moment sehr viel mehr.