Immer etwas Neues - Chris Wehrmann - E-Book

Immer etwas Neues E-Book

Chris Wehrmann

4,8

Beschreibung

Geboren 1910, blickte Heinrich Greiwe auf einen Lebensweg zurück, der durch eine einzigartige Fülle von Veränderungen in Gesellschaft, Wirtschaft und Alltagsleben geprägt ist. Sein Enkel, Chris Wehrmann nahm den anstehenden 100. Geburtstag des Urgroßvaters zum Anlass, einen Blick auf diese gesammelten Erfahrungen zu werfen. Dabei entstanden ist ein abwechslungsreiches, interessant bebildertes Parallelogramm der Erinnerungen – aus den biographisch dokumentierten Erinnerungen Heinrich Greiwes und den mit ihm verbundenen Erlebnissen des Autors.

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Über dieses Buch

Geboren 1910, blickte Heinrich Greiwe auf einen Lebensweg zurück, der durch eine einzigartige Fülle von Veränderungen in Gesellschaft, Wirtschaft und Alltagsleben geprägt ist. Sein Enkel, Chris Wehrmann nahm den anstehenden 100. Geburtstag des Urgroßvaters zum Anlass, einen Blick auf diese gesammelten Erfahrungen zu werfen. Dabei entstanden ist ein abwechslungsreiches, interessant bebildertes Parallelogramm der Erinnerungen – aus den biographisch dokumentierten Erinnerungen Heinrich Greiwes und den mit ihm verbundenen Erlebnissen des Autors.

CHRIS WEHRMANN, (geb. 1967 in Dorsten) ist aufgewachsen in Gelsenkirchen-Buer. Er macht sein Abitur am Max-Planck-Gymnasium, anschließend seine kaufmännische Ausbildung (zur Beruhigung der Eltern), wechselt dann in die Werbung, ist abgeschlossener Kommunikationswirt und Graphik-Designer und nach seiner Tätigkeit für verschiedene international agierende Agenturen seit 2003 als freiberuflicher Kreativer im Werbe- und Eventbereich. Und er ist der stolze Enkel von Heinrich Greiwe. Dies ist sein erstes veröffentlichtes Buch.

für Großvater

„Durch unsere Vorfahren sind wir mit der

Vergangenheit verwandt und seit Jahrhunderten verschwistert und verschwägert. Und eines Tages werden wir selber Vorfahren geworden sein.

Für Menschen, die heute noch nicht geboren und trotzdem schon mit uns verwandt sind.“

ERICH KÄSTNER

Als ich ein kleiner Junge war

INHALT

Kapitel 1

OUVERTURE

Kapitel 2

WURZELN

Kapitel 3

PROZESSION

Kapitel 4

AUF EIGENEN FÜSSEN

Kapitel 5

AUS-FLUG

Kapitel 6

DAMENWAHL

Kapitel 7

BUTTERMILCH MIT ZUCKERINSEL

Kapitel 8

DÜNNES EIS

Kapitel 9

INTERMEZZO

Kapitel 10

MORGEN, MORGEN …

Kapitel 11

BLUTSBANDE

Kapitel 12

ERBSTÜCKE I

Kapitel 13

FREIHEIT

Kapitel 14

STÜTZRÄDER

Kapitel 15

WOHLSTAND

Kapitel 16

… MACHT KINDER FROH!

Kapitel 17

STILLE NACHT

Kapitel 18

KRAFTFAHRENDER BEAMTER

Kapitel 19

INNEN GUT. AUSSEN MIT HUT.

Kapitel 20

TELEFONJOKER

Kapitel 21

ALTE BÄUME

Das letzte Kapitel

ERBSTÜCKE II. DER KLEINE FINGER

Kapitel 1

OUVERTURE

Weimar. Ein Sommertag im Juli 2005.

Sonnenschein. Vogelgesang. Idyllische Ruhe.

Vereinzeltes Stimmengemurmel.

Vom benachbarten Konservatorium wehen Melodien herüber.

Violine. Mozart, glaube ich. Wir sitzen im Café des Schlosses Bellevue, Großvater und ich.

Zweisamkeit.

Schon vor einiger Zeit habe ich damit begonnen, die Frage nach dem nächsten Geburtstags- oder Weihnachtsgeschenk „kreativer“ zu lösen, schließlich habe ich einen Ruf zu verlieren. Ich setze statt auf die obligatorischen Krawatten (obwohl immer gern gesehen) auf „Enkelausflüge“. Bei aller modischen Kompetenz, die Großvater immer besessen hat, trifft diese Art Geschenk seinen Charakter noch besser. Immer lebensbejahend, immer einen trockenen Spruch auf den Lippen, immer neuen Erfahrungen gegenüber offen und vor allem: immer die Gegenwart genießend.

Die vierstündige Autofahrt nach Weimar haben wir ohne Probleme und Staus hinter uns gebracht. Das Wetter ist herrlich, die Landschaft eindrucksvoll. Großvater würzt die auftauchenden Städtenamen auf den Hinweisschildern mit Kostproben seines eindrucksvollen Allgemeinwissens.

Wir sind vorgefahren: das „Dorint am Beethovenpark“, von dem ich schon einiges gehört habe und das ich schon längst einmal testen wollte. Und von dem ich glaube, dass es auch Großvater gefallen wird.

Routinierter Check-in, charmantes Willkommen. Wir fahren auf die dritte Etage. Ich zeige Großvater, wie er mit der Chipkarte die Tür öffnen kann. Ein schönes, großzügiges Zimmer mit Blick auf den Park.

„So, dann richte Dich mal ein, ich bin nebenan“, sage ich und wende mich zur Tür.

Großvater ist überrascht. „Wie? Ich dachte, wir hätten das Zimmer gemeinsam. Das ist allein für mich? (lacht.) So was hatte ich noch nie.“ Ich bin verdutzt.

Es erinnert mich schlagartig daran, in wie unterschiedlichen Welten wir leben. Für mich ist ein Einzelzimmer dieser Art – schon aus beruflichen Gründen – völlig normal. Für Großvater ist es eine ganz neue Erfahrung. Etwas nachdenklich gehe ich auf mein Zimmer.

~

Wir verbringen viel Zeit miteinander. Ausschließliche Zeit, denke ich. „Quality Time“, neudeutsch, nur er und ich.

Wir promenieren durch den Park, lassen uns das Goethe-Haus zeigen, spazieren an der Ilm und der Anna-Amalia-Bibliothek (noch vor dem Brand) entlang, genießen das Wetter, das gute Essen im Hotel „Elephant“ und den Kaffee am Münzturm.

Als besonderen Höhepunkt habe ich eine Kutschfahrt durch Weimar geplant. Pünktlich um zwei Uhr steht Herr Grobe mit seinem Zweispänner vor dem „Dorint“. Wie zu Goethes Zeiten fahren Großvater und ich durch die Gassen von Weimar, vorbei an den herrlichen Gebäuden, begleitet von vielen Anekdoten, die Herr Grobe zu erzählen weiß.

Um ehrlich zu sein, habe ich die Geräuschentwicklung der Hufe auf dem Kopfsteinpflaster etwas unterschätzt, deshalb muss ich das Erzählte etwas lauter an Großvater weitergeben. Aber das macht ja nichts: Doppelt erzählt kommt besser an.

~

Weimar. Die Stadt von Goethe und Schiller, von Nietzsche und Bauhaus. Eine Stadt voller Kultur und Geschichte. Der richtige Ort.

Diese gemeinsamen Tage sind in vielerlei Hinsicht ein Geschenk – auch an mich selbst. Das größte ist, dass ich (im Alter von 37 Jahren) noch immer einen Großvater mein Eigen nennen darf. Einen Großvater, in dessen Wortschatz „Ja, aber“ und „ich weiß noch nicht“ definitiv nicht vorkommen. Das hat sich hoffentlich vererbt. Ich fühle eine starke Verbundenheit zu diesem Mann, der ein Vorbild für mich ist.

Unser Ausflug erfüllt einen ganz persönlichen Wunsch, der erst in der letzten Zeit gewachsen ist: den Wunsch, mehr über meine Wurzeln zu erfahren. Seine (und dadurch meine) Herkunft zu kennen und zu verstehen. Fundstücke zu sammeln. Woher kommt das ... die ersten Anzeichen des Alters? Der Wunsch nach Geschichte? Midlife Crisis? Hoffentlich nicht!

Ich trage Großvater meinen Wunsch vor, hier und jetzt mit ihm eine Reise in seine – und damit meine eigene – Vergangenheit zu machen. Lege die Idee sorgfältig dar, möchte nicht einfach mit der Tür ins Haus fallen.

Diese Vorsicht ist selbstverständlich unnötig. Weshalb wundere ich mich eigentlich darüber? Ich habe ihn unterschätzt, er scheint von der Idee durchaus angetan.

Diktiergerät oder lieber mitschreiben? „… was du schwarz auf weiß besitzt, kannst du getrost nach Hause tragen!“ sinniert Großvater. Die Entscheidung ist gefallen.

Der Kaffee steht vor uns, der Kuchen daneben ...

... die Geschichte beginnt.

Kapitel 2

WURZELN

Mein Urgroßvater, August Greiwe, Jahrgang 1876, stammt aus Borghorst, einem kleinen Dorf mitten im Münsterland. Er ist seines Zeichens Webermeister in einer Teppichfabrik, „Warps Spinnerei“, wofür eine besondere Ausbildung erforderlich war.

Meine Urgroßmutter, Anna Greiwe geb. Frechen, ebenfalls Jahrgang 1876, wächst unter ungünstigen Umständen in Südlohn auf. Im Alter von sechs Jahren verliert sie kurz hintereinander Vater und Mutter und kommt als Vollwaise bei Verwandten unter. Sie ist Aushilfe in einem Fabrikantenhaushalt, als sie August Greiwe kennenlernt. Anna hat zwei Geschwister: einen älteren Bruder, Bernhard, Schreiner in einer Steinheimer Möbelfabrik, und eine Schwester, Sophie, sechs Jahre jünger als Anna.

Zusammen gründen Anna und August 1905 ihre Familie in Nordwalde bei Rheine. Im gleichen Jahr kommt ihre erste Tochter, Else, zur Welt.

August Greiwe tritt 1906 eine aussichtsreiche Stelle bei der Firma Schürholz in Dorsten an. Das bedeutet im gleichen Jahr den Umzug und den Abschied aus Nordwalde. Die Stelle bei Schürholz ist verbunden mit neuen Aufgaben und Erfahrungen: So wird er in der besonderen Technik des Jaquard-Webens unterwiesen, unter anderem in der Seidenschule zu Krefeld.

Im Jahr darauf, 1907, bekommt Else eine Schwester: Käthe. 1908 eröffnen die Greiwes ihr erstes Kolonialwarengeschäft „An der Molkerei“ an der Borkener Straße in Dorsten, im Haus von Rektor Stratmann.