INFINITUM - Die Ewigkeit der Sterne - Christopher Paolini - E-Book
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INFINITUM - Die Ewigkeit der Sterne E-Book

Christopher Paolini

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Beschreibung

Bildgewaltig wie ein Kino-Blockbuster: das fantastische Weltraum-Abenteuer von Christopher Paolini, dem Welt-Bestseller-Autor von »Eragon« Neue Welten zu erkunden ist alles, wovon die junge Forscherin Kira Navarez jemals geträumt hat. Doch ein harmloser Auftrag auf einem fernen Planeten lässt Kiras Traum zum größten Albtraum der Menschheit werden: Bei der abschließenden Untersuchung des Planeten, der in Kürze kolonialisiert werden soll, stürzt Kira in eine Felsspalte – und entdeckt etwas, das kein menschliches Auge zuvor erblickt hat. Es wird sie vollständig und für immer verwandeln. Nur wenn es Kira gelingt, trotzdem sie selbst zu bleiben, kann sie das Schlimmste verhindern. Denn nicht nur das Schicksal ihrer eigenen Art liegt ab jetzt in ihren Händen. Kira ist allein. Wir sind es nicht. Und wir müssen einen Weg finden, um zu überleben.  Mit »Die Ewigkeit der Sterne« entführt uns Bestseller-Autor Christopher Paolini in neue unbekannte Welten, und zu dem, was in der unerforschten Weite des Weltalls zwischen fremden Sternen auf uns wartet. Christopher Paolinis episches Weltraum-Abenteuer verbindet auf geniale Weise die Welten-Schöpfung und Charakter-Entwicklung seiner »Eragon«-Romane mit den faszinierenden Möglichkeiten der Zukunft.

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Seitenzahl: 1518

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Christopher Paolini

INFINITUMDie Ewigkeit der Sterne

Roman

Aus dem amerikanischen Englisch von Katharina Naumann, Barbara Häusler, Eberhard Kreutzer und Anke Kreutzer

Knaur e-books

Über dieses Buch

Neue Welten zu untersuchen ist alles, wovon die junge Forscherin Kira Navarez jemals geträumt hat. Doch ein harmloser Auftrag auf einem fernen Planeten lässt Kiras Traum zum größten Albtraum der Menschheit werden:

Bei der abschließenden Untersuchung des Planeten, der in Kürze kolonialisiert werden soll, stürzt Kira in eine Felsspalte – und entdeckt etwas, das kein menschliches Auge zuvor erblickt hat. Es wird sie vollständig und für immer verwandeln.

Kira ist allein. Wir sind es nicht. Und wir müssen einen Weg finden, um zu überleben.

Inhaltsübersicht

WidmungStar MapTeil EinsI1. Kapitel2. Kapitel3. KapitelII1. Kapitel2. Kapitel3. Kapitel4. KapitelIII1. Kapitel2. Kapitel3. Kapitel4. KapitelIV1. Kapitel2. Kapitel3. KapitelV1. Kapitel2. Kapitel3. Kapitel4. Kapitel5. KapitelVI1. Kapitel2. Kapitel3. Kapitel4. Kapitel5. Kapitel6. KapitelVII1. Kapitel2. KapitelVIII1. Kapitel2. KapitelIX1. Kapitel2. Kapitel3. Kapitel4. Kapitel5. KapitelExeunt I1. Kapitel2. Kapitel3. Kapitel4. KapitelTeil ZweiI1. Kapitel2. Kapitel3. Kapitel4. KapitelII1. Kapitel2. Kapitel3. Kapitel4. KapitelIII1. Kapitel2. Kapitel3. Kapitel4. Kapitel5. Kapitel6. KapitelIV1. Kapitel2. Kapitel3. KapitelV1. Kapitel2. KapitelVI1. Kapitel2. Kapitel3. Kapitel4. Kapitel5. KapitelVII1. Kapitel2. Kapitel3. Kapitel4. KapitelVIII1. Kapitel2. Kapitel3. Kapitel4. KapitelIX1. Kapitel2. Kapitel3. Kapitel4. KapitelX1. Kapitel2. Kapitel3. Kapitel4. KapitelXI1. Kapitel2. Kapitel3. Kapitel4. Kapitel5. Kapitel6. KapitelXII1. Kapitel2. Kapitel3. Kapitel4. Kapitel5. Kapitel6. Kapitel7. Kapitel8. KapitelExeunt II1. Kapitel2. Kapitel3. Kapitel4. Kapitel5. Kapitel6. Kapitel7. KapitelTeil DreiI1. Kapitel2. Kapitel3. Kapitel4. Kapitel5. Kapitel6. Kapitel7. Kapitel8. Kapitel9. KapitelII1. Kapitel2. KapitelIII1. Kapitel2. Kapitel3. Kapitel4. KapitelIV1. Kapitel2. Kapitel3. KapitelV1. Kapitel2. KapitelVI1. Kapitel2. Kapitel3. KapitelVII1. Kapitel2. Kapitel3. Kapitel4. Kapitel5. KapitelVIII1. Kapitel2. Kapitel3. KapitelExeunt III1. Kapitel2. Kapitel3. Kapitel4. Kapitel5. Kapitel6. Kapitel7. KapitelTeil VierI1. Kapitel2. Kapitel3. Kapitel4. Kapitel5. KapitelII1. Kapitel2. Kapitel3. Kapitel4. Kapitel5. Kapitel6. KapitelIII1. Kapitel2. Kapitel3. Kapitel4. Kapitel5. Kapitel6. Kapitel7. KapitelIV1. Kapitel2. Kapitel3. Kapitel4. Kapitel5. KapitelExeunt IV1. Kapitel2. Kapitel3. Kapitel4. KapitelTeil FünfI1. Kapitel2. Kapitel3. Kapitel4. Kapitel5. Kapitel6. Kapitel7. KapitelII1. Kapitel2. Kapitel3. Kapitel4. Kapitel5. Kapitel6. Kapitel7. KapitelIII1. Kapitel2. Kapitel3. Kapitel4. Kapitel5. Kapitel6. Kapitel7. KapitelIV1. Kapitel2. Kapitel3. Kapitel4. Kapitel5. Kapitel6. Kapitel7. KapitelV1. Kapitel2. Kapitel3. Kapitel4. Kapitel5. Kapitel6. Kapitel7. Kapitel8. Kapitel9. Kapitel10. Kapitel11. Kapitel12. Kapitel13. Kapitel14. KapitelVI1. Kapitel2. Kapitel3. KapitelExeunt V1. Kapitel2. Kapitel3. Kapitel4. Kapitel5. KapitelTeil SechsI1. Kapitel2. Kapitel3. Kapitel4. KapitelII1. Kapitel2. KapitelIII1. Kapitel2. Kapitel3. Kapitel4. Kapitel5. KapitelExeunt VI1. Kapitel2. Kapitel3. KapitelAddendumAppendix IRaumzeit & ÜberlichtgeschwindigkeitAppendix IIRaumschiffkampfAppendix IIIGlossarAppendix IVChronikNachwort & Danksagungen1. Kapitel2. Kapitel
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WIE IMMER MEINER FAMILIE GEWIDMET

 

… und den Wissenschaftlern, Ingenieuren und Träumern, die an unserer Zukunft in den Sternen arbeiten

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Teil Eins

Exogenesis

… Göttergeschlecht du,

Troer, anchesischer Spross, leicht geht es hin zum Avenus;

Nachts ist offen und tags die Pforte des dunkelen Pluto.

Doch umwenden den Schritt und zu oberen Lüften hinaufgehn,

Das ist Arbeit und Müh’ …

 

Äneis 6.126–129

I

Träume

1.

Der orangefarbene Gasgigant Zeus hing tief über dem Horizont und schimmerte vor dunklem Grund. Ringsum funkelte ein Sternenfeld im schwarzen All. Unter dem lidlosen Blick des Riesen dehnte sich ein graues Ödland mit verstreutem Gestein.

In der sonst leeren Weite erhob sich ein kleiner, scheinbar wahllos hingeworfener Haufen Gebäude, Kuppeln und Tunnel sowie mit Fenstern versehene, überwölbte Areale, eine Oase der Wärme und des Lebens inmitten einer unwirtlichen Welt.

Im beengten Labor der Anlage versuchte Kira mit aller Kraft, den DNA-Sequenzer aus seiner Wandnische zu zerren. Der Automat war nicht einmal besonders groß, dafür aber schwer, und sie bekam ihn nicht richtig zu fassen.

»Verdammt«, murmelte sie und verlagerte ihr Körpergewicht.

Größtenteils würde ihre Ausrüstung auf Adrasteia bleiben, dem Mond vom gleichen Umfang wie die Erde, auf dem sie die letzten vier Monate mit ihren Untersuchungen beschäftigt gewesen waren. Größtenteils, aber nicht vollständig. Der DNA-Sequenzer gehörte zur Grundausstattung jedes Xenobiologen, und wo sie hinging, kam er mit. Davon abgesehen brächten die Kolonisten, die schon bald mit der Shakti-Uma-Sati eintreffen sollten, neuere, bessere Modelle mit, nicht die Billigware im Reiseformat, mit der die Firma sie abgespeist hatte.

Kira zog wieder kräftig. Sie rutschte mit den Fingern ab und schnappte nach Luft, als sie sich an einer der Metallkanten in die Handfläche schnitt. Rasch ließ sie los und sah, wie sich an der dünnen Linie in ihrer Hand Blutstropfen bildeten.

Sie verzog den Mund und versetzte dem Sequenzer einen kräftigen Schlag. Das half nicht. Die verletzte Hand zur Faust geballt, lief sie im Labor auf und ab und atmete tief ein und aus, während sie darauf wartete, dass der Schmerz nachließ.

An den meisten Tagen nahm sie den störrischen Widerstand der Apparatur gelassen. Doch heute siegten Erwartung und die traurige Abschiedsstimmung über die Vernunft. Am Morgen würden sie Adrasteia verlassen und zur Fidanza zurückkehren, die bereits im Orbit um Adra kreiste. Noch wenige Tage, und sie und alle anderen Mitglieder des zehnköpfigen Erkundungsteams würden in den Kälteschlaf gehen, und wenn sie dann sechsundzwanzig Tage später auf 61 Cygni aus dem Gefrierzustand erwachten und wieder getrennte Wege gingen, hätte sie Alan das letzte Mal gesehen … für wer weiß wie lange, für Monate, mindestens – wenn’s richtig schlecht lief, für über ein Jahr.

Kira schloss die Augen, legte den Kopf zurück. Sie stieß einen tiefen Seufzer aus. Egal, wie oft sie und Alan dieses Spiel schon hinter sich hatten, wurde es dadurch nicht leichter. Ganz im Gegenteil, sie hasste es aus tiefstem Herzen.

Sie hatten sich letztes Jahr auf einem großen Asteroiden kennengelernt, auf dem die Lapsang Handelsgesellschaft Bergbau betreiben wollte. Alan war dort mit geologischen Untersuchungen betraut. Vier Tage – so lange waren sie auf dem Asteroiden zusammen gewesen. Alans Lachen und sein kupferfarbenes Haar hatten ihre Aufmerksamkeit erregt, seine sorgfältige, umsichtige Arbeit sie beeindruckt. Er war gut in seinem Job, und im Notfall bewahrte er die Ruhe.

Kira war zu dem Zeitpunkt schon so lange Single gewesen, dass sie sich damit abgefunden hatte, niemanden mehr zu finden. Und doch war wie durch ein Wunder Alan in ihr Leben getreten, und auf einmal gab es jemanden, der ihr wichtig war. Jemanden, dem sie wichtig war.

Sie hatten den Kontakt gehalten, sich über Sterne hinweg Holo-Nachrichten geschickt und es mit ein bisschen Glück und bürokratischen Manövern geschafft, einige weitere Male auf der gleichen Mission anzuheuern.

Doch das genügte nicht mehr. Ihnen beiden nicht.

Vor zwei Wochen hatten sie beantragt, als Paar denselben Expeditionen zugeteilt zu werden, doch für die Bewilligung gab es keine Garantie. Die Lapsang Corp. expandierte auf zu vielen Gebieten und mit zu vielen Projekten. Die Personaldecke war dünn.

Falls ihr Antrag abgelehnt wurde, blieb ihnen nichts anderes übrig, als die Stelle zu wechseln und jeweils einen Job zu finden, der mit weniger Reisetätigkeit verbunden war. Kira war dazu bereit – letzte Woche hatte sie die Ausschreibungen im Netz gesichtet –, aber sie fand, sie habe nicht das Recht, Alan zu bitten, seine Karriere in der Firma für sie aufzugeben. Noch nicht.

Und so konnten sie vorerst nur auf die Entscheidung der Firma warten. So lange, wie der Nachrichtenverkehr mit Alpha Centauri brauchte, ganz zu schweigen von der Bearbeitungsdauer in der Personalabteilung, könnten sie froh sein, wenn sie bis Ende des nächsten Monats Antwort bekamen. Und bis dahin wären sie und Alan längst wer weiß wohin verschifft.

Mehr als frustrierend. Kiras einziger Trost war Alan selbst; er war es wert. Sie wollte einfach nur mit ihm zusammen sein, ohne sich um den ganzen anderen Mist zu sorgen.

Sie dachte daran, wie er das erste Mal die Arme um sie gelegt und wie wundervoll es sich angefühlt hatte, wie warm und geborgen. Und sie dachte an den Brief, den er ihr nach ihrer ersten Begegnung geschrieben hatte, und wie er darin seine tieferen Gefühle preisgegeben hatte. Noch nie hatte sich jemand so um sie bemüht … und er hatte sich immer Zeit für sie genommen. Stets hatte er sich, im Großen wie im Kleinen, hilfsbereit gezeigt, zum Beispiel, als er ihr vor ihrer Expedition in die Arktik für ihr Lab-on-Chip dieses Gehäuse maßanfertigte.

Diese Erinnerungen hätten zu jedem anderen Zeitpunkt ein Lächeln auf Kiras Lippen gezaubert, doch ihre Hand tat immer noch weh, und sie konnte nicht vergessen, was ihnen am Morgen bevorstand.

»Komm schon, Miststück«, sagte sie, war mit wenigen Schritten beim DNA-Sequenzer und zog mit aller Kraft daran.

Mit kreischendem Protest bewegte er sich endlich.

2.

An diesem Abend kam das Team in der Kantine zusammen, um das Ende der Mission zu feiern. Zwar war Kira nicht in Feierstimmung, doch Tradition war Tradition. Ob es gut gelaufen war oder nicht, der Abschluss einer Expedition war noch immer eine Party wert.

Sie hatte sich in ein Kleid geworfen – grün, mit Goldbordüre – und eine Stunde lang die Haare zu Locken aufgesteckt. Es war nicht viel, doch Alan würde die Mühe wie immer zu würdigen wissen.

Womit sie richtiglag. Kaum sah er sie im Korridor aus ihrer Kabine kommen, strahlte er übers ganze Gesicht und nahm sie schwungvoll in die Arme. Sie legte die Stirn an seine Brust und sagte: »Du weißt, wir müssen da nicht hin.«

»Ich weiß«, sagte er, »aber wir sollten uns wenigstens für eine Weile blicken lassen.« Er küsste sie auf die Stirn.

Sie zwang sich zu einem Lächeln. »Also gut, du hast gewonnen.«

»Sehr gut.« Er erwiderte ihr Lächeln und strich ihr eine lose Strähne hinters linke Ohr.

Kira tat dasselbe mit seiner Lockenfülle. Dieses Leuchten seines Haars im Kontrast zu seiner hellen Haut versetzte sie immer wieder in Staunen. Im Unterschied zu allen anderen im Team schien Alan einfach nicht braun zu werden, egal, wie viel Zeit er im Freien oder unter den Vollspektrumlichtern eines Raumschiffs verbrachte.

»Also dann«, sagte sie leise. »Gehen wir’s an.«

Als sie eintraten, war die Kantine voll. Die anderen acht Mitglieder des Erkundungsteams drängten sich um die schmalen Tische, aus den Lautsprechern dröhnte Yugos geliebter Scramrock, Marie-Élise teilte Becher mit Punsch aus der großen Plastikschüssel auf der Theke aus, und Jenan tanzte, als hätte er einen Liter intus. Hatte er vielleicht ja auch.

Kira legte Alan den Arm fest um die Taille und setzte eine heitere Miene auf. Dies war nicht die Zeit, um trüben Gedanken nachzuhängen.

Nur dass sie dagegen machtlos war.

Seppo kam sofort herüber. Für den festlichen Anlass hatte sich der Botaniker das Haar zu einem Knoten auf dem Oberkopf frisiert, was nur sein ohnehin hageres Gesicht betonte. »Vier Stunden«, sagte er mit einer ausladenden Geste, sodass ihm das Getränk aus dem Becher schwappte. »Vier Stunden! So lange habe ich gebraucht, um meinen Crawler freizuschaufeln.«

»Tut mir so leid, Seppo«, sagte Alan unüberhörbar amüsiert. »Ich hatte dich gewarnt, dass wir es nicht schneller bis zu dir schaffen würden.«

»Bah. Ich hatte Sand in meinem Skinsuit. Hast du eine Ahnung, wie angenehm das ist? Hab mich von vorne bis hinten wund gerieben. Hier!« Er zog sein abgetragenes Hemd hoch und entblößte einen roten Striemen quer über den Bauch, wo der untere Saum seines Skinsuits gescheuert hatte.

»Weißt du was?«, fragte Kira. »Auf Vyyborg geb ich dir zur Wiedergutmachung einen aus. Was hältst du davon?«

Seppo deutete vage in ihre Richtung. »Das … wäre eine halbwegs akzeptable Entschädigung. Aber keinen Sand mehr, wenn ich bitten darf!«

»Kein Sand, versprochen«, beschwichtigte sie ihn.

»Und du«, sagte Seppo und schwenkte mit dem Finger zu Alan, »du … weißt.«

Während der Botaniker davontorkelte, blickte Kira zu Alan auf. »Was war das denn?«

Alan schmunzelte. »Keine Ahnung. Aber schon seltsam, die Vorstellung, ihn nicht mehr um sich zu haben.«

»Kannst du laut sagen.«

Nach einer Runde Drinks und fröhlichem Palaver zog sich Kira ans hintere Ende des Raums zurück und lehnte sich in eine Ecke. So ungern sie Alan – wieder einmal – verlor, so schwer fiel ihr auch der Abschied vom übrigen Team. Die vier Monate auf Adra hatten sie zu einer Familie zusammengeschweißt. Einer ziemlich verqueren Familie, an der sie aber trotzdem hing. Es würde schwer werden, sie zu verlassen, und je näher der Augenblick rückte, desto deutlicher wurde Kira bewusst, wie weh es tat.

Sie nahm noch einen großen Schluck von dem Orangenpunsch. Die Situation war für sie nicht neu – Adra war nicht die erste angehende Kolonie, zu der die Firma sie als Vorhut entsandt hatte –, und nachdem sie sieben Jahre lang von einer verfluchten Steinwüste zur anderen gejettet war und fast die Hälfte der Zeit im Kryo-Schlaf verbracht hatte, sehnte sich Kira nach … festen Freunden. Einer Familie. Einer Gemeinschaft.

Und nun war sie kurz davor, das alles zurückzulassen. Wieder einmal.

Alan erging es nicht anders. Sie sah es in seinen Augen, während er jetzt herumging und mit den Teamkollegen plauderte. Sie vermutete, dass auch einige der anderen traurig waren und ihre Gefühle mit Alkohol und Tanz und Gelächter – zu schrill, um ganz echt zu sein – nur überspielten.

Sie verzog das Gesicht und kippte den restlichen Punsch hinunter. Zeit für Nachschub. Der Scramrock stampfte lauter als zuvor. Irgendwas von Todash and the Boys, und ihre Frontsängerin johlte: »– to fleeee. And there’s nothing at the door. Hey, there’s nothing at the door. Babe, what’s that knocking at the door?«, dabei steigerte sich ihre Stimme zu einem wackeligen Crescendo, das klang, als müssten ihr jeden Moment die Stimmbänder reißen.

Kira stieß sich gerade von der Wand ab, um zur Bowleschüssel zu gehen, als sie sah, wie sich Mendoza, der Expeditionsleiter, einen Weg in ihre Richtung bahnte. Für ihn ein Leichtes, er war gebaut wie ein Fass. Sie hatte sich oft gefragt, ob er vielleicht in einer High-G-Kolonie wie Shin-Zar aufgewachsen war, doch als sie ihn einmal danach fragte, hatte Mendoza behauptet, nein, er komme von einem Habitats-Ring irgendwo im Umkreis von Alpha Centauri. Sie wusste nicht so recht, ob sie ihm glauben sollte.

»Kira, ich muss Sie sprechen«, rief er ihr zu.

»Was?«

»Wir haben ein Problem.«

Sie schnaubte. »Es gibt immer ein Problem.«

Mendoza zuckte mit den Achseln und wischte sich mit einem Taschentuch, das er aus der Gesäßtasche zog, über die Stirn, auf der sich die bunten Lichterketten, die sie unter die Decke gehängt hatten, als helle Flecken spiegelten. Sein Hemd hatte sich unter den Achseln dunkel gefärbt. »Wie könnte ich da widersprechen, aber um das hier müssen wir uns kümmern. Eine der Drohnen unten im Süden sendet nicht mehr. Vermutlich von einem Sturm außer Gefecht gesetzt.«

»Und? Schicken Sie eine andere hin.«

»Die sind zu weit weg, und uns fehlt die Zeit, Ersatz zu drucken. Das Letzte, was die Drohne nachgewiesen hat, war organisches Material an der Küste. Das muss überprüft werden, bevor wir gehen.«

»Ach, kommen Sie. Heißt das allen Ernstes, ich soll da morgen noch mal raus? Ich habe bereits jede Mikrobe auf Adra katalogisiert.« Eine solche Fahrt würde sie den Vormittag mit Alan kosten, und Kira dachte nicht daran, auch nur eine Stunde der Zeit, die ihnen noch miteinander blieb, zu opfern.

Mendoza starrte sie mit hochgezogenen Augenbrauen an – wollen Sie mich verarschen? »Vorschriften sind Vorschriften, Kira. Wir können nicht riskieren, dass die Kolonisten hier in etwas Übles hineinrennen. Eine Art Pest oder so. Wollen Sie dafür etwa die Verantwortung übernehmen? Kann ich mir kaum vorstellen.«

Sie ging los, um ihren Becher aufzufüllen, der immer noch leer war. »Du liebe Zeit. Schicken Sie Ivanova. Das sind ihre Drohnen, und sie kann die Analyse genauso gut durchführen wie ich. Ich wüsste –«

»Das übernehmen Sie«, sagte Mendoza in stahlhartem Ton. »Null-sechshundert, und ich will nichts mehr darüber hören.« Seine Miene wurde ein wenig milder. »Tut mir leid, aber Sie sind nun mal unsere Xenobiologin, und Vorschriften –«

»Sind Vorschriften«, ergänzte Kira. »Schon gut, schon gut. Ich mach’s. Aber ich sag Ihnen, es ist die Sache nicht wert.«

Mendoza klopfte ihr auf die Schulter. »Gut. Das hoffe ich auch.«

Als er gegangen war, erschien eine Textnachricht am Rande von Kiras Gesichtsfeld: <Hey, Babe, alles klar? – Alan>

Indem sie ihre Antwort subvokalisierte, schrieb sie zurück: <Ja, alles gut. Nur ein zusätzlicher Auftrag. Erzähl ich dir später – Kira>

Am anderen Ende des Raums brachte er sie mit einer dümmlichen Grimasse unwillkürlich zum Schmunzeln. Dann richtete sie den Blick auf die Punschschüssel und lief schnurgerade darauf zu. Sie brauchte wirklich noch einen Drink.

Marie-Élise fing sie an der Quelle ab. Sie bewegte sich mit der geübten Grazie einer ehemaligen Tänzerin. Wie immer hatte sie den Mund verzogen, als liege ihr die nächste sarkastische Bemerkung auf den Lippen (von denen Kira schon mehr als eine abbekommen hatte). Ohnehin recht groß, überragte sie Kira mit den hochhackigen schwarzen Lackschuhen, die sie sich für die Party ausgedruckt hatte, um einen Kopf.

»Du wirst mir fehlen, chérie«, sagte Marie-Élise. Sie beugte sich herunter und gab Kira je einen Kuss auf beide Wangen.

»Du mir auch«, sagte Kira und bekam feuchte Augen. Abgesehen von Alan war Marie-Élise aus ihrem Team ihre engste Freundin geworden. Sie hatten mehrere Tage bei ihren Feldstudien miteinander verbracht – bei denen Kira die Mikroben auf Adrasteia untersuchte und Marie-Élise die Seen und Flüsse wie auch die tief unter dem Boden verborgenen Wasservorkommen studierte.

»Komm schon, nicht Trübsal blasen. Du meldest dich bei mir, ja? Ich will alles über dich und Alan hören. Und ich melde mich zurück. Okay?«

»Ja, versprochen.«

Für den Rest des Abends gab sich Kira Mühe, die Zukunft auszublenden. Sie tanzte mit Marie-Élise, witzelte mit Jenan und frotzelte mit Fizel. Zum hundertsten Mal machte sie Yugo Komplimente für seine Kochkunst. Sie ließ sich mit Mendoza auf eine Runde Armdrücken ein, die sie verlor, und sang mit Ivanova im Duett, immer knapp daneben. Und sooft es ging, legte sie den Arm um Alan. Selbst wenn sie nicht miteinander redeten oder sich im Blick hatten, spürte sie ihn, und seine Berührung war ein Trost.

Nachdem sie genügend Punsch intus hatte, ließ sich Kira von den anderen überreden, ihre Ziehharmonika herauszuholen. Die Musikkonserve wurde stumm gestellt, alle versammelten sich im Kreis – Alan an ihrer Seite, Marie-Élise zu ihren Knien –, und Kira spielte eine Melange aus Astro-Reels. Und sie lachten und tanzten und tranken, und für eine Weile war alles gut.

3.

Es war schon weit nach Mitternacht und die Party noch in vollem Gange, als ihr Alan mit erhobenem Kinn ein stummes Zeichen gab. Kira verstand, und ohne ein Wort huschten sie aus der Kantine.

Auf dem Weg durch die Anlage lehnten sie sich aneinander, um ihren Punsch nicht zu verschütten. Kira war den Anblick der nackten Korridore nicht gewohnt. Normalerweise verschwanden sie hinter Overlay-Projektionen und unter all den Proben, Ausrüstungsobjekten und Ersatzteilen, die sich an den Wänden stapelten. Doch das alles war jetzt verschwunden. Im Laufe der letzten Woche hatten sie und das übrige Team in Vorbereitung auf die Abreise ihre Sachen gepackt … ohne die Musik im Hintergrund und die Notbeleuchtung auf dem Boden hätte man meinen können, der Stützpunkt sei verwaist.

Kira zitterte und schmiegte sich enger an Alan. Draußen heulte der Wind – ein unheimliches Brausen, in das sich das Ächzen des Dachs und der Wände mischte.

Als sie an die Tür zum Hydrokultur-Gewächshaus gelangten, drückte Alan nicht den Entriegelungsknopf, sondern sah sie mit einem Lächeln um die Lippen an.

»Was?«, fragte sie.

»Nichts. Einfach nur dankbar, mit dir zusammen zu sein.« Er küsste sie auf den Mund.

Sie reckte sich, um sich zu revanchieren – der Punsch hatte sie in Stimmung gebracht –, doch er zog lachend den Kopf ein und drückte auf den Knopf.

Mit einem dumpfen Geräusch glitt die Tür auf.

Warme Luft wehte sie an, sie hörten Wasser tropfen und rochen das zarte Parfum blühender Pflanzen. Das Gewächshaus war auf dem ganzen Gelände Kiras Lieblingsort. Es erinnerte sie an zu Hause, an die langen Reihen der Treibhausgärten, in denen sie als Kind auf dem Kolonie-Planeten Weyland viel Zeit verbracht hatte. Bei Fernstrecken-Expeditionen wie der zu Adra war es Standard, einen Teil der Nahrungsmittel selbst anzubauen, einerseits, um die Tauglichkeit des vorgefundenen Substrats zu testen, andererseits, um die Fracht an mitgebrachten Vorräten zu reduzieren. Vor allem aber, um die tödliche Monotonie der portionierten, gefriergetrockneten Mahlzeiten zu durchbrechen, mit denen sie die Firma abspeiste.

Morgen würde Seppo die Pflanzen herausreißen und in die Verbrennungsanlage stopfen. Bis zur Ankunft der Kolonisten würden sie nicht überleben, und es war keine gute Idee, haufenweise biologisches Material zurückzulassen, wo es – bei einer Beschädigung der Außenhülle – unkontrolliert in die Umwelt gelangen konnte. Doch an diesem Abend gediehen in der Hydrokultur noch Kopfsalat, Radieschen, Petersilie, Tomaten, ein paar Büschel Zucchinistängel und die zahlreichen anderen Nutzpflanzen, mit denen Seppo auf Adra experimentiert hatte.

Doch damit nicht genug. Im gedämpften Licht sah Kira inmitten der Stellagen sieben bogenförmig aufgereihte Töpfe. Aus jedem wuchs ein dünner Stängel mit einer zarten, violetten Blüte, die sich unter ihrem eigenen Gewicht nach unten neigte. Aus jeder Blüte brach ein Bündel pollenbeladene Staubgefäße wie Feuerwerksspiralen hervor, der samtweiche Kelch war weiß gesprenkelt.

Sternhimmel-Petunien! Ihre Lieblingsblumen! Ihr Vater hatte sie gezogen und sich mit ihnen trotz seiner gärtnerischen Fähigkeiten jede Menge Probleme eingehandelt. Sie waren launisch, anfällig für Schorf und Läuse und empfindlich gegen jedes Nährstoffungleichgewicht.

»Alan«, sagte sie überwältigt.

»Du hast mal erwähnt, wie sehr du sie magst«, erklärte er.

»Aber … wie hast du es geschafft –«

»Sie zu ziehen?« Er strahlte sie an. »Mit Seppos Hilfe. Er hatte die Samen gespeichert. Wir haben sie ausgedruckt und die letzten drei Wochen darum gekämpft, dass uns die verdammten Dinger nicht eingehen.«

»Sie sind wunderschön«, sagte Kira und versuchte gar nicht erst zu verbergen, wie bewegt sie war.

Er schloss sie in die Arme. »Gut«, sagte er, den Mund in ihrem Haar. »Ich wollte mir etwas Besonderes für dich ausdenken, bevor …«

Bevor. Das Wort brannte ihr in der Seele. »Danke«, sagte sie und löste sich nur lange genug, um mit dem Gesicht an die Blumen heranzugehen, die sie mit ihrem intensiven, würzig süßen Duft unwiderstehlich in ihre Kindheit katapultierten. »Danke«, wiederholte sie und wandte sich wieder zu Alan um. »Danke, danke, danke!« Sie drückte ihm die Lippen auf den Mund, und sie küssten sich.

»Hier«, sagte Alan, als sie sich aus der Umarmung lösten, um Luft zu holen. Er kramte eine Thermalschutzdecke unter einer der Stellagen mit Kartoffelpflanzen hervor und breitete sie im Innern des Sternhimmel-Halbkreises aus.

Darauf machten sie es sich bequem, knutschten und nippten an ihrem Punsch.

Draußen hing immer noch bedrohlich der Gasriese Zeus über ihnen, durch die Klarsicht-Druckkuppel des Gewächshauses deutlich zu erkennen. Bei ihrer Ankunft auf Adra hatte er Kira in seiner schieren Unermesslichkeit Furcht eingeflößt. Das instinktive Gefühl, er würde vom Himmel fallen und sie zermalmen, hatte sie überwältigt. Es schien einfach unmöglich zu sein, dass etwas so Großes aus eigener Kraft dort oben schweben konnte. Doch mit der Zeit hatte sie sich an den Anblick gewöhnt, und inzwischen erfüllte sie die grandiose Erscheinung mit Ehrfurcht. Sie bedurfte keiner Overlays, um ins Auge zu fallen.

Bevor … Kira zitterte. Bevor sie gingen. Bevor sie und Alan sich trennen mussten. Ihre Urlaubstage hatten sie bereits aufgebraucht, und die Firma dachte nicht daran, ihnen, zurück auf 61 Cygni, mehr als ein paar Tage Auszeit zuzubilligen.

»Hey, was hast du?«, fragte Alan sanft.

»Du weißt schon.«

»… klar.«

»Es wird nicht leichter. Das hatte ich mal gehofft, aber –« Sie schniefte und schüttelte den Kopf. Adra war ihre vierte gemeinsame Expedition und bei Weitem die längste. »Ich weiß nicht, wann ich dich das nächste Mal wiedersehe, und … ich liebe dich, Alan. Alle paar Monate Abschied zu nehmen, das ist schrecklich.«

Er blickte sie ernst an. Seine haselnussbraunen Augen schimmerten im Licht von Zeus. »Wir müssen nicht.«

Ihr Herz machte einen Satz, und für einen Moment schien die Zeit stehen zu bleiben. Seit Monaten hatte sie sich vor genau dieser Reaktion gefürchtet. Als sie ihre Stimme wieder unter Kontrolle hatte, sagte sie: »Wie meinst du das?«

»Ich meine, Schluss damit, wie ein Hüpfball hin und her zu springen. Ich bin das auch leid.« Dabei sah er sie so offen an, dass sie einen Schimmer Hoffnung hatte. Er meinte doch nicht etwa …?

»Aber was –?«

»Bewerben wir uns um Plätze auf der Shakti-Uma-Sati.«

Sie blinzelte. »Als Kolonisten.«

Er nickte eifrig. »Als Kolonisten, genau. Firmenangehörige haben fast garantiertes Zugriffsrecht, und Adra wird jeden Xenobiologen und Geologen brauchen, den sie kriegen können.«

Kira lachte, bis sie seine Miene sah. »Du meinst es ernst.«

»So ernst wie einen Riss mit Druckverlust.«

»Du hast zu viel getrunken.«

Er legte ihr die Hand an die Wange. »Nein, Kira. Ich weiß, das wäre eine gewaltige Umstellung, für uns beide, aber ich weiß auch, dass du es satthast, von einer Steinwüste zur anderen zu hasten, und ich hab keine Lust, noch mal ein halbes Jahr zu warten, bis ich dich wiedersehe. Wirklich nicht.«

Ihr stiegen Tränen in die Augen. »Ich auch nicht.«

Er legte den Kopf schief. »Also, lassen wir’s doch.«

Kira lachte unsicher und blickte zu Zeus auf, während sie versuchte, ihre Gefühle in den Griff zu bekommen. Was er vorschlug, wäre die Erfüllung ihrer kühnsten Träume. Sie hatte nur nicht so schnell damit gerechnet. Doch sie liebte Alan, und wenn dieser Weg bedeutete, mit ihm zusammenzubleiben, dann wollte sie es. Sie wollte ihn.

Über ihren Köpfen flog wie ein heller Meteor die Fidanza in niedrigem Orbit zwischen Adra und dem Gasriesen vorbei.

Sie wischte sich die Augen. »Ich glaube nicht, dass unsere Chancen so gut stehen, wie du sagst. Die Kolonien wollen nur fest liierte Paare. Das weißt du doch.«

»Ja«, sagte Alan.

Als er sich vor sie hinkniete und ein kleines Holzkästchen aus der Brusttasche zog, kam es Kira so unwirklich vor, dass sie sich am Boden festhielt. Er machte das Kästchen auf. Darin war ein Ring aus grauem Metall, besetzt mit einem bläulich violetten Juwel von einer unglaublichen Leuchtkraft.

Alan schluckte, sein Adamsapfel hüpfte. »Kira Navárez … du hast mich mal gefragt, was ich in den Sternen sähe. Ich hab dir geantwortet, ich sähe Fragen. Jetzt sehe ich dich. Ich sehe uns.« Er holte Luft. »Kira, möchtest du dein Leben mit mir teilen? Mich zum Mann nehmen, so wie ich dich zur Frau? Willst du –«

»Ja«, sagte sie in einer Aufwallung der Gefühle. Sie legte ihm die Hände um den Nacken und küsste ihn, zärtlich zuerst, dann mit wachsender Leidenschaft. »Ja, Alan J. Barnes. Ja, ich heirate dich. Ja, tausendmal ja.«

Sie sah zu, wie er ihre Hand nahm und ihr den Ring über den Finger streifte. Er fühlte sich kalt und schwer an, doch das Gewicht war angenehm.

»Der ist aus Eisen«, sagte er zärtlich. »Ich habe es von Jenan schmelzen lassen, aus Erz, das ich ihm gebracht habe. Eisen, weil es für das Knochengerüst von Adrasteia steht. Der Stein ist Tesserit. War nicht leicht zu finden, aber ich weiß ja, wie sehr du ihn magst.«

Kira nickte unwillkürlich. Tesserit kam nur auf Adrasteia vor; es ähnelte Benitoit, nur mit einem stärkeren Stich ins Violette. Es war ihr Lieblingsgestein dort, allerdings extrem selten. Alan musste lange gesucht haben, um ein so großes Exemplar von solcher Schönheit zu finden.

Sie strich ihm eine seiner kupferfarbenen Locken aus der Stirn, und während sie in diese schönen, warmherzigen Augen sah, fragte sie sich, womit sie dieses Glück verdiente. Wie sie in der ganzen, verdammten Galaxie einander hatten finden können.

»Ich liebe dich«, flüsterte sie.

»Ich liebe dich auch«, sagte er.

Da lachte Kira fast hysterisch und wischte sich die Augen. Der Ring schabte ihr an der Braue; sie würde sich erst daran gewöhnen müssen, dass sie ihn trug. »Mensch! Ziehen wir das wirklich durch?«

»Ja«, sagte Alan mit seiner wohltuenden Selbstsicherheit. »Und ob.«

»Gut.«

Er schlang die Arme um Kira, sie spürte seinen warmen Körper und reagierte mit demselben Verlangen, derselben Lust, schmiegte sich an ihn, als wollte sie sich ihm durch die Haut ins Fleisch eindrücken, bis sie eins waren.

Gemeinsam bewegten sie sich mit wilder Begierde im Innern der Sichel mit den Sternhimmelblumen und stimmten den Rhythmus ihrer Körper aufeinander ein – blind für den orangefarbenen Gasgiganten, der hoch oben wie ein Glutball über ihnen hing.

II

Reliquiar

1.

Kira klammerte sich an ihren Sitzlehnen fest, als sich das suborbitale Shuttle steil nach unten neigte und beim Landeanflug auf die Insel Nr. 302-01-0010 kurz hinter der westlichen Küste von Legba, dem Hauptkontinent in der südlichen Hemisphäre, zum Landeanflug ansetzte. Die Insel lag auf dem zweiundfünfzigsten Breitengrad in einer weitläufigen, von steilen Granitfelsen gerahmten Bucht, an der die ausmanövrierte Drohne das letzte Mal geortet worden war.

Die Vorderseite des Cockpits war von Flammen überzogen, als sich das Shuttle mit fast 7500 km/h durch Adrasteias dünne Atmosphäre brannte. Die Flammen waren nur Zentimeter von Kiras Gesicht entfernt, doch drinnen spürte sie keine Hitze.

Ringsum ächzte und rasselte der Rumpf. Sie machte die Augen zu, doch selbst bei geschlossenen Lidern loderte es unvermindert hell.

»Mann, das geht ab!«, rief Neghar neben ihr, und Kira wusste, dass sie dabei infernalisch grinste.

Kira biss die Zähne zusammen. Das Shuttle war mit dem Mag-Schild, der es vor dem weiß glühenden Inferno draußen schützte, vollkommen sicher. Vier Monate auf Adrasteia, Hunderte Flüge, und es hatte keinen einzigen Unfall gegeben. Geiger, die KI, die das Shuttle flog, hatte eine nahezu fehlerfreie Bilanz vorzuweisen; zur einzigen Störfunktion war es gekommen, als ein selbst ernanntes Ass von Captain versucht hatte, eine Kopie zu optimieren, und bei dem Experiment seine ganze Crew in den Tod geschickt hatte. Ungeachtet der hervorragenden Sicherheitsbilanz, hasste Kira den Wiedereintritt. Bei dem Lärm und Gerüttel hatte sie immer das Gefühl, das Shuttle müsste jeden Moment auseinanderbrechen, und nichts konnte sie vom Gegenteil überzeugen.

Davon abgesehen war das Manöver nicht gerade günstig für ihren Kater. Zwar hatte sie, bevor sie Alan in seiner Kabine verließ, eine Schmerztablette eingeworfen, aber die Wirkung ließ noch auf sich warten. Selbst schuld. Sie hätte es besser wissen müssen. Sie wusste es besser, doch ihre Gefühle hatten über die Vernunft gesiegt.

Sie schaltete den Feed der Shuttle-Kameras aus und konzentrierte sich auf ihren Atem.

Wir heiraten! Kira konnte es immer noch kaum glauben. Den ganzen Morgen war sie mit diesem albernen seligen Lächeln herumgelaufen. Zweifellos hatte sie sich zur Idiotin gemacht. Sie griff sich ans Brustbein, um Alans Ring unter ihrem Skinsuit zu ertasten. Sie hatten es den anderen noch nicht gesagt, und so hatte sie sich den Ring fürs Erste an einer Kette um den Hals gehängt, doch sie hatten vor, am Abend damit herauszurücken. Kira freute sich schon auf die Reaktionen der anderen, auch wenn die Neuigkeit nicht sonderlich überraschend kam.

Waren sie erst auf der Fidanza, würden sie Captain Ravenna bitten, es offiziell zu machen. Und dann wäre Alan der Ihre und sie die Seine. Dann konnten sie anfangen, eine gemeinsame Zukunft aufzubauen. 

Heirat. Jobwechsel. Sich auf einem einzigen Mond niederlassen. Eine Familie gründen. Dabei helfen, eine neue Kolonie zu gründen. Wie Alan richtig gesagt hatte, würde es gewaltige Veränderungen mit sich bringen, doch Kira war dafür bereit. Mehr als bereit. Es war das Leben, auf das sie immer gehofft hatte, das jedoch mit den Jahren in immer weitere Ferne gerückt war.

Nachdem sie sich geliebt hatten, waren sie noch stundenlang aufgeblieben und hatten geredet. Gemeinsam hatten sie überlegt, wo sie sich auf Adrasteia am besten ansiedelten, hatten über den Terraform-Aufwand und all die anderen Aktivitäten gesprochen, die sich auf und von ihrem neuen Standort aus eröffneten. Alan erging sich bis ins Detail über das Kuppelhaus, das er bauen wollte: »– und es muss eine Wanne haben, groß genug, um sich darin auszustrecken, ohne am Fußende anzustoßen, damit wir mal richtig baden können, nicht wie diese winzig kleinen Duschkabinen«, und Kira hatte sich von seiner Begeisterung anstecken lassen. Umgekehrt schwärmte sie ihm von den Gewächshäusern vor, die sie von Weyland in Erinnerung hatte, und sie kamen überein, dass sie ihre Träume viel besser gemeinsam verwirklichen konnten.

Dabei bedauerte Kira lediglich, so viel getrunken zu haben; alles nach Alans Antrag hatte sie nur noch verschwommen in Erinnerung.

Sie stöberte in ihren Overlays und rief ihre gespeicherten Daten der letzten Nacht auf. Erneut sah sie Alan wieder vor ihr knien und sagen: »Ich liebe dich«, bevor er sie in die Arme schloss. Als sie in ihrer Kindheit ihre Implantate bekommen hatte, hatten ihre Eltern kein alle Sinne erfassendes System angeschafft, da die Speicherung von Tast-, Geschmacks- und Geruchswahrnehmungen in ihren Augen eine überflüssige Extravaganz war. Zum ersten Mal wünschte sich Kira, sie hätten damals weniger pragmatisch entschieden. Sie wollte fühlen, was sie in dieser Nacht gefühlt hatte; wollte es für den Rest ihres Lebens spüren.

Nach ihrer Rückkehr zur Station Vyyborg, tröstete sie sich, würde sie sich von ihrem Bonus die entsprechenden Upgrades gönnen. Erinnerungen wie die von gestern Nacht waren zu kostbar, um sie zu verlieren, und sie würde nicht noch mehr in Vergessenheit geraten lassen.

Bei dem Gedanken an ihre Familie auf Weyland verging Kira das Lächeln fast. Sie wären von der Vorstellung, dass ihre Tochter so weit weg von zu Hause lebte, nicht begeistert, doch sie würden es verstehen. Schließlich hatten ihre Eltern einen ganz ähnlichen Schritt gewagt: Schon bevor sie auf die Welt kam, waren sie von Stewart’s World im Alpha Centauri ausgewandert. Und ihr Vater hatte immer davon gesprochen, dass es das große Ziel der Menschheit sei, sich über die Sterne auszubreiten. Sie hatten sie von Anfang an darin unterstützt, Xenobiologin zu werden, und sie würden auch hinter ihrer jetzigen Entscheidung stehen.

Sie wandte sich wieder ihren Overlays zu und öffnete das neueste Video von Weyland. Seit es vor vier Wochen eingetroffen war, hatte sie es sich schon zwei Mal angeschaut, doch in diesem Moment hatte sie plötzlich Sehnsucht danach, ihr Zuhause und ihre Familie wiederzusehen.

Als Erstes erschienen ihre Eltern am Arbeitsplatz ihres Dads. Es war früh am Morgen, das Licht schien seitlich zu den Westfenstern herein. In der Ferne zog sich die zerklüftete Gebirgssilhouette über den Horizont, deren Gipfel hinter einer Wolkenbank verschwanden.

»Kira!«, sagte ihr Dad. Er sah aus wie immer. Ihre Mom hatte einen neuen Haarschnitt; ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. »Herzlichen Glückwunsch zum Ende der Erkundungsmission. Wie laufen die letzten Tage auf Adra so? Hast du in der Region mit dem See, von der du uns erzählt hast, was Interessantes gefunden?«

»Hier ist es in letzter Zeit ziemlich kalt«, meldete sich ihre Mom. »Heute Morgen hatten wir Frost.«

Ihr Dad verzog das Gesicht. »Zum Glück funktioniert die Erdwärmeheizung.«

»Vorerst«, sagte ihre Mom.

»Vorerst. Ansonsten gibt’s eigentlich nichts Neues. Die Hensens waren neulich zum Abendessen da, und sie meinten –«

In diesem Moment flog die Tür zum Arbeitszimmer auf, und Isthah kam hereingeplatzt, wie gewohnt noch im Nachthemd, einen Becher Tee in der Hand. »Morgen, Schwesterherz!«

Kira schmunzelte, während sie weiter zusah, wie sie über dies und das drauflosplapperten, über Neuigkeiten in der Niederlassung und ihre Alltagsaktivitäten: Probleme mit den Ag-Bots bei den Ackerkulturen, die Sendungen, die sie gesehen hatten, Einzelheiten über die letzten Pflanzen, die für das Ökosystem des Planeten freigegeben worden waren, und so weiter.

Schließlich wünschten sie ihr eine gute Reise, und das Video war zu Ende. Der letzte Frame hing vor ihr, das Bild ihres Dads mitten in der Übertragung angehalten, das Gesicht ihrer Mom im schiefen Winkel eingefroren, als sie gerade sagte: »– liebe dich.«

»Ich dich auch«, murmelte Kira. Sie seufzte. Wann hatte sie es das letzte Mal geschafft, sie zu besuchen? Vor zwei Jahren? Drei? Mindestens. Viel zu lange her. Die Entfernungen und Reisedauer machten es nicht leicht.

Sie vermisste ihr Zuhause. Was nicht hieß, dass sie sich damit zufriedengegeben hätte, auf Weyland zu bleiben. Sie hatte sich abnabeln, ihre Grenzen ausloten, das Alltägliche hinter sich lassen müssen. Und genau das hatte sie getan. Sieben Jahre lang war sie in die Weiten des Alls gereist. Doch sie hatte es satt, allein zu sein, sie hatte es satt, sich Jahr um Jahr in enge Raumfähren zu zwängen. Sie war bereit, Sicherheit mit neuen Ufern zu verbinden.

Hier auf Adra, mit Alan, hoffte sie, vielleicht genau diese Balance zu finden.

2.

Nach der Hälfte der Wiedereintrittsphase ließen die Turbulenzen nach, die elektromagnetischen Störungen verschwanden zusammen mit dem ganzen Plasma. Sobald die Verbindung zur Zentrale wiederhergestellt war, erschienen in der oberen Ecke von Kiras Gesichtsfeld mehrere Zeilen gelber Text.

Sie scrollte durch die Nachrichten und brachte sich mit dem übrigen Forschungsteam auf den neuesten Stand. Fizel, der Arzt des Teams, war nervtötend wie immer, doch davon abgesehen war alles normal.

Ein neues Fenster erschien:

<Wie ist der Flug, Schatz? – Alan>

Die Aufwallung zärtlicher Gefühle, die seine Fürsorglichkeit bei ihr weckte, traf sie unerwartet. Lächelnd schickte sie ihm ihre subvokalisierte Antwort:

<Hier alles klar. Und bei dir? – Kira>

<Bei den letzten Reisevorbereitungen. Wahnsinnig spannend. Soll ich deine Kabine für dich ausräumen? – Alan>

Sie lächelte. <Danke, aber das mach ich selbst, wenn ich zurück bin. – Kira>

<’K … Hör zu, wir hatten heute Morgen keine Zeit zu reden, und ich wollte nur noch mal fragen: Ist das von gestern Nacht immer noch okay für dich? – Alan>

 

<Du meinst, ob ich dich immer noch heiraten und mich mit dir hier auf Adra ansiedeln will? – Kira>

Sie schrieb weiter, bevor er antworten konnte: <Ja. Meine Antwort lautet immer noch Ja. – Kira>

<Gut. – Alan>

 

<Und du? Ist es für dich noch okay? – Kira>

Als sie die Nachricht verschickte, hielt sie den Atem an.

Seine Antwort kam prompt: <Hundert Prozent. Ich wollte nur sichergehen, dass für dich alles in Ordnung ist. – Alan>

Sie schmolz dahin. <Mehr als das. Und ich weiß es zu schätzen, dass du dich vergewissern wolltest. – Kira>

<Gern geschehen, Schatz. Oder sollte ich sagen … Verlobte? – Alan>

Kira entfuhr ein vergnügter Laut. Sie konnte ihn nicht unterdrücken.

»Alles klar bei dir?«, fragte Neghar, und Kira spürte den Blick der Pilotin auf sich.

»Alles bestens.«

Sie und Alan unterhielten sich, bis die Bremsraketen zündeten und sie mit heftigem Rütteln in die Gegenwart zurückholten.

<Muss Schluss machen. Wir landen jeden Moment. Melde mich später. – Kira>

 

<K. Viel Spaß ;-) – Alan>

 

<Sicher doch. – Kira>

Im selben Moment sagte ihr Geiger ins Ohr: »Landeberührung in zehn … neun … acht … sieben …«

Seine Stimme war ruhig und emotionslos, mit einem leichten, gepflegten magellanischen Akzent. Insgeheim hatte sie ihn Heinlein getauft. Er klang, als müsste er Heinlein heißen, wenn er ein Mensch wäre. Aus Fleisch und Blut. Mit einem Körper.

Kurz vor dem Aufsetzen sackten sie ab, wovon sich ihr wie immer der Magen zusammenzog und ihr Puls beschleunigte. Die Fähre krängte ein paar Grad nach links, bevor sie in den Staub sank.

»Mach nicht zu lange, hörst du?«, sagte Neghar, während sie ihren Gurt abschnallte. Alles an ihr war sauber und adrett, von ihren fein geschnittenen Zügen bis hin zu den Falten an ihrem Overall und den festen Zöpfen, die ihr in akkuraten Linien den Kopf bedeckten. Am Revers trug sie immer eine goldene Nadel: in Erinnerung an Kollegen, die sie bei der Ausübung ihrer Pflichten verloren hatte. »Yugo sagt, er macht heute frische Zimtschnecken zum Abschied vor dem Start. Wenn wir uns nicht beeilen, sind die bei unserer Rückkehr schon alle weg.«

Auch Kira wand sich aus ihren Gurten. »Gleich wieder da.«

»Kann ich dir nur raten. Bei Zimtschnecken kenne ich keine Gnade.«

Als Kira den Helm aufsetzte, schlug ihr der schale Geruch wiederaufbereiteter Luft entgegen. Adrasteias Atmosphäre war dicht genug zum Atmen, aber wenn man es versuchen würde, brächte es einen um. Nicht genug Sauerstoff. Noch nicht, und es würde Jahrzehnte dauern, das zu ändern. Der Sauerstoffmangel war auch der Grund dafür, dass Adra keine Ozonschicht besaß. Wer nach draußen ging, musste sich strikt gegen die UV- und andere Strahlung schützen, wenn er nicht den schlimmsten Sonnenbrand seines Lebens bekommen wollte.

Wenigstens ist die Temperatur erträglich, dachte Kira. Sie würde nicht mal die Heizung in ihrem Skinsuit einschalten müssen.

Sie stieg in die enge Druckschleuse und zog die innere Luke hinter sich zu. Sie schloss sich mit einem metallischen Geräusch.

»Atmosphärenaustausch eingeleitet, Stand-by«, sagte ihr Geiger ins Ohr.

Die Anzeige wechselte zu Grün. Kira drehte am Rad in der Mitte der äußeren Luke und drückte dagegen. Die Versiegelung brach mit einem klebrig reißenden Geräusch, und das rötliche Licht von Adrasteias Himmel flutete in die Schleuse.

Die Insel war ein wenig anheimelnder Haufen Felsen und rostfarbene Erde, so groß, dass sie nicht das andere Ende, sondern nur die nächstgelegene Küste sehen konnte. Hinter der Landmasse lag eine graue Wassermasse wie ein Bleiblech vor ihr, vom wolkenlosen Himmel mit Glanzlichtern auf den Wellenkräuseln. Ein giftiger Ozean, schwer, mit Kadmium und Quecksilber und Kupfer.

Kira sprang von der Luftschleuse herunter und schloss die Luke hinter sich. Beim Blick auf die Telemetrie von der abgestürzten Drohne runzelte sie die Stirn. Das organische Material, das sie ausgemacht hatte, befand sich nicht wie erwartet am Wasser, sondern auf der Oberfläche eines weitläufigen Hügels einige Hundert Meter weiter südlich.

Was soll’s. Über das holprige, bröckelige Gelände machte sie sich mit vorsichtigen Schritten auf den Weg. Dabei erschienen Datenblöcke vor ihr, mit Infos zur chemischen Zusammensetzung, Ortstemperatur, Dichte, mutmaßlichem Alter und Radioaktivität des Territoriums. Der Scanner an ihrem Gürtel speiste diese Angaben in ihre Overlays und sendete sie gleichzeitig an die Fähre.

Pflichtgemäß ging Kira den Text durch, konnte darin aber nichts Neues entdecken. Bei den wenigen Gelegenheiten, zu denen sie sich genötigt sah, Bodenproben zu nehmen, war das Ergebnis so unspektakulär, wie es nur ging: Mineralien, Spuren organischer und vororganischer Verbindungen, hier und da anärobische Bakterien.

Auf dem Hügel angekommen, stieß sie in einem Felsplateau auf tiefe Furchen, Spuren der letzten planetarischen Vergletscherung. Der größere Teil des Plateaus war von orangefarbenen, flechtenartigen Bakterien überzogen. Kira erkannte die Spezies auf den ersten Blick – B. Loomisii –, doch zur Bestätigung schabte sie dennoch eine Probe ab.

Aus biologischer Sicht war Adrasteia von geringem Interesse. Ihr bemerkenswertester Fund war eine Gattung Methan fressender Bakterien unter der arktischen Eisdecke gewesen – Bakterien mit einer ungewöhnlichen fettlöslichen Zellwandstruktur. Aber das war’s auch schon. Sie würde natürlich eine zusammenfassende Studie zu Adrasteias Biom erstellen und den Beitrag mit Glück in ein paar der obskureren Fachzeitschriften bekommen, aber das war nichts, was Begeisterungsstürme auslösen würde.

Andererseits war es für das Terraforming von Vorteil, dass es keine höher entwickelten Lebensformen gab: Damit war der Mond wie ein Lehmklumpen, den die Firma und die Siedler nach freiem Belieben formen konnten. Anders als auf Eidolon, dem wunderschönen, tödlichen Eidolon, hätten sie hier nicht einen unablässigen Kampf gegen die heimische Flora und Fauna zu führen.

Während Kira darauf wartete, dass ihr Chiplabor die Analyse fertigstellte, stieg sie zum Kamm des Hügels hinauf und ließ den Blick über die zerklüfteten Felsen und den metallischen Ozean schweifen.

Die Aussicht, wie lange es dauern würde, bis sie die Meere mit etwas anderem beimpfen konnten als mit gengespleißten Algen und Plankton, war ernüchternd.

Das hier wird unser Zuhause sein. Es war eine Herausforderung, gewiss, aber machbar. Auch Weyland war anfangs nicht freundlicher gewesen, und Kira erinnerte sich nur zu gut an die gewaltigen Verbesserungen, die sie im Laufe ihrer Kindheit auf dem Planeten gesehen hatte. Ehemaliges Brachland wurde in fruchtbaren Boden verwandelt, auf dem sich nach und nach eine grüne Landschaft ausbreitete, und man konnte für begrenzte Zeit sogar ohne Sauerstoffzusatz herumlaufen. Sie war optimistisch. Adrasteia war bewohnbarer als neunundneunzig Prozent der Planeten in der Galaxie. Aus astronomischer Sicht war der Mond eine fast perfekte Entsprechung zur Erde und ihr viel ähnlicher als etwa ein High-G-Planet wie Shin-Zar und sogar ähnlicher als die Venus mit ihren schwebenden Wolkenstädten.

Vor welche Probleme sie Adrasteia auch stellen mochte, Kira war bereit, sie anzupacken, wenn sie und Alan dadurch zusammenbleiben konnten.

Wir heiraten! Grinsend hob Kira die Arme über den Kopf, spreizte die Finger und blickte empor, als könne sie ihr Glück nicht fassen. Nie zuvor war ihr etwas so richtig vorgekommen.

In ihrem Ohr schrillte ein Piepton.

3.

Das Chiplab war fertig mit der Analyse. Sie überprüfte das Ergebnis. Wie vermutet, handelte es sich bei den Bakterien um B. Loomisii.

Kira seufzte und schaltete das Gerät aus. Mendoza hatte recht gehabt: Es war ihre Pflicht, das biologische Material von dort zu analysieren, wenn auch, wie sie gleich gewusst hatte, Zeitverschwendung.

Was soll’s. Zurück zum Hauptquartier und zu Alan und dann ab in die Fidanza.

Kira machte sich an den Abstieg vom Hügel. Aus reiner Neugier spähte sie zu der Stelle hinüber, an der die Drohne zerschellt war. Neghar hatte während des Landeanflugs die Stelle identifiziert und markiert.

Da. Anderthalb Kilometer von der Küste entfernt, nicht weit von der Inselmitte, hob sich eine gelbe Box von einer Stelle im Boden ab, direkt neben …

»Wow!«

Eine Formation zerklüfteter, pfeilerartiger Felsen ragte in einem steilen Winkel aus dem Boden. Kira hatte auf Adra viele Örtlichkeiten besucht, doch so etwas sah sie zum ersten Mal.

»Petra: Gehe auf visuelles Ziel. Analysiere.«

Ihr System reagierte. Umrisse um die Gesteinsformation leuchteten auf, gefolgt von einer langen Liste Elemente, die daneben durchscrollten. Kira zog die Augenbrauen hoch. Alan war der Geologe, doch sie kannte sich gut genug aus, um zu sehen, wie ungewöhnlich so viele Elemente in einem einzigen Cluster waren.

»Thermik ist erhöht«, murmelte sie. Ihr Gesichtsschutzschirm verdunkelte sich, und die Welt ringsum verwandelte sich in ein impressionistisches Gemälde aus Blau-Schwarz und – da, wo der Boden die Sonnenwärme aufgesogen hatte – gedämpften Rotschattierungen. Erwartungsgemäß war die Formation perfekt an die Umgebungstemperatur angepasst.

<Hey, sieh dir das an. – Kira> Sie leitete die Auswertung an Alan weiter.

Keine Minute später: <Was zum Teufel … bist du sicher, dass deine Instrumente nicht spinnen? – Alan>

<Ja, schon. Wofür hältst du das? – Kira>

 

<Keine Ahnung. Könnte eine Lavaextrusion sein … kannst du mir einen Scan rüberschicken? Und vielleicht ein paar Proben sammeln? Staub, Stein, wo du drankommst. – Alan>

 

<Wenn du drauf bestehst. Ist allerdings kein Spaziergang. – Kira>

 

<Ich werd mich auch erkenntlich zeigen. – Alan>

 

<Mmm. Klingt verlockend, Schatz. – Kira>

 

<Will ich meinen – Alan>

Sie grinste und ging aus dem Infrarot, bevor sie sich auf den Weg den Hang hinunter machte. »Neghar, bitte kommen!«

Statisches Knistern und dann: *Was gibt’s?*

»Ich brauch noch mal ’ne halbe Stunde oder so. Tut mir leid.«

*Verdammt! Diese Zimtschnecken gibt’s höchstens noch …*

»Ich weiß. Ich muss für Alan etwas recherchieren.«

*Was denn?*

»Ein paar Felsformationen, ein Stück weit ins Innere.«

*Und DAFÜR willst du Yugos Schnecken opfern?*

»Tut mir leid, du weißt ja, wie das ist. Außerdem hab ich so was bis jetzt noch nicht gesehen.«

Eine Sekunde Stille. *Also gut. Aber beweg deinen Hintern so schnell wie möglich wieder her, verstanden?*

»Verstanden, Hintern bewegen«, sagte Kira. Sie lachte leise und legte einen Zahn zu.

Wo es der unebene Boden erlaubte, ging sie in Laufschritt über und erreichte nach zehn Minuten das zur Seite geneigte Gebilde. Es war größer, als sie von Weitem geschätzt hatte.

Der höchste Punkt überragte sie um volle sieben Meter, und am unteren Ende hatte es einen Durchmesser von über zwanzig Metern, mehr als die Länge der Fähre. Die zerklüftete Gruppe aus Pfeilern, schwarz und facettiert, erinnerte sie an Basalt, andererseits hatte die Oberfläche einen öligen Schimmer, so ähnlich wie Kohle oder Grafit.

Irgendwas an der Erscheinung der Felsen irritierte Kira. Sie waren zu dunkel. Zu blank und scharfkantig, zu verschieden von der übrigen Landschaft, eine zerfallene Felsnadel, einsam und allein inmitten einer Wüste aus Granit. Und auch wenn sie wusste, dass nur ihre Fantasie mit ihr durchging, schien von der Formation etwas Unheimliches auszugehen, wie eine leise Vibration, gerade mal stark genug, um zu stören. Wäre sie eine Katze, hätten sich Kira die Haare aufgestellt.

Sie verzog das Gesicht.

Nichts in der Gegend deutete darauf hin, dass es dort irgendwo einen Vulkanausbruch gegeben hatte. Vielleicht einen Meteoriteneinschlag? Aber auch das ergab keinen Sinn. Kein Splitterwall oder Krater.

Sie ging einmal ringsherum und sah sich die Sache genauer an. An der Rückseite entdeckte sie in kurzer Entfernung die Überreste der Drohne: eine lange Spur geborstener und geschmolzener Einzelteile.

Gewaltiger Blitzeinschlag, dachte Kira. Die Drohne muss ziemlich schnell unterwegs gewesen sein, damit sich die Trümmerteile so weit verstreuen konnten.

Immer noch mit diesem unbehaglichen Gefühl, wechselte sie in ihrem Schutzanzug die Stellung. Was auch immer sie da vor sich hatte, sie gönnte es Alan, das Geheimnis zu lüften. Damit hätte er auf dem Flug von der Einrichtung gut zu tun.

Sie nahm eine Bodenprobe und machte sich anschließend auf die Suche, bis sie einen kleinen schwarzen Gesteinssplitter fand. Sie hielt ihn gegen die Sonne. Er hatte eine deutlich sichtbare kristalline Struktur: ein schuppenartiges Muster, das sie an Kohlenstofffasergewebe erinnerte. Aufprallkristalle? Was auch immer es sein mochte, es war ungewöhnlich.

Sie steckte den Splitter in einen Probenbeutel und ließ den Blick ein letztes Mal über die Gesteinsformation schweifen.

Ein silbriges Blitzen, nur ein paar Meter über dem Boden, erregte ihre Aufmerksamkeit.

Kira sah genauer hin.

In einer der Säulen öffnete sich ein Spalt, in dem in einer gezackten Linie weißes Flöz erschien. Sie sah in ihren Overlays nach: Das Flöz befand sich zu tief im Innern des Spalts, um es vernünftig zu scannen. Der Scanner konnte ihr lediglich sagen, ob es radioaktiv war.

Die Funkverbindung knisterte, und Neghar sagte: *Wie läuft’s, Kira?*

»Gleich fertig.«

*’K, beeil dich, ja?*

»Schon gut, schon gut«, murmelte Kira.

Sie spähte in den Spalt, um zu sehen, ob es sich lohnte, für einen Blick aus der Nähe hinaufzusteigen. Fast hätte sie sich erneut bei Alan gemeldet, entschied sich aber dagegen. Wenn sie nicht herausfand, worum es sich bei dem Flöz handelte, würde ihm die Frage keine Ruhe lassen, bis sie hoffentlich nach Adra zurückkehrten und er Gelegenheit hatte, es selbst in Augenschein zu nehmen.

Das konnte Kira ihm nicht antun. Zu oft hatte sie gesehen, wie er bis tief in die Nacht aufblieb und über unscharfem Filmmaterial einer Drohne brütete.

Und so schwer war der Spalt nun auch wieder nicht zu erreichen. Wenn sie an der Stelle anfing und dann dort weiter, konnte sie vielleicht … Kira lächelte. Die Sache reizte sie. Zwar hatte ihr Skinsuit keine eingearbeiteten Geckopolster, aber für eine einfache Kletterpartie wie diese machte das nichts.

Sie ging zu einem schrägen Pfeiler, der nur einen Meter über ihrem Kopf endete. Sie holte einmal tief Luft, ging in die Knie und sprang.

Die raue Kante des Steins grub sich ihr in die Finger, als sie sich daran festhielt. Sie schwang ein Bein über die Spitze und zog sich ächzend hoch.

Kira blieb auf allen vieren und hielt sich an den unebenen Steinen fest, bis sich ihr Puls normalisierte. Dann richtete sie sich vorsichtig auf. Von da aus war es relativ leicht. Sie sprang zu einem anderen hinüber, von dem aus sie noch ein paar weitere hinaufklettern konnte.

Der letzte Meter war ein bisschen schwieriger; Kira musste die Finger zwischen zwei Pfeiler klemmen, während sie sich von einem Halt zum nächsten schwang. Glücklicherweise bot sich ihr unterhalb des Spalts mit dem Flöz ein breiter Felsvorsprung, auf dem sie nicht nur stehen, sondern sich auch bewegen könnte.

Sie schüttelte die Hände aus, um wieder Blut in die Finger zu bekommen, und ging gespannt zu der Kluft hinüber. Aus der Nähe sah das weiße Flöz metallisch und dehnbar aus, wie eine Ader aus reinem Silber. Allerdings konnte es keine sein, denn es war nicht angelaufen.

Sie richtete ihre Overlays auf das Flöz aus.

Terbium?

Kira kannte gerade einmal die chemische Bezeichnung. Eins der Elemente in der Platin-Gruppe, wenn sie sich nicht täuschte. Sie sah nicht extra nach, wusste aber, dass ein Metall wie dieses in so reiner Form selten war.

Sie beugte sich vor und spähte in den Spalt, um einen besseren Winkel für den Scanner zu bekommen …

Peng!

So laut wie ein Schuss. Vor Schreck zuckte Kira zurück, rutschte ab und merkte, wie der ganze Vorsprung, auf dem sie stand, unter ihr nachgab.

Sie stürzte –

Ein Bild schoss ihr durch den Kopf, wie sie mit gebrochenen Knochen unten am Boden lag.

Kira jaulte auf und fuchtelte, um den Pfeiler zu packen, mit den Armen in der Luft, griff jedoch daneben und –

Dunkelheit verschlang sie, Donner dröhnte ihr in den Ohren; als sie mit dem Kopf gegen die Felsen schlug, zuckten ihr Blitze durch den Kopf. Schläge trafen sie von allen Seiten, die Schmerzen schossen ihr in Arme und Beine.

Die Tortur währte Minuten.

Dann plötzlich hatte sie das Gefühl zu schweben –

und in der nächsten Sekunde schlug sie auf einen harten Haufen Gestein auf.

4.

Benommen blieb Kira liegen.

Die Wucht des Aufpralls hatte ihr den Atem genommen. Sie versuchte, die Lunge vollzupumpen, doch ihre Muskeln reagierten nicht. Kurz fürchtete sie zu ersticken, doch dann entspannte sich ihr Zwerchfell wieder, und sie schnappte gierig nach Luft. Nach den ersten Zügen zwang sie sich in einen ruhigeren Atemrhythmus.

Vor ihr nichts als Fels und Dunkelheit.

Sie überprüfte ihre Overlays: der Skinsuit noch intakt, kein Druckverlust festzustellen. Erhöhter Puls und Blutdruck, Sauerstoffsättigung im oberen normalen Bereich, Cortisol wie erwartet massiv erhöht. Zu ihrer Erleichterung sah sie keine gebrochenen Knochen, auch wenn sich ihr Ellbogen anfühlte wie mit dem Hammer zerschmettert, und sie wusste, dass sie sich tagelang mit Verstauchungen und Blutergüssen herumquälen würde.

Sie wackelte mit Fingern und Zehen, um festzustellen, ob sie den Sturz unbeschadet überstanden hatten.

Mit der Zunge nahm Kira zwei Dosen flüssiges Norodon. Sie sog das Schmerzmittel von ihrer Ernährungssonde ein und schluckte es, trotz des widerlich süßen Geschmacks. Das Norodon würde ein paar Minuten brauchen, um richtig zu wirken, doch schon jetzt gingen die Schmerzen zurück.

Sie lag auf einem Haufen Geröll. Die scharfen Kanten gruben sich ihr unangenehm in den Rücken. Mit schmerzverzerrtem Gesicht rollte sie sich von dem Haufen zur Seite und kam auf Knie und Hände.

Der Boden war erstaunlich flach – und mit einer dicken Staubschicht bedeckt. Auch wenn es wehtat, rappelte sich Kira auf. Kaum stand sie, war ihr schwindelig. Sie stützte sich auf die Oberschenkel, bis das Gefühl verging, und sah sich um.

Durch das gezackte Loch, in das sie gestürzt war, drang ein Strahl herein, die einzige Lichtquelle. Darin erkannte sie, dass sie sich in einer kreisrunden Höhle von vielleicht zehn Metern Durchmesser befand –

Es war keine Höhle, und auf Anhieb konnte sie sich keinen Reim auf das machen, was sie sah – es wollte einfach nicht zusammenpassen. Der Boden war flach, die Wände glatt, die Decke zur Kuppel gewölbt. Und in der Mitte stand ein … Stalagmit? Ein Stalagmit, der ihr bis zur Taille reichte und nach oben hin breiter wurde.

In Kiras Kopf überschlugen sich die Gedanken, während sie sich vorzustellen versuchte, wie dieser Raum entstanden sein könnte. Ein Wasserstrudel? Ein Wirbelwind? Doch dann müsste es überall Furchen geben … oder könnte es eine Lavablase sein? Aber es war kein Vulkangestein.

Und dann begriff sie. Die Wahrheit war so unglaublich, dass sie das Offensichtliche nicht hatte sehen wollen.

Die Höhle war keine Höhle. Es war ein Raum.

»Thule«, flüsterte sie. Sie war nicht religiös, doch in diesem Moment schien ein Gebet die einzig angemessene Reaktion zu sein.

Aliens. Intelligente Aliens. Kira erfasste eine Mischung aus Angst und überwältigender Freude.

Ihr brach der Schweiß aus, ihr Puls hämmerte.

Bis dato war nur ein einziges weiteres Alien-Artefakt gefunden worden: das Große Signal, auf Talos VII. Kira war damals erst vier Jahre alt gewesen, und doch konnte sie sich noch genau an den Moment erinnern. In den Straßen von Highstone war plötzlich Totenstille eingekehrt, als alle auf ihre Overlays starrten und versuchten, die Offenbarung zu erfassen, dass die Menschen nicht die einzige hoch entwickelte Spezies in der Galaxis waren. Die Geschichte von Dr. Crichton, Xenobiologe und Mitglied der ersten Expedition zum Rand des Großen Signals, gehörte zu den frühesten und drängendsten Inspirationen für ihren Wunsch, Xenobiologin zu werden. Manchmal hatte sie ihrer Fantasie freien Lauf gelassen und davon geträumt, selbst einmal eine ebenso bedeutsame Entdeckung zu machen, auch wenn die Chancen gegen null zu gehen schienen.

Kira zwang sich, wieder normal zu atmen. Sie brauchte jetzt einen kühlen Kopf.

Niemand wusste, was aus den Schöpfern des Signals geworden war. Sie waren längst tot oder verschwunden, und es hatte sich kein Hinweis darauf gefunden, wie man sie sich vorzustellen hatte, woher sie stammten und welche Absichten sie hatten. War auch das hier ihr Werk?

Wie auch immer die Antwort lauten mochte, dieser Raum war ein Fund von historischer Bedeutung. Dort hineingefallen zu sein, war wahrscheinlich das Wichtigste, was sie in ihrem ganzen Leben zustande bringen würde. Die Entdeckung würde sich rasend durch den gesamten besiedelten Weltraum verbreiten. Es gäbe Interviews und Medienauftritte; jeder würde darüber reden. Gott, wie viele Aufsätze sie veröffentlichen konnte … ganze Karrieren fußten auf weit weniger.

Ihre Eltern würden so stolz auf sie sein. Besonders Dad; ein weiterer Beweis für die Existenz intelligenter Aliens wäre ihm eine Freude, die alles andere in den Schatten stellte.

Aber eins nach dem anderen. Erst einmal musste sie dafür sorgen, dass sie das Ereignis überlebte. Sie wusste ja nicht einmal, ob es sich bei diesem Raum um ein automatisiertes Schlachthaus handelte. Leicht paranoid ging Kira noch mal ihre Suit-Daten durch. Nach wie vor keine Beschädigung. Gut. Dann brauchte sie sich vor keiner Kontamination mit außerirdischen Organismen zu fürchten.

Sie aktivierte ihre Funkverbindung. »Neghar, bist du da?«

Stille.