Internationale Ökonomie - Bernd Kempa - E-Book

Internationale Ökonomie E-Book

Bernd Kempa

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Beschreibung

This textbook covers the essential areas of real and monetary foreign-trade theory. Both traditional and more recent modelling approaches are presented, with particular attention being paid to the empirical relevance and applicability of the models. Even complex interrelationships are made comprehensible through a step-by-step and detailed presentation. The book is thus equally suitable as an introductory text as well as a basis for further analysis of current issues in the field of international trade.

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Bernd Kempa

Internationale Ökonomie

2., erweiterte und aktualisierte Auflage

Verlag W. Kohlhammer

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

2., erweiterte und aktualisierte Auflage 2022

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-040536-3

E-Book-Formate:

pdf:           ISBN 978-3-17-040537-0

epub:        ISBN 978-3-17-040538-7

Für den Inhalt abgedruckter oder verlinkter Websites ist ausschließlich der jeweilige Betreiber verantwortlich. Die W. Kohlhammer GmbH hat keinen Einfluss auf die verknüpften Seiten und übernimmt hierfür keinerlei Haftung.

Vorwort zur zweiten Auflage

 

 

Seit der Erstauflage dieses Lehrbuchs sind inzwischen 10 Jahre vergangen. Während die inhaltliche Struktur in dieser zweiten Auflage unverändert bleibt, werden alle behandelten Themengebiete aktualisiert und in einigen Bereichen erweitert, um die neueren Entwicklungen in der theoretischen und empirischen Forschung zur Außenwirtschaft aufzunehmen und zugleich die Darstellung der einzelnen Themengebiete im Lehrbuch abzurunden. Als neue Elemente finden sich Ausführungen

•  zur geografischen Verteilung der Wohlfahrtswirkungen des internationalen Handels (Kapitel 2.5),

•  zum Zwischenprodukthandel und zu internationalen Wertschöpfungsketten (Kapitel 3.3),

•  zur neuen quantitativen Handelstheorie (Kapitel 4.4),

•  zu den Wohlfahrtswirkungen einer Exportsteuer in einem kleinen Land (Kapitel 5.2),

•  zur Europäischen Währungsunion (Kapitel 6.3),

•  zur periodisch wiederkehrenden Dollarknappheit auf den Weltfinanzmärkten (Kapitel 7.1),

•  zur zeitlichen Dimension von Leistungsbilanzsalden (Kapitel 8.3),

•  sowie zu makroökonomischen Anpassungsprozessen bei festen und flexiblen Wechselkursen (Kapitel 9.1).

Über die letzten Jahre habe ich von zahlreichen Diskussionen mit Kolleginnen und Kollegen, meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie meinen Studierenden profitiert, welche die Revision des Lehrbuchs beflügelt haben. Mein besonderer Dank gilt meinem ehemaligen Lehrer und Mentor Herrn Professor Dr. Karlhans Sauernheimer für seine sehr wertvolle und konstruktive Kritik an der ersten Auflage des Lehrbuchs, sowie meinem Mitarbeiter Herrn Adrian Schröder, der mir bei der Datenaufbereitung behilflich war und eine Vielzahl von Verbesserungsvorschlägen zur zweiten Auflage beigesteuert hat. Die Verantwortung für eventuell verbleibende Fehler und Ungenauigkeiten liegt jedoch allein bei mir.

Münster, im Januar 2022

Vorwort zur ersten Auflage

 

 

In der volkswirtschaftlichen Lehrbuchliteratur lässt sich eine zunehmende Zweiteilung im Hinblick auf das analytische Anspruchsniveau beobachten. Auf der einen Seite beschränkt sich eine wachsende Zahl von Lehrbüchern auf eine weitgehend grafische und verbale Darbietung der Inhalte, während sich auf der anderen Seite Lehrbücher mit einem erheblichen Abstraktionsgrad finden, deren Lektüre ohne fundierte analytische Vorkenntnisse kaum möglich ist. Eine solche Entwicklung ist auch auf dem Gebiet der Internationalen Ökonomie zu beobachten. Mit diesem Lehrbuch wird der Versuch unternommen, einen Kompromiss zwischen diesen beiden Ausrichtungen zu finden, und auf diese Weise eine möglichst breite Leserschaft anzusprechen.

Dieses Lehrbuch behandelt die wesentlichen Gebiete der realen und der monetären Außenwirtschaftstheorie. Hauptzielsetzung des Werks liegt in der Analyse der Wirkungszusammenhänge auf den internationalen Güter-, Faktor- und Finanzmärkten. Hierbei soll die Befähigung vermittelt werden, Zustände, Entwicklungen und wirtschaftspolitische Maßnahmen im Zusammenhang mit den fortschreitenden Globalisierungstendenzen der Weltwirtschaft zu beurteilen sowie eigenständige Problemlösungen zu entwickeln. Dabei werden sowohl traditionelle als auch neuere Modellierungsansätze dargestellt, und zugleich der empirischen Relevanz und Anwendbarkeit der Modelle besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Durch eine schrittweise und detaillierte Darlegung werden auch komplexere Zusammenhänge nachvollziehbar aufbereitet. Das Werk eignet sich daher gleichermaßen als Einführungstext sowie als Basis für eine weitergehende Analyse der aktuellen Fragestellungen im Bereich der internationalen Ökonomie. Der Text kann dabei sowohl auf dem Bachelor- als auch auf dem Masterniveau eingesetzt werden, und richtet sich vorwiegend an Studierende wirtschaftswissenschaftlicher Studiengänge, insbesondere solche mit einem Schwerpunkt in außenwirtschaftlichen Fragestellungen.

Die Inhalte des Lehrbuchs sind in weiten Teilen im Rahmen unterschiedlicher Lehrveranstaltungen zusammengestellt und aufbereitet worden, die ich im Verlaufe der letzten 10 Jahre an den Universitäten Duisburg-Essen, Frankfurt (Oder), Hohenheim, Köln, Konstanz und Münster gehalten habe. Durch das Feedback der Studierenden konnte die Präsentation dabei stetig weiterentwickelt werden. Mein besonderer Dank gilt Dr. Tino Berger, Sibylle Herz, Jana Riedel und Wolfram Wilde für die konstruktive Kritik an verschiedenen Teilen des Manuskripts, sowie Herrn Jakob Seevaldt für die Datenaufbereitung und die Anfertigung der Grafiken.

 

Münster, im April 2011

Bernd Kempa

Inhaltsverzeichnis

 

 

Vorwort zur zweiten Auflage

Vorwort zur ersten Auflage

1  Einführung

1.1  Untersuchungsgegenstand der Internationalen Ökonomie

1.2  Themengebiete und Struktur des Lehrbuchs

2  Technologieunterschiede als Basis des Handels: Das Ricardo-Modell

2.1  Das Ricardianische Basismodell

2.1.1  Absolute und komparative Vorteile

2.1.2  Modellannahmen

2.1.3  Produktionsmöglichkeitenkurve und Grenzrate der Transformation

2.1.4  Handelsöffnung und Handelsmuster

2.1.5  Handelsgewinne

2.1.6  Produktivitätsunterschiede und Lohnniveaus

2.2  Wohlfahrtswirkungen des internationalen Handels

2.2.1  Nachfragepräferenzen

2.2.2  Wohlfahrtsgewinne des Außenhandels

2.2.3  Quantifizierung von Wohlfahrtseffekten

2.3  Weltmarktpreise und die Terms of Trade im internationalen Gleichgewicht

2.3.1  Weltgütermärkte und Weltpreisverhältnis

2.3.2  Terms of Trade und Handelsgewinne

2.3.2.1  Weltpreisverhältnis und Terms of Trade

2.3.2.2  Wohlfahrtsimplikationen einer Veränderung der Terms of Trade am Beispiel technischen Fortschritts

2.3.2.3  Verelendungswachstum

2.3.2.4  Handelsgewinne im Fall des großen Landes

2.4  Das Ricardo-Modell mit einem Kontinuum von Gütern

2.4.1  Modellstruktur

2.4.2  Weltgütermarktgleichgewicht

2.4.3  Technischer Fortschritt, komparative Vorteile und Produktionsstruktur

2.5  Technologie, Geografie und internationaler Handel

2.6  Zusammenfassung

2.7  Übungsaufgaben

3  Faktorausstattungsunterschiede als Handelsursache: Das Heckscher-Ohlin-Modell

3.1  Faktorausstattungsunterschiede und komparative Vorteile

3.1.1  Faktorintensitäten und Produktionsmöglichkeitenkurve

3.1.2  Das Heckscher-Ohlin-Theorem

3.1.3  Internationaler Handel und Faktormärkte

3.1.3.1  Das Faktorpreisausgleichstheorem

3.1.3.2  Das Stolper-Samuelson-Theorem

3.1.3.3  Das Rybczynski-Theorem

3.1.4  Eine numerische Illustration der Ergebnisse

3.1.4.1  Das Autarkiegleichgewicht

3.1.4.2  Das Handelsgleichgewicht

3.1.4.3  Faktorpreisausgleich und Faktorintensitätsumkehrung

3.1.4.4  Stolper-Samuelson und Rybczynski-Effekte

3.2  Verallgemeinerungen des Heckscher-Ohlin-Modells

3.2.1  Sektorspezifische Faktoren: Das Ricardo-Viner-Modell

3.2.2  Handelsstruktur bei einer Vielzahl von Gütern

3.3  Globale Wertschöpfungsketten

3.3.1  Globalisierung und Lohnstruktur

3.3.2  Internationaler Handel mit Zwischenprodukten

3.3.3  Offshoring von Dienstleistungen

3.4  Empirische Untersuchungen des Heckscher-Ohlin-Modells

3.4.1  Das Leontief-Paradoxon

3.4.2  Der Leamer-Test

3.4.3  Empirische Tests des Heckscher-Ohlin-Vanek-Theorems

3.5  Zusammenfassung

3.6  Übungsaufgaben

4  Zunehmende Skalenerträge und intraindustrieller Handel

4.1  Externe Skalenerträge und komparative Vorteile

4.1.1  Externe versus interne Skalenerträge

4.1.2  Ein Handelsmodell mit externen Skalenerträgen

4.2  Interne Skalenerträge und intraindustrieller Handel

4.2.1  Produktdifferenzierung, Produktvielfalt und Handel: Das Krugman-Modell

4.2.2  Das Krugman-Modell mit CES-Präferenzen

4.2.3  Internationaler Handel und Unternehmensorganisation: Das Melitz-Modell

4.2.4  Internationale Direktinvestitionen und multinationale Unternehmen

4.3  Empirische Befunde zum intraindustriellen Handel

4.3.1  Zur Bedeutung des intraindustriellen Handels

4.3.2  Das Gravitationsmodell

4.3.3  Gravitationsgleichung und intraindustrieller Handel

4.3.4  Wohlfahrts-, Skalen- und Selektionseffekte des internationalen Handels

4.3.5  Das Knowledge-Capital-Modell

4.4  Die neue quantitative Handelstheorie

4.5  Zusammenfassung

4.6  Übungsaufgaben

5  Instrumente der Handelspolitik

5.1  Einführung

5.1.1  Freihandel und Protektion

5.1.2  Das Welthandelssystem

5.1.3  Analytisches Instrumentarium der Partialanalyse

5.2  Handelspolitik bei vollständiger Konkurrenz

5.2.1  Zollwirkungen in kleinen und großen Ländern

5.2.1.1  Partialanalyse des Zolls für ein kleines Land

5.2.1.2  Totalanalyse des Zolls für ein kleines Land

5.2.1.3  Regionale Handelsintegration

5.2.1.4  Zollwirkungen in einem großen Land

5.2.2  Die Optimalzolltheorie

5.2.2.1  Theorie und Empirie des Optimalzolls

5.2.2.2  Symmetrie zwischen Importzoll und Exportsteuer

5.2.2.3  Wohlfahrtswirkungen des Zolls bei externen Skaleneffekten der Produktion

5.2.2.4  Das Erziehungszollargument

5.2.3  Sonstige tarifäre und nichttarifäre Handelshemmnisse

5.2.3.1  Exportsubvention

5.2.3.2  Quantitative Handelsbeschränkungen

5.3  Handelspolitik bei unvollständigem Wettbewerb

5.3.1  Zoll und Quote bei heimischem Monopol

5.3.2  Monopolistisches Importangebot

5.3.3  Strategische Handelspolitik

5.3.3.1  Homogene Güter und Cournot-Wettbewerb

5.3.3.2  Strategische Handelspolitik am Beispiel der Flugzeugindustrie

5.3.3.3  Heterogene Güter und Bertrand-Wettbewerb

5.4  Zusammenfassung

5.5  Übungsaufgaben

6  Zahlungsbilanz und Wechselkurs

6.1  Zahlungsbilanz, Devisenmarkt und Wechselkurs

6.1.1  Die Zahlungsbilanz

6.1.2  Devisenmarkt und Wechselkurs

6.1.3  Wechselkurs und Leistungsbilanz

6.2  Das Mundell-Fleming-Modell

6.2.1  Modellannahmen und Modellstruktur

6.2.2  Geld- und Fiskalpolitik bei festen und flexiblen Wechselkursen

6.2.2.1  Feste Wechselkurse und hohe Kapitalmobilität

6.2.2.2  Flexible Wechselkurse und hohe Kapitalmobilität

6.2.2.3  Perfekte Kapitalmobilität

6.2.3  Analytische Lösung des Mundell-Fleming-Modells

6.3  Makroökonomische Interdependenz in offenen Volkswirtschaften

6.3.1  Eine Zwei-Länder-Version des Mundell-Fleming-Modells

6.3.2  Interdependenz geld- und fiskalpolitischer Maßnahmen

6.3.2.1  Flexible Wechselkurse

6.3.2.2  Feste Wechselkurse

6.3.2.3  Geld- und Fiskalpolitik in einer Währungsunion

6.3.3  Analytische Lösung des Zwei-Länder-Modells

6.4  Zusammenfassung

6.5  Übungsaufgaben

7  Der Vermögenspreisansatz zur Wechselkursbestimmung

7.1  Internationale Paritätsbedingungen

7.1.1  Die Zinsparitätsbedingung

7.1.1.1  Zinsparität und Devisenmarkteffizienz

7.1.1.2  Empirische Evidenz zu den Zinsparitätsbedingungen

7.1.1.3  Devisenmarktineffizienzen und das Forward Premium Puzzle

7.1.2  Die Kaufkraftparitätsbedingung

7.1.2.1  Absolute und relative Kaufkraftparität

7.1.2.2  Empirische Evidenz zu den Kaufkraftparitätsbedingungen

7.1.2.3  Erklärungsansätze für das Purchasing Power Parity Puzzle

7.1.2.4  Balassa-Samuelson-Effekt

7.1.2.5  De-Industrialisierung und Dutch Disease-Effekt

7.2  Die monetäre Wechselkurstheorie

7.2.1  Das monetäre Wechselkursmodell

7.2.1.1  Modellstruktur

7.2.1.2  Der Wechselkurs als Vermögenspreis

7.2.1.3  Spekulative Blasen

7.2.2  Überschießende Wechselkurse

7.2.2.1  Das Dornbusch-Modell

7.2.2.2  Wechselkursdynamiken nominaler und realer Schocks

7.2.3  Empirische Evidenz zur monetären Wechselkurstheorie

7.3  Der Mikrostrukturansatz

7.3.1  Institutionelle Struktur des Devisenmarkts und Mikrostrukturansatz

7.3.2  Ein Mikrostrukturmodell des Devisenhandels

7.4  Zusammenfassung

7.5  Übungsaufgaben

8  Intertemporaler Handel und neue Makroökonomik offener Volkswirtschaften

8.1  Determinanten von Leistungsbilanzsalden

8.2  Das Zwei-Perioden-Basismodell des intertemporalen Handels

8.2.1  Konsum, Ersparnis und intertemporale Handelsmuster

8.2.2  Leistungsbilanzeffekte der Staatsaktivität

8.2.3  Intertemporaler Handel in einer Produktionsökonomie

8.2.4  Leistungsbilanzinterdependenzen und Weltmarktzins

8.3  Mehr-Perioden-Modelle der kleinen offenen Volkswirtschaft

8.3.1  Transitorische und permanente Einkommensschocks

8.3.2  Intertemporale Preise

8.3.3  Produktivitätsschocks

8.3.4  Leistungsbilanz und realer Wechselkurs

8.4  Das Corsetti-Pesenti-Modell

8.4.1  Modellaufbau und Modellstruktur

8.4.2  Optimalitätsbedingungen

8.4.3  Strukturelle Modellgleichungen

8.4.4  Wirkungen geld- und fiskalpolitischer Maßnahmen

8.5  Zusammenfassung

8.6  Übungsaufgaben

9  Wechselkurssysteme und Währungspolitik

9.1  Feste und flexible Wechselkurse

9.1.1  Wechselkurssysteme

9.1.2  Anpassungsmechanismen bei flexiblen und bei festen Wechselkursen

9.2  Spekulative Attacken auf Festkurssysteme

9.2.1  Währungskrisen

9.2.2  Währungskrisenmodelle der ersten Generation

9.2.3  Währungskrisenmodelle der zweiten Generation

9.2.4  Währungskrisenmodelle der dritten Generation

9.3  Wechselkurszielzonen

9.3.1  Das Zielzonenmodell von Krugman

9.3.2  Wechselkurswirkungen bei mangelnder Glaubwürdigkeit der Zielzone

9.3.3  Implikationen der Zielzonenmodelle für die Glaubwürdigkeit des Europäischen Währungssystems, 1979-1993

9.4  Devisenmarktinterventionen

9.4.1  Die Portfoliotheorie des Wechselkurses

9.4.2  Zur Effektivität offizieller Devisenmarktinterventionen

9.5  Zusammenfassung

9.6  Übungsaufgaben

Literaturverzeichnis

Stichwortverzeichnis

1          Einführung

 

 

1.1       Untersuchungsgegenstand der Internationalen Ökonomie

Die Internationale Ökonomie beschäftigt sich mit allen Fragestellungen, die sich aus der Aufnahme und Existenz ökonomischer Austauschbeziehungen zwischen souveränen Staaten ergeben. Im Zentrum des Interesses steht dabei die Bedeutung von Staatsgrenzen, die der internationalen Beweglichkeit von Gütern, Arbeitskräften, Kapitalgütern, Vermögensanlagen und Zahlungsströmen Hindernisse in den Weg legen. Die Außenwirtschaftstheorie lässt sich in eine realwirtschaftliche (primär mikroökonomische) sowie eine monetäre (primär makroökonomische) Analyse unterteilen. Die reale Außenwirtschaftstheorie abstrahiert von der Existenz des Geldes und konzentriert sich auf die Wirkungen internationaler Handelsbeziehungen auf den Güter- und Faktormärkten. Im Gegensatz dazu beschäftigt sich die monetäre Außenwirtschaftstheorie mit der Geldwirtschaft offener Ökonomien und deren Transaktionen auf den internationalen Finanzmärkten.

In der realen Außenwirtschaftstheorie wird üblicherweise zwischen handelstheoretischen und handelspolitischen Fragestellungen unterschieden. In der Handelstheorie, welche in den Kapiteln 2-4 vorgestellt wird, stehen die Auswirkungen einer Handelsliberalisierung im Vordergrund der Analyse. Dazu wird eine hypothetische Autarkiesituation als Zustand ohne jeglichen internationalen Handel mit einer Freihandelssituation als Zustand vollkommen unbeschränkten Handels verglichen. Die Handelstheorie liefert dabei Antworten auf die Fragen, warum Länder miteinander handeln, warum sich einzelne Länder auf den Export ganz bestimmter Güter spezialisieren, und inwiefern sich Volkswirtschaften durch die Aufnahme von Handelsbeziehungen gegenüber einer Autarkiesituation besserstellen. Die Handelspolitik, welcher wir uns in Kapitel 5 zuwenden, geht der Frage nach, ob sich das volkswirtschaftliche Wohlfahrtsniveau durch handelspolitische Maßnahmen wie Zölle, Exportsubventionen oder Quoten gegenüber einer Freihandelssituation noch weiter erhöhen lässt.

Die monetäre Außenwirtschaftstheorie beschäftigt sich mit geldwirtschaftlichen Aspekten internationaler Wirtschaftsbeziehungen. So begründen internationale Transaktionen in Form des Handels mit Waren und Dienstleistungen oder Finanztransaktionen, bei denen die Handelspartner unterschiedlichen Währungsräumen angehören, bei mindestens einem der Akteure ein Angebot oder eine Nachfrage nach Devisen. Daher steht der Devisenmarkt und der sich auf diesem Markt bildende Preis, der Wechselkurs, im Zentrum der Analyse. In den Kapiteln 6-8 werden die wesentlichen theoretischen Ansätze zur Erklärung von Wechselkursbewegungen vorgestellt. Dabei werden die fundamentalen Determinanten der Wechselkursbestimmung identifiziert, sowie die Ursachen für Wechselkursvolatilitäten beleuchtet. Kapitel 9 wendet sich schließlich den Implikationen der unterschiedlichen Wechselkurstheorien für die Gestaltung von Wechselkurssystemen zu.

1.2       Themengebiete und Struktur des Lehrbuchs

Dieses Lehrbuch vermittelt das für ein Verständnis weltwirtschaftlicher Zusammenhänge notwendige Basiswissen, greift aber auch neuere Entwicklungen der Außenwirtschaftstheorie auf. Die Lektüre richtet sich daher primär an Studierende mit einer Schwerpunktbildung im Bereich der Außenwirtschaftstheorie auf dem Niveau des Bachelor- sowie des Masterstudiums. Durch eine schrittweise Heranführung und detaillierte Darlegung werden dabei auch komplexere Zusammenhänge nachvollziehbar aufbereitet. Das Buch kann in weiten Teilen aber auch als Grundlagentext für eine Einführungsveranstaltung in das Themengebiet eingesetzt werden. Zu diesem Zweck ist das Lehrbuch so konzipiert, dass sich die Leserinnen und Leser jeweils auf bestimmte Teilkapitel konzentrieren können, ohne dabei den Gesamtzusammenhang des Lehrstoffs aus den Augen zu verlieren. Im Folgenden werden die Inhalte der verschiedenen Kapitel des Buches kurz skizziert.

Die Kapitel 2-9 behandeln die wesentlichen Themengebiete der realen und der monetären Außenwirtschaftstheorie. Für eine Einführungsveranstaltung eignet sich dabei in den meisten Fällen der jeweils erste Teil eines jeden Kapitels, in welchem die grundlegenden Modellierungsansätze sowie die wesentlichen wirtschaftspolitischen Implikationen zu den verschiedenen Themengebieten herausgearbeitet werden. Die nachfolgenden Teile der einzelnen Kapitel dienen einer Vertiefung und Erweiterung des Stoffes, und führen die Leserinnen und Leser vielfach an aktuelle wissenschaftliche Forschungsfragen heran. Dabei variiert der Schwierigkeitsgrad der Analyse zum Teil erheblich, so dass sich einige Teilkapitel für eine Vertiefung auf dem Bachelorniveau anbieten, während sich andere eher für einen Vertiefungskurs auf dem Masterlevel eignen.

Kapitel 2 stellt das Ricardo-Modell vor, welches Handelsbeziehungen durch internationale Technologieunterschiede motiviert. Im Rahmen dieses Modells lässt sich zeigen, dass sich alle Nationen durch die Aufnahme internationaler Handelsbeziehungen besserstellen als in Autarkie. Dieses Ergebnis resultiert selbst dann, wenn ein Land alle Produkte mit einem höheren Ressourcenaufwand produziert als seine Handelspartner. Kapitel 2.1 beschreibt zunächst die Konzepte absoluter und komparativer Vorteile und stellt das Modell durch eine Beschränkung auf die Güterangebotsseite in seiner einfachsten Version vor. In den Kapiteln 2.2 und 2.3 wird die Modelldarstellung um die Güternachfrageseite ergänzt, wodurch sich eine Analyse der Wohlfahrtswirkungen des Außenhandels eröffnet. Dabei entscheidet die Entwicklung der Terms of Trade eines Landes als Preisverhältnis seiner Exporte relativ zu seinen Importen maßgeblich über die Verteilung der Handelsgewinne. Kapitel 2.4 stellt eine auf Dornbusch, Fischer und Samuelson zurückgehende Erweiterung des Ricardo-Modells auf ein Kontinuum von Gütern vor. Hierdurch können internationale Standortverlagerungen von Produktionsstätten modelliert werden. Eine Abwanderung von Industrien aus dem Inland ins Ausland muss dabei keine Schwächung des heimischen Produktionsstandorts bedeuten, sondern kann im Gegenteil zu einer Steigerung der durchschnittlichen Produktivität der im Inland verbleibenden Industrien und zu einer damit einhergehenden Erhöhung des Volkseinkommens beitragen. Kapitel 2.5 analysiert schließlich das Eaton-Kortum-Modell als eine Erweiterung der Ricardo-Modellstruktur auf eine Vielzahl von Ländern mit einer expliziten Berücksichtigung von Handelskosten. In diesem Modellrahmen lassen sich die Wohlfahrtsgewinne des Handels gegenüber einer Autarkiesituation auf einfache Weise quantifizieren. Hierbei zeigt sich, dass kleine offene Volkswirtschaften deutlich höhere Handelsgewinne realisieren als große und eher geschlossene Länder.

Kapitel 3 wendet sich dem Heckscher-Ohlin-Modell zu, welches den internationalen Handel durch nationale Faktorausstattungsunterschiede motiviert. In Kapitel 3.1 wird die Standardversion des Modells mit zwei Ländern, zwei Gütern und zwei Produktionsfaktoren (Arbeit und Kapital) analysiert. Gemäß dem Heckscher-Ohlin-Theorem exportiert ein Land jenes Gut, welches den Faktor intensiv nutzt, mit dem dieses Land relativ reichlich ausgestattet ist. Dieses Spezialisierungsmuster führt dabei zu Wohlfahrtsgewinnen in allen am internationalen Handel beteiligten Ländern. Allerdings verteilen sich diese Gewinne ungleichmäßig auf die einzelnen Produktionsfaktoren. So realisiert nur jener Faktor Einkommenszuwächse, mit dem das Land relativ reichlich ausgestattet ist, während der andere Faktor verliert. Kapitel 3.2 verallgemeinert das Heckscher-Ohlin-Modell im Hinblick auf die Anzahl der Produktionsfaktoren und produzierten Güter. Während sich die Handelsstruktur in diesem erweiterten Rahmen nicht mehr eindeutig bestimmen lässt, kann unter bestimmten Bedingungen zumindest eine allgemeine Aussage dahingehend getroffen werden, dass jedes Land ein Güterbündel exportiert, das relativ mehr Faktorleistungen von jenem Faktor enthält, mit welchem dieses Land relativ reichlich ausgestattet ist. Kapitel 3.3 wendet sich zweier von Feenstra und Hanson sowie Grossman und Rossi-Hansberg vorgestellten Erweiterungen des Heckscher-Ohlin-Modells auf den Zwischenprodukthandel sowie das Offshoring von Dienstleistungen zu. Diese Weiterentwicklungen liefern unterschiedliche Erklärungsansätze für die empirisch beobachtbare Lohnspreizung zugunsten hochqualifizierter und zu Lasten geringqualifizierter Arbeit. Kapitel 3.4 liefert einen Überblick der empirischen Untersuchungen zum Heckscher-Ohlin-Modell und seiner Erweiterungen. Dabei zeigt sich, dass sich das Modell primär zur Erklärung des Handels zwischen Industrie- und Entwicklungsländern (Nord-Süd-Handel) eignet, jedoch weniger auf den Handel innerhalb der Gruppe der Industrieländer (Nord-Nord-Handel) oder der Entwicklungsländer (Süd-Süd-Handel) anwendbar ist.

Kapitel 4 analysiert Modelle mit zunehmenden Skalenerträgen der Produktion, mit Hilfe derer die Erklärungsdefizite der auf konstanten Skalenerträgen basierenden traditionellen Handelstheorie überwunden werden können. Kapitel 4.1 stellt das 2-Sektoren-Modell von Ethier vor, in welchem der eine Sektor mit konstanten, und der andere mit extern zunehmenden Skalenerträgen produziert. In diesem Modell kann ein Land nur bei einer Spezialisierung auf das Gut mit zunehmenden Skalenerträgen Wohlfahrtsgewinne realisieren. Diese Spezialisierung kann sich dabei rein zufällig ergeben, historisch bedingt sein, oder durch wirtschaftspolitische Eingriffe gelenkt werden. Ein beträchtlicher Teil des Handels zwischen Industrieländern ist intraindustrieller Art, so dass Produkte der gleichen Gütergruppe von den Handelspartnern sowohl exportiert als auch importiert werden. Im Krugman-Modell des Kapitels 4.2 resultiert die wohlfahrtsfördernde Wirkung des intraindustriellen Handels aus einer in jedem Land verfügbaren größeren Produktvielfalt, welche aufgrund von Skalenerträgen der Produktion zudem preisgünstiger angeboten werden kann. Die von Krugman getroffene Annahme identischer Firmen wird im Melitz-Modell dahingehend gelockert, dass sich die einzelnen Unternehmen hinsichtlich ihrer individuellen Produktivitätsniveaus unterscheiden. In diesem Modell führt eine Handelsliberalisierung in jedem Land zu einer Ressourcenumverteilung zugunsten der produktiveren Exportunternehmen, so dass sich die Produktivität jedes Landes durch die Aufnahme internationaler Handelsbeziehungen erhöht. Der Modellrahmen lässt sich um eine Berücksichtigung von Direktinvestitionen erweitern, wobei multinationale Unternehmen eine noch höhere Produktivität aufweisen als reine Exportunternehmen. Kapitel 4.3 belegt anhand empirischer Daten, dass intraindustrieller Handel für die Industrieländer von besonderer Bedeutung ist. Die Bestimmungsgründe ausländischer Direktinvestitionen können anhand des Knowledge-Capital-Modells empirisch analysiert werden. Die Ergebnisse zeigen, dass die Entstehung multinationaler Unternehmen weniger auf die Ausnutzung internationaler Faktorpreisunterschiede, sondern primär auf das Markterschließungsmotiv zurückzuführen ist. Die in Kapitel 4.4 vorgestellte neue quantitative Handelstheorie liefert einfache Formeln zur Messung der Wohlfahrtsgewinne des internationalen Handels. Gemäß dieser Maße betragen die errechneten Handelsgewinne bis zu 40 % des gesamtwirtschaftlichen Realeinkommensniveau im Vergleich zur Autarkiesituation in den jeweiligen Ländern.

Kapitel 5 befasst sich mit den Verteilungs- und Wohlfahrtswirkungen handelspolitischer Maßnahmen. Kapitel 5.1 gibt zunächst einen kurzen Überblick der historischen Entwicklung des Welthandelssystems seit dem 2. Weltkrieg, und führt in das für handelspolitische Fragestellungen geeignete partialanalytische Instrumentarium ein. Kapitel 5.2 und 5.3 analysieren unterschiedliche handelspolitische Maßnahmen unter den alternativen Annahmen vollständiger bzw. unvollständiger Konkurrenz. Ein Importzoll führt im Allgemeinen zu gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrtsverlusten, welche auf eine zollbedingte Fehlallokation der volkswirtschaftlichen Ressourcen zurückzuführen sind. Exportsubventionen entfalten im Exportsektor dabei ganz ähnliche Wirkungen wie ein Zollschutz im Importersatzgütersektor. In oligopolistisch strukturierten Märkten besteht jedoch mitunter die Möglichkeit, durch den strategischen Einsatz einer Exportsubvention Oligopolrenten vom Ausland in das Inland zu transferieren, und auf diese Weise das Wohlfahrtsniveau des Inlands auf Kosten des Auslands zu erhöhen. Im Gegensatz zu tarifären Maßnahmen wie Zölle oder Exportsubventionen, welche am Preis ansetzen, werden bei quantitativen Handelsbeschränkungen Mengenlimits in Form von Quoten festgelegt. Während Zoll und Importquote in vollständiger Konkurrenz äquivalente Wirkungen entfalten, erzielt eine Quote im Vergleich zum Zoll für einen heimischen Monopolisten im Importersatzgütersektor einen größeren Schutzeffekt.

Kapitel 6 verdeutlicht die Zusammenhänge zwischen Zahlungsbilanz, Devisenmarkt und Wechselkurs, sowie deren modelltheoretische Verknüpfung im Rahmen des Mundell-Fleming-Modells. Kapitel 6.1 erläutert zunächst die Bestandteile der Zahlungsbilanz als buchhalterisches Abbild der Geschehnisse auf den Devisenmärkten. Aus dem Zusammenspiel von Devisenangebot und Devisennachfrage bestimmt sich der Wechselkurs als Relativpreis zwischen den gehandelten Währungen. Kapitel 6.2 stellt das Mundell-Fleming-Modell als einfaches Makromodell einer kleinen offenen Volkswirtschaft vor, anhand dessen die Wechselwirkungen auf Güter-, Geld- und Devisenmärkten transparent und intuitiv beleuchtet werden können. Das Modell liefert zudem einen theoretischen Rahmen, um die Einflussmöglichkeiten der Geld- und Fiskalpolitik auf Einkommen, Zins und Wechselkurs bei festen und flexiblen Wechselkursen zu vergleichen. Dabei stellt die Geldpolitik bei flexiblen Wechselkursen, die Fiskalpolitik hingegen bei festen Wechselkursen das effektivere Instrument dar. In Kapitel 6.3 wird die Annahme des kleinen Landes aufgegeben und stattdessen auf die Interaktion zweier großer offener Volkswirtschaften fokussiert. Hierdurch wird es möglich, die makroökonomischen Interdependenzen von größeren Währungsblöcken wie den USA und dem Euroraum zu beleuchten. Dabei zeigt sich beispielsweise, dass eine von der heimischen Zentralbank betriebene expansive Geldpolitik über eine Abwertung der Inlandswährung zu einer Konjunkturbelebung im Inland, aber zu einer Verringerung der ausländischen Produktionsaktivität führt.

Kapitel 7 rückt die im Mundell-Fleming-Modell vernachlässigten Wechselkurserwartungen der Wirtschaftssubjekte in den Mittelpunkt der Betrachtung, wobei der Wechselkurs als Vermögenspreis modelliert wird. In Kapitel 7.1 werden mit der Zinsparitäts- sowie der Kaufkraftparitätsbedingung zunächst die beiden wesentlichen Arbitragebedingungen auf den internationalen Finanz- und Gütermärkten erläutert. Kapitel 7.2 stellt dann die monetäre Wechselkurstheorie vor, welche die internationalen Paritätsbedingungen als Modellbausteine verwendet, um Wechselkursbewegungen aus Variationen beobachtbarer Makrovariablen auf den Geld- und Gütermärkten zu erklären. Mit dem Modell kann gezeigt werden, dass Wechselkursänderungserwartungen in Form sich selbsterfüllender Prophezeiungen sofortige Anpassungen tatsächlicher Wechselkurse hervorrufen. Das Dornbusch-Modell modifiziert das monetäre Wechselkursmodell durch die Berücksichtigung einer trägen Preisanpassung, und liefert mit der Analyse überschießender Wechselkurse eine potenzielle Erklärung der auf den Devisenmärkten häufig zu beobachtenden hohen Wechselkursvolatilitäten. In empirischen Studien zeigt sich allerdings, dass die Prognosefähigkeit monetärer Wechselkurstheorien auf der Basis beobachtbarer Makrovariablen enttäuschend schwach ist. Da unbeobachtete Erwartungsänderungen im Hinblick auf die zukünftige Entwicklung der fundamentalen Einflussfaktoren in Form neuer Informationen (News) jedoch eine wesentliche Ursache von Wechselkursbewegungen darstellen, bedarf es zu einer Erklärung des Wechselkursverhaltens einer expliziten Berücksichtigung der Informationsverarbeitung der Devisenmarktakteure. Daher motiviert der in Kapitel 7.3 analysierte Mikrostrukturansatz die Erwartungsbildung der Devisenmarktakteure mit den institutionellen Gegebenheiten und der Informationsstruktur auf den Devisenmärkten. Gemäß dem Mikrostrukturansatz enthält der Auftragsfluss am Devisenmarkt (Order Flow) wechselkursrelevante Informationen über die Entwicklung von Fundamentalwerten, bevor diese öffentlich zugänglich sind.

Kapitel 8 analysiert makroökonomische Modelle der offenen Volkswirtschaft, welche sich durch eine Mikrofundierung in Form expliziter Spezifizierungen von Nutzen- und Produktionsfunktionen auszeichnen. Kapitel 8.1 identifiziert zunächst die Determinanten von Leistungsbilanzsalden und illustriert deren Wirkungszusammenhänge im Rahmen des traditionellen Mundell-Fleming-Modells. Kapitel 8.2 stellt das Zwei-Perioden-Basismodell des intertemporalen Handels vor, in welchem die zeitliche Entwicklung der Leistungsbilanz über die mikroökonomisch motivierten Spar- und Investitionsentscheidungen eines repräsentativen Haushalts abgebildet werden. Dabei gehen temporär hohe Einkommensrealisationen mit einem Leistungsbilanzüberschuss und temporär hohe Staats- und Investitionsausgaben mit einem Leistungsbilanzdefizit einher. Kapitel 8.3 erweitert die Analyse auf einen Modellrahmen mit unendlichem Zeithorizont. Hierbei zeigt sich, dass temporäre Einkommensschwankungen in einer Volkswirtschaft mittels entsprechender Handels- und Leistungsbilanzsalden ausgeglichen werden können, dauerhafte Einkommensrückgänge hingegen eine entsprechende Rückführung des gesamtwirtschaftlichen Konsumniveaus erfordern. Kapitel 8.4 liefert schließlich einen Einblick in die Neue Makroökonomik offener Volkswirtschaften (New Open-Economy Macroeconomics, NOEM) am Beispiel des Corsetti-Pesenti-Modells zweier großer offener Volkswirtschaften. Durch die Spezifizierung eines konkreten Wohlfahrtsmaßes lassen sich im Rahmen von NOEM-Modellen Politikmaßnahmen auch wohlfahrtstheoretisch evaluieren. Dabei kommt das Modell im Vergleich mit der 2-Länder-Variante des Mundell-Fleming-Modells aus Kapitel 6.3 zu teilweise konträren Implikationen bezüglich der Wirkungen der Geld- und Fiskalpolitik. So führt eine expansive Geldpolitik im Corsetti-Pesenti-Modell über eine Verschlechterung der Terms of Trade zu einer Einschränkung der Konsummöglichkeiten und einem damit verbundenen Wohlfahrtsverlust im eigenen Land.

Kapitel 9 befasst sich mit einer Charakterisierung von Wechselkurssystemen und deren währungspolitische Implikationen. In Kapitel 9.1 werden zunächst die Vor- und Nachteile fester und flexibler Wechselkurse benannt. Dabei sind flexible Wechselkurse umso eher zu empfehlen, je stärker die Realwirtschaft eines Landes durch asymmetrische Schocks gegenüber seinen Handelspartnern getroffen wird, und je geringer das Ausmaß der durch Störungen auf den internationalen Finanzmärkten verursachten Wechselkursvolatilität ausfällt. Anhand eines Modells mit handelbaren und nicht-handelbaren Gütern werden die relativen Vorzüge flexibler Wechselkurse als makroökonomischer Anpassungsmechanismus bei kurzfristig starren Güterpreisen beleuchtet. Kapitel 9.2 beschreibt historische Erfahrungen mit Währungskrisen, und stellt die drei Modellgenerationen der Theorie spekulativer Attacken auf Festkurssysteme vor. In Modellen der ersten Generation resultieren spekulative Attacken aus einer mit der Beibehaltung fester Wechselkurse inkompatiblen Geldpolitik. Demgegenüber wird in Währungskrisenmodellen der zweiten Generation vielfach auf einen Trade-Off der Regierung zwischen der Beibehaltung eines festen Wechselkurses und anderen wirtschaftspolitischen Zielen abgestellt. Die dritte Generation von Währungskrisenmodellen beleuchtet schließlich das Phänomen simultaner Währungs- und Finanzkrisen, die seit der Asienkrise der 1990er Jahre verstärkt beobachtet werden können. Kapitel 9.3 analysiert Wechselkurszielzonen, bei denen der Wechselkurs innerhalb explizit spezifizierter Währungsbänder schwanken kann. Eine von den Marktakteuren als glaubwürdig erachtete Zielzone führt über eine Beeinflussung der Wechselkurserwartungen zu einer Stabilisierung des Wechselkurses innerhalb des Bandes. Bei mangelnder Glaubwürdigkeit kehrt sich dieser Effekt allerdings um, so dass eine Zielzone mit einer Destabilisierung des Wechselkurses einhergehen kann. Das durch den Wechselkursmechanismus des Europäischen Währungssystems definierte Zielzonensystem der 1980er und 1990er Jahre muss vor dem Hintergrund der Zielzonenmodelle als insgesamt wenig glaubwürdig eingestuft werden. Kapitel 9.4 geht schließlich der Frage nach, ob Zentralbanken in Systemen flexibler Wechselkurse insbesondere mittels offizieller Devisenmarktinterventionen Einfluss auf das Niveau oder die Volatilität von Wechselkursen nehmen können. Gemäß der Portfoliotheorie des Wechselkurses steigt die Effektivität sterilisierter Devisenmarktinterventionen, je schlechter in- und ausländische Wertpapiere aus der Sicht der Anleger gegeneinander substituierbar sind. Aber auch bei hoher oder perfekter Kapitalmobilität kann eine Beeinflussung des Wechselkurses aufgrund der Signal- und Koordinierungswirkung offizieller Devisenmarktinterventionen im Hinblick auf eine mögliche zukünftige Politikänderung der Zentralbank gelingen. Die Erfolgsaussichten einer Devisenmarktintervention lassen sich insbesondere dadurch steigern, dass die Interventionsaktivität öffentlich bekanntgegeben und mit anderen Zentralbanken koordiniert wird. Devisenmarktinterventionen sind auch dann besonders erfolgversprechend, wenn sie auf eine Korrektur von Wechselkursfehlbewertungen abzielen.

•  Für einen Einführungskurs in das Themengebiet der Außenwirtschaft empfiehlt sich die Lektüre der Kapitel 2.1, 3.1.1-3.1.2, 4.2.1, 4.3.1, 5.1-5.2.1.1, 5.2.1.3, 5.2.3, 5.3.3.2, 6.1-6.2.2, 7.1.1.1-7.1.1.2, 7.1.2.1-7.1.2.2, 7.2.1, 7.2.2.1, 9.1

•  Für einen Bachelorkurs zur realen Außenwirtschaft eignen sich insbesondere die Kapitel 2.1-2.3, 3.1.1-3.1.3, 3.2, 3.4, 4.1-4.3.1, 4.3.4, 5.1-5.2.1, 5.2.3-5.3.1, 5.3.3

•  Für einen Bachelorkurs zur monetären Außenwirtschaft eignen sich insbesondere die Kapitel 6.1-6.2.2, 6.3.1-6.3.2, 7.1-7.2.2.1, 8.1-8.2, 9.1-9.2, 9.4

•  Material, welches sich tendenziell eher für einen Vertiefungskurs auf dem Masterlevel anbietet, findet sich in den Kapiteln 2.4-2.5, 3.1.4, 3.3, 4.3.2-4.3.3, 4.3.5, 4.4, 5.2.2, 5.3.2, 6.2.3, 6.3.3, 7.2.2.2-7.2.3, 8.3-8.4, 9.3

2          Technologieunterschiede als Basis des Handels: Das Ricardo-Modell

 

 

2.1       Das Ricardianische Basismodell

2.1.1     Absolute und komparative Vorteile

In diesem Kapitel wenden wir uns mit der Betrachtung von Technologieunterschieden im Rahmen des Ricardo-Modells einer der wesentlichen Ursachen für die Aufnahme von internationalen Handelsbeziehungen zu. So ist Deutschland eines der führenden Exportländer für Automobile, chemische Produkte und Maschinenteile, da es in diesen Sparten über einen technologischen Vorsprung gegenüber anderen Ländern verfügt. Deutschland besitzt somit absolute Vorteile in der Produktion dieser Güter. Bereits zu Anfang des 19. Jahrhunderts hat der klassische britische Ökonom David Ricardo (1817) aufgezeigt, dass die Aufnahme wohlfahrtsfördernder internationaler Handelsbeziehungen keine absoluten Vorteile in der Produktion voraussetzt, sondern bereits durch komparative Vorteile begründet wird. Gemäß diesem Prinzip profitieren selbst solche Länder durch internationalen Handel, die alle Produkte mit einem höheren Ressourcenaufwand produzieren als andere Länder. Die Handelsgewinne entstehen in diesem Fall dadurch, dass sich ein Land auf die Produktion jener Güter spezialisiert, mit denen sich im Vergleich mit allen anderen handelbaren Gütern am Weltmarkt die jeweils höchsten Erträge der eingesetzten Produktionsfaktoren erzielen lassen. Das Prinzip des komparativen Vorteils stellt eine der großen Erkenntnisse der Nationalökonomie dar und wird in weiterer Folge detaillierter analysiert.

2.1.2     Modellannahmen

Ricardo betrachtet eine Weltwirtschaft, welche aus nur zwei Ländern (England und Portugal) besteht, die jeweils zwei Güter (Tuch und Wein) produzieren. Eine solche Modellstruktur stellt die stärkste denkbare Vereinfachung des Welthandels dar, da internationaler Handel in einer Welt mit nur einem Land oder einem homogenen Gut nicht darstellbar wäre. Ricardo unterstellt zur weiteren Vereinfachung, dass beide Güter ausschließlich mit dem Produktionsfaktor Arbeit hergestellt werden. Dabei kann Arbeit ohne Beschränkung zwischen den Sektoren innerhalb eines Landes umherwandern und in beiden Sektoren gleichermaßen eingesetzt werden. Um die Effekte des internationalen Handels bestmöglich zu isolieren, wird von der Modellierung anderer realistischer, aber für den Untersuchungsgegenstand wenig zweckdienlicher Aspekte abgesehen. Insbesondere wird eine vollkommene internationale Immobilität des Faktors Arbeit unterstellt, so dass keine Migrationseffekte modelliert werden. Ferner wird angenommen, dass der internationale Güterhandel keine Transportkosten verursacht und dass keinerlei andere Handelshemmnisse wie Zölle oder Quoten den internationalen Handel beeinträchtigen. Diese restriktiven Annahmen werden in weiterer Folge dieses und der nachfolgenden Kapitel sukzessive gelockert.

Ricardo unterstellt in seinem Modell, dass Portugal einen absoluten Vorteil in der Produktion beider Güter besitzt. Dies ließe sich im konkreten Beispiel etwa dadurch begründen, dass Portugal im Vergleich zu England über ein günstigeres Klima verfügt, welches sich förderlich sowohl auf den Weinanbau als auch die Schafzucht zur Herstellung von Wolle auswirkt. Obwohl die Produktion beider Güter in England einen höheren Produktionsaufwand verursacht als in Portugal, fällt dieser in England bei der Tuchproduktion annahmegemäß vergleichsweise geringer aus als bei der Weinproduktion. England besitzt somit einen komparativen Vorteil in der Tuchproduktion und sollte sich im internationalen Handel auf die Produktion dieses Gutes spezialisieren. Gleichzeitig hat Portugal einen komparativen Vorteil bei der Weinproduktion und sollte seine Ressourcen entsprechend für die Produktion dieses Gutes verwenden. In einer Freihandelssituation würde England somit Tuch nach Portugal exportieren und im Gegenzug Wein aus Portugal importieren. Entsprechend würde Portugal Wein exportieren und Tuch aus England importieren, obwohl es einen Produktionsvorteil bei beiden Gütern besitzt.

mit als Technologieparameter und als Arbeitseinsatzmenge zur Produktion des Gutes i in Land j. Im Ricardo-Modell werden die Technologieparameter unabhängig von der Produktionsmenge als konstant angenommen, so dass die Produktionsfunktionen konstante Skalenerträge aufweisen.

Die jeweiligen Arbeitsnachfragen aus den individuellen Industrien lassen sich durch einfaches Umstellen der Gleichung (2.1) in der Form schreiben. Des Weiteren gilt im Ricardo-Modell die klassische Annahme der Vollbeschäftigung, so dass die in den beiden Volkswirtschaften exogen gegebenen Arbeitsangebote den jeweiligen Arbeitsnachfragen entsprechen. Die beiden Arbeitsmarktgleichgewichtsbedingungen ergeben sich somit als

Schließlich unterstellt das Ricardo-Modell vollständige Konkurrenz auf Güter- und Faktormärkten. Die Gewinne eines einzelnen Unternehmens in Autarkie lassen sich wie folgt formulieren:

Der Gewinn einer Firma des Sektors i in Land j resultiert aus der Differenz zwischen den Erlösen, und den Kosten der Produktion, Für eine Unternehmung in vollständiger Konkurrenz ist dabei der Absatzpreis des eigenen Produktes, , sowie der Lohnsatz, wj, exogen gegeben. In (2.4) wurde bereits berücksichtigt, dass Arbeit zwischen den Sektoren einer Volkswirtschaft vollkommen mobil ist, so dass die Lohnsätze in beiden Industrien identisch sind und wj somit lediglich einen Länderindex, jedoch keine Sektorenindex aufweist. Da die Unternehmen keinen Einfluss auf Güter- und Faktorpreise nehmen können, verhalten sie sich als Mengenanpasser. Die Bedingung erster Ordnung für ein Gewinnmaximum lautet somit

Da jedes Unternehmen in vollständiger Konkurrenz maximale Gewinne von null erwirtschaften kann, sind die Gewinnmaximierungsbedingungen aufgrund des Nichtvorhandenseins von fixen Kosten bei konstanten Skalenerträgen zugleich als Nullgewinnbedingungen interpretierbar. Insgesamt ergeben sich für die zwei Industrien in den beiden Ländern 4 Gewinnmaximierungs- bzw. Nullgewinnbedingungen bei Autarkie:

In Kapitel 1 wurde bereits auf die Unterschiede im Analysegegenstand der realen und der monetären Außenwirtschaftstheorie hingewiesen. Dabei fokussiert die reale Außenwirtschaftstheorie überwiegend auf reale Größen wie Arbeit und physisches Kapital auf den Faktormärkten, oder in Form von Produktion, Konsum und Handelsströmen auf den Gütermärkten. Die monetäre Außenwirtschaftstheorie befasst sich hingegen überwiegend mit der Bestimmung nominaler Größen wie Preisniveau, Nominaleinkommen oder Wechselkursen. Die Gewinne in Gleichung (2.4) sowie die Nullgewinnbedingungen der Gleichungen (2.6)-(2.9) können nun aber ebenfalls nominale Größen darstellen, da die einzelnen Güterpreise sowie das Lohnniveau zumeist in Geldgrößen, z. B. in € oder in $, ausgedrückt werden. Nominale Größen lassen sich aber leicht in reale Größen überführen, indem sie mit einem einheitlichen Preis bereinigt werden. So könnten wir z. B. die Nullgewinnbedingungen auf beiden Seiten der Gleichheitszeichen jeweils durch den Preis dividieren. Dadurch würden wir alle Größen in Einheiten des Gutes 1 ausdrücken und könnten dieses dann als Maß- und Zähleinheit verwenden (sog. Numeraire-Gut). Zur leichteren Interpretierbarkeit der Modellergebnisse werden wir im Folgenden nicht durchgängig, sondern nur im Bedarfsfall auf die Verwendung eines Numeraire-Gutes zurückgreifen.

2.1.3     Produktionsmöglichkeitenkurve und Grenzrate der Transformation

Durch Division der Nullgewinnbedingungen (2.6) und (2.7) sowie (2.8) und (2.9) ergeben sich folgende Bestimmungsgleichungen der Autarkiepreisverhältnisse:

Die Autarkiepreisverhältnisse werden somit im Ricardo-Modell unabhängig von der Nachfrage nach den Gütern und ausschließlich über die Angebotsseite bestimmt.

Abb. 2.1: Produktionsmöglichkeitenkurven

Die absoluten Steigungsmaße der PMK werden auch als Grenzrate der Transformation bezeichnet. Diese sind im Ricardo-Modell gemäß (2.14) und (2.15) ausschließlich durch die jeweiligen Faktoreinsatzmengenkoeffizienten bzw. Technologieparameter determiniert. Letztere entsprechen aufgrund der Gleichungen (2.10) und (2.11) wiederum gerade den Autarkiepreisverhältnissen in den beiden Ländern. Für unser konkretes Zahlenbeispiel sind diese durch die Werte in Land A sowie in Land B gegeben.

Die Grenzrate der Transformation in Land A, quantifiziert die Opportunitätskosten der Produktion des Gutes 1, ausgedrückt in Einheiten des Gutes 2. Die Produktion einer zusätzlichen Einheit des Gutes 1 erfordert im Zahlenbeispiel also den Verzicht auf 2/3 Einheiten des Gutes 2. Dieses Ergebnis resultiert unmittelbar aus dem Umstand, dass 4 Arbeitseinheiten erforderlich sind, um eine zusätzliche Outputeinheit des Gutes 1 auszubringen. Bei Vollbeschäftigung müssen diese Arbeitseinheiten jedoch aus Sektor 2 abgezogen werden. Da die Herstellung einer Einheit des Gutes 2 den Einsatz von 6 Arbeitseinheiten erfordert, muss demnach auf die Produktion von 2/3 Einheiten des Gutes 2 verzichtet werden. Die Grenzrate der Transformation in Land B, kann über eine analoge Argumentation motiviert werden.

2.1.4     Handelsöffnung und Handelsmuster

Stellen wir uns nun die Frage nach den Wirkungen einer Handelsöffnung zwischen diesen beiden Ländern. Die Gleichungen (2.6)-(2.9) implizieren, dass die absoluten Niveaus der einzelnen Autarkiepreise durch die nationalen Lohnsätze sowie die jeweiligen Technologieparameter bestimmt werden. Letztere waren in unserem Beispiel durch die Werte gegeben. Im Vergleich zu Land A kann Land B also beide Güter mit jeweils geringeren Arbeitseinsätzen produzieren. Somit besitzt Land B einen absoluten Vorteil in der Produktion beider Güter. Unterstellen wir nun für einen Moment, dass die Löhne in den beiden Ländern identisch sind. Dann folgt aus (2.6)-(2.9), dass Land B beide Güter zu geringeren Preisen anbieten kann als Land A. In einer Freihandelssituation würde Land B somit beide Güter exportieren und Land A entsprechend beide Güter importieren. Während ein solches Szenario unausgeglichenen Handels kurz- bis mittelfristig durchaus tragbar ist, muss Land A seine durch die Importaktivität gegenüber Land B aufgenommene Verschuldung früher oder später durch eine entsprechende Exportaktivität wieder abtragen. Zur Darstellung eines langfristigen Gleichgewichts modellieren wir daher stets ausgeglichenen Handel, bei dem aus der Sicht jedes Landes der Wert seiner Exporte gerade dem Wert seiner Importe entspricht.

Ausgeglichener Handel wird über eine Variation der Lohnhöhe in den beiden Ländern hergestellt. Durch den Güterimport fragt Land A weniger Arbeitskräfte zur eigenen Produktion nach. Bei gegebenem Arbeitskräfteangebot führt dies zu sinkenden Löhnen in diesem Land. Zugleich werden die Löhne durch die exportbedingte Mehrnachfrage nach Arbeit in Land B steigen. Durch diesen Prozess sinken die Preise in Land A, während jene in Land B steigen. Hierdurch gewinnt Land A gegenüber Land B an Wettbewerbsfähigkeit, bis es als Exporteur auf dem Weltmarkt auftreten kann. Die Löhne in Land A werden aber nicht so weit sinken, dass es beide Güter nach Land B exportiert. In diesem Fall greift obiges Argument mit umgekehrtem Vorzeichen, so dass die steigende Nachfrage nach Arbeitskräften den Verfall der Löhne in Land A bremst.

Absolute Vorteile determinieren folglich die Lohnniveaus, wirken sich bei ausgeglichenem Handel jedoch nicht auf das Handelsmuster zwischen den Ländern aus. Dieses wird einzig durch komparative Vorteile bestimmt, welche in den Autarkiepreisverhältnissen der Gleichungen (2.10) und (2.11) bzw. den Grenzraten der Transformation (2.14) und (2.15) zum Ausdruck kommen. Wären die Autarkiepreisverhältnisse in beiden Ländern identisch, so dass die Länder nicht über komparative Vorteile verfügen, so käme je nach Höhe der nationalen Lohnniveaus entweder gar kein Handel zustande oder der Handel wäre unausgeglichen. Dies wird unmittelbar ersichtlich, wenn wir zunächst wieder international identische Lohnniveaus unterstellen. In diesem Fall wären bei gleichen Autarkiepreisverhältnissen auch alle einzelnen Autarkiepreise identisch und Handel käme nicht zustande. Läge hingegen das Lohnniveau in Land A unter (über) jenem in Land B, so würde Land A wiederum beide Güter exportieren (importieren).

Wir gehen nun der Frage nach, auf welche Weise komparative Vorteile das resultierende Handelsmuster determinieren. Letzteres bestimmt sich durch das Verhältnis der Autarkiepreisverhältnisse im Vergleich mit dem Weltpreisverhältnis der beiden Güter, Während sich die Autarkiepreisverhältnisse unmittelbar durch die Technologieparameter der Güterangebotsseite bestimmen lassen, resultiert das Weltpreisverhältnis aus dem Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage auf den Weltgütermärkten. Da die Nachfrageseite aber im originären Ricardo-Modell nicht thematisiert wird, lässt sich das Weltpreisverhältnis somit auch nicht aus dem Modell heraus (modellendogen) bestimmen. Das Prinzip komparativer Vorteile setzt aber eine modellendogene Bestimmung der Weltmarktpreise nicht voraus, so dass wir diese zunächst als exogen gegeben unterstellen können.

Es lässt sich leicht zeigen, dass das gleichgewichtige Weltpreisverhältnis stets im Intervall zwischen den Autarkiepreisverhältnissen liegen muss. Wäre dies nicht der Fall, z. B. im Szenario , so würden beide Länder das am Weltmarkt relative preisgünstige Gut 1 nachfragen und beide Länder würden das relativ teure Gut 2 anbieten. Die aus dieser Situation resultierende Weltüberschussnachfrage nach Gut 1 und das entsprechende Weltüberschussangebot an Gut 2 würden in weiterer Folge das Weltpreisverhältnis ansteigen lassen, bis es innerhalb des von den Autarkiepreisverhältnissen aufgespannten Intervalls zu liegen kommt. Analog würden sich im Szenario die umgekehrten Ungleichgewichte an den Weltgütermärkten herausbilden, mit der Konsequenz eines sinkenden Weltpreisverhältnisses. Zur Räumung der Weltgütermärkte muss das Weltpreisverhältnis somit zwingend folgender Bedingung genügen:

wobei in (2.16) auch der Fall Berücksichtigung findet, in dem das Weltpreisverhältnis gerade einem der Autarkiepreisverhältnisse entspricht. Wie wir später sehen werden, kann dieser Fall im Szenario eines großen Landes auftreten.

2.1.5     Handelsgewinne

Kehren wir nun zu unserem Zahlenbeispiel zurück, in welchem die Autarkiepreisverhältnisse durch gegeben sind. Unterstellen wir ferner ein Weltpreisverhältnis von , so dass Gleichung (2.16) erfüllt ist. In dieser Situation werden sich die Unternehmen in Land A nach Handelsöffnung auf die Produktion von Gut 1 spezialisieren, da sie am Weltmarkt für dieses Gut im Vergleich zur Autarkiesituation höhere Preise erzielen können. Analog werden sich die Unternehmen in Land B auf die Produktion von Gut 2 konzentrieren. Wir wollen nun zeigen, dass diese Spezialisierungsmuster gemäß komparativen Vorteilen zu Handelsgewinnen in beiden Ländern führen.

Aufgrund seiner Grenzrate der Transformation kann Land A jede zusätzliche Mengeneinheit von Gut 1 gegen Verzicht auf die Produktion von 2/3 Einheiten des Gutes 2 ausbringen. Am Weltmarkt erzielt Land A jedoch durch den Export einer Einheit von Gut 1 im Tausch jeweils eine Importmenge im Umfang einer ganzen Mengeneinheit von Gut 2. Dies bedeutet, dass Land A durch den Einsatz von 4 Arbeitseinheiten zur Produktion einer Mengeneinheit von Gut 1 im Tausch eine Importmenge erhält, zu deren heimischer Produktion 6 Arbeitseinheiten erforderlich gewesen wären. Land A spart also beim Export jeder Gütereinheit 2 Einheiten an Arbeit, die es zur Erzeugung zusätzlicher Produktionsmengeneinheiten nutzen kann. Für Land B gilt analog, dass eine Spezialisierung auf die Produktion von Gut 2 den Import jeweils einer ganzen Mengeneinheit von Gut 1 ermöglicht. Während die Produktion des Exportgutes in Land B einen Ressourceneinsatz von 2 Arbeitseinheiten erfordert, sind zur heimischen Herstellung des Importgutes 3 Arbeitseinheiten erforderlich. Land B spart durch den internationalen Handel also Ressourcen im Umfang von einer Arbeitseinheit für jede exportierte Einheit des Gutes 2.

Wie weit wird die Spezialisierung der beiden Länder gehen? Dies hängt gemäß der obigen Argumentation von dem Verhältnis der Grenzrate der Transformation, ausgedrückt durch die relativen Faktoreinsatzerfordernisse der beiden Industrien, und dem Weltpreisverhältnis ab. Da die Grenzrate der Transformation im Ricardo-Modell aufgrund exogen gegebener Technologieparameter unabhängig von den Produktionsmengen immer konstant ist, werden sich die beiden Länder bei gegebenem Weltpreisverhältnis vollständig auf die Produktion ihres Gutes mit komparativem Vorteil spezialisieren.

Wir können die soeben einzelwirtschaftlich motivierten Spezialisierungsmuster nun auch gesamtwirtschaftlich veranschaulichen. Zu diesem Zweck reproduziert Abbildung 2.2 die PMK der beiden Länder aus Abbildung 2.1, ergänzt diese nun aber um das als gestrichelte Linie eingezeichnete Weltpreisverhältnis. Die Autarkiesituationen der beiden Länder sind durch die Punkte a0 bzw. b0 gekennzeichnet. Während sich diese aus dem Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage bestimmen, wollen wir zunächst von einer Spezifizierung der Güternachfragepräferenzen absehen und diese Autarkiegleichgewichte als gegeben annehmen.

Abb. 2.2: Produktionsmöglichkeitenkurve, Konsummöglichkeitenkurve und Handelsgewinne

Ausgehend von den Autarkiegleichgewichten öffnen sich nun beide Länder dem Handel. Wenn die Produktionsmengen zunächst konstant gehalten werden, so kann jedes Land entlang der durch den Autarkiepunkt definierten Weltpreislinie mit dem anderen Land handeln. Land A könnte beispielsweise Gütermengenkombinationen links oberhalb seines Autarkiepunktes realisieren, indem es Teile seiner Produktion von Gut 1 gegen Mengeneinheiten von Gut 2 mit Land B zum Weltpreisverhältnis tauscht. Im Gegensatz zur PMK fasst die Weltpreislinie somit die Konsummöglichkeiten des Landes bei gegebener Produktionsstruktur zusammen. Diese gesamtwirtschaftliche Budgetrestriktion bezeichnen wir im Folgenden als Konsummöglichkeitenkurve (KMK).

Wir erinnern uns, dass die PMK durch die Vollbeschäftigungsbedingungen (2.2) und (2.3) bestimmt werden. Unter Verwendung der Nullgewinnbedingungen (2.6)-(2.9) erhalten wir

Da die Länder in Autarkie per Definition keinen Handel treiben, müssen die nationalen Gütermärkte im Gleichgewicht jeweils geräumt sein. Bezeichnen wir die nationalen Konsumniveaus für Gut i in Land j mit , so folgt als Bedingung für Gütermarkträumung in Autarkie. Durch Einsetzen dieser Bedingungen in die Gleichungen (2.19) und (2.20) resultieren die Konsummöglichkeiten der beiden Volkswirtschaften in Autarkie als

Bei Handel richten sich beide Länder an den Weltmarktpreisen aus, so dass die nationalen Einkommensniveaus durch die Weltpreislinie der KMK bestimmt werden:

Können die Länder miteinander handeln, so müssen die Gütermärkte nicht mehr separat in jedem Land geräumt sein, sondern die Gütermarkträumung erfolgt nunmehr auf den Weltmärkten. Dennoch können wir die Produktionsniveaus auf den rechten Seiten der Gleichungen (2.23) und (2.24) wiederum durch die entsprechenden Konsumniveaus ersetzen, gerade so wie wir es im Übergang von (2.19) und (2.20) zu (2.21) und (2.22) getan haben. Hierzu machen wir uns die Annahme des ausgeglichenen Handels zunutze, gemäß derer beide Volkswirtschaften ihre im Produktionsprozess generierten Einkommen gerade für den Konsum der beiden Güter verwenden. Die Gleichungen (2.23) und (2.24) können damit ebenfalls als Funktionen der nationalen Konsummengen formuliert werden:

Durch Kombination der Gleichungen (2.23) und (2.25) sowie (2.24) und (2.26) lassen sich die Konsummöglichkeitenkurven der beiden Länder in allgemeiner Form darstellen. Unter Verwendung von Gut 2 als Numeraire-Gut erhalten wir

Wie wir gesehen haben, eröffnet der internationale Handel aus Sicht der Unternehmen einzelwirtschaftliche Einsparpotenziale, da durch eine Produktionsspezialisierung gemäß komparativen Vorteilen jedes gegebene Einkommensniveau mit einem geringeren Ressourceneinsatz hergestellt werden kann, als dies in einer Autarkiesituation möglich wäre. Die durch den internationalen Güterhandel freigesetzten Ressourcen können zu einer Steigerung der Produktion eingesetzt werden und erhöhen somit das gesamtwirtschaftliche Einkommensniveau. Wir wollen nun noch zeigen, dass diese gesamtwirtschaftlichen Handelsgewinne im Ricardo-Modell auch jedes einzelne Wirtschaftssubjekt in den beiden Volkswirtschaften besserstellen. Die individuellen Gewinne lassen sich an den Reallohnniveaus vor und nach Aufnahme des Handels ablesen.

In unserem Beispiel waren wir davon ausgegangen, dass das Weltpreisverhältnis mit einem Wert von strikt zwischen den Autarkiepreisverhältnissen liegt, so dass Gleichung (2.16) als strikte Ungleichung geschrieben werden kann:

Unter Verwendung der Autarkie-Nullgewinnbedingungen (2.6)-(2.9) folgt aus (2.28):

Die Ungleichungen (2.28) bzw. (2.29) implizieren, dass die bei Handel für beide Länder relevanten Weltmarktpreise eine simultane Erfüllung aller vier Nullgewinnbedingungen nicht mehr zulässt. Dieses Ergebnis wollen wir zunächst ökonomisch beleuchten, um dann die Reallohneffekte analytisch aufzuzeigen.

Durch den im Vergleich zur Autarkiesituation in Land A höheren Relativpreis für Gut 1 werden die Unternehmen dieses Gut verstärkt ausbringen. Die Motivation für diese Spezialisierung liegt in den am Weltmarkt erzielbaren höheren Erlösen. Um die Produktion von Gut 1 steigern zu können, müssen die Unternehmen in diesem Sektor allerdings zusätzliche Arbeitskräfte aus dem anderen Sektor abwerben. Aufgrund dieser Mehrnachfrage nach Arbeit erhöhen sich nun die Löhne in beiden Sektoren. Diese Lohnsteigerung muss bei vollständiger Konkurrenz solange anhalten, bis die Produktionskosten den höheren Erlösen in Sektor 1 entsprechen, um auf diese Weise die Nullgewinnsituation in diesem Sektor wiederherzustellen. Da die Erlössituation in Sektor 2 jedoch hinter jener des Sektors 1 zurückbleibt, die Löhne aber landesweit gestiegen sind, stellen sich in Sektor 2 negative Gewinne ein, mit der Konsequenz, dass die Produktion dort komplett eingestellt wird. Umgekehrtes gilt für Land B, so dass bei Handel nur noch zwei der vier Autarkie-Nullgewinnbedingungen (2.6)-(2.9) halten. In unserem Beispiel resultieren die folgenden Bedingungen:

Aus den Gleichungen (2.30)-(2.33) lassen sich die Reallöhne in Einheiten der Güter 1 bzw. 2 ablesen. Bei gegebenen Technologieparametern sind die Reallöhne in Land A in Einheiten des Gutes 2 bei Handel relativ zur Autarkie gestiegen und in Einheiten des Gutes 1 konstant geblieben. Umgekehrt haben sich die Reallöhne in Land B in Einheiten des Gutes 1 bei Handel relativ zur Autarkie erhöht und sind in Einheiten des Gutes 2 unverändert. Solange die Haushalte in beiden Ländern jeweils beide Güter nachfragen, gelangen wir zu dem Ergebnis, dass die Reallöhne in Einheiten des Konsumgüterbündels, bestehend aus Gut 1 und Gut 2, eindeutig gestiegen sind. Da die Faktoreinkommen im Ricardo-Modell ausschließlich in Form von Lohneinkommen anfallen und zugleich Vollbeschäftigung unterstellt wird, profitieren somit alle Individuen vom internationalen Handel.

2.1.6     Produktivitätsunterschiede und Lohnniveaus

Wir haben in diesem Kapitel gesehen, dass die Aufnahme von Handelsbeziehungen und die Richtung der Handelsströme ausschließlich von komparativen und nicht von absoluten Vorteilen der Produktion geleitet werden. Aus den Ungleichheitszeichen in (2.31) und (2.33) lässt sich erkennen, dass die Reallöhne bei internationaler Spezialisierung gemäß komparativen Vorteilen im Vergleich zur Autarkiesituation gestiegen sind, da beide Länder ihr Importgut vom jeweils anderen Land günstiger beziehen als sie es selbst herstellen können. Die absolute Höhe der Reallöhne hängt aber nicht vom Handel ab, sondern wird ausschließlich durch den Stand der Technologie in den beiden Ländern und somit durch absolute Vorteile bestimmt. Dies lässt sich daran erkennen, dass die Reallöhne in (2.30)-(2.33) ausschließlich durch die Arbeitsproduktivitäten auf den rechten Seiten der Ausdrücke determiniert werden.

Neben den Implikationen für die Reallöhne lassen sich aus den Gleichungen (2.30)-(2.33) auch Rückschlüsse über das Verhältnis der Nominallöhne in den beiden Ländern ziehen. Zu diesem Zweck dividieren wir Gleichung (2.32) mit (2.30) sowie Gleichung (2.33) mit (2.31). Daraus ergibt sich die doppelte Ungleichung

In wirtschaftspolitischen Diskussionen wird häufig auf den Umstand verwiesen, dass Industrieländer nicht mit den Löhnen in den Entwicklungs- und Schwellenländern konkurrieren könnten und der Handel daher durch Lohndumping seitens dieser Länder verzerrt sei. Wie wir aber aus den Gleichungen (2.30)-(2.33) ersehen können, gleichen die geringen Lohnniveaus in diesen Ländern lediglich deren absolute Produktivitätsnachteile aus und haben für die Entstehung von Handelsgewinnen keinerlei Bedeutung. Vielfach wird auch genau andersherum argumentiert, dass durch die internationalen Lohndifferenzen unfairer Handel begründet werde, indem die Industrieländer die gering entlohnte Arbeitsleistung der Entwicklungsländer für sich ausnutzten. Aber auch dieses Argument basiert auf dem Trugschluss, dass der internationale Handel durch absolute Vorteile gelenkt werde. In der Tat lässt sich das internationale Lohngefälle nur dadurch überwinden, dass die Produktionsmöglichkeiten der Entwicklungsländer nachhaltig verbessert werden. Dies erfordert im Wesentlichen Investitionen in Infrastruktur und Bildung, und solche Maßnahmen lassen sich nur bedingt durch den internationalen Handel fördern.

Der vom Ricardo-Modell implizierte enge Zusammenhang zwischen Arbeitsproduktivität und Lohnniveau lässt sich auch in den empirischen Daten wiederfinden. Abbildung 2.3 vergleicht für eine Reihe ausgewählter Länder die Arbeitskosten je geleisteter Stunde (als Maß für die Lohnkosten) und die kaufkraftbereinigte Bruttowertschöpfung zu Herstellungskosten je geleisteter Stunde (als Maß für die Arbeitsproduktivität) für das Verarbeitende Gewerbe. Die Daten sind ein Auszug aus dem 27 Industrieländer umfassenden internationalen Produktivitäts- und Lohnstückkostenvergleich des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (vgl. Schröder, 2020). Alle Werte beziehen sich auf das Jahr 2018 und sind in Prozent der entsprechenden Realisationen für Deutschland ausgedrückt. In der Abbildung rangieren Dänemark und die USA mit einer im Vergleich zu Deutschland 11 % bzw. 6 % höheren Produktivität auf den ersten Plätzen in dem internationalen Ranking. Als eines der Länder am unteren Ende des Produktivitätsrankings befindet sich Estland, dessen Produktivität nur 35 % des deutschen Niveaus beträgt.

Das Ricardo-Modell ist wiederholt empirisch überprüft worden. Die frühesten Untersuchungen stammen von dem britischen Ökonomen Sir George Donald Alastair MacDougall (1951) und dem ungarischen Wirtschaftswissenschaftler Bela Balassa (1963). Beide Autoren vergleichen Daten aus der Nachkriegszeit des Zweiten Weltkriegs über Arbeitsproduktivitäten für eine Reihe von Industriegütern in Großbritannien und den USA mit den Handelsmustern dieser beiden Länder. Es zeigt sich hierbei, dass die Arbeitsproduktivitäten in den USA zu dieser Zeit durchschnittlich doppelt so hoch gewesen waren wie in Großbritannien. Gemäß dem Prinzip der absoluten Vorteile hätten also die USA alleiniger Exporteur all dieser Industriegüter sein müssen. Die Autoren konnten aber zeigen, dass die beobachtbaren Handelsströme entscheidend von komparativen Vorteilen gelenkt wurden, da die Exportgüter (Importgüter) der USA hauptsächlich aus jenen Industriezweigen stammten, in denen die Arbeitsproduktivität mehr (weniger) als doppelt so hoch war wie jene in Großbritannien. Die Ergebnisse auf Basis der Daten von Balassa (1963) sind in Abbildung 2.4 dargestellt.

Abb. 2.3: Produktivität und Lohnkosten ausgewählter Länder in Prozent des deutschen Niveaus für das Jahr 2018 (Quelle: Schröder, 2020)

Abb. 2.4: Export- versus Produktivitätsverhältnis der USA relativ zu Großbritannien

2.2       Wohlfahrtswirkungen des internationalen Handels

2.2.1     Nachfragepräferenzen

Wie wir in Abschnitt 2.1 gesehen haben, lassen sich Spezialisierungsmuster und Handelsgewinne im einfachen Ricardo-Modell ohne eine konkrete Spezifizierung der Nachfragepräferenzen und somit vollkommen losgelöst von einer Modellierung der Güternachfrageseite bestimmen. Da in dieser Modellvariante jedoch ausschließlich die Güterangebotsseite modelliert wird, lassen sich weder Aussagen im Hinblick auf den Umfang der resultierenden Handelsströme treffen, noch können deren Wohlfahrtswirkungen identifiziert werden. Um eine solche Quantifizierung der Handelseffekte zu ermöglichen, erweitern wir das einfache Ricardo-Modell in diesem Abschnitt um eine Nachfrageseite, die im Rahmen der Ricardianischen Modellstruktur erstmals von John Stuart Mill (1844) vorgestellt wurde.

Wir unterstellen zur Vereinfachung, dass in jedem Land jeweils ein repräsentativer Haushalt seinen Nutzen maximiert und dass die Haushalte in beiden Ländern identische Präferenzen aufweisen. Im 2-Güter-Fall sei die Nutzenfunktion durch die folgende allgemeine Form charakterisiert:

mit U als Nutzenindex. Die Nutzenfunktion weist dabei die Standardannahmen positiver, aber abnehmender Grenznutzen auf. Bei der Nutzenmaximierung beachtet der Haushalt als Nebenbedingung die jeweilige Einkommensrestriktion der Volkswirtschaft, welche durch die Produktions- bzw. Konsummöglichkeitenkurven der Gleichungen (2.21) und (2.22) bei Autarkie, und durch die Gleichungen (2.25) und (2.26) bei Handel gegeben sind.

Das Optimierungsproblem des repräsentativen Haushalts kann mittels einer Lagrange-Funktion ausgedrückt werden. Für unser Problem lautet diese in allgemeiner Form:

wobei p1 und p2 je nach Untersuchungsgegenstand die Autarkie- oder die Weltmarktpreise darstellen. In Gleichung (2.36) kann der Schattenpreis der Einkommensrestriktion, λ, als Grenznutzen zusätzlicher Einkommenseinheiten interpretiert werden. Die Bedingungen erster Ordnung für ein Nutzenmaximum lauten:

Durch Division der Gleichungen (2.37) und (2.38) erhalten wir die Optimalitätsbedingung

Gleichung (2.40) besagt, dass die Grenzrate der Substitution (GRS) zwischen Gut 1 und Gut 2, definiert als der Absolutbetrag der Steigung der Indifferenzkurve, u1/u2, im Haushaltsgleichgewicht gerade dem Preisverhältnis, p1/p2, entsprechen muss. Verwenden wir anstelle der allgemeinen Nutzenfunktion (2.35) eine Cobb-Douglas-Funktion der Form

so erhalten wir als Optimalitätsbedingung

2.2.2     Wohlfahrtsgewinne des Außenhandels

Wir erweitern nun unser Zahlenbeispiel aus Abschnitt 2.1 um die Nachfrageseite und verwenden dazu die Cobb-Douglas-Funktion der Gleichung (2.41). Die Tangentiallösung aus (2.42) ist auf der Basis unseres vorherigen Zahlenbeispiels für die beiden Länder A und B in Abbildung 2.5 durch die Autarkiepunkte a0 bzw. b0 gekennzeichnet. Diese lassen sich analytisch sehr einfach bestimmen, indem die jeweiligen Autarkiepreise der beiden Länder in Gleichung (2.42) verwendet werden. Daraus ergeben sich die Konsumrelationen = 2/3 für Land A und = 3/2 für Land B. Um die absoluten Konsumniveaus zu ermitteln, setzen wir die Konsumrelationen in die jeweiligen PMK der beiden Länder ein. Für unser konkretes Beispiel sind die PMK in den Gleichungen (2.12) und (2.13) beschrieben. Berücksichtigen wir, dass die Gütermärkte bei Autarkie in jedem einzelnen Land geräumt sein müssen, so dass , so können wir aus den PMK unmittelbar auf die KMK schließen, die ihrerseits als Budgetrestriktionen der repräsentativen Haushalte in den beiden Ländern fungieren. Diese lauten:

Nach Einsetzen der Konsumrelationen in (2.43) und (2.44) ergeben sich somit die gleichgewichtigen Autarkie-Gütermengen als 50 und .

Setzen wir nun die Konsumrelationen in (2.45) und (2.46) ein, so erhalten wir die Nachfragemengen , welche in Abbildung 2.5 durch die Punkte a2 und b2 gekennzeichnet sind. Bei dieser Nachfragestruktur sind zugleich die Weltgütermärkte im Gleichgewicht, denn es gilt sowie .

Wir können nun die Wohlfahrtswirkungen der Handelsöffnung ermitteln, indem wir die Konsummengen der Autarkie- und Handelsgleichgewichte jeweils in die Nutzenfunktion (2.41) einsetzen und die resultierenden Nutzenniveaus vergleichen. Für die Autarkiegleichgewichte erhalten wir die gerundeten Werte in Land A, sowie in Land B, und für das Handelsgleichgewicht resultiert erfahren folglich beide Länder einen Wohlfahrtsgewinn durch die gegenseitige Aufnahme von Handelsbeziehungen. Diese Wohlfahrtseffekte werden in Abbildung 2.5 durch den Übergang von den Autarkie-Konsumgüterbündeln a0 und b0 zu den im Handelsgleichgewicht realisierten Konsummengen a2 und b2 grafisch veranschaulicht.

Abb. 2.5: Wohlfahrtsgewinne des Handels

Wir sehen also, dass Wohlfahrtsgewinne aus dem internationalen Handel selbst dann entstehen, wenn sich die Unternehmen nicht gemäß ihren komparativen Vorteilen spezialisieren. Diese Handelsgewinne resultieren aus einer Erweiterung der Konsummöglichkeiten durch die Aufnahme von Handelsbeziehungen zwischen den beiden Ländern.

2.2.3     Quantifizierung von Wohlfahrtseffekten

Wir haben die Wohlfahrtswirkungen des Handels bislang lediglich anhand von Nutzengrößen ausgedrückt. Eine solche numerische Repräsentation rein ordinaler Präferenzen macht aber eine direkte Interpretation von Nutzendifferenzen unmöglich. So können wir zwar feststellen, dass das Wohlfahrtsniveau durch die Aufnahme von Handelsbeziehungen steigt, aber es lassen sich aus diesem Ergebnis keinerlei Rückschlüsse auf die konkrete Höhe der Wohlfahrtsgewinne ziehen. Eine solche Quantifizierung von Wohlfahrtseffekten kann jedoch durch die Verwendung sogenannter Variationsmaße erreicht werden. Diese erlauben es, nicht direkt beobachtbare Nutzenänderungen in messbare Größen zu übersetzen. In der Mikroökonomie sind die äquivalente und die kompensierende Variation die gebräuchlichsten Konzepte zur Bewertung von Wohlfahrtsänderungen.

Die äquivalente Variation (Equivalent Variation, EV) geht von einem gegebenen Preissystem aus und ermittelt den Nutzen-äquivalenten Einkommenstransfer einer hypothetischen Preisänderung. In unserem Beispiel stellen die Autarkiepreise das gegebene Preissystem dar, und die hypothetische Preisänderung wird durch den Übergang von den Autarkie- zu den Weltmarktpreisen beschrieben. Wir können den Einkommenseffekt der Handelsöffnung zu Autarkiepreisen messen, indem wir die PMK hypothetisch so weit nach außen verschieben, bis diese die Indifferenzkurve des Freihandelsgleichgewichts in Punkt tangiert. Dies ist im linken Koordinatensystem der Abbildung 2.6 für Land A exemplarisch aufgezeigt. In unserem Zahlenbeispiel ist die Konsumrelation für das Autarkiepreisverhältnis durch = 2/3 gegeben. Setzen wir diese Relation in die Nutzenfunktion (2.41) ein und verwenden unser Ergebnis = 75, so ergeben sich die gerundeten Konsummengen = 91,86 und = 61,24. Die durch diesen Punkt verlaufende hypothetische Budgetrestriktion tangiert die Achsen in den Konsumniveaus = 183,72 und = 122,48. Vergleichen wir diese Werte mit den Achsenabschnitten der PMK, so erhalten wir den zu Autarkiepreisen bewerteten Einkommensgewinn der Handelsöffnung. Dieser kann entweder in Einheiten des Gutes 1 oder in Einheiten des Gutes 2 ausgedrückt werden und beläuft sich in unserem Beispiel auf = 33,72 bzw. = 22,48.

Die kompensierende Variation (Compensating Variation, CV) unterstellt eine Preisänderung und ermittelt den Einkommenstransfer, welcher die Nutzenvariation der eingetretenen Preisänderung gerade kompensiert. In unserem konkreten Fall bedeutet dies, dass wir zur Messung des Einkommenseffekts der Handelsöffnung nun das Weltpreisverhältnis entlang der KMK zugrunde legen und diese hypothetisch so weit nach innen verschieben, bis sie die Indifferenzkurve des Autarkiegleichgewichts in Punkt tangiert. Diese Vorgehensweise wird im rechten Koordinatensystem der Abbildung 2.6 wiederum für Land A illustriert. Für unser Zahlenbeispiel setzen wir die bei dem Weltpreisverhältnis relevante Konsumrelation = in die Nutzenfunktion mit = 61,24 ein und erhalten daraus die gerundeten hypothetischen Konsummengen = = 61,24. Die durch diesen Punkt verlaufende hypothetische Budgetrestriktion tangiert die Achsen in den Konsumniveaus = 122,48 und = 122,48. Die zu Weltmarktpreisen bewerteten Einkommensgewinne der Handelsöffnung belaufen sich in diesem Fall auf = 27,52 bzw. = 27,52.

Abb. 2.6: Äquivalente und kompensierende Variation