Interprofessionelle Pflegearbeit - Nina Fleischmann - E-Book

Interprofessionelle Pflegearbeit E-Book

Nina Fleischmann

0,0

Beschreibung

Im Gesundheitswesen werden die Versorgungsbedarfe immer komplexer. Eine Berufsgruppe allein kann eine qualitativ hochwertige Versorgung nicht (mehr) gewährleisten. Für eine umfassende und personenorientierte Versorgung ist eine aufeinander abgestimmte Zusammenarbeit heute und zukünftig essenziell. Als größte Berufsgruppe im Gesundheitswesen übernehmen Pflegefachpersonen in allen Settings der Versorgung wichtige Aufgaben. Sie haben den dichtesten Kontakt zu Patientinnen und Patienten in allen Phasen menschlichen Lebens und sind primäre Ansprechpersonen für Belange aller Art. Sie begleiten in akuten wie in dauerhaften Pflegesituationen und den verschiedenen Settings gesundheitlicher Versorgung. Im Rahmen dessen widmet sich dieser Band der Interprofessionalität in der Pflege, wobei Konzepte zur interprofessionellen Zusammenarbeit und Kommunikation vorgestellt werden.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 217

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Bachelor Pflegestudium

Hrsg. von Christa Büker und Julia Lademann

Eine Übersicht aller lieferbaren und im Buchhandel angekündigten Bände der Reihe finden Sie unter:

 

    https://shop.kohlhammer.de/bapflege

Die Autorin

Prof. Dr. Nina Fleischmann, Krankenschwester und Pflegewissenschaftlerin. Seit 2021 Professorin für Pflegewissenschaft an der Hochschule Hannover, Fakultät V – Diakonie, Gesundheit und Soziales, Abteilung Pflege und Gesundheit. Schwerpunkte in der Lehre und Forschung: Professionalisierung, Interprofessionelle Zusammenarbeit, Diversität in der Pflege, Gesundheitsförderung in der stationären Altenpflege. Vorstandsmitglied im DBfK Nordwest e. V. und Niedersächsischen Pflegerat, Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Pflegewissenschaft e. V.

Nina Fleischmann

Interprofessionelle Pflegearbeit

Verlag W. Kohlhammer

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen, Handelsnamen und sonstigen Kennzeichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass diese von jedermann frei benutzt werden dürfen. Vielmehr kann es sich auch dann um eingetragene Warenzeichen oder sonstige geschützte Kennzeichen handeln, wenn sie nicht eigens als solche gekennzeichnet sind.

Es konnten nicht alle Rechtsinhaber von Abbildungen ermittelt werden. Sollte dem Verlag gegenüber der Nachweis der Rechtsinhaberschaft geführt werden, wird das branchenübliche Honorar nachträglich gezahlt.

Dieses Werk enthält Hinweise/Links zu externen Websites Dritter, auf deren Inhalt der Verlag keinen Einfluss hat und die der Haftung der jeweiligen Seitenanbieter oder -betreiber unterliegen. Zum Zeitpunkt der Verlinkung wurden die externen Websites auf mögliche Rechtsverstöße überprüft und dabei keine Rechtsverletzung festgestellt. Ohne konkrete Hinweise auf eine solche Rechtsverletzung ist eine permanente inhaltliche Kontrolle der verlinkten Seiten nicht zumutbar. Sollten jedoch Rechtsverletzungen bekannt werden, werden die betroffenen externen Links soweit möglich unverzüglich entfernt.

 

 

 

 

 

 

1. Auflage 2024

 

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

 

Print:

ISBN 978-3-17-042433-3

 

E-Book-Formate:

pdf:     ISBN  978-3-17-042434-0

epub:  ISBN  978-3-17-042435-7

Inhalt

Vorwort der Reihenherausgeberinnen

Einleitung

1         Professionalität und Interprofessionalität

1.1       Arbeit, Beruf, Profession und Professionalisierung – eine Begriffsbestimmung

1.2       Pflege als Beruf, Pflege als Wissenschaft oder Pflege als Profession?

1.3       Entwicklung von Interprofessionalität

1.4       Fazit

2         Gesundheits(fach)berufe

2.1       Hebammenkunde

2.2       Physiotherapie

2.3       Ergotherapie

2.4       Logopädie

2.5       Pharmazie

2.6       Medizinische Fachangestellte

2.7       Medizin

2.8       Perspektiven für die Weiterentwicklung der Gesundheitsfachberufe

2.9       Fazit

3         Interprofessionelle Kommunikation

3.1       Team und Teamkommunikation

3.2       Interprofessionelle Kommunikation

3.3       SBAR

3.4       I-PASS

3.5       CEESAR

3.6       Debriefing

3.7       SINNHAFT

3.8       Fazit

4         Konzepte im interprofessionellen Lernen und Handeln

4.1       Interprofessionelles Lernen

4.1.1      Von-, mit- und übereinander lernen

4.1.2      Interprofessionelle Ausbildungsstationen

4.1.3      Interprofessionelles Simulationstraining

4.1.4      Interprofessionelle Kernkompetenzen

4.1.5      Ethische Fragen als Gegenstand interprofessionellen Lernens

4.1.6      Exkurs: Interprofessionelle Bildung in Schweden

4.2       Interprofessionelles Handeln

4.2.1      Fallkonferenzen

4.2.2      Interprofessionelle Visite

4.2.3      Regionale Gesundheitszentren

4.3       Fazit

5         Kompetenzrahmen interprofessioneller Zusammenarbeit

5.1       Rollenklärung

5.2       Patientenzentrierte Versorgung

5.3       Teamfunktionalität

5.4       Kollaborative Führung

5.5       Interprofessionelle Kommunikation

5.6       Interprofessionelle Konfliktlösung

5.7       Komplexität, Kontext und Qualitätsverbesserung

5.8       Fazit

Literaturverzeichnis

Stichwortverzeichnis

Vorwort der Reihenherausgeberinnen

Nach den Bänden »Moderne Pflege heute«, »Beziehungsgestaltung in der Pflege«, »Edukative Aktivitäten und Interventionen in der Pflege« und »Evidence-basiertes Pflegehandeln« freuen wir uns sehr über diesen nunmehr fünften Band unserer Buchreihe Bachelor Pflegestudium zum Thema interprofessionelles Pflegehandeln.

Mit dieser Lehrbuchreihe zur hochschulische Pflegeausbildung richten wir uns in erster Linie an Studierende in primärqualifizierenden oder berufsbegleitenden Bachelorstudiengängen in der Pflege, aber auch an die Lehrenden. Ziel ist die Vermittlung von Grundlagen zur Entwicklung einer wissenschaftsbasierten Pflegepraxis. Dementsprechend zeichnen sich die einzelnen Bände durch eine enge Verknüpfung von Theorie, Empirie und pflegerischer Praxis aus.

Der vorliegende Band »Interprofessionelle Pflegearbeit« von Prof. Dr. Nina Fleischmann widmet sich einer hochrelevanten Thematik, nämlich der Zusammenarbeit der pflegerischen Profession mit den verschiedenen Berufsgruppen im Gesundheitswesen. Hintergrund ist die Erkenntnis, dass keine Berufsgruppe für sich allein den Anspruch erheben kann, den oftmals komplexen Problem- und Bedarfslagen der heutigen Patientenklientel gerecht zu werden. Vielmehr bedarf es einer Gesundheitsversorgung im partnerschaftlichen Zusammenwirken aller Beteiligten auf Augenhöhe. Indem die Leistungen der verschiedenen Akteure ineinandergreifen, können gemeinsam definierte Ziele erreicht werden. Eine gute interprofessionelle Zusammenarbeit steigert so die Versorgungsqualität und erhöht die Arbeitszufriedenheit.

Bereits in Studium und Ausbildung müssen die Voraussetzungen für die spätere Arbeit im interprofessionellen Team geschaffen werden. Im Mittelpunkt der vorliegenden Publikation stehen daher Konzepte zur gelingenden interprofessionellen Kommunikation sowie zum gemeinsamen Lernen und Handeln in der Versorgung von Patienten und Patientinnen und Klienten und Klientinnen. Am Beispiel eines kanadischen Kompetenzrahmens zur interprofessionellen Zusammenarbeit wird darüber hinaus deutlich, dass eine klare Rollenbeschreibung der beteiligten Berufsgruppen, die respektvolle Zusammenarbeit im Team und sinnvolle Konfliktstrategien notwendig sind. Schließlich dient interprofessionelles Handeln dem wichtigsten Ziel in der Gesundheitsversorgung: Einer patientenzentrierten und evidenzbasierten Behandlung, Betreuung und Begleitung.

Wir danken der Autorin Prof. Dr. Nina Fleischmann für ihr Engagement bei der Erstellung dieser Publikation!

Prof. Dr. Christa Büker

Prof. Dr. Julia Lademann

Piktogramme

Fallbeispiel

Zielsetzung

Lernaufgaben

Reflexionsaufgaben

Gesetzestext

Merke

Einleitung

Im Gesundheitswesen werden die Versorgungsbedarfe immer komplexer. Die Diagnostik, Behandlung, Pflege, Betreuung und Begleitung von kranken und pflegebedürftigen Menschen bedarf einer zunehmenden Spezialisierung der Gesundheitsfachberufe. Eine Berufsgruppe allein kann eine qualitativ hochwertige Versorgung und größtmögliche Patientensicherheit nicht gewährleisten. Für eine fachlich adäquate, umfassende und personenorientierte Versorgung von Patientinnen und Patienten ist eine aufeinander abgestimmte Zusammenarbeit heute und zukünftig essentiell. Je vielschichtiger und anspruchsvoller die Versorgung ist, desto enger müssen die Berufe sich austauschen und zusammenarbeiten.

Interprofessionelle Zusammenarbeit im Gesundheitswesen ist also essentiell, um diese koordinierte und effektive Versorgung sicherzustellen. Durch Zusammenarbeit können die verschiedenen Berufsgruppen ihr Fachwissen und ihre Fähigkeiten bündeln und gemeinsam Probleme lösen. Patientinnen und Patienten profitieren von einer umfassenden, abgestimmten Behandlung, die auf ihre individuellen Bedürfnisse zugeschnitten ist.

Eine reine Koordination im Sinne des Informationsaustauschs reicht dabei nicht aus, sondern Kooperation – ein Interagieren zugunsten eines gemeinsamen Verständnisses – ist notwendig. Es braucht verschiedene Perspektiven, die einen Teil des Ganzen und damit der Lösung darstellen. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen bemängelt nahezu in jedem seiner Gutachten die Defizite in interprofessionellen und flexiblen Versorgungsstrukturen im Gesundheitswesen. Bereits 1991 forderte die Bundesärztekammer, die Kooperation aller Gesundheitsberufe als Notwendigkeit für eine patientenorientierte Versorgung. In der 2013 erschienenen Denkschrift der Robert Bosch Stiftung »Gesundheitsberufe neu denken, Gesundheitsberufe neu regeln« ist »die Notwendigkeit einer Neuordnung der Aufgabenteilung, Kompetenzzuweisungen und Zusammenarbeit der Gesundheitsberufe im deutschen Versorgungssystem« benannt. Eine flächendeckende Umsetzung lässt jedoch auch in 2024 noch auf sich warten.

In den meisten Strukturen des Gesundheitswesens wird trotz des Strebens nach Interprofessionalität immer noch an traditionellen Rollenverteilungen und Delegationspraktiken festgehalten. Diese beziehen sich auf die klare Abgrenzung von Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten zwischen verschiedenen Berufsgruppen. Ärztinnen und Ärzte diagnostizieren, verschreiben Medikamente und stellen ärztliche Zeugnisse aus. Pflegefachpersonen aktivieren, begleiten im Alltag, erheben Bedarfe, führen Krisengespräche, verabreichen Medikamente und übernehmen viele weitere Aufgaben. Therapeutinnen und Therapeuten leiten sowohl Einzel- als auch Gruppentherapiesitzungen, während Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter beraten, vermitteln, Gelder verwalten und an Steuerungsrunden teilnehmen. Trotz dieser klaren Aufgabenverteilung gehen jedoch manchmal die übergeordneten Ziele der gemeinsamen Hilfe verloren. Das Hauptziel sollte darin bestehen, die Handlungsfähigkeit von Menschen trotz gesundheitlicher Krisen wiederherzustellen und sie dabei zu unterstützen, die Herausforderungen des Lebens zu bewältigen und so eigenständig als möglich damit umzugehen.

Interprofessionelle Zusammenarbeit trägt auch dazu bei, Fehler zu vermeiden, die Kommunikation zwischen den Berufsgruppen zu verbessern und die Effizienz des Gesundheitssystems insgesamt zu steigern. In der Kooperation können die verschiedenen Berufsgruppen Synergien schaffen und Ressourcen optimal nutzen. Eine Reihe an Gesundheits(fach)berufen sind im Gesundheitswesen tätig. Sie sind steigenden Anforderungen an das Berufsfeld durch die sich verändernde Versorgungssituation ausgesetzt. Mit der Nutzung ihrer unterschiedlichen Fähigkeiten und Perspektiven kann die Versorgung gestärkt, Ressourcen effizient genutzt, Kommunikation verbessert und Fehlerrisiken minimiert werden.

Als größte Berufsgruppe im Gesundheitswesen übernehmen Pflegefachpersonen in allen Settings der Versorgung wichtige Aufgaben. Sie haben den dichtesten Kontakt zu Patientinnen und Patienten in allen Phasen menschlichen Lebens, kommen ihren Aufgaben zu allen Tages- und Nachtzeiten nach und sind primäre Ansprechpersonen für Belange aller Art. Sie begleiten in akuten wie in dauerhaften Pflegesituationen und den verschiedenen Settings gesundheitlicher Versorgung. Pflegefachpersonen haben hier vielerlei Berührungspunkte zu anderen Gesundheitsfachberufen – fachlicher, kommunikativer und sozialer Natur. Dieser Band widmet sich der Interprofessionellen Pflegearbeit.

Folgende Lernziele werden mit diesem Buch verfolgt:

Die Lernenden…

•  sind sich der Relevanz von Interprofessionalität bewusst.

•  kennen die Definitionen von Grundbegriffen wie intra-, inter-, multi- und transdiziplinärer Zusammenarbeit.

•  reflektieren die eigene Haltung und die Erfahrungen interprofessioneller Zusammenarbeit und formulieren ihre Erwartungen an eine gelungene Kooperation.

•  verfügen über theoriegeleitetes Fachwissen sowie methodische und sozial-kommunikative Fähigkeiten, um mit Menschen der eigenen und anderer Gesundheitsprofessionen kooperativ und effektiv zusammen zu arbeiten.

•  wissen um Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Gesundheits(fach)berufe, ihre berufsbezogene Entwicklung und aktuelle Professionalisierungsstrategien.

•  kennen aktuelle Versorgungskonzepte, die in ihrer Effektivität elementar von der Zusammenarbeit der verschiedenen Professionen abhängen.

•  wissen ihre Aufgaben in interprofessionellen Versorgungskonzepten zu definieren, zu gestalten und mit anderen Akteuren zielorientiert abzustimmen.

•  bringen in der Interaktion mit anderen Gesundheits(fach)berufe ihre Kompetenzen überzeugend ein und begründen ihr Handeln fundiert.

•  verfügen über Strategien, interprofessionellen Dissens konstruktiv zu bearbeiten.

•  wissen um Grundsätze interprofessionellen Lernens und ordnen Chancen und Barrieren von Lern-Lehr-Projekten ein.

•  kennen relevante Studienergebnisse, beziehen diese in die evidenzbasierte Entscheidung ein und leiten Potentiale und Bedarfe für die zukünftige Entwicklung von interprofessioneller Zusammenarbeit ab.

•  verstehen einen Kompetenzrahmen der interprofessionellen Zusammenarbeit und ermitteln Anwendungsfelder.

•  reflektieren die notwendigen Rahmenbedingungen zur erfolgreichen Umsetzung interprofessioneller Lehr- und Handlungsansätze.

In dem vorliegenden Buch werden die jeweiligen Kapitel mit einem Praxisbeispiel eingeleitet, um die Bedeutung der dargelegten Aspekte zu verdeutlichen. Am Ende jedes Kapitels finden sich Lern- und Reflexionsfragen, die sich zum einen auf die theoretischen und empirischen Inhalte beziehen, zum anderen eine vertiefte Auseinandersetzung anregen. Mit dem erarbeiteten Basiswissen und individuellen Praxiserfahrungen wird zu einer weiterführenden argumentativen Bearbeitung der Themenfelder eingeladen.

Interprofessionelle Pflegearbeit bietet als fünfter Band der Lehrbuchreihe Bachelor Pflegestudium eine Basis für Pflegefachpersonen mit anderen Gesundheits(fach)berufen mit ihren unterschiedlichen beruflichen Selbst- und Fremdbildern, Kompetenzbereichen und Tätigkeitsfelder zusammenarbeiten. Im Sinne einer sich ergänzenden, qualitativ hochwertigen, patientenorientierten Versorgung können die spezifischen Kompetenzen jedes einzelnen Berufes für die Patientinnen und Patienten optimal nutzbar gemacht werden.

Das erste Kapitel (Kap. 1) widmet sich der Professionalität und Professionalisierung im Pflegeberuf. Professionalität zeigt sich für Pflegefachpersonen und ihr berufliches Handeln auf der Basis fachlicher und wissenschaftlicher Grundlagen. Es werden Begrifflichkeiten wie Arbeit, Beruf und Profession geklärt, unterschiedliche Professionalisierungsansätze aufgezeigt und Professionalisierungsprozesse der Pflege nachgezeichnet. Zur Interprofessionalität werden Begriffe geklärt und die Einordnung und Relevanz im Gesundheitssystem vorgenommen.

Kapitel Zwei (Kap. 2) gibt einen Überblick über ausgewählte Gesundheits(fach)berufe als relevante Akteure der Gesundheitsversorgung. Für die Hebammenkunde, die Physiotherapie, die Ergotherapie, die Logopädie, die Pharmazie, die medizinischen Fachangestellten und die Medizin werden die Aufgaben des Berufs, die Zahl der Berufsangehörigen und der Frauenanteil, die zugrundeliegenden Berufsgesetze mit praktischen Anteilen, die Bildungswege und Professionalisierungsbestrebungen aufgezeigt.

Ziel des dritten Kapitels (Kap. 3) ist es, einen Überblick über Team und Teamkommunikation zu geben. Die interprofessionelle Kommunikation bezieht sich auf die Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Berufsgruppen oder Disziplinen, die in einem bestimmten Arbeitskontext zusammenarbeiten. Sie zielt darauf ab, die Stärken und Fachkenntnisse jedes Einzelnen optimal zu nutzen. Zudem werden hier die Faktoren vorgestellt, die zu einer gelungenen Kooperation beitragen. Die Weitergabe klinischer Informationen zwischen den Berufsgruppen im Gesundheitswesen ist einer der zentralen Prozesse in der Patientenbehandlung. Zur fokussierten Kommunikation kommen Tools wie SBAR, I-PASS, CEESAR, SINNHAFT oder Debriefing zum Einsatz und werden hier gezeigt.

Das vierte Kapitel (Kap. 4) stellt das interprofessionelle Lernen in den Fokus und zeigt die Kernelemente, den Umsetzungsstand, interprofessionelle Kompetenzen, Einflussfaktoren und Organisationsfaktoren auf. Für die Umsetzung in die Praxis werden die Charakteristika interprofessioneller Ausbildungsstationen, interprofessioneller Simulationstrainings, Lehrprojekten zu interprofessionellen Kernkompetenzen und im ethischen Kontext gezeigt. Für das Internationale wird ein Blick nach Schweden geworfen. Davon ausgehend, das interprofessionelles Lernen die Basis für das Handeln darstellt, folgen im weiteren Verlauf des vierten Kapitels Versorgungskonzepte der interprofessionellen Zusammenarbeit. Neben Fallkonferenzen und der interprofessionellen Visite finden hier Ausführungen zu Gesundheitszentren einen Platz.

Kapitel fünf (Kap. 5) nimmt den Kompetenzrahmen der kanadischen CIHC in den Blick. Die Schlüsselmerkmale werden aufgezeigt, die Kompetenzbereiche differenziert und in die Kontextmerkmale eingeordnet. Der hohen Abstraktionsgrad öffnet dem Kompetenzrahmen für unterschiedliche Settings und Felder beruflicher Pflege Wege der Anwendbarkeit. Wissen, Fähigkeiten, Einstellungen und Werten fließen hier in den Prozess der interprofessionellen Entscheidungsfindung ein.

1          Professionalität und Interprofessionalität

Professionalisierung steht für beruflich qualifiziertes Pflegehandeln auf der Basis fachlicher und wissenschaftlicher Grundlagen. Pflegefachpersonen als professionell Handelnde stellen ihre berufliche Autonomie und die Bedeutung pflegerischer Arbeit für die Gesellschaft heraus. Ziel dieses ersten Kapitels ist es, den Professionalisierungsprozess beruflicher Pflege nachzuzeichnen. Dazu werden Begriffe wie Arbeit, Beruf und Profession geklärt und unterschiedliche Professionalisierungsansätze aufgezeigt. Daran schließen sich Betrachtungen an, wie sich Professionalisierungsmerkmale für den Pflegeberuf zeigen. Zur Interprofessionalität werden Begriffe geklärt und die Einordnung und Relevanz im Gesundheitssystem vorgenommen.

Praxisbeispiel

»Pflege braucht Forschung, Innovation und Professionalisierung« betitelt der NDR einen Fernsehbeitrag, den Lukas Hellweg1 in der Mediathek entdeckt. Alle drei Begriffe hat Lukas Hellweg im ersten Semester seines Studiums zum Pflegefachmann schon mal gehört – aber was bedeutet Professionalisierung genau? Wie wird das in einem Fernsehbeitrag verstanden und unterscheidet sich das von Verständnis des Pflegeberufs? Lukas Hellweg recherchiert in einer Fachzeitschrift und findet die berufssoziologische Perspektive mit verschiedenen Blickwinkeln auf das Konstrukt Profession und was den Weg von einem Beruf zu einer Profession ausmacht. Professionalisierung hat mit Akademisierung, Autonomie und Kontrolle, Selbstverwaltung und Sozialprestige zu tun. Lukas Hellweg stellt fest, dass es wichtig ist, sich zunächst mit dem eigenen Beruf und Professionalisierungsgrad zu befassen, bevor man ins interprofessionelle Handeln kommt: vor Interprofessionalität kommt Professionalität.

1.1       Arbeit, Beruf, Profession und Professionalisierung – eine Begriffsbestimmung

Professionalität

Im allgemeinen Verständnis ist ein Profi eine Person, die sich mit einer Sache besonders gut auskennt, diese sehr gut beherrscht und viel Erfahrung hat. Häufig wird das auch mit beruflichen Fähigkeiten verbunden, zum Beispiel die Kompetenz eines erlernten Tischlerberufs im Unterschied zur Hobbyheimwerkerei. Im Sport sind Profis die Athletinnen und Athleten, die den Sport professionell ausüben und dafür (in der Regel) entlohnt werden. Profisportlerinnen und -sportler haben zumeist jahrelang trainiert und Zeit und Mühe investiert, um auf höchstem Niveau den Sport auszuüben.

Alltagsweltlich ist mit der professionellen Tätigkeit die Qualität oder Güte des Handelns gemeint, nicht aber die Art und Weise des Handelns selbst (Helsper, 2021). Was heißt Professionalität im Kontext beruflicher Pflege? Und was unterscheidet Professionalisierung davon?

Arbeit, Beruf und Profession

Zur Beantwortung dieser Fragen braucht es zunächst eine Erklärung der Begriffe Arbeit, Beruf und Profession. Die Berufssoziologie versteht Arbeit als den planmäßigen Einsatz des individuellen Arbeitsvermögens zur Abdeckung einer Bedürfnislage (Fleischmann, 2009). Arbeit wird bestimmt als Inanspruchnahme von Zeit und Anstrengung. Sie kann dabei technische oder soziale Bezüge aufweisen und unterscheidet Erwerbsarbeit und Sorgearbeit (Helsper, 2021). Beruf hingegen bezieht sich darauf, welche Organisationsform und Struktur eine Arbeit benötigt, um auf dem Markt Bestand zu haben. Abgrenzbare Fähigkeiten und spezifisches Wissen werden institutionell im Rahmen einer Ausbildung eingeordnet. Ein Beruf wird über einen längeren Zeitraum ausgeübt. Ein Berufsinhaber hat in dieser subjektorientierten soziologischen Sicht ein spezielles Arbeitskraftmuster. Neuerungen in diesem Muster erfolgen zumeist als Reaktion auf gesellschaftliche Problemlagen oder aktuelle Entwicklungen (Fleischmann, 2009).

Professionen sind eine besondere Art von Berufen. Vor 120 Jahren hat Spencer den Begriff der Profession erstmalig verwendet und als ein wesentliches Merkmal zivilisierter Gesellschaften beschrieben. 1939 entwickelte der Soziologe Parsons den Begriff weiter. Professionen repräsentieren für ihn zentrale Werte wie Bildung, Gerechtigkeit, Gesundheit und Wahrheit (Wilkesmann & Falkenberg, 2021). Professionen beruhen auf der Basis des handlungswissenschaftlichen Wissens und verbinden damit Theorie und Praxis (Mahler et al., 2014).

Professionalisierung

Professionalisierung beschreibt demzufolge den Prozess, aus dem aus einem Beruf eine Profession wird. Profession und Professionalisierung als Begriffe finden sich recht häufig in der wissenschaftlichen Analyse und in berufspolitischen Debatten und folgen bestimmten Struktur- und Interaktionslogiken, die in diesem Kapitel erläutert werden.

Neben der Professionalisierung als soziologisches Konstrukt stellt sich auch die Frage, was professionelles Pflegehandeln ausmacht. Berufliche Pflege ist im Kern Arbeit in und am Menschen im Kontext grundlegender menschlicher Bedürfnisse, Krisen und Destabilisierung sowie physischen und psychischen Wohlbefindens. In der Tätigkeit ist das Gegenüber eine selbst deutende, erlebende und interpretierende Person, weshalb der individuelle Fallbezug eine besondere Rolle spielt. Insbesondere im Kontext dieses Themenbands, das die interprofessionelle Pflegearbeit in den Mittelpunkt stellt, ist die Integration von Bezugswissen aus anderen Disziplinen wichtig. Es geht mehr um Integrieren statt Separieren, mehr Kooperation anstatt Abgrenzung und weniger Streit, welche Berufsgruppe welche Tätigkeit durchführt, sondern wer mit welchen Konzepten zum Wohl der Patientinnen und Patienten wann handelt. Bestehende Konzepte sollen hierbei reflektiert angewendet und nicht einfach nur übernommen werden. Dazu sind begleitenden Bildungsmaßnahmen notwendig und der Hintergrund bestehender Organisationsmöglichkeiten zu beachten. Reines Regelwissen ersetzt das Erfahrungswissen nicht. Im professionellen Pflegehandeln ist ein Gleichgewicht aus beiden Wissensformen zu finden und auf den individuellen Fall anzuwenden. Dabei gilt es, Handlungsalternativen zu ermitteln, Optionen zu diskutieren und abzuwägen und Begründungen zu formulieren – dies macht kritisches Pflegedenken und -handeln aus (Isfort, 2003).

Gemeinsam in einem Team das Handeln, was in der jeweiligen Situation für die Patientenversorgung nötig ist, in den Mittelpunkt zu stellen und dabei auf der Basis gegenseitiger Anerkennung sich von traditionellen und historisch gewachsenen beruflichen Rollenbildern zu lösen, zeigt den Weg zu einer modernen und sicheren gesundheitlichen Versorgung.

Professionelle Identität

Von der Professionalisierung abzugrenzen ist der Begriff der professionellen Identität. Dieser beschreibt den inneren Kompass, der Pflegefachpersonen bei ihrer Arbeit leitet. Professionelle Identität wird als bedeutsam für eine hohe Selbstwirksamkeit im beruflichen Handeln, präventiv zum Burn-out sowie förderlich für interprofessionelle Zusammenarbeit eingeschätzt. In einer Vergleichsstudie mit australischen Pflegefachpersonen zeigt sich die professionelle Identität bei deutschen Pflegefachpersonen in einem ausgeprägten Pflichtgefühl als zentraler Entscheidungsparameter im beruflichen Handeln. Pflegefachpersonen versuchen, das Recht auf Selbstbestimmung der Patientinnen und Patienten zu wahren. Als weiterer Anteil der professionellen Identität zeigt sich eine Unsicherheit, sich häufig in rechtlichen Grauzonen zu bewegen im Kontext defizitärer Strukturen und Zuständigkeiten. Im Gegensatz zu den australischen Pflegefachpersonen können die deutschen Pflegefachpersonen nicht auf etablierte Strukturen wie das Nursing and Midwifery Borad mit Rahmenbedingungen und Kodizes zurückgreifen. Die Identität wird maßgeblich von über Jahrzehnte vorgelebte Praxis als historisch gewachsen bestimmt und durch Praxisvorbilder vorgelebt und sozialisiert. Die Arbeitsweise von Pflegefachpersonen ist oftmals durch Fremdbestimmung gekennzeichnet. Standards und (abrechnungsrelevante) Vorgaben begründen eher das Handeln als Bedürfnisse von Patientinnen und Patienten. Die Etablierung einer analytischen Arbeitsweise ist bisher kaum gelungen (Flaiz, 2019).

Professionalisierungsansätze

Für viele Berufe innerhalb und außerhalb des Gesundheitswesens scheint es verlockend und aussichtsreich, den Prozess der Professionalisierung zu durchlaufen. Begründet wird dies mit einer besseren Leistungsvergütung, mehr beruflicher Handlungsautonomie sowie der Kontrolle von Zugang zu und Inhalten von Aus- und Weiterbildung. Professionalisierung wird neben den Gründen inhaltlicher Verbesserung auch als berufspolitisches Programm genutzt. Wenige Berufe haben dies auf der Basis eines historischen Prozesses erreicht. Idealtypen sind Medizin, Theologie und Jura (Klemmt, 2022).

Warum Professionalisierung?

Berufe wollen bestimmte Qualitätsstandards erfüllen. Durch eine Professionalisierung können sie sicherstellen, dass die Berufsinhaber über die notwendigen Fähigkeiten und Kenntnisse verfügen, um ihre Tätigkeit auf höchstem Niveau auszuführen. Eine Professionalisierung kann auch dazu beitragen, die Patientinnen und Patienten vor schlechter oder schädlicher gesundheitlicher Versorgung zu schützen. Durch die Etablierung von Berufskodizes und -standards wird sichergestellt, dass die Arbeit der Berufsangehörigen sicher und ethisch korrekt ist. Professionalisierung kann eine stärkere Regulierung unterstützen und somit Missbrauch oder Fehlverhalten innerhalb des Berufs verhindern. Professionalisierung kann auch dazu beitragen, den Status und das Ansehen eines Berufs zu erhöhen. Diese Berufe erhalten mehr Respekt und Anerkennung von der Gesellschaft, verbesserte Einkommenschancen und bessere Arbeitsbedingungen. Professionen haben einen positiven Einfluss auf die Gesellschaft und eine Sonderstellung inne.

Die Gesundheits(fach)berufe befinden sich im Übergang von einstigen Heilhilfsberufen hin zu Professionen. Gründe für diesen Wandel ergeben sich sowohl aus den Rahmenbedingungen der Berufsausübung, den Veränderungen in dem Gesundheitswesen und der Bevölkerung als auch aus den Berufen und deren Selbstverständnis zu finden. Mit der Professionalisierung ändern sich nicht nur die Ausbildungswege der Gesundheitsberufe, sondern auch deren Handlungsfelder. Die Akademisierung der Gesundheitsberufe ist dabei kein Selbstzweck. Sie dient dem Transfer von innovativen Konzepten und forschungsgestützten Lösungsansätzen in die Praxisfelder hinein. Damit werden eine Qualitätssteigerung der Berufsausübung, eine Weiterentwicklung der jeweiligen Berufe und daraus folgend eine verbesserte Gesundheitsversorgung möglich (Klotz, 2019).

Professionsmodelle

In der wissenschaftlichen Sichtweise werden die Besonderheiten der Professionen zunächst wertneutral als Abgrenzungskriterium verstanden. Es existieren unterschiedliche theoretische Modelle davon, was Professionen von anderen Berufen unterscheidet. Die genaue Definition hängt dabei stark von der theoretischen Perspektive ab, mit der die Einordnung vorgenommen wird. Klemmt unterscheidet drei Theoriebereiche (Klemmt, 2022):

•  Machttheoretische Ansätze

•  Strukturtheoretische Ansätze

•  Merkmalstheoretische Ansätze

Machttheoretischer Ansatz

Die machttheoretische Perspektive stellt das Monopol der Professionen auf bestimmte Dienstleistungen in den Mittelpunkt. Professionen ist es hierbei gelungen, sich Autonomie und ein Monopol zu sichern: Unabhängigkeit und Selbständigkeit für eine Tätigkeit, die nur diese Profession ausführt und auch über das Wissen zur Ausübung alleine verfügt. Die Macht zeigt sich in materiellen und immateriellen Privilegien. Zu diesen Privilegien gehören die Regulierung und Bewertung der eigenen Arbeit, Autonomie und Deutungsmacht über Inhalte und Bedingungen beruflichen Handelns sowie gesteigertes Prestige und Einkommen. Im machttheoretischen Ansatz erfolgt die Herausbildung von Professionen in einem sozialen Aushandlungsprozess und über berufspolitische Strategien. Der Zugang zum Beruf wird durch professionseigene Bestimmungen zu Ausbildung und Qualifikationsstandards bestimmt. In diesem Ansatz besteht ein Wissensgefälle zwischen Professionen, die als Experten betrachtet werden und ihren Klientinnen und Klienten (als Laien). Diese können die Expertise aus der Laienperspektive nicht kontrollieren und geben diese Funktion an die kollegiale Selbstkontrolle der Professionsangehörigen ab. Im Gegensatz zu unten beschriebenen Ansätzen zeigt die Machtperspektive eine Skepsis gegenüber den Ansprüchen der Profession auf ihre moralische Überlegenheit und deren Wirkung für die Gesellschaft.

Strukturtheoretischer Ansatz

Die strukturtheoretische Perspektive geht von einer besonderen Handlungsproblematik bei Professionen aus, die konkrete rechtliche, gesundheitliche, soziale oder psychische Problemlagen von Menschen in den Fokus stellt. Professionsangehörige sind auf die Mitwirkung der Menschen an ihren eigenen Problemlagen angewiesen, ohne sich dabei am wirtschaftlichen Erfolg zu orientieren. Menschen sind dabei subjektiv in ihren Problemlagen betroffen. Seitens der Professionen ist eine analytische Distanz unter Anerkennung der Autonomie und der Lebenswelt der Menschen einzuhalten. Regelanwendung und Fallverstehen machen diese Perspektive aus und bilden auf den ersten Blick eine widersprüchliche Einheit. Das Handeln der Professionen ist nicht vollständig standardisierbar. Die Arbeitsergebnisse können daher nicht über den Markt geregelt oder bürokratisch bewertet werden. Die Dienstleistung der Professionen unterscheidet sich in ihrem Handeln von denen anderer Berufe und unterliegt Begründungs- und Entscheidungszwängen. Professionen widmet sich zentralen und gesellschaftlich relevanten Problemlagen im Sinne einer Gemeinwohlorientierung. Sicherheit und Qualität in der Daseinsvorsorge sowie hohe Standards in der Aus- und Fortbildung können im öffentlichen Interesse demnach nur gewährleistet werden, wenn die Professionen ein Arbeitsmarktmonopol innehaben, Eintrittsbarrieren setzt und den Beruf selbst reguliert. Dafür spricht die Gesellschaft den Professionen ein besonderes Maß an beruflicher Freiheit, Autonomie und in weiten Teilen gesteigerte Einkommenschancen zu. Diese Sichtweise nimmt die altruistischen Motive der Professionen und den intrinsischen Wert ihrer Expertise für das Gemeinwohl in den Blick. Strukturtheoretische Ansätze wurden in der deutschsprachigen Professionsforschung der letzten Jahrzehnte zur Analyse professionellen Handelns herangezogen und mit Autoren wie Stichweh, Schütze oder Oevermann verknüpft.

Merkmalstheoretischer Ansatz

Merkmalstheoretische Ansätze analysieren mit Hilfe bestimmter Merkmale, ob es sich bei einem Beruf um eine Profession handelt oder nicht beziehungsweise welchen Punkt der Beruf im Professionalisierungsprozess erreicht hat. Dieser Ansatz spielt insbesondere in Diskussionen über die Höherbewertung eines Berufs eine Rolle, wird aber in Bezug auf die Anwendbarkeit in modernen Berufssystemen und in der checklistenartigen Verkürzung auch kritisiert. Der merkmalsorientierte Ansatz bildet eine verbindende Klammer zwischen dem strukturtheoretischen und dem machttheoretischen Ansatz. Bei den Merkmalen handelt es sich um Normen und Werte, die gleichermaßen die Innen- und Außenperspektive auf Professionsvorstellungen adressieren. Tabelle 1 zeigt diese Merkmale und die jeweilige Erläuterung dazu auf (Fleischmann, 2009; Klemmt, 2022; Wilkesmann & Falkenberg, 2021).

Tab. 1:    Merkmale von Professionen

MerkmalErläuterung des Merkmals

Klotz unterscheidet drei Dimensionen von Professionalisierung (Klotz, 2019):

•  Dimension Qualifikation

Wissenschaftliche, theoretisch fundierte und akademische Ausbildung (mit Praxisanteilen in der Ausbildung), etablierte Fachterminologie, die eine spezifische und gelingende Kommunikation ermöglicht, Wissenschaft als Basis der Berufsausübung und wissenschaftlich fundiertes Spezialwissen

•  Dimension Gesellschaft und Sozialwesen

Erbringung einer Leistung von hohem gesellschaftlichem Nutzen, hoher sozialer Status, Verpflichtung auf Werte und Vorhandensein eines beruflichen Ethikkodexes, Autonomie bei gleichzeitiger Problemlösekompetenz

•  Dimension Berufsvertretung

Organisierte Vertretung der beruflichen Interessen, kollegial-korporative Selbstkontrolle, exklusive Berechtigung der Berufsausübung

Professionen im Wandel

Losgelöst von der theoretischen Betrachtungsweise sind Professionen keine unveränderbare Größe. Sie befinden sich im Wandel und haben prozesshaften Charakter. Arbeit, Beruf und Profession können als ein Kontinuum verstanden werden, bei denen prozesshafte Übergänge in beide Richtungen – Ver- und Entberuflichung sowie De- und Professionalisierung – möglich sind. Zur dichotomen Unterscheidung von Profession und Beruf werden mitunter Zwischenstufen wie Semi-Profession, would-be profession, vermittelnde Professionen oder bescheidene Professionen differenziert (Klemmt, 2022).

Das Ansinnen, Berufe als Profession zu erklären oder ihren Stand der Professionalisierung zu ermitteln, führen zu einer mehr oder minder inflationären Verwendung der Begriffe. Untersuchungen zur Professionalisierung stammen oftmals aus den Berufsfeldern selbst, so dass berufsständischen Interessen vermutet werden können. Zwischen dem professionellen Anspruch der Berufsangehörigen und der gesellschaftlichen Realität besteht durchaus ein Spannungsverhältnis. Moderne Organisationsformen von Arbeit und Beruf zeigen Veränderungen bis hin zu Auflösungstendenzen der oben beschriebenen Ansätze (Klemmt, 2022). Es bleibt abzuwarten, in welche Richtung sich die Professionalisierungsdebatte entwickelt und welchen Stellenwert die Berufsangehörigen der Pflege dieser beimessen.

1.2       Pflege als Beruf, Pflege als Wissenschaft oder Pflege als Profession?

Pflege als Beruf

Gepflegt wird seit Menschengedenken und stets im Spiegel der jeweiligen gesellschaftlichen Entwicklung sowie dessen Wirkung auf das Gesundheitssystem. Als Beruf wird Pflege seit etwa 200 Jahren ausgeübt. Gegenseitige Hilfe war und ist ein essentielles Merkmal menschlicher Gemeinschaften. In der Rekonstruktion alter Hochkulturen lassen sich der Umgang mit Gesundheit und Krankheit rekonstruieren. Pflege wurde zunächst als primäre Aufgabe der Familie und später als konfessionell geprägter Akt von Nächstenliebe und Barmherzigkeit verstanden. Die Entwicklung von der christlichen Caritas zu angestellten Lohnwärtern, die Entwicklung zum Frauenberuf, die Trennung zwischen Medizin und Pflege und die Entdeckung der bürgerlichen Frau für den Pflegeberuf sind Meilensteine in der Geschichte der Pflege, die den Beruf bis heute prägen und eine tiefe Auseinandersetzung mit Frauen- und Männerbildern und stereotypen Vorstellungen von Pflege fordern (Lademann, 2018a).

Während der 90er Jahre wurde der Personalmangel in der Pflege so akut, dass vermehrt Hilfspersonal eingesetzt wurde. Gleichzeitig entwickelte sich die Pflege von einem Assistenzberuf zu einem eigenständigen Gesundheitsfachberuf weiter. Bis heute etablieren sich immer mehr Spezialisierungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten für Pflegekräfte. Die Corona-Pandemie, die 2020 Deutschland erreichte, stellt die Berufsgruppe vor neue Herausforderungen und verdeutlicht der Gesellschaft die Relevanz des Pflegesektors.

Pflegeberufegesetz