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Suspendiert von seinem Team, flieht Ronan Fitzpatrick in seine Wohnung nach Manhattan, um sich von einem Medienskandal zu erholen. Doch dort gerät der irische Rugby-Superstar ins Visier von Annie Catrel, Social-Media-Expertin und angesagteste Celebrity-Bloggerin New Yorks. Als sie eines Morgens Ronan Fitzpatrick in einem hässlichen Trainings-Outfit erspäht, gelingt ihr der erfolgreichste Post seit Bestehen ihres Blogs. Mit Ronans dreisten Beschwerde-Emails hat sie allerdings nicht gerechnet - und noch weniger damit, ihm am nächsten Tag in ihrem Büro gegenüberzustehen ...
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Seitenzahl: 580
Titel
Zu diesem Buch
Widmung
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Epilog
Über die Autorinnen
L. H. Cosway und Penny Reid bei LYX
Impressum
L. H. COSWAY UND PENNY REID
Roman
Ins Deutsche übertragen
von Annika Loose und Robert Lehnert
Zu diesem Buch
Als Annie Catrel Ronans Lippen auf ihren spürt und ihr Herz wie verrückt anfängt zu rasen, weiß sie sofort, dass das alles in einer großen Katastrophe enden wird. Schlimm genug, dass der irische Rugbyspieler Ronan Fitzgerald einer der wichtigsten Kunden der Medienagentur Davidson & Croft ist, für die Annie als Social-Media-Expertin arbeitet. Was Ronan nicht weiß: Annie ist insgeheim The Socialmedialite – die angesagteste Celebrity-Bloggerin New Yorks –, die ihn letztes Wochenende in einem unmöglichen Sportoutfit fotografiert und auf ihrem Blog einen bissigen Artikel darüberr veröffentlicht hat, als ob sein Image seit einem hässlichen Medienskandal nicht schon genug angekratzt wäre. In seiner Antwort machte Ronan Annie unmissverständlich klar, was er von Menschen hält, die ihr Geld mit dem Privatleben anderer Menschen verdienen. Annie ist eins sofort klar: Wenn sie ihren Job als Leiterin seiner Imagekampagne behalten will, darf Ronan auf keinen Fall von ihrer geheimen virtuellen Identität als Bloggerin erfahren. Doch wie schwer es ist, den unverschämt charmanten Rugbystar auf Abstand zu halten, hat Annie eben erst zu spüren bekommen …
Wir widmen dieses Buch – in zufälliger Reihenfolge –Eclairs, Colin Farrells Augenbrauen und den Ober-schenkeln von Rugbyspielern auf der ganzen Welt.
Und Edinburgh, wo eine Liebesgeschichtedas Licht der Welt erblickte.
Der E-Mail-Checker: Wenn man so tut, als würde man auf dem Smartphone seine Mails checken, aber in Wirklichkeit eine oder mehrere Personen direkt vor sich fotografiert.
Ideal für: Situationen, in denen Mails checken okay ist, z. B. in Cafés, während man allein in einem Restaurant isst oder auf die Bahn wartet.
Lieber lassen: An Orten ohne Mobilfunk- oder Internetempfang.
Annie
Ich werde nicht so tun, als hätte ich durchweg edle Absichten gehabt. Aber als er das Restaurant betrat, las ich wirklich gerade meine Mails.
Eigentlich sah ich erst von meinem Smartphone auf, als ich das Geschrei und Gequietsche aufgeregter Frauen hörte. Diese Laute – Kichern, Kreischen, Ohhhhhhs, Flüstern, Oh mein Gott! und Ist er das wirklich? – sind für gewöhnlich zu vernehmen, wenn ein männlicher Promi auftaucht. Ich kenne diese Anzeichen und Symptome aus zwei Gründen: mein Job und mein Hobby.
Ich bin Projektleiterin in der Social-Media-Marketing-Abteilung von Davidson & Croft Media. Mein Spezialgebiet ist das öffentliche Image von Prominenten. Gebt mir einen blamierten Promi, Politiker oder sonst eine Person, die in der Öffentlichkeit steht – Sexvideo-Skandal, Trunkenheit am Steuer, Festnahme, Ausbruch aus der Entzugsklinik, Sexting mit der Praktikantin (was ich »Schwanzwedeln« nenne) –, und ich bringe den Ruf dieser Person wieder auf Vordermann.
Ich bringe sie zum Strahlen. Zum Leuchten. Ich bin eine Legende auf meinem Gebiet. In dem, was ich mache, bin ich die Beste.
Und das sage ich ganz ohne Einbildung oder Eitelkeit, denn in fast allem anderen bin ich schlecht. Zum Beispiel Gehen oder Reden, ganz zu schweigen von Gehen und Reden. Oder Lächeln. Oder Nicht-seltsam-Sein. Oder Leute-nicht-Vergraulen. Oder Nicht-der-Grund-für-jedes-peinliche-Schweigen-im-Umkreis-von-fünf-Meilen-Sein.
Die einzigen Dinge im Leben, die ich hervorragend beherrsche, sind: 1) verantwortungsvolle Finanzplanung, 2) mein Hobby-Blog und 3) essen.
Was mich zurück zum Thema bringt, zu Tom’s Southern Kitchen, und zu der Horde von Frauen, die sich aufplusterten, um sich diesem höchst attraktiven Mann an den Hals zu werfen, der soeben das Lokal betreten hatte.
Ich spähte zu ihm und den Frauen hinüber und versuchte, ihn einzuordnen. Er stand im Profil, und sein schöner Mund formte ein geduldiges, höfliches Lächeln. Schwer zu sagen, ob er die Aufmerksamkeit genoss oder einfach nur ausgezeichnete Manieren hatte.
Auf jeden Fall sah er wie der irische Schauspieler Colin Farrell aus, eben nur wie ein zehn bis fünfzehn Jahre jüngerer Colin Farrell, der sein Leben lang trainiert und Beine wie Baumstämme hatte. Vielleicht ein Colin Farrell, der beim Schönheitschirurgen und im CrossFit Boot Camp gewesen war. Dieses atemberaubende Exemplar der männlichen Spezies hatte dunkelbraunes, kurzes Haar. Seine Nase war perfekt, beinahe entzückend, und passte zu seinem Gesicht. Sein Kiefer war kantig und breit. Sogar hohe Wangenknochen hatte er, dunkelbraune Augenbrauen, lange Wimpern und seelenvolle dunkle Augen, genau wie der Schauspieler.
Ich konnte wirklich nicht sagen, ob er ein Doppelgänger oder der echte war, aber das machte nichts. Er war perfekt für meinen samstäglichen Celebrity Stalker Post – den für gewöhnlich beliebtesten Post der Woche.
Was mich zu meinem größten und wohlgehüteten Geheimnis bringt. Ich, Annie Catrel, bin The Socialmedialite, die Betreiberin und Autorin des Blogs New York’s Finest.
Es stimmt.
Ich bin The Socialmedialite.
Ich bin die einflussreichste Infotainment-Bloggerin der Welt.
Und weil Sicherheit mein oberstes Gebot ist, weiß niemand, wer ich bin … dass ich sie bin … dass sie ich ist.
Wie auch immer. Ihr wisst, was ich meine.
Jedenfalls ist der samstägliche Celebrity Stalker mein allwöchentlicher Post, der sich mit Promis oder ihren Lookalikes beschäftigt und sie wie John Madden auseinandernimmt – John Madden, der berühmte amerikanische Footballtrainer und später auch -kommentator, der auf den Bildschirmen der Fernsehzuschauer zu Hause begeistert Kreise, Pfeile und irgendwelche Linien zeichnete, um die Fehler der Footballspieler zu erklären. Nur dass ich dasselbe mit Promis mache (fast ausschließlich männlichen Promis) und ihr Urteilsvermögen in Bezug auf Aussehen, Make-up (ja, Make-up!), Kleidung und Wahl der Accessoires kritisiere. Und wenn sie mit einem Hund Gassi gehen, dann mache ich das Gleiche auch mit ihrem Hund.
Wie sehr ich das fehlende Urteilsvermögen von Stars kritisiere, hängt von verschiedenen Faktoren ab, und ich gebe gern zu, dass ich Leuten mit Talent gegenüber deutlich milder und/oder wohlgesinnter bin als gegenüber Promi-Scheiß (Leute, die berühmt sind, weil sie berühmt oder reich sind, die der Gesellschaft jedoch nichts bringen) und Promi-Schrott (Promi-Scheiß in Kombination mit PR-Geilheit).
Trotzdem bemühe ich mich, nicht allzu viel zu Gesichtern oder Körpern zu schreiben. Ich persönlich finde, dass wir – die westliche Gesellschaft – zu körperfixiert sind, diese Hysterie muss man nicht noch verstärken. Vor allem, wo diese berühmten Leute mir doch schon genug Material liefern mit ihren lächerlichen, irre teuren Gürteltaschen (hergestellt in Sweatshops der Dritten Welt) und ihren vergoldeten Zahnseidehaltern.
Wozu braucht man bitte einen vergoldeten Zahnseidehalter? Kann mir das jemand sagen? Wozu?
Ich weiß es nicht. Ich kapier das nicht.
Die meisten Männer finden es toll, in meinem Blog erwähnt zu werden. Auf meine Posts folgen häufig Mails voller Lob und Dank von nach Publicity gierenden Agenten und Stars. Manchmal spenden sie sogar im Namen des Blogs für einen guten Zweck oder reagieren darauf mit einer selbstironischen Parodie auf YouTube.
Ich achte darauf, das Ganze satirisch und amüsant aufzuziehen, und mache diese Götter unter den Männern so zu reinen Objekten. Frauen, insbesondere bekannte Frauen, müssen in unserer Gesellschaft täglich Kritik an wirklich allem einstecken – zu fett, zu dürr, hat dasselbe Outfit zweimal in der Öffentlichkeit getragen, hat eine Meinung – und das aus dem Mund von Möchtegern-Moderatoren und Klatschreportern.
Im Gegensatz zu diesen Vampiren, die einem jede Selbstachtung aussaugen, leiste ich einen Dienst an der Allgemeinheit. Ich mache mich auf einem Blog, der von über zwanzig Millionen Menschen gelesen wird, über die Promi typischen Eigenarten lustig. Das ist völlig harmlos.
Der Lookalike lächelte weiter freundlich und signierte für seine Verehrerinnen Servietten. Vielleicht war er nicht der irische Schauspieler, aber definitiv jemand Bekanntes. Er hatte Glück: Um halb vier an einem Donnerstagnachmittag war Tom’s Kitchen praktisch menschenleer. Verstohlen neigte ich mein Smartphone leicht zur Seite, schloss meinen Posteingang und öffnete die Kamera.
Innerhalb der nächsten zwei Minuten schoss ich bestimmt vierzig oder fünfzig Fotos, bis ein Kellner mir die Sicht versperrte und mir mein Essen zum Mitnehmen brachte. Beim Bezahlen schaute ich ihn nicht an, suchte meinen Kram möglichst gelassen zusammen und verließ das Restaurant.
Blickkontakt fällt mir schwer. Ich weiß, das klingt seltsam. Es ist seltsam. Lange dachte ich, ich wäre einfach nur sehr schüchtern, bis ich online mit anderen Leuten in Kontakt trat. Da entdeckte ich, dass nur die Real-Life-Annie introvertiert ist. Sie ist einsiedlerisch und ruhig. Sie beobachtet. Sie redet wenig. Sie verabscheut jede Art von Aufmerksamkeit.
Aber The Socialmedialite, mein virtuelles Ich, ist gesellig und albern. Sie ist rechthaberisch. Sie giert nach Interaktion und Aufmerksamkeit. Sie ist schlau und witzig (vor allem, weil man nicht schnell schalten muss, um online witzig zu sein, während im echten Leben Schlagfertigkeit entscheidend ist).
Mit meiner Umhängetasche über der Schulter und der Tüte mit Essen in der einen, dem Handy in der anderen Hand lief ich zurück zu meiner Wohnung. Ich war gespannt auf die Bilder. Als ich im Restaurant gesessen und so getan hatte, als würde ich meine Mails checken, hatte ich nicht viel wahrgenommen, außer der Ähnlichkeit zu Colin Farrell.
Deshalb wollte ich seine Kleidung und jedes potenzielle äußere Zeichen von Exzentrik unbedingt genauer unter die Lupe nehmen. Ich bog um die Ecke – nur noch ein halber Block bis zu meiner Wohnung – und ging die Fotos durch.
Erst erkannte ich darauf nur einen Typen, der Colin Farrell ähnelte. Auf seinen Rücken war ein seltsames kleines Etwas geschnallt, und seine Füße steckten in scheußlichen Zehenschuhen, in denen sie an die eines Hobbits erinnerten. Das hellgrüne T-Shirt saß hauteng und betonte seinen muskulösen Oberkörper, anscheinend war es aus Lycra. Seine Oberschenkel waren sehnig und kräftig, was man gut erkennen konnte, denn er trug Stretch-Shorts, schwarze Stretch-Shorts, keine hellgrünen.
An 99,9 Prozent der Leute hätte dieses Outfit vollkommen bescheuert ausgesehen. Aber nicht an diesem Typen. Er sah heiß aus, wirklich heiß.
Trotzdem erkannte ich beim zweiten, dritten und vierten Blick – insbesondere auf den Fotos, wo er zum Fenster ins Tageslicht schaute – etwas Seltsames in seinem Gesicht: Obwohl sein Mund breit und freundlich lächelte, wirkten seine Augen traurig. Und damit meine ich, dass ich wegen dieser Augen langsamer ging und auf einmal tief Luft holen musste.
Da war dieser Mann mit seinem perfekten Körper und einem offenbar netten Leben … und lief mit diesen faszinierend traurigen Augen durch die Gegend. Solchen Augen, die einen magisch anziehen, packen, fesseln und komplett gefangen nehmen.
Sie raubten mir den Atem.
Irgendein absurder, tief schlummernder und lang unterdrückter Instinkt in mir wurde wach und wollte, dass ich zurück zum Restaurant lief und ihn in die Arme nahm. Mein Herz machte einen Satz. Ich wollte seine Traurigkeit mit Küssen verjagen … oder zumindest sein Leid ein wenig versüßen.
Ich riss mich zusammen und lief schnurstracks nach Hause, wo ich diese heftige, unpassende, instinktive Reaktion möglichst schnell vergessen wollte.
Die Kritikerin in mir nahm sich wieder das Foto vor und kam über die Zehenschuhe, das quietschgrüne Sportshirt und die Stretch-Shorts (Stretch!) nicht hinweg. Selbst die bestaussehenden Männer sollten wissen, dass solche Shorts außerhalb von Sportevents nichts zu suchen hatten.
Wirklich überhaupt nichts.
Trauer hin oder her, dieser Mann brauchte Hilfe.
Obwohl, dieser Stretch-Stoff betonte ganz gut …
Auf einmal wurde ich neugierig, und weil ich auch nur eine Frau bin, zoomte ich zwischen seine Beine.
Ja, schon gut, ich bin eine introvertierte Perverse, und ich entschuldige mich nicht dafür. Außerdem, wenn man mal drüber nachdenkt, ist eine introvertierte Perverse viel besser als eine extrovertierte Perverse. Vielleicht bin ich auch, weil ich jegliche physische Interaktion mit echten Menschen meide, ein kleines bisschen sexuell unterversorgt.
Aber nur ein kleines bisschen.
Ich lief am Portier vorbei in mein Wohnhaus, starrte weiter das Telefon an und musterte die Beule in den Laufshorts des Typen. Ich biss mir auf die Unterlippe, betrat den Aufzug und wählte ein anderes Foto an. Eines, auf dem er sich leicht zum Fenster drehte und nur halb in die Kamera blickte. Ich zoomte etwas näher heran.
»Was auch immer du dir da ansiehst, muss wirklich spannend sein.«
Ich schreckte auf, japste überrascht, balancierte die Essenstüte in meiner Hand und drückte das Smartphone an die Brust. Ich hatte nicht bemerkt, dass ich nicht allein im Aufzug war.
Mein Mitfahrer betrachtete mich amüsiert, seine Lippen umspielte ein Lächeln. In den zusammengekniffenen blauen Augen lag Skepsis, aber von der gutmütigen Sorte. Es war mein sehr großer, sehr gut aussehender Nachbar, von dem ich nicht sicher wusste, ob er Single war – er hatte ständig Damenbesuch, aber nie war dieselbe Frau zweimal bei ihm.
Das konnte man ihm nicht verübeln, keineswegs. Ganz offensichtlich war er äußerst heiße Ware. Der tadellos geschnittene Designeranzug und die italienischen Lederschuhe zeugten von Erfolg und Kohle; er hatte ein kantiges Kinn und perfekt geschwungene Lippen, die strahlend weiße Zähne umrahmten, eine breite Nase, helle blaue Augen und stilvoll mit Gel in Form gebrachtes, kurzes blondes Haar. Er sah aus wie ein Typ, der in den Schönheitssalon geht. Ich war ziemlich sicher, dass seine Augenbrauen von einem Experten in Form gezupft worden waren.
Sein Alter schätzte ich auf Anfang dreißig; schwer zu sagen bei diesem metrosexuellen Äußeren. Körperlich erinnerte er mich an einen Radrennfahrer oder Marathonläufer – schlank und athletisch. Ein gepflegter Wolf im Wolfspelz, dem alle Schäfchen Manhattans hilflos ausgeliefert waren.
Nach zwei Sekunden Schockstarre brach ich den Bann seines leicht amüsierten Schlafzimmerblicks und blinzelte mehrmals, um mich in der mit Spiegeln verkleideten Liftkabine zu orientieren.
»Entschuldigung«, sagte er, klang aber nicht bedauernd. Ganz im Gegenteil, ich war mir recht sicher, dass er sich bemühte, nicht zu lachen. »Tut mir leid, wenn ich dich erschreckt habe.«
Ich schüttelte den Kopf, drückte mein Telefon weiter an mich und starrte auf den Fußboden.
Wir schwiegen beide kurz, aber ich spürte seinen Blick auf mir. Ich sah zu der Anzeige über den vier Knöpfen, um zu erfahren, wie lange ich noch mit Mr Vielleicht-Single hier feststecken würde.
Zu meinem Entsetzen sprach er erneut. »Du bist Annie, oder?«
Ich nickte, schaute kurz zu ihm rüber und dann wieder auf die Anzeige.
»Ich bin dein Nachbar Kurt.« Aus dem Augenwinkel sah ich, dass er sich ganz zu mir gedreht hatte und mir seine Hand entgegenstreckte.
Ich schaute ihn an, betrachtete sein freundliches, entspanntes Lächeln und seinen ebenso freundlichen, entspannten Blick. Dann schaute ich zu der Essenstüte in meiner rechten Hand und dem Smartphone an meiner Brust. Ich zog ernsthaft in Erwägung, einfach mit den Achseln zu zucken und nichts zu sagen.
Das Problem, wenn man ein Einsiedler ist, aber gut bezahlt wird, ist, dass man keinerlei Ansporn hat, sozialen Gepflogenheiten und Nettigkeiten nachzukommen. Meine Firma liebt mich (meistens jedenfalls), die Kunden lieben mich – sie lieben die Wunder, die ich vollbringe. Ich gehe selten in die Firma, nur mittwochs und freitags. Nicht, dass ich kein eigenes Büro dort hätte, ich arbeite nur eben lieber von zu Hause aus.
Ich habe keine Panikstörung oder so. Ich gehe raus, ich laufe jeden Tag fünf Meilen im Park, ich liebe das Naturhistorische Museum und gehe einmal pro Woche dorthin; außerdem halte ich mich an Orten auf, wo häufig Promis gesichtet werden, damit ich Bilder für meinen Blog schießen kann. Auf der Lauer zu liegen erfordert keine soziale Interaktion. Und ja, ich beobachte Menschen, aber ich habe früh gelernt, Neidgefühle beim Anblick von Szenen menschlicher Nähe – Grüppchen befreundeter Frauen, die innig vertraut den Nachmittag miteinander verbringen und Anteil am Leben der anderen nehmen, oder ein Liebespaar, das Händchen haltend durch den Park spaziert – zu unterdrücken.
Deshalb ist eine Woche, in der ich – persönlich – mit mehr als zehn Personen rede, eine überdurchschnittliche Woche.
Trotz allem gab es da einen Teil in mir, der sich gegen diese Form der Unhöflichkeit sträubte. Vielleicht zog ich es theoretisch in Betracht, eine schrullige Eremitin zu werden, aber in Wirklichkeit konnte ich mich nie mit dieser Rolle identifizieren. Also ordnete ich mein Zeug, steckte mein Smartphone – mit dem eindeutigen Bildausschnitt – in meine Tasche und reichte Kurt die Hand.
Doch es war nicht gerade ein kurzes Händeschütteln. Seine Finger schlossen sich fest um meine, bis ich zu ihm aufsah und meine Hand etwas entspannte. Sein Blick war erwartungsvoll, interessiert, sein Lächeln weich und überaus attraktiv. Ich war vorsichtig, weil beides offenbar mir galt.
»Freut mich sehr, Annie.« Es klang, als meinte er es ernst.
Ich erwiderte sein Lächeln, so gut ich konnte, und spürte, wie meine Augenbrauen die Stirn hinaufwanderten. »Ebenfalls, Kurt.«
»Wir sollten uns mal treffen. Einander kennenlernen.« Er sagte das ganz schnell, als befürchte er, ich könnte verschwinden, bevor er den Satz überhaupt beendet hatte.
»Ja.« Ich nickte und versuchte, ebenso aufrichtig zu klingen wie er. »Klar. Das sollten wir machen.«
Zum Glück öffnete sich der Aufzug. Ich nutzte diese Ablenkung, um meine Hand aus seiner zu lösen und aus der Kabine zu sprinten. Natürlich folgte er mir, wir wohnten auf der gleichen Etage.
»Weißt du, dass wir seit zwei Jahren nebeneinander wohnen und heute zum ersten Mal miteinander geredet haben?«, fragte er ganz locker mit einem Hauch Belustigung in der Stimme.
»Mhmm.« Das war alles, was ich darauf entgegnen konnte. Ich stellte mein Essen auf den Boden und suchte in meiner Tasche nach dem Schlüssel.
Ich wusste das. Aber ich hielt es nicht für so bemerkenswert. Er war ein attraktiver Playboy, der mehr Geld für eine Tube Feuchtigkeitscreme ausgab als ich für meine Jahresration an Pflegeprodukten.
Ich gab mir Mühe, eine unscheinbare, genügsame Einsiedlerin zu sein. Die Chancen, dass wir in den gleichen Kreisen verkehrten oder ähnliche Interessen hatten, standen schlecht. Grottenschlecht. Warum sollte man mit jemandem reden, mit dem man nichts gemeinsam hatte? Wozu würde das führen, wenn nicht zu einem schrecklich verkrampften Gespräch?
Endlich hatte ich die Tür aufgeschlossen, steckte den Schlüssel zurück in meine Tasche und nahm die Essenstüte in die Hand. Kurt glitt an meine Seite und lehnte sich an die Hauswand. Wieder lag sein Blick auf mir. Statt ihn zu ignorieren und in meine Wohnung zu flüchten, drehte ich mich leicht in seine Richtung und winkte ihm zu.
»Tja, ich werde jetzt reingehen und das hier essen.« Ich hielt die Tüte wie einen Beweis hoch. »Bis dann.«
»Wir sollten mal unsere Telefonnummern austauschen« – er strahlte mich an und griff in die Hosentasche, um sein Smartphone hervorzuholen – »damit wir uns zum Essen verabreden können.«
Mein Lächeln verzog sich zu einer skeptischen Grimasse, ich starrte ihn an, und bevor ich es mir verkneifen konnte, erwiderte ich: »Meinst du das ernst?«
Kurt grinste schief. »Klar meine ich das ernst. Wenn es ums Essen geht, mache ich keine Witze.« Das sagte er so sanft, wie es sich für einen Experten in Sachen Schäkern und Flirten gehört. Mein Herz machte einen abrupten Satz und galoppierte dann wild los. Es war eine Sache, im Aufzug mit meinem gut aussehenden Nachbarn zu plaudern, wenn ich sicher war, dass daraus nicht mehr wurde. Aber es war eine ganz andere Sache, meinem unverschämt gut aussehenden Nachbarn meine Nummer zu geben und somit auch die Erlaubnis, mich wegen eines gemeinsamen Essens zu kontaktieren.
Das konnte ich nicht machen.
Das ging nicht.
Meine Tischmanieren waren furchtbar. Mir hatte das nie jemand beigebracht.
Ich war eine Niete, wenn es um Small Talk ging, am Ende sagte ich dann meist gar nichts mehr, sondern wurde nur knallrot.
Häufig fluchte ich wie ein Bauarbeiter.
Mein herzförmiges Gesicht ist durchaus hübsch, das wusste ich. Als Kind hatte man mir das oft genug gesagt – alle erinnerten mich ständig daran, wie glücklich ich mich schätzen könne, so ein hübsches Gesicht zu haben. Meine Augen sind groß und hellbraun, eingerahmt von dichten Wimpern. Meine Nase ist süß und passt zu meinen Zügen, ich habe hohe Wangenknochen, volle Lippen, und mein Kinn ist so hinreißend wohlgeformt.
Deshalb bestand meine Garderobe aus schwarzen, grauen oder braunen Hosen, Röcken und Strumpfhosen sowie aus übergroßen schwarzen, grauen oder braunen Pullis.
Ich wollte mit dem Hintergrund verschwimmen. Das war Absicht. Die Kleidung, das fehlende Make-up, die unscheinbare Frisur, meine stille, zurückgezogene Art – all das reichte vollkommen aus, um jegliches Interesse an mir zu vermeiden.
Hilflos und überfordert starrte ich auf sein Smartphone, ich war ganz durcheinander und hatte Angst. Einen Augenblick lang hoffte ich, dass er »Nur Spaß!« sagen würde.
Aber das tat er nicht. Stattdessen schaute er mir in die Augen. Dann wanderte sein Blick über mein Gesicht und wieder zurück zu meinen Augen – er war immer noch genauso entspannt und freundlich wie vorhin – und ich war wie gelähmt.
Sein Lächeln wurde breiter. »Du bist echt zu süß …« Es klang, als spräche er mit sich selbst.
Ich setzte zu einer Antwort an, wich zurück, meine Wimpern zitterten angesichts dieses unerwünschten Kompliments, und ich wurde vollkommen panisch. Ich schaute überallhin, nur nicht zu ihm, stürmte in meine Wohnung und gab ihm nur schnell noch eine lahme Antwort: »Äh, mein Telefon ist kaputt oder muss repariert werden, oder ich hab’s verloren, also gebe ich dir meine Nummer später, wenn’s wieder funktioniert oder ich es gefunden hab. Aber war echt nett, dich kennenzulernen. Tschüss.«
Und mit diesen Worten schlug ich Kurt die Tür vor der Nase zu.
New York’s Finest
Blog von *The Socialmedialite*
8. März
Wenn Sporty Spice einen Hobbit heiratet, einen Dreier mit einem irischen Kobold hat und dann ein attraktives, aber irgendwie bizarres Kind gebärt (Vater unbekannt).
Ratet mal, wer diese Woche in sämtlichen Synthetikmaterialien gesichtet wurde, die uns die chemische Verfahrenstechnik geschenkt hat, und dabei ebenso heiß wie lächerlich ausgesehen hat? Niemand Geringeres als Colin Farrell (oder sein Doppelgänger), und zwar in der Nähe vom Village. Offenbar kann ihn niemand leiden. Denn Freunde würden einen Freund nicht so auf die Straße lassen (außer es geht um Rollenspiele oder um irgendwelche versauten Bettfantasien). Schaut euch die Bilder weiter unten an, dann versteht ihr mein Entsetzen angesichts der Tatsache, dass jemand freiwillig quietschgrüne Stretch-Laufshorts aus Lycra trägt. Die einzige Erklärung, die ich dafür habe, ist, dass er betrunken war (ihr wisst ja, wie sehr diese Iren an ihrem Whiskey hängen … und ihrem Bier … und jedem anderen alkoholischen Getränk).
Über die hautengen Lycrashorts hätte ich ja hinwegsehen können, nicht aber über die abgedrehten Schuhe. Zehenschuhe gehen gar nicht. Sie sind total seltsam und verstörend und wirklich, wirklich nur was für Wichtigtuer. Nur nebenbei: Falls ihr auch wie ein Hobbit aussehen wollt, dieses Zehenschuh-Modell kostet euch 635 $! Wirklich wahr! Für nur lächerliche sechshundertfünfunddreißig Dollar könnt auch ihr wie ein kleiner verschrobener Hobbit aussehen!!! What the fuck?
Und – der Vollständigkeit halber: Colin sollte in einen Hodenschutz investieren. Ja, ich sehe schon ab und an gern eine gewisse Wölbung, aber die hier kam eher einer versteckten Waffe gleich. Wenn er weiter in diesen Stretch-Shorts herumläuft, braucht er sich nicht wundern, wenn er ständig begrapscht wird. Herrje, wenn ich näher dran gewesen wäre, hätte ich bestimmt selbst einmal zugepackt. Oder nicht, Ladys? Ihr wisst ja, wie gern ich Würstchen mit Kartoffelbrei mag, und es gibt schließlich nichts Irischeres als Würstchen!
Booyah!
♥ The Socialmedialite
Kalorien: 4000.
Training: Insgesamt 4,5 Stunden.
Eier: Ich sterbe als glücklicher Mann, wenn ich nie wieder welche sehen muss.
Ronan
Ich war gerade mit meinen fünfzig Klimmzügen fertig, als das Smartphone klingelte.
Also wenn so nicht die Geschichte eines selbstverliebten Arschlochs anfängt, dann weiß ich auch nicht. Ich hatte viel zu viel Zeit mit privilegierten Rugbyheinis von der Privatschule verbracht, und deren Gehabe hatte anscheinend auf mich abgefärbt.
Na ja, wenigstens habe ich nicht gesagt, dass ich gerade meinen Körper stählte.
Jedenfalls bin ich kein selbstverliebtes Arschloch. Was nicht heißt, dass ich nicht ab und zu ein dickköpfiger Idiot wäre, dem zu leicht die Sicherung durchbrennt und der sich ausgerechnet dann nicht im Griff hat, wenn zufällig Paparazzi in der Nähe sind – aber die Geschichte erzähle ich ein anderes Mal. Oder ihr lest sie einfach in irgendeinem Klatschblatt nach.
Ja, ich war frustriert, aber ich hatte auch allen Grund dazu. Ich hatte es satt, dass mein Privatleben in der Öffentlichkeit breitgetreten wurde. Nur weil man gut in einer Sportart ist, macht einen das doch noch lange nicht zum »Star«. Zumindest dachte ich das immer.
Ich meine: Ich verstand meine Rolle, ich gab mein Bestes für den Verband und für den Sport. Ich wusste, was im Rugby von mir verlangt wurde, und setzte alles daran, das auch zu leisten. Aber ich kann einfach Menschen nicht ausstehen, die ihr Geld mit Geschichten über das Privatleben anderer Leute verdienen. Die können von mir aus gern mal einen Köpper vom Hochhaus machen.
Ich sag’s ja: frustriert.
Mit dem Handtuch wischte ich mir den Schweiß vom Nacken und ging zum Telefon. Auf dem Display blinkte das Gesicht meiner kleinen Schwester Lucy. Das war beruhigend. Ich hatte schon befürchtet, mein PR-Berater Sam wollte mich mal wieder mit neuen Tipps beglücken, wie ich mein Image aufpolieren könnte, und jetzt gerade war ich wirklich nicht in der Stimmung für so einen Scheiß.
»Hey Luce, wie geht’s?« Draußen vor dem Fenster erstreckte sich die Skyline von Manhattan. Andere hätten sich sicher über ein Penthouse mitten in New York gefreut, und klar, ich war freiwillig hier. Aber ich hatte nicht damit gerechnet, dass man hier nirgendwo Auto fahren kann. Autofahren gehört zu den wenigen Dingen, bei denen ich wieder runterkomme. Ich, mein 1969er Chevy Camaro und die Straße vor mir. Kein Stress, nur grenzenlose, vollkommene Freiheit. Mann, das ist das Leben!
Hätte ich mich doch bloß mal vorher informiert.
Als Ausgleich für den fehlenden fahrbaren Untersatz trainierte ich mehr als sonst, was bei einem Rugbyprofi nie schaden kann. Gut, genau genommen war ich vom Team ausgeschlossen. Aber mit ein bisschen Glück war ich in ein paar Monaten wieder dabei, und dann wollte ich in Topform sein. Bei meinen dunklen, melancholischen Augenbrauen würde man es zwar nicht vermuten, aber ich bin tatsächlich ein ziemlich optimistischer Typ. Es gefiel mir selbst nicht, dass ich so schnell überkochte, aber das Leben hatte mir auch ziemlich übel mitgespielt.
»Morgen, Bruderherz. Du bist ja ganz aus der Puste. Stör ich grade?« Etwas an Lucys Ton machte mich nervös. Sie war eigentlich immer fröhlich und gut gelaunt, richtig klasse. Aber gerade klang sie, als könnte sie gleich mit irgendetwas herausrücken, was mir nicht gefallen würde.
»Nein, störst nicht. Wie läuft’s zu Hause?«
»Ach, du weißt schon, wie immer. Ma gibt immer noch zu viel Geld für Klamotten aus. Ich versuche, ihr beizubringen, dass materieller Besitz nicht glücklich macht. Aber es ist mühsam.«
Seit ich groß rausgekommen bin, hat meine Mutter einen teuren Geschmack entwickelt. Mir macht das nichts aus. Meine Mutter und meine Schwester sind meine ganze Familie. Wenn mein Geld ihnen ein schönes Leben ermöglicht, ist das doch toll.
Ich musste lachen. »Luce, sie kokst doch nicht, sie mag eben Kleider. Wie alle Frauen.«
»Das ist so daneben, Ronan! Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll …«
Mein Gott, war das komisch. Es machte einfach zu viel Spaß, sie aufzuziehen. »Was denn? Mädchen mögen schöne Sachen. Das ist doch allgemein bekannt.«
»Weißt du was, jetzt macht’s mir auch nichts mehr aus, es dir zu sagen. Hol mal deinen Computer. Es gibt was, das du dir ansehen solltest.«
Mit einem Schlag war ich wieder ernst. Ich ging zu meinem Laptop, klappte ihn auf und öffnete ein neues Fenster. »Was ist es diesmal? Verbreitet Brona wieder ihre Lügengeschichten?«
»Nein, nein, was ganz anderes. Eigentlich ist es sogar irgendwie lustig. Es gibt da diesen Blog, den ich lese, weil ich die Frau dahinter einfach toll finde. Zumindest glaube ich, dass es eine Frau ist. Es könnte natürlich genauso gut ein glatzköpfiger, alter Mann in einem Keller mit einem Kaninchen auf dem Schoß sein. Ihr Blog heißt New York’s Finest, und sie hat am Samstag einen Eintrag über dich geschrieben. Aber, halt dich fest, sie hält dich für Colin Farrell. Ist das nicht der Hammer?«
Ich entspannte mich, während ich den Namen der Website eintippte. Für einen berühmten irischen Schauspieler gehalten zu werden, wenn man in Wirklichkeit ein berühmter irischer Rugbyspieler ist, das war eine erfrischende Abwechslung zu den jüngsten PR-Desastern. Dann sah ich den Eintrag, und ich wurde wieder sauer.
Da war ein Bild von mir, wie ich die Woche zuvor im Restaurant meines Kumpels Tom an der Theke stehe und Autogramme an ein paar Frauen verteile. Offenbar war es aus einem niedrigen Winkel aufgenommen worden, vielleicht von einem Tisch aus. Ein ganz normales Foto – abgesehen von den vielen roten Pfeilen drum herum, von denen jeder einzelne auf eine vermeintliche Modesünde zeigte.
Allem Anschein nach hatte ich nämlich mein Outfit betrunken ausgesucht, trug peinliche Schuhe und prahlte mit meinem Schwanz. Ich versuchte, ruhig zu bleiben. Wenn ich mich weiter so über die Medien aufregte, bekäme ich irgendwann noch Bluthochdruck. Aber es ärgerte mich eben, wie diese Bloggerin mein Outfit verriss. Kleidung musste zweckmäßig sein. Ich trug das, worin ich am besten trainieren konnte, und kümmerte mich einen feuchten Dreck um mein Aussehen.
Weiter unten auf der Seite war ein kurzer Artikel von einer Person, die sich The Socialmedialite nannte, mich als Kobold und Hobbit bezeichnete und mir den Erwerb eines Hodenschutzes nahelegte. Wenn ich von »mir« spreche, meine ich übrigens Colin Farrell, denn für den hielt mich diese Person. Und das ist einfach lächerlich, weil ich dem nicht mal ähnlich sehe.
»Du siehst ihm so was von ähnlich, Ronan«, widersprach mir Lucy. Da hatte ich wohl eben laut gedacht.
»Tu ich nicht. Wenn diese Bloggerin nicht erkennt, wie wenig ich dem ähnlich sehe, ist sie bescheuert. Unter ›Recherche‹ versteht die bestimmt, zehn Minuten bei Wikipedia rumzuklicken, diese Anfängerin.«
Ich scrollte weiter zum nächsten Eintrag. Ein Schnappschuss von Bradley Cooper, der in Sportsachen aus seinem Auto stieg. Auf seiner Hose war ein nasser Fleck, offensichtlich Schweiß oder eine verschüttete Flüssigkeit. Trotzdem hatte The Socialmedialite eine Liste mit Möglichkeiten erstellt, woher dieser Fleck wohl stammen mochte. Manche ihrer Geschichten gingen viel zu sehr ins Detail. Wusste die Gute wirklich nichts Besseres mit ihrem Leben anzufangen? Es gab sogar mehrere Leser, die in den Kommentaren eigene Theorien präsentierten. Jemand vermutete, Bradleys Privatcoiffeur habe ihm eine Flasche Nelkenöl für die Rasur andrehen wollen, Bradley habe das Corpus Delicti jedoch mit der Erklärung weggewischt, er werde niemals das Zeichen seiner Männlichkeit abrasieren, und so sei der Fleck entstanden.
Echt mal. Leute gibt’s.
»Diese Seite ist so armselig«, murmelte ich.
Lucy kicherte.
»Das ist noch nicht mal lustig. Und Wurst ist eher typisch deutsch als irisch.«
»Was redest du denn da? Das ist saukomisch. Da werden zur Abwechslung mal die Männer wie Objekte behandelt – das machen die schließlich seit Jahrhunderten mit Frauen. Ausgleichende Gerechtigkeit, finde ich.«
»Das ist doch dämlich. Und überhaupt bin ich viel zu groß für einen Hobbit.« Ich stand auf und betrachtete mich im Spiegel. Ein Meter achtzig war eine völlig ausreichende Größe für einen Mann.
»Oh, wow. Eitel sind wir aber gar nicht, hm? Sie hat wohl einen Nerv getroffen? Und als Hobbit hat sie dich nur bezeichnet, weil du wieder diese unglaublich hässlichen Schuhe anhattest.«
»Die hat mein Trainer empfohlen. Sag mal, musst du heute Morgen nicht zum Yoga?«
»Doch, muss ich, du alter Nörgler. Offensichtlich kriegst du das alles in den falschen Hals. Also weißte – man muss doch auch mal über sich selbst lachen. Frauen stehen auf Humor.«
»In letzter Zeit ist mir das Lachen ziemlich vergangen, Luce.« Ich nahm mir eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank.
Lucy seufzte. »Ich weiß. Tut mir leid. Wirklich. Ich wollte dich nur ein wenig aufheitern. Aber wie läuft’s denn so im Big Apple? Hast du dich langsam eingelebt?«
»Du musst dich nicht entschuldigen. Ich bin einfach ein Stinkstiefel. Und: Ja, ich habe mich ganz wunderprächtig eingelebt. Als gestern mein Auto angekommen ist, hätte ich mich freuen sollen, aber es war ein Schlag ins Wasser, weil man hier die ganze Zeit nur im Stau steht. Ich hätte mich niemals von Tom bequatschen lassen dürfen, für meine Auszeit nach New York zu gehen. Ich wollte nach Kanada, wandern oder so was.«
»Ja, das wär cool gewesen. Aber wenigstens siehst du so mal den Naked Cowboy.«
»Ich weiß zwar nicht, wer oder was das ist, aber ich denke, ich passe.«
»Schade, ich habe mich schon so auf ein Bild von euch beiden gefreut. So, jetzt muss ich aber langsam los.«
»Okay, pass auf dich auf, Luce. Hab dich lieb.«
Sie machte einen Schmatzer ins Telefon, von dem ich fast einen Hörsturz bekam. »Ich dich auch!«
Ich hatte kaum aufgelegt, als es wieder klingelte, und diesmal war es Sam, mein PR-Berater. Für einen Moment überlegte ich, nicht ranzugehen, aber ich wusste, dass Sam dann durchdrehen würde. Der Typ war anstrengender als die selige Margaret Thatcher mit PMS.
»Sam! Was kann ich für dich tun, Kumpel?«
»Die Frage ist, was ich für dich tun kann, mein Freund. Aber hast du eigentlich schon gesehen, dass du am Samstag auf New York’s Finest erwähnt wurdest?«
Und täglich grüßt das Murmeltier. Langsam fühlte ich mich echt wie im falschen Film. »Ja, meine liebe Schwester hatte bereits die Güte, mich darauf hinzuweisen.«
»Na, na, ich weiß gar nicht, warum du so sauer bist. Das ist eine echte Chance, Ronan. In den Staaten bist du ein Niemand, und das könnte deine Eintrittskarte sein. Ich sehe schon die Werbung vor mir: du im weißen Calvin-Klein-Schlüpfer, an einen Wolkenkratzer gelehnt.«
»Scheiße, bist du Hellseher, oder woher weißt du, dass das schon immer mein größter Traum war?«
Ich konnte regelrecht hören, wie er die Lippen schürzte. »Den Sarkasmus habe ich jetzt mal überhört. Es gibt nämlich noch mehr Neuigkeiten, und ich habe keine Zeit für dein Gemotze. Ein Freund von mir arbeitet für Davidson & Croft Media in New York. Die wollen dich unbedingt mal kennenlernen. Sie wollen an einem neuen Image für dich basteln. Deinen Ruf aufpolieren. Du weißt schon, dich in den David Beckham des Rugby verwandeln.«
»Ich sag’s ja, du musst eine Kristallkugel haben, denn das klingt geradezu prophetisch.«
»Sie wollen dich heute um eins sehen«, sagte er ungeduldig. »Ich schick dir eine Mail mit der Adresse.«
Ich schaute auf die Uhr. »Es ist schon halb zwölf. Ich muss noch duschen, und der Verkehr in dieser Stadt ist ein Albtraum. Können wir den Termin vielleicht verlegen?«
Was ich eigentlich fragen wollte, war: Können wir die Sache begraben und ein für alle Mal vergessen? Aber ich war immer noch ein Profi, und vermutlich konnte mir diese Agentur wirklich helfen. Es würde zwar ungefähr so viel Spaß machen wie ein Zahnarztbesuch, aber ich wusste: Wenn sich im Leben etwas lohnte, war es meistens anstrengend. Ich beendete das Telefonat und hüpfte unter die Dusche. Nach nicht mal zehn Minuten war ich schon wieder angezogen. Als ich an meinem Computer vorbeikam, sah ich die noch immer geöffnete Website und hatte plötzlich das dringende Bedürfnis, ein bisschen Dampf abzulassen.
Mein Leben schien von gesichtslosen Menschen hinter Computerbildschirmen und ihren Storys über mich bestimmt zu sein, und ich hatte die Schnauze voll davon. Sam hatte mir zwar eingetrichtert, solche Sachen nicht zu kommentieren, aber dieses Mal musste es einfach raus.
Schließlich hatte sich nach Monaten des Schweigens eine ganze Menge Wut angestaut.
Also setzte ich mich an den Laptop und schrieb eine Mail. War doch scheißegal, ob ich pünktlich zum Meeting kam oder nicht. Wenn mich diese Typen so unbedingt sehen wollten, konnten sie warten.
10. März
Sehr geehrte Frau Socialmedialite,
ich dachte mir, ich bereichere Ihren kleinen Hohlkopf mal um einige Erkenntnisse.
1. Ich bin nicht Colin Farrell, sondern Ronan Fitzpatrick. Informieren Sie sich ein wenig über mich. Es dürfte eine spannende Lektüre werden.
2. Da Sie so auf die Details der männlichen Anatomie fixiert sind, muss ich annehmen, dass Sie – erstens – ein ziemlich armseliges Dasein fristen und – zweitens – chronisch untervögelt sind.
3. Wenn Sie schon über das Aussehen anderer urteilen müssen, sollten Sie wenigstens offen dazu stehen, wer Sie sind. Nur Feiglinge verstecken sich in der Anonymität.
Ein paar gut gemeinte Ratschläge:
1. Betreiben Sie richtige Recherche. Wenn Sie glauben, dass Sie ein Foto von Colin Farrell haben, dann prüfen Sie, ob es auch wirklich Colin Farrell ist. Kleiner Tipp: Spitze Ohren zu machen, wenn irgendwo ein paar kichernde Frauen herumstehen, ist KEINE Recherche.
2. Gehen Sie aus. Gönnen Sie sich einen Drink. Sprechen Sie einen Mann an. Lassen Sie es sich mal richtig besorgen. Sie werden staunen, wie so ein kleiner Frühjahrsputz Ordnung in Ihrem Oberstübchen schaffen kann.
3. Laden Sie ein Bild von sich hoch und lassen Sie alle Welt wissen, wer Sie sind. Mal sehen, ob Sie dann immer noch auf dem Aussehen anderer rumhacken.
Nichts zu danken.
Ronan Fitzpatrick
Und gesendet.
Das tat gut.
Ich notierte mir die Adresse, die Sam geschickt hatte, und ging raus, um ein Taxi zu rufen. An der Agentur angekommen, blickte ich staunend die imposante Hochhausfassade hinauf, bevor ich das Gebäude betrat und mich bei der Empfangsdame meldete, einer schlanken, attraktiven Blondine, die mir sofort schöne Augen machte, nachdem sie mich von oben bis unten gemustert hatte. Mein früheres, 22-jähriges Ich hätte sich keine Sekunde zurückgehalten. Zu dumm, dass ich inzwischen ein zynischer, desillusionierter 27-Jähriger war, der mit Frauen und ihren Spielchen keine Geduld mehr hatte. Das Einzige, wofür ich mich noch interessierte, war Sex ohne Verpflichtungen. Jahrelang war ich Brona treu geblieben, und jetzt konnte ich mir diese Treue sonst wohin schieben, weil sie lieber ’ne Nummer mit meinem Teamkollegen schob.
Vielleicht tat mir Brona ja einen Gefallen. Sie hatte mir die Augen geöffnet. Außer ein paar verführerischen Blicken und billigen Anmachen hatten Frauen wie sie nichts zu bieten. Und wo ich auch hinsah, ich sah nur noch Frauen wie sie: oberflächliche, unterbelichtete, materialistische, geltungssüchtige Tussis, die sich die Sterne vom Himmel holen ließen und den Hals nicht vollkriegten. Bei solchen Aussichten machte selbst der hartnäckigste Ständer irgendwann schlapp.
»Können Sie mir bitte sagen, wo ich Davidson & Croft finde«, ich warf einen Blick auf ihr Namensschild, »Stephanie?«
Sie lächelte – nichts als strahlend weiße Zähne und schimmernde Lippen – und schickte mich in den elften Stock. Dort herrschte geschäftiges Treiben, und eine Kundenbetreuerin wartete schon auf mich – noch mehr strahlend weiße Zähne und schimmernde Lippen. Ich genoss den Anblick ihres Hinterns, während sie mich in einen Raum führte, in dem Leute in Business-Outfit um einen Tisch saßen. In meiner dunkelbraunen Lederjacke, den Stiefeln und meinem schlichten schwarzen T-Shirt fühlte ich mich total fehl am Platz.
Sowie ich den Raum betrat, stand die versammelte Mannschaft auf, und eine Frau, die – ungelogen – so aussah wie Danny DeVito in Frauenklamotten, kam auf mich zu und reichte mir die Hand.
»Mr Fitzpatrick.« Sie klang überraschend weiblich. »Sehr erfreut, Sie kennenzulernen. Ich bin Joan Davidson, und das sind meine Geschäftspartner Rachel Simmons und Ian Timor. Bitte, nehmen Sie doch Platz.«
Ein kurzer Blick genügte, um zu erkennen, dass sie hier der Boss war. Obwohl sie mir nicht mal bis zur Brust reichte, wirkte sie irgendwie Ehrfurcht gebietend, fast einschüchternd.
»Ganz meinerseits, Joan. Und nennen Sie mich doch Ronan.« Ich nickte Rachel und Ian zu, bevor ich mich brav hinsetzte. Dann herrschte Schweigen. Ich räusperte mich, lehnte mich vor, legte die Hände vor mir auf den Tisch und die Fingerspitzen aneinander.
Joan tippte sich mit dem Finger aufs Kinn, während sie mich eingehend betrachtete. »Nun, Ronan. Lassen Sie mich Ihnen sagen, wie gerne ich mit Ihnen arbeiten würde. Ich bin schon lange in diesem Geschäft, und ich bin immer auf der Suche nach neuen Herausforderungen. Ich habe mich eingehend mit Ihrer Laufbahn beschäftigt und bin überzeugt, dass wir gemeinsam sehr viel bewirken könnten. Also, was wollen Sie mit unserer Hilfe erreichen? Teilen Sie Ihre Vision mit uns, damit wir Ihnen helfen können, sie zu verwirklichen. Wir von Davidson & Croft sind auf maßgeschneiderte Lösungen spezialisiert.«
Ich stieß einen langen Seufzer aus. »Ich will ehrlich sein, Joan – mein PR-Berater hat mir dieses Meeting vor einer Stunde aufgeschwatzt. Dieser ganze Publicity-Kram ist nicht mein Ding. Ich versteh nichts davon. Ich bin doch eigentlich Sportler, und ich kapier nicht, warum die Medien neuerdings so einen Zirkus um mein Privatleben machen. Alles, was ich will, ist Rugby spielen und in Ruhe gelassen werden.«
»Wie langweilig«, gluckste Joan, wofür sie ein Grinsen von Rachel und Ian erntete, die bisher noch kein Wort gesagt hatten – und einen finsteren Blick von mir. »Ich fürchte, aus der Sache mit dem In-Ruhe-gelassen-Werden wird wohl nichts. Sie sind der Bad Boy des Rugby. Die Frauenherzen fliegen Ihnen zu.«
Ich verzog das Gesicht. »Ja ja, ich weiß schon, was alle Welt von mir erwartet. Und mir ist klar, was sich der Verband von mir erhofft. Aber ich fände es schön, wenn es dabei zur Abwechslung mal um meine Leistung auf dem Spielfeld ginge.«
Sie redete weiter, ohne mich zu beachten: »Leider waren Sie in letzter Zeit ein bisschen zu böse. Wir brauchen einen guten Bad Boy, einen salonfähigen Bad Boy. Mehr Mark Wahlberg und weniger Charlie Sheen. Wir wollen Sie rehabilitieren. Wie Robert Downey Jr., nur jünger und ohne Knastvergangenheit.«
Ich rieb mir den Nacken und antwortete: »Das Problem ist: Ich habe keinen Schimmer, wovon Sie reden, meine Liebste.« Ich stellte mich dumm, und Joan war schlau genug, mich zu durchschauen.
»Sie haben Ihren Teamkollegen krankenhausreif geschlagen, Ronan.«
Ich biss die Zähne zusammen. Was glaubte diese Frau eigentlich, wer sie war? »Und?«
»Das ist nicht gut.«
»So läuft das eben im Rugby.«
»Seltsam. Ich dachte immer, man greift den Gegner an und nicht die eigenen Leute.«
Ich zuckte die Achseln. »Für gewöhnlich schon. Aber in dem Fall habe ich eine Ausnahme gemacht, weil der Typ mit meiner Verlobten ins Bett gesprungen ist.«
Sie winkte ab. »Sie müssen sich doch nicht rechtfertigen. Ich bin hier, um Abhilfe zu schaffen, und nicht, um Sie zu provozieren.«
Ich blinzelte sie verständnislos an. Sie war hier, um Abhilfe zu schaffen?
Joan lächelte. »Schauen Sie, was Sie getan haben, war eine schlimme Sache, aber Sie hätten noch viel schlimmere Sachen tun können. Mit der Zeit wächst Gras darüber, und immer mehr Leute vergessen die Geschichte. Sie wären überrascht, wie leicht man so was hinkriegt. Wir arrangieren ein Date mit einer beliebten Schauspielerin, Sie spenden ein-, zweimal für einen guten Zweck – natürlich alles schön medienwirksam –, und Ihr angekratztes Image erstrahlt schon bald in neuem Glanz. Was sagen Sie dazu?«
Ich blickte Joan finster an und biss die Zähne zusammen. Diese ganze Sache machte mich nervös, und ich brauchte dringend frische Luft. »Ich sage, ich muss mal pinkeln.«
Joan zuckte nicht einmal mit der Wimper. »Wie Sie wollen. Die Toiletten sind am Ende des Flurs, die blaue Tür rechts.«
Rachel stand auf, als wäre ich zum Rektor zitiert worden und sie müsste mich begleiten. Ich blickte wieder zu Joan, und sie sah mir wohl meine Verärgerung an, denn sie gab Rachel ein Zeichen sich hinzusetzen und schüttelte den Kopf.
Rasch stand ich auf und verließ das Zimmer. Im Gang blieb ich auf halber Strecke stehen und fuhr mir mit der Hand übers Gesicht. Ich war hundemüde. In letzter Zeit hatte ich gar nicht gut geschlafen. Ich hatte gehofft, ein paar Monate weit weg von allem würden mir helfen, Abstand zu den Ereignissen zu gewinnen. Doch dummerweise wusste mein Kopf nicht, wie man abschaltet.
Nachdem ich das WC gefunden und mein Geschäft erledigt hatte, ging ich zurück Richtung Meeting. Als ich am Pausenraum vorbeikam, blieb ich stehen und überlegte, ob ich die Sache einfach sausen lassen und Toms Lokal einen kleinen Besuch abstatten sollte.
Durch die Tür sah ich eine dunkelhaarige Frau an einem Tisch sitzen. Vor ihr stand eine Tasse Tee, und sie führte gerade ein Eclair zum Mund.
Ein Mundwinkel wanderte nach oben, und ihre vollen Lippen formten ein Lächeln, das helle Vorfreude verriet. In meinem ganzen Leben hatte ich noch niemanden gesehen, der sich einem Gebäckstück so lustvoll hingab. Der Anblick war irgendwie sexy, und ich weiß nicht, wieso, aber er entlockte mir das erste richtige Lächeln seit Wochen.
Sie machte den Mund auf und legte die weiche, süße Stange auf ihre rosa Zunge. Ich musste ein Stöhnen unterdrücken. Aus irgendwie sexy wurde total heiß. Ich kannte diese Frau nicht, und doch ertappte ich mich bei dem Gedanken, ob sie vielleicht für ein wenig Spaß ohne Verpflichtungen zu haben war.
Ich musste irgendeine Bewegung gemacht haben, denn plötzlich hob sie den Kopf, und als sie mich sah, weiteten sich ihre großen braunen Augen. Sie schluckte, und ein Sahneklecks klatschte mitten auf ihr Top.
Ich lachte, womit ich vor allem davon ablenken wollte, dass ich sie heimlich beobachtet hatte, und betrat den Raum. »Gar nicht so einfach mit diesen Eclairs.«
Sie starrte mich weiter an, und ihre Augen wurden mit jeder Sekunde größer. Ich wartete darauf, dass sie etwas sagte, aber es schien ihr die Sprache verschlagen zu haben. Verdammte Scheiße – sie wusste, wer ich war.
Mein Blick schweifte über ihren Körper oder vielmehr über das, was sich davon unter der weiten Kleidung erahnen ließ: üppige Hüften und schöne Kurven. Sie trug einen braunen Rock, schwarze Strumpfhosen und ein graues Top. Das dunkelbraune Haar hatte sie zu einem strengen Dutt gebunden. Ein schlichtes Outfit. Aber als ich ihr zum ersten Mal richtig ins Gesicht sah, wurde mir klar, dass sie es nicht nötig hatte sich aufzutakeln. Ihre natürliche Schönheit war umwerfend genug, umso mehr, als sich ihre Wangen und ihr hübsches Näschen leuchtend rosa färbten.
Sie schlug die Augen nieder – schwarze Wimpern auf pfirsichfarbener Haut –, nahm eine Serviette und fing an, wie wild auf dem Sahnefleck rumzureiben. Dadurch machte sie die Sache nur schlimmer. Ich trat zu ihr, kniete mich vor sie hin und nahm ihr die Serviette aus der Hand. Du lieber Himmel: Sie zuckte tatsächlich zusammen, als ich sie berührte.
»Darf ich Ihnen helfen? Nicht reiben, nur tupfen, das ist der Trick.« Ich kam ihr ziemlich nahe. Um den Stoff straff zu ziehen, ließ ich eine Hand unter ihr Oberteil schlüpfen. Meine Knöchel streiften ihren Bauch, und ich hörte sie nach Luft schnappen. Sie hatte traumhaft weiche Haut. Während ich den Stoff sauber tupfte, spürte ich, wie sich der Raum mit Spannung auflud. Schon nach einem kurzen Moment schob sie meine Hand zögernd von sich, nahm die Serviette und trat einen Schritt zurück.
»Vielen Dank, aber ich denke, ich komme zurecht«, sagte sie betont höflich. Ihre Wangen brannten nun feuerrot. Die Situation war ihr eindeutig peinlich. Ich war ihr zu nahe gekommen, so viel stand fest. Aber wenn ich mich zu jemandem hingezogen fühlte, kannte ich keine Grenzen.
»Ich bin Ronan.« Ich reichte ihr die Hand. Sie warf einen kurzen Blick darauf und atmete tief durch, fast so, als müsste sie ihren ganzen Mut zusammennehmen. Dann ergriff sie meine Hand und schüttelte sie.
Ihre Hand war weich und warm. Und sie zitterte, als sie sie hastig zurückzog.
»Annie«, sagte sie fast unhörbar leise. Unsere Blicke hatten sich kaum gekreuzt, da schaute sie schon wieder weg. Ihre hübsche, blasse Kehle bewegte sich auf und ab.
»Freut mich, Sie kennenzulernen, Annie.« Mein Gott, war sie schön. Zu schade, dass meine Anwesenheit sie offenbar an den Rand eines Herzinfarkts brachte.
Ihre Haut war makellos, sie strahlte. Aber dieser Kleidungsstil – sie hätte genauso gut ein Zelt tragen können. Ich wollte doch die Kurven darunter sehen.
Und dann wirkte sie auch noch ein ganz kleines bisschen verängstigt. Vielleicht hielt sie mich für einen Irren, der seine Freunde krankenhausreif schlug. Ich konnte nie wissen, was die Leute über mich dachten oder gelesen hatten.
Als sie den Fleck entfernt hatte, so gut es eben ging, sah sie mich mit einem Blick an, in dem so etwas wie Vorsicht oder Misstrauen lag, als rechnete sie jeden Moment mit einem Kampf. »Kann ich Ihnen weiterhelfen?«
Was soll’s, dachte ich, und ging aufs Ganze. Seit Monaten hatte ich mich zu niemandem mehr hingezogen gefühlt, da wollte ich mir diese Frau nicht durch die Lappen gehen lassen. Also fragte ich leise: »Wie wär’s mit Ihrer Nummer?«
Wieder riss sie die Augen auf. Mit so was hatte sie offenbar überhaupt nicht gerechnet. Aber der Moment der Verletzlichkeit war schnell verflogen. An seine Stelle rückte erst Verwirrung und dann trotzige Entschlossenheit: »Nein.«
Was sollte ich jetzt sagen? Noch ehe ich Annie fragen konnte, ob sie schon mit jemandem ausging, betrat Joan den Raum. »Ach, da sind Sie, Ronan. Ich dachte schon, wir hätten Sie auf dem Rückweg von der Toilette verloren.«
»Ich habe nur Bekanntschaft mit Ihrer bezaubernden Mitarbeiterin geschlossen.« Ich zwinkerte Annie vielsagend zu. Sie sah aus, als hätte sie mir am liebsten eine geklatscht, wenn ihre Chefin nicht gerade direkt neben ihr gestanden hätte.
»Oh, Annie ist unser klügster und bester Kopf.« Joans Miene ließ wahre Wertschätzung erkennen. Sie hielt kurz inne. Dann fuhr sie fort: »Sagen Sie mir bitte, wenn das jetzt verrückt klingt, aber mir ist da gerade eine Idee gekommen.« Sie sah mich an. »Ronan, sagten Sie nicht, Publicity-Arbeit sei für Sie Neuland? Tja, unsere Annie ist ein Naturtalent, wenn es darum geht, unsere Kunden fit für den großen Auftritt im Internet zu machen. Ich glaube, Sie beide sollten sich zusammentun. Annie zeigt Ihnen, wie Sie die sozialen Medien effektiv nutzen, während der Rest unseres Teams Ihr Image auf Vordermann bringt.«
»Was für eine fabelhafte Idee, Joan.« Ich strahlte sie an. Natürlich strahlte ich sie an. Wenn ich dadurch Zeit mit dieser bezaubernden Annie verbringen konnte, würde ich mir sogar Nachhilfe in Sachen soziale Medien antun. Und ehrlich gesagt empfand ich es als erfrischende Abwechslung, dass Annie mich zurückwies. Die meisten Frauen hatten sofort Dollarzeichen in den Augen, wenn sie mich sahen.
Annie schien nicht gerade begeistert von dem Gedanken, mit mir ein Team zu bilden, und irgendwie konnte ich ihre Zurückhaltung nachvollziehen: Unter dem Vorwand, ihr zu helfen, hatte ich sie regelrecht begrapscht. Aber musste sie deswegen gleich ein Gesicht machen, als fände sie mich in etwa so anziehend wie getragene Unterwäsche?
Sie räusperte sich – ihr Hals noch immer vor Verlegenheit errötet – und sagte: »Leider habe ich gerade sehr viel um die Ohren, Joan. Vielleicht könnte sich jemand anderes besser …«
Joan wischte ihren Einwand beiseite. »Ach, papperlapapp! Sag einfach Rachel, sie soll dir etwas Arbeit abnehmen. Ich habe so eine Ahnung, dass Ronan und du sehr konstruktiv zusammenarbeiten werdet.«
Joans Blick duldete keine Widerworte. Annie sah erst zu mir und dann zu ihrer Teetasse, bevor sie schließlich resigniert nickte.
Joan klatschte in die Hände. »Wundervoll! Wenn Sie mir dann bitte folgen wollen, Ronan. Wir müssen uns noch auf einen Zeitplan verständigen.« Während sie mich aus dem Pausenraum führte, lächelte ich Annie ein letztes Mal zu.
Vielleicht würde es ja doch noch ein guter Tag werden.
Der Undercover-Agent: Wenn man heimlich ein Bild von einer anderen Person macht (für gewöhnlich von einem Star), ohne dass jemand bemerkt, dass man sein Smartphone dafür benutzt, weil man es in der Regel versteckt.
Ideal für: Menschenmengen, z. B. an Flughäfen, in Restaurants, beim Shoppen.
Lieber lassen: In ruhigen Bereichen oder in Situationen, wo man sich nur eingeschränkt bewegen kann.
Annie
RONAN FITZPATRICK.
Sein Name war Ronan Fitzpatrick, und seine Hand war soeben unter mein Oberteil gewandert.
Die Rückseite seiner Finger hatten meine nackte Haut gestreichelt und köstliche Blitze durch meinen ganzen Körper gesendet, über Bauch, Brust, Hals, bis in meinen Kopf. Mein Hirn hatte für ein paar Augenblicke ausgesetzt.
Ich war allein gewesen und hatte ein Trost-Eclair gegessen, nachdem mein Alter Ego, The Socialmedialite, eine ausgesprochen abscheuliche Mail erhalten hatte. Ich hatte sie vor weniger als einer Stunde gelesen; sie kam von dem Idioten, den ich letzten Donnerstag fälschlicherweise für Colin Farrell gehalten und über den ich am Samstag gebloggt hatte, der aber in Wirklichkeit ein in Ungnade gefallener Rugbyspieler war … namens Ronan Fitzpatrick. Und genau den habe ich gerade getroffen. Höchstpersönlich.
Ich muss die Mail bestimmt dreimal gelesen haben.
Okay, ich lüge. Ich habe sie mindestens zwanzigmal gelesen.
Dann googelte ich ihn, was das Zeug hielt. Er hatte recht. Eine spannende Lektüre. Ronan Fitzpatrick aus der Familie der ungemein vornehmen und protzigen Fitzpatricks aus dem Süden Dublins war eine irische Rugbylegende. Bereits sein Vater war ein berühmter Rugbyspieler gewesen, bis er vor etwa zwanzig Jahren bei einem Autounfall ums Leben kam.
Obendrein entstammte sein Vater einer stinkreichen Familie. So richtig alter Geldadel. Die Art Reichtum, die Amerikaner kaum nachvollziehen können. Jahrhundertealter Geldadel. Mir wurde fast übel. Ich kannte meinen biologischen Vater nicht einmal, und dieser Typ konnte seinen Stammbaum dreihundert Jahre zurückverfolgen.
Neben seinem entzückenden Leben mit einem Silberlöffel im Mund war Ronan – wenn man den Zeitungen glauben konnte – der wahrscheinlich beste Hakler Irlands aller Zeiten. Hakler ist eine Position – eine sehr wichtige Position – auf dem Rugbyfeld. Meine oberflächliche Recherche ergab, dass der Hakler beim Rugby das Äquivalent zum Quarterback beim Football ist.
Ronan war anscheinend der beste Hakler, den es je gegeben hatte, jetzt und alle Zeit und in Ewigkeit, amen.
In letzter Zeit war Ronan jedoch in Verruf geraten, weil er angeblich einen seiner Mitspieler auf dem Spielfeld krankenhausreif geschlagen hatte. In jüngster Vergangenheit war Ronan auf den Covern diverser Klatschmagazine aufgetaucht, zusammen mit einer unglücklich aussehenden Wasserstoffblondine. Den Überschriften zufolge war das die Schauspielerin, Sängerin und Ronans Exverlobte Brona O’Shea. Für den Show-Effekt waren die Fotos so bearbeitet worden, als wären sie in der Mitte entzweigerissen.
Als ich sie mir genauer ansah, hatte ich das Gefühl, diese Frau verurteilen, aber auch verteidigen zu müssen. Offensichtlich hatte sie sich mehreren kosmetischen Operationen unterzogen. Um sicher zu sein, suchte ich ältere Fotos von ihr, aus den letzten fünf Jahren. Wie vermutet hatte sich ihr Aussehen mit der Zeit drastisch verändert.
Früher war sie ein frisches, blühendes irisches Mädchen gewesen: rosa Wangen, sandblondes Haar, klare blaue Augen. Beim Anblick der aktuelleren Bilder verzog ich das Gesicht: Studiobräune, falsche Brüste, Fettabsaugungen, aufgespritzte Lippen, Botox, Nasen-OP. Wie schlimm war es für sie gewesen, mit jemandem wie Ronan zusammen zu sein? Hatte sie all das getan, nur um ihm zu gefallen? Und er hatte sie kurz nach dem Antrag abserviert? Ich war entsetzt.
Nach meiner packenden Google-Orgie las ich seine Mail noch einmal.
Zuerst war ich wieder bestürzt, wirklich fassungslos. Dann war ich wütend. Was vielleicht auch daran lag, dass er mit seiner Vermutung, ich sei feige und hätte lange keinen rangelassen, nicht ganz falschlag.
Er hatte vollkommen recht. Ich war ein sexuell unterversorgter Feigling. Aber das hieß nicht, dass mich seine persönlichen Beleidigungen kaltließen.
Die meisten Leute merkten, wie albern und spaßhaft meine Posts gemeint waren, konnten über sich selbst lachen und das Ganze locker nehmen.
Mr Ronan Fitzpatrick gehörte anscheinend nicht zu dieser Sorte Mensch. Er war ganz offenbar ein verwöhnter Schnösel, der immer das bekam, was er wollte, und alle anderen gingen ihm am Arsch vorbei. Ich kannte solche Typen. Ihretwegen zog ich es vor, mich im Hintergrund zu halten. Ihretwegen war ich ein sexuell unterversorgter Feigling.
Nachdem ich seine Mail bekommen, sie unzählige Male gelesen und mich in eine Mischung aus verletztem Stolz, Wut und Frust hineingesteigert hatte – obwohl ich wusste, dass ich niemals auf die Mail antworten würde –, beschloss ich, mich abzuregen. Ich beschloss, dass jetzt Frustessen angesagt war.
Als Erstes schickte ich meiner besten Online-Freundin eine Nachricht.
@Socialmedialite an @WriteALoveSong: Ich hab grad die fieseste Mail aller Zeiten bekommen. Erinnere mich daran, dass ich nie wieder über Sportler schreibe. Diese Holzköpfe verstehen keinen Spaß.
Ich ging eine Runde spazieren, meine Füße trugen mich zwei Blocks weiter zu meiner liebsten französischen Konditorei und wieder zurück zum Bürogebäude von Davidson & Croft. Ich machte einen Abstecher in den Pausenraum, wo ich mir meinen Spezial-Minztee kochen wollte – noch nie hatte ich mit einem Problem zu tun gehabt, das nicht mithilfe von Süßem und Tee behoben werden konnte. Kaum dass ich saß, las ich die Antwort meiner Freundin:
@WriteALoveSong an @Socialmedialite: Oh nein! Aber ich sage es ja immer wieder: Vergiss diese Promi-Sportler! Alles nur aufgeblasene Angeber. Tut mir echt leid.:-\
Ich schmunzelte. Auf sie war Verlass, wenn es darum ging, mich aufzuheitern.
Aber dann, nur eine Minute später, als ich immer noch über ihren Witz grinsen musste und das genoss, was momentan einem Orgasmus am nächsten kam, nämlich Eclairs von Jean Marie’s auf der Fifth Avenue, stand er auf einmal vor mir.
Der Anblick, der Duft und die traurigen, schwermütigen Augen von Ronan Fitzpatrick überwältigten mich.
Nicht die Schockstarre und auch nicht das Herzrasen brachten mich aus der Fassung. Der Grund für meine panische Angst war, dass ich ihn nicht abgewiesen hatte, selbst als mein Gehirn den Betrieb wieder aufgenommen hatte. Seine Hand war immer noch unter meinem Oberteil, sein Gesicht nur wenige Zentimeter von meinem entfernt – und ich wies ihn nicht ab.
Ich konnte nicht.
Er roch so verdammt gut, sauber und nach Seife, mit einem Hauch Aftershave und Minze. Ich starrte ihn an: seine Lippen, die verführerisch lächelten, den Kragen seiner Lederjacke, der seinen Nacken berührte, die kräftigen, muskulösen Beine in Jeans, die traurigen, schwermütigen Augen samt den dichten Wimpern. All meine Nervenenden brannten.
Verdammter Mist, es lag nicht einmal an seinem Äußeren.
Er war einfach … überwältigend und unglaublich anziehend. Sinnlich und purer Sex. Und er hatte offenbar noch nichts von höflicher Distanz gehört – was es nicht besser machte.
Endlich schaffte ich es, ihn von mir zu schieben, allerdings nur halbherzig und mit zittrigen Händen. An den Rest unseres Gesprächs konnte ich mich nur verschwommen erinnern – irgendwann war Joan hereingekommen und hatte uns in ein Team gesteckt.
Ich starrte zur leeren Tür, aus der sie eben verschwunden waren, mein Verstand arbeitete vergeblich und versuchte all das, was gerade vorgefallen war, zu begreifen. Langsam aber sicher verzog sich der konfuse Nebel, und die Wut und Demütigung, die ich beim Lesen von Ronan Fitzpatricks gemeiner Mail empfunden hatte, flammten wieder auf.
Nie im Leben.
Nie im Leben würde ich mit diesem Typen zusammenarbeiten – mit diesem Inbegriff eines verwöhnten, adeligen Muskelprotzes. Er verkörperte alles, was mir zuwider war – und das in einem straffen, fantastischen, muskulösen, aufregenden und überirdisch attraktiven Körper. Selbst ohne meine Sozialphobie hätte ich Zeit zu zweit mit Ronan genauso dringend gebraucht wie ein Auto ein Bad im Ozean.
Ich stand einfach da, suchte Halt an der Lehne des Stuhls, auf dem ich zuvor gesessen hatte – mein Tee war inzwischen lauwarm, das Eclair halb aufgegessen –, als Joan zurück in den Pausenraum stolziert kam. Ich hielt Ausschau nach ihm, suchte ihn hinter ihr, und erneut packte mich die blanke Panik. Erleichtert stellte ich fest, dass sie allein war. Ich stellte auch fest, dass sie grinste.
Joan grinste nie.
Sie stürmte auf mich zu, als wollte sie mich und meinen Stuhl umnieten, aber blieb dann doch einen Meter vor dem Tisch stehen. »Ich wusste nicht, dass Sie heute ins Büro kommen, meine Liebe.« Das sagte sie ganz fröhlich, ihre kleinen Augen wurden noch schmaler, ihr Grinsen immer breiter.
Ich erwiderte ihren Blick, aber nicht ihr Grinsen, da ich zu sehr damit beschäftigt war, zu überlegen, was ich als Nächstes tun sollte. Vielleicht konnte ich so tun, als hätte ich einen Hirntumor, und um eine sechsmonatige Beurlaubung bitten. Natürlich würde sie das durchschauen. Joan war gewieft, so wie andere Leute groß waren; das lag an ihren Genen.
»Joan«, setzte ich an und räusperte mich. Ich entschied, dass Ehrlichkeit der beste Weg war, weil ich nie in der Lage wäre, sie auszutricksen oder zu manipulieren. »Ich will wirklich nicht mit diesem Mann zusammenarbeiten. Ich verstehe, dass Sie mich mit dieser Kampagne betrauen müssen, aber uns in ein Team zu stecken, ist für niemanden förderlich.« Mein Herz hatte sich noch nicht von Mr Fitzpatricks Hand unter meinem Oberteil erholt, deshalb versuchte ich möglichst unauffällig, meinen Atem zu beruhigen.
»Aber meine Liebe, euch beide zusammenzutun war doch schon für alle förderlich.« Ihr Grinsen wurde zu einem schmalen, wissenden Lächeln, und die schwarzen Augen funkelten. Auf einmal drehte sie sich um und rief mir über die Schulter hinterher: »Komm mit.«
Resigniert seufzte ich, nahm schnell mein Eclair und den Tee und folgte ihr durch das Labyrinth aus Gängen zu ihrem riesigen Büro.
Sie wartete an der Tür auf mich und schloss sie hinter uns, nachdem sie ihre Sekretärin angefahren hatte: »Stellen Sie keine Anrufe durch und schicken Sie jeden weg, bis wir hier fertig sind.« Dann wandte sie sich mir zu und zerrte an meinem Ellenbogen, bis ich auf einem der Stühle vor ihrem Schreibtisch Platz nahm. »Setz dich hin und iss. Ich rede.«
Sobald ich dort war, wo sie mich haben wollte, ging sie hinter ihren riesigen Schreibtisch und setzte sich in den roten Ledersessel mit der hohen Lehne. Hinter ihr sah man durch ein breites Panoramafenster auf ganz Downtown Manhattan. Wie immer befand sie sich in der Machtposition.
»Kommen wir direkt zur Sache, meine Liebe. Mr Fitzpatrick bekommt, was Mr Fitzpatrick will. Und da ich Augen im Kopf habe, hat es mich keine drei Sekunden gekostet, zu merken, dass Mr Fitzpatrick dich will.«