Winston Brothers Band 3 + 4 - Penny Reid - E-Book

Winston Brothers Band 3 + 4 E-Book

Penny Reid

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Beschreibung

Zwei Winston Brothers in einem Band - Hier kommen Cletus und Beau! Whatever you need Jennifer Sylvester möchte sicher nicht für immer die Bananenkuchenkönigin von Tennessee bleiben. Aber als Mädchen aus gutem Hause, mit dem Schuldirektor als Vater und einer Mutter, die die lokale Popularität und das hübsche Gesicht ihrer Tochter nur zu gern vermarktet, ist Jennifer in Sachen Liebesleben echt verzweifelt. Aber schwierige Zeiten erfordern besondere Maßnahmen. Auftritt: Cletus Winston, der eben diese besondere Lösung für Jennifers Singleleben sein könnte. Aber auch wenn Cletus sich für sonst ziemlich clever und faszinierend hält, ist er von Green Valleys Golden Girl Jennifer mehr als überrascht. Und was tut ein gewiefter Bad Boy im Falle von Gefühlen? Wahrscheinlich nicht das, was du denkst … Whatever you want Beau Winston ist wirklich der netteste und charmanteste Typ der Welt. Normalerweise. Denn obwohl er der beliebteste Winston in Green Valley ist, ist sein Leben neuerdings ein Spießrutenlauf. Und das liegt nur an der Frau, die sein Bruder als neue Mechanikerin in der gemeinsamen Autowerkstatt eingestellt hat. Shelly Sullivan ist niemals nett und schon gar nicht charmant. Sie beendet keine Unterhaltung ohne bissige Bemerkung und ist sowieso eher ein Tier- als Menschenfreund. Beau will sie raus seinem Laden, raus aus Tennessee und raus aus seinem Leben haben. Aber bald merkt er, dass sich unter dieser harten Schale ein wunderschöner, todunglücklicher und verführerischer Kern verbirgt. Und einmal hinter die Fassade geblickt, kann Beau nicht mehr wegschauen.

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Winston Brothers Band 3 + 4

Die Autorin

Penny Reid ist USA Today Bestseller-Autorin der Winston-Brothers-Serie und der Knitting-in-the-city-Serie. Früher hat sie als Biochemikerin hauptsächlich Anträge für Stipendien geschrieben, heute schreibt sie nur noch Bücher. Sie ist Vollzeitmutter von drei Fasterwachsenen, Ehefrau, Strickfan, Bastelqueen und Wortninja.

Das Buch

Zwei Winston Brothers in einem Band - Hier kommen Cletus und Beau!Whatever you needJennifer Sylvester möchte sicher nicht für immer die Bananenkuchenkönigin von Tennessee bleiben. Aber als Mädchen aus gutem Hause, mit dem Schuldirektor als Vater und einer Mutter, die die lokale Popularität und das hübsche Gesicht ihrer Tochter nur zu gern vermarktet, ist Jennifer in Sachen Liebesleben echt verzweifelt. Aber schwierige Zeiten erfordern besondere Maßnahmen. Auftritt: Cletus Winston, der eben diese besondere Lösung für Jennifers Singleleben sein könnte. Aber auch wenn Cletus sich für sonst ziemlich clever und faszinierend hält, ist er von Green Valleys Golden Girl Jennifer mehr als überrascht. Und was tut ein gewiefter Bad Boy im Falle von Gefühlen? Wahrscheinlich nicht das, was du denkst …Whatever you wantBeau Winston ist wirklich der netteste und charmanteste Typ der Welt. Normalerweise. Denn obwohl er der beliebteste Winston in Green Valley ist, ist sein Leben neuerdings ein Spießrutenlauf. Und das liegt nur an der Frau, die sein Bruder als neue Mechanikerin in der gemeinsamen Autowerkstatt eingestellt hat. Shelly Sullivan ist niemals nett und schon gar nicht charmant. Sie beendet keine Unterhaltung ohne bissige Bemerkung und ist sowieso eher ein Tier- als Menschenfreund. Beau will sie raus seinem Laden, raus aus Tennessee und raus aus seinem Leben haben. Aber bald merkt er, dass sich unter dieser harten Schale ein wunderschöner, todunglücklicher und verführerischer Kern verbirgt. Und einmal hinter die Fassade geblickt, kann Beau nicht mehr wegschauen.Von Penny Reid sind bei Forever erschienen:In der Winston-Brothers-Reihe:Wherever you goWhatever it takesWhatever you needWhatever you want

Penny Reid

Winston Brothers Band 3 + 4

Forever by Ullsteinforever.ullstein.de

Sonderausgabe bei ForeverForever ist ein Verlag der Ullstein Buchverlage GmbH, BerlinJuli 2019 (1)© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2019Umschlaggestaltung: zero-media.net, MünchenTitelabbildung: © FinePic®Autorenfoto: © privat

ISBN 978-3-95818-444-2

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Whatever you need:Deutsche Erstausgabe bei Forever.Forever ist ein Verlag der Ullstein Buchverlage GmbH, BerlinSeptember2018 (1)© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2018Copyright © 2016. Beard Science by Penny ReidTitel der amerikanischen Originalausgabe: Beard Science (Penny Reid 2016)Übersetzung: Sybille Uplegger

Whatever you want:Deutsche Erstausgabe bei Forever.Forever ist ein Verlag der Ullstein Buchverlage GmbH, BerlinOktober 2018 (1)© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2018Copyright © 2017. Beard in Mind by Penny ReidTitel der amerikanischen Originalausgabe: Beard in Mind (Penny Reid 2017)Übersetzung: Sybille Uplegger

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Inhalt

Titelei

Die Autorin / Das Buch

Titelseite

Impressum

Whatever you need

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Epilog

Whatever you want

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Epilog

Anhang

Leseprobe: Winston Brothers

Empfehlungen

Social Media

Vorablesen.de

Cover

Titelseite

Inhalt

Whatever you need

Whatever you need

Für Cletus.

Kapitel 1

Jennifer

Ich stand jeden Morgen auf und backte Kuchen.

Dabei zog ich es vor, nicht in großen Mengen zu backen. Kuchen in großen Mengen zu backen ist nämlich ungefähr so, als würde man eine ganze Horde Kinder großziehen und von ihnen erwarten, dass sie sich alle genau gleich verhalten. Oder als wollte man jeden See in Tennessee in exakt derselben Zeit durchschwimmen.

Sofern es mir möglich war, widmete ich mich immer nur einem Kuchen auf einmal. Jeder Kuchen hatte seine ganz eigene Persönlichkeit, und wenn man diese Persönlichkeit nicht respektierte, bekam man unweigerlich die Quittung dafür. Dann wurde der Kuchen nämlich widerspenstig oder langweilig.

Ich wollte keine widerspenstigen Kuchen backen. Eigentlich wollte ich im Moment überhaupt keine Kuchen backen. Aber wenn ich schon Kuchen backen musste, dann sollten es großartige Kuchen werden. Kuchen, die Spaß machten. Kuchen mit hochfliegenden Träumen. Temperamentvolle Kuchen, die immer und überall auffielen.

Absolut einzigartige Kuchen.

»Bist du schon mit der Bestellung aus Knoxville fertig?«, rief Momma von nebenan. Ich hatte sie gar nicht hereinkommen hören. Ihr Ton war schrill und leicht panisch, und das löste auch bei mir Panik aus. »Ich schwöre bei der gebratenen Hühnerleber deiner Großmutter Lilly, wenn du die Kuchen wieder alle einzeln backst, dann erwürge ich dich.«

Ich straffte die Schultern und schluckte den Speichel hinunter, der mir vor lauter Nervosität im Mund zusammengelaufen war. Die gebratene Hühnerleber meiner Großmutter Lilly war nicht nur köstlich und ein streng gehütetes Geheimnis – wie die meisten unserer berühmt-berüchtigten Familienrezepte –, sondern sie konnte, mit genügend Kraft und in tödlicher Absicht geschleudert, auch erhebliche Verletzungen hervorrufen.

Mit großer Sorgfalt stellte ich den letzten Kuchen in seine Schachtel.

Und ja, ich hatte sie in der Tat alle einzeln gebacken und dekoriert – so wie immer. Bedeutete das, dass ich mich in aller Herrgottsfrühe aus dem Bett quälen musste? Ja, das bedeutete es. Musste ich das meiner Mutter gegenüber zugeben? Nein, das musste ich nicht. Es war besser, vor Sonnenaufgang aufzustehen, als den guten Menschen von Barbern langweiligen Kuchen anzudrehen.

»Bin gleich fertig!«, rief ich zurück und machte mich ans Aufräumen. Wenn sie sah, dass ich die kleine Küchenmaschine verwendet hatte, würde sie Zustände bekommen. Hastig stopfte ich alle benutzten Rührschüsseln und Messbecher in einen der Schränke im hinteren Bereich der großen, professionell ausgestatteten Backstube. Dann lief ich zurück, um die Küchenmaschine zu holen. Ich nahm sie auf den Arm und taumelte unter ihrem Gewicht.

Als ich das Klackern von Absätzen hörte, wurde mir klar, dass ich keine Zeit mehr haben würde, das Gerät zu verstecken. Also stellte ich es kurzerhand auf den Boden und warf meine Schürze darüber. Dann wirbelte ich herum, gerade noch rechtzeitig, bevor meine Momma im Türrahmen auftauchte.

»Gott sei Dank.« Sie hatte die Hände in die Hüften gestemmt und war wie immer perfekt zurechtgemacht.

Ihre blonden, zu Wellen gelegten Haare sahen aus wie ein Helm, und vermutlich fühlten sie sich auch so an. Ihr Make-up war makellos, dick wie eine Kuchenglasur und stoßfest wie eine Hockeymaske. Eine Wolke aus Chanel No. 5, Nagellackgeruch und Aqua-Net-Haarspray wehte drei Sekunden nach ihr in den Raum.

Ihr äußeres Erscheinungsbild war Waffe und Rüstung zugleich.

Kritisch begutachtete sie den Zustand der Backstube. Ihr Blick blieb an der großen Küchenmaschine hängen. Sie war blitzsauber.

»Wo sind denn die anderen? Wer hat das alles saubergemacht?«

»Ich.« Ich stieg über die kleine Küchenmaschine am Boden hinweg und hoffte inständig, dass sie meiner Mutter nicht auffallen würde. »Ich habe die Mitarbeiter früher nach Hause geschickt, es war ja nur die eine Bestellung.«

Sie sah mich an. »Was ist denn das bitte für ein Lumpen?«, fragte sie mit unüberhörbarer Missbilligung.

Ich schaute an mir herab. Ich hatte ganz vergessen, was ich heute Morgen angezogen hatte. »Äh … eine Latzhose.«

»Oh, Jennifer!« Sie sagte meinen Namen leise und gepresst, als wäre er ein Schimpfwort. »Eine Dame trägt doch keine Latzhosen.«

»Nancy Danvish trägt Latzhosen.« Von Nancy Danvish bezogen wir unsere Eier und unsere Milch. Ihre Hühner und ihre Kühe waren sehr glücklich, deshalb legten sie die besten Eier und gaben die beste Milch. Glückliche Eier und glückliche Milch ergaben glückliche Kuchen.

»Nancy Danvish ist eine Bäuerin.«

»Aber sie ist trotzdem eine Dame.«

»Darüber kann man sich streiten …«, grummelte meine Mutter und hätte fast die Augen verdreht. »Und gütiger Himmel, deine Haare! Und dein Gesicht, pfui.« Halblaut fügte sie noch hinzu: »Manchmal frage ich mich wirklich, von welchem Planeten du stammst. Von diesem hier ganz sicher nicht.«

Ich presste die Lippen aufeinander, um nicht »Danke« zu sagen.

Das war so eine Eigenart von mir: Ich bemühte mich immer, so zu tun, als wären unhöfliche Bemerkungen in Wahrheit bloß ungeschickt formulierte Komplimente, denn so war es für alle Beteiligten angenehmer. Die Bemerkung meiner Momma beispielsweise hätte in Wahrheit auch Folgendes bedeuten können: Du bist ein Wesen von einem anderen Stern.

Diese Angewohnheit hatte mir im Laufe meines Lebens schon oft gute Dienste geleistet, sowohl wenn ich in der Stadt unterwegs war, als auch zu Hause im Umgang mit meinen Eltern. Bestimmt wäre sie auch in der Schule nützlich gewesen, allerdings war ich nie zur Schule gegangen. Meine Momma hatte mich und meinen Bruder zu Hause unterrichtet.

Als Rhea Mathis einmal während der Chorprobe in der Kirche zu mir gesagt hatte, ich würde »so gut hier reinpassen wie ein Vegetarier auf ein Grillfest«, war das lediglich ihre Art gewesen, mir mitzuteilen, wie einzigartig ich sei. Und als Timothy King mich mit fünfzehn bei der Jam Session am Freitagabend als »steif wie eine tote Katze« bezeichnet hatte, hatte ich mich bei ihm bedankt, weil er meine Bescheidenheit und Zurückhaltung gelobt hatte. Und als zwei der Finalistinnen des Tortenwettbewerbs auf der alljährlichen landwirtschaftlichen Leistungsschau mir mitteilten, dass sie mich für vollkommen talentfrei hielten, hatte ich diese nette Bemerkung über meinen Fleiß mit einem Lächeln quittiert.

»Hallo? Erde an Jennifer? Hör auf, Löcher in die Luft zu starren. Du musst dich beeilen.«

»Was?«

Momma hielt ihr Handy in der einen Hand und wedelte mit der anderen vor meinem Gesicht herum. »Du hast heute noch einen Termin mit Sheriff James.«

»Ach ja?« Das war mir neu.

»Ja. Ich habe ihn heute Morgen zufällig auf dem Parkplatz vor dem Piggly Wiggly getroffen und ihn gefragt, wie ihm und seinen Deputys die Cupcakes geschmeckt hätten, die wir ihnen geschickt haben. Und natürlich hat er in den höchsten Tönen von ihnen geschwärmt. Wie dem auch sei, eins führte zum anderen und am Ende hat er sich bereit erklärt, ein Testimonial mit dir aufzunehmen.«

»Aha …« Ich nickte matt. Meine Kehle war auf einmal staubtrocken. Ich versuchte zu lächeln.

»Was ist mit deinem Gesicht los? Hast du Magenschmerzen?«

»Nein.« Ich gab mir mehr Mühe mit dem Lächeln. »Aber Momma, du weißt doch, dass ich nicht gern solche Videos mache.«

»Sprich laut und deutlich, Jennifer. Du nuschelst schon wieder. Ich mag es nicht, wenn du nuschelst.«

Ich räusperte mich. »Ich mache nicht gern solche Videos. Ich bin dann immer so nervös, und die Kommentare im Netz …«

»Ach, die bösen Kommentare darfst du gar nicht lesen, Kleines. Es gibt nun mal gehässige Menschen auf der Welt. In Wahrheit können die einem nur leidtun.« Sie trat zu mir, legte mir die Hände auf die Schultern und schüttelte mich leicht. »Denk daran, wie gut das Gästehaus läuft, seit wir letztes Jahr die Social-Media-Kampagne gestartet haben. Denk daran, wie die Bäckerei floriert. Denk an das viele Geld, das wir verdienen. Denk daran, wie du überall auf der Welt bewundert wirst. Du bist ein Star.«

»Aber die viele Aufmerksamkeit … Und die Leute in der Stadt –«

»Die Leute in der Stadt können uns egal sein. Du und ich, wir sind zu Höherem bestimmt. Komm schon, du weißt doch, wie hübsch du in diesen Videos aussiehst, deine Abonnenten sind immer ganz begeistert davon. Du bist so unglaublich telegen – wenn du geschminkt bist und nicht wie eine Bäuerin herumläufst, versteht sich. Na, geh und zieh dich um, sei so gut. Ich habe dem Sheriff gesagt, dass du heute Nachmittag vorbeikommst.«

»Aber kannst du nicht –«

»Jennifer!« Die Finger meiner Mutter gruben sich in meine Arme, und sie schloss für einen langen Moment die Augen, als müsse sie sich sammeln. »Du stellst meine Geduld wirklich auf eine harte Probe, Schätzchen. Hast du eine Ahnung, was ich heute alles noch zu erledigen habe? Muss ich dich daran erinnern, dass Ende des Monats die Investoren wegen des Gästehauses kommen? Ich brauche dich, Jennifer. Du bist hier der Dreh- und Angelpunkt. Wenn du mich enttäuscht, ist alles verloren. Seit dein Bruder weg ist …« Das Kinn meiner Mutter bebte, und sie blickte an die Zimmerdecke. In ihren Augen schimmerten Tränen.

Sofort hatte ich ein schlechtes Gewissen, weil ich ihr unnötigen Kummer bereitete. Ich wusste ja, wie sehr sie unter der Abwesenheit meines Bruders litt. Ich wusste, wie tief getroffen sie gewesen war, als Isaac den Kontakt zur Familie abgebrochen hatte. Mein Vater schien recht schnell über den Verlust hinweggekommen zu sein, aber Momma trauerte immer noch. Mir zerriss es jedes Mal fast das Herz vor Sehnsucht, wenn ich an meinen Bruder dachte – nicht auszudenken, wie es erst meinen Eltern gehen musste.

Sie atmete zitternd aus, schniefte diskret und sah mich an. »Ich bitte dich, Jenny. Bitte sei mir eine Stütze. Bitte lass mich nicht im Stich.«

Ich verkniff mir jeden weiteren Protest und ordnete meine Gesichtszüge so, dass sie an ein schmallippiges Lächeln erinnerten.

Als sie seufzte, schwang darin Erleichterung mit. Sie nahm mein Gesicht in ihre Hände und sah mich liebevoll an. »Gut, gut. Und jetzt geh und zieh dich um, und dann fährst du zum Sheriff und nimmst das Video mit ihm auf. Den Rest des Tages hast du dann frei.« Unter ihrem maskenhaften Make-up nahm ich einen Anflug von Besorgnis wahr. »Um wie viel Uhr bist du eigentlich heute aufgestanden? Du siehst müde aus.«

»Mir geht’s gut.«

Sie musterte mich noch eine Zeit lang mit mütterlicher Fürsorge, bevor ihr Handy einen Summton von sich gab. Sie warf einen Blick auf den Bildschirm, schnaubte unwillig und ließ meine Schultern los. »Da muss ich rangehen. Wie gesagt, das mit dem Sheriff solltest du heute unbedingt noch erledigen. Und danach schreibst du vielleicht einem deiner Brieffreunde, oder du legst dich hin und ruhst dich ein bisschen aus.«

Zum vielleicht zehnmillionsten Mal in meinem Leben sagte ich: »Mache ich, Momma.«

Doch sie hörte gar nicht mehr zu. Sie hing bereits am Telefon. »Hallo? Hallo, ja, richtig, hier spricht Diane Donner-Sylvester. Ja, ganz herzlichen Dank für den Rückruf …« Sie verließ die Küche, und ihre Stimme und das Geräusch ihrer Absätze wurden immer leiser.

Und weil ich ein braves Mädchen war, tat ich, was sie mir aufgetragen hatte.

Ich beobachte Menschen.

Zum einen, weil sie oft sehr seltsame Dinge tun und sagen, wenn sie sich unbeobachtet fühlen. Aber vor allem beobachte ich Menschen, weil fast niemand in Green Valley gewillt ist, mit mir über etwas anderes zu reden als über Kuchen.

»Da kommt die Bananenkuchenkönigin«, verkündete Flo McClure gedehnt. Sie bemannte – oder vielmehr: befraute – den Empfangstresen im Sheriffbüro und hob bei meinem Eintreten kaum den Blick von ihrem Computermonitor. Ohne mich anzusehen oder darauf zu warten, dass ich etwas sagte, wies sie mich an: »Nehmen Sie Platz, Kindchen. Der Sheriff erwartet Sie, aber es dauert noch ein paar Minuten.«

»Danke schön, Miss McClure.«

Die ältere Frau kniff ihre Augen zusammen, die die Farbe von Kiefernzapfen hatten, und lächelte höflich, um mir zu signalisieren, dass sie mich zwar vernommen hatte, ihr aber die Zeit oder die Muße fehlte, sich auf eine Unterhaltung mit mir einzulassen.

Ich lebte in einer Kleinstadt, wo jeder jeden kannte. Flo – mit vollständigem Namen Florence – McClure war die unverheiratete Schwester von Carter McClure, dem Leiter der hiesigen Feuerwehr. Sie war als starrsinnige alte Jungfer verschrien. Die Leute behaupteten, sie hätte trotz mehrerer Anträge von verschiedenen Männern nie geheiratet, weil sie ihre Unabhängigkeit bewahren wollte.

Ich allerdings hegte den Verdacht, dass es nicht ihre Unabhängigkeit war, deren Verlust sie fürchtete. Vor fünf Jahren während der Parade zum vierten Juli hatte ich sie bei einem heimlichen, aber sehr leidenschaftlichen Wortwechsel mit Nancy Danvish beobachtet. Ich wäre bereit gewesen, mein gesamtes Geld darauf zu verwetten, dass sie sich insgeheim zu Frauen hingezogen fühlte.

Wie dem auch sei. In Green Valley kannten sich alle untereinander, und alle kannten mich. Ich war die Bananenkuchenkönigin. Ich backte auch noch viele andere Dinge, aber berühmt war ich für meinen Bananenkuchen. Deshalb wurde ich auch normalerweise wie folgt vorgestellt: »Das hier ist Jennifer Sylvester. Sie wissen schon – die Bananenkuchenkönigin. Sie ist berühmt für ihren Bananenkuchen.«

Aber ich schweife ab.

Ich kehrte Flo McClure den Rücken zu und suchte mir einen Stuhl in der Ecke des kleinen Eingangsbereichs. Ich legte das eingewickelte Zucchini-Walnuss-Brot, das ich mitgebracht hatte, auf meinen Schoß, überkreuzte die Beine an den Knöcheln und wartete.

Ich mochte den Sheriff. Er war sehr nett. Er redete nicht viel, fragte mich aber immer, wie es mir ging, und er hatte ein freundliches, aufrichtiges Lächeln. Außerdem gefiel es mir, dass er so ein hingebungsvoller Vater und Ehemann war. Die Leute in seinem Bezirk lagen ihm wirklich am Herzen. Er war ein guter Mensch. Und deshalb brachte ich ihm etwas Selbstgebackenes mit.

Die nächste Viertelstunde verbrachte ich damit, die Leute auf der Wache zu beobachten und die Social-Media-Benachrichtigungen auf meinem Handy zu ignorieren. Ich pflegte meine Accounts nicht selbst, bekam aber trotzdem immer alle Benachrichtigungen auf mein Smartphone geschickt.

Hannah Townsen kam herein. Sie hielt schnurstracks auf den Empfangstresen zu und begann eine lebhafte Diskussion mit Flo über einen Bußgeldbescheid wegen zu schnellen Fahrens. Einige Augenblicke später tauchten die King-Brüder in der großen Tür auf, die zu den eigentlichen Büros führte. Sie tuschelten leise miteinander.

Ich zog abwehrend die Schultern hoch und machte mich auf einen vulgären Kommentar oder ein eindeutiges Angebot gefasst. Doch es kam keins.

Die zwei wirkten mitgenommen, sogar ein bisschen verängstigt, und bemerkten mich gar nicht, als sie mit schnellen Schritten in Richtung Ausgang eilten. Auch von Flo und Hannah nahmen sie keine Notiz.

Ich wunderte mich nicht, die King-Brüder auf der Polizeiwache zu sehen. Als rangniedere Mitglieder der Iron Wraiths – dem größten und gefährlichsten Motorradclub der Gegend – kamen sie häufiger mit dem Gesetz in Konflikt.

Wann immer sie mich alleine antrafen, handelte ich mir eine anzügliche Bemerkung von ihnen ein. Das ging seit meiner Jugendzeit so.

Doch heute war offenbar eine Ausnahme. Ich seufzte erleichtert.

Dann richtete ich meine Aufmerksamkeit wieder auf Flo und Hannah, deren Unterhaltung sich mittlerweile Hannahs Mutter zugewandt und einen deutlich freundschaftlicheren Ton angenommen hatte.

Mrs Townsen hatte einige Jahre zuvor einen Autounfall gehabt, und Hannah hatte sie ganz allein gepflegt, obwohl sie damals erst siebzehn Jahre alt gewesen war. Um die Familie durchzubringen, hatte sie zwei Jobs annehmen müssen: als Kellnerin im Front Porch und in der Fabrik von Payton Mills. Vor etwa zwei Jahren hatte sie dann die Stelle in der Fabrik gekündigt, um stattdessen als Stripperin im Pink Pony anzufangen.

Das Telefon klingelte, und Flo hob einen Finger, ehe sie den Hörer abnahm. »Warten Sie ganz kurz, Hannah, da muss ich rangehen. Ja?« Ihr Blick glitt kurz zu mir, dann nickte sie. »Jawohl, die ist hier.«

Unwillkürlich setzte ich mich aufrechter hin, als auch Hannah sich nach mir umdrehte. Sie taxierte mich von oben bis unten und konnte sich nur mit Mühe ein Augenrollen verkneifen.

Ich machte ihr keinen Vorwurf daraus, wirklich nicht. Wir waren im gleichen Alter und hatten früher zusammen im Kirchenchor gesungen. Ich konnte ihre Verachtung für mich gut verstehen.

Ich gab ein ziemlich extremes, geradezu lächerliches Bild ab: toupierte und gewellte wasserstoffblonde Haare; rosafarben lackierte Acrylnägel; High Heels. Seit ich sechzehn war, ließ mich Momma nur noch geschminkt aus dem Haus gehen, einschließlich falscher Wimpern. Wenn man die Schönheitswettbewerbe mitzählte, an denen ich als Kind teilgenommen hatte, hatte das mit dem Make-up sogar noch früher angefangen. In der Öffentlichkeit trug ich ausschließlich Gelb oder Grün, denn diese Farben waren mein Markenzeichen, seit ich vier Jahre alt war. Ich trug immer Kleider, diese Kleider gingen mir immer bis zum Knie, und ich hatte immer eine Perlenkette um den Hals.

Ich besaß eine einzige Jeans sowie eine Latzhose, durfte mich aber seit Langem nur noch vollständig zurechtgemacht in der Öffentlichkeit zeigen. Momma sagte, ich sei das Aushängeschild der Firma und schlampige Kleidung sei schlecht fürs Geschäft.

Ich war die Karikatur eines Südstaaten-Klischees, aber unsere Kunden liebten mich. Sie engagierten mich sogar für ihre Partys. Dort stand ich dann am Dessertbüfett und servierte den Gästen mit einem strahlenden Lächeln im Gesicht und zitternden Händen Kuchen. Nie bemerkte jemand, wie meine Hände zitterten.

»Alles klar, ich schicke sie rein.« Flo nickte abermals, und während sie den Hörer auflegte, ging ihr Blick erneut zu mir. Mit einer Bewegung ihres Handgelenks deutete sie auf die Tür zum Büro. »Der Sheriff hat jetzt Zeit für Sie.«

»Danke, Ma’am.«

Sie antwortete nicht, sondern wandte sich sofort wieder ihrem Gespräch mit Hannah zu. »Haben Sie die vielen Presseleute vor dem Haus der Winstons gesehen?«

»Ja, Ma’am, und ob«, flüsterte Hannah so laut, dass jeder im Umkreis sie hören konnte. »Das ist wegen der Hochzeit von Jethro Winston mit dieser berühmten Schauspielerin.«

Jethro Winston und Hollywoodstar Sienna Diaz hatten sich zu Beginn des Sommers kennengelernt und sich vor zwei Monaten verlobt. Jethro war das Älteste der sieben Winston-Geschwister. Nach ihm kam Billy, dann Cletus, dann Ashley (das einzige Mädchen), dann die Zwillinge Beau und Duane und schließlich Roscoe, der Jüngste. Roscoe war in meinem Alter, und hätte ich eine öffentliche Schule besucht, wäre ich mit ihm in eine Klasse gegangen.

»Haben die beiden denn schon geheiratet?«

»Nein, noch nicht.« Hannah beugte sich über den Tresen und senkte verschwörerisch die Stimme. »Aber angeblich ist sie bereits schwanger.«

Mein Herz krampfte sich vor Neid zusammen.

Nicht, dass ich auf Ms Diaz eifersüchtig gewesen wäre. Kein bisschen. Ich wollte nichts von Jethro Winston. Er schien ein netter Kerl zu sein, aber mein Vater sagte immer, dass Jethro nicht zu der richtigen Sorte Mann gehöre und ich ihn deshalb meiden solle.

Mit »nicht die richtige Sorte Mann« meinte mein Vater, dass Jethro niemals vermögend sein würde. In den Augen meines Vaters war ein Mann nichts wert, wenn er nicht entweder Geld oder eine hohe gesellschaftliche Stellung hatte.

Nein, in Wahrheit war ich eifersüchtig auf Sienna und Jethro. Wenn es stimmte, was Hannah sagte, würden sie bald eine kleine Familie sein, und das, obwohl sie sich erst vor fünf Monaten kennengelernt hatten. Sie bekamen ein Baby, einen kleinen Menschen, den sie lieben, um den sie sich kümmern, den sie knuddeln und herzen und im Arm halten konnten.

Das wünschte ich mir auch, mehr als alles andere. Ich träumte schon lange davon, eine eigene Familie zu haben.

Ich unterdrückte meine Neidgefühle, während ich mit klackernden Absätzen auf den Durchgang zuschritt und die beiden Frauen ihrem Gespräch überließ. Ich öffnete die Tür und betrat das Büro, wo ich mich als Erstes nach Sheriff James umschaute. Es herrschte ziemlich viel Betrieb heute, deutlich mehr als sonst, obwohl das Sheriffbüro größer war, als man es in einer Kleinstadt vermutet hätte.

Die Gesetze des Staates Tennessee schreiben vor, dass jedes County für jeweils vier Jahre einen Sheriff wählt. Sheriffs sind Staatsbedienstete, die in ihrem jeweiligen County alle polizeilichen Aufgaben übernehmen. Gibt es innerhalb der Städte eines Countys eigene Polizeidienststellen, so beschränkt sich die Zuständigkeit des Sheriffs normalerweise auf die Gebiete außerhalb der Stadtgrenzen.

Nicht so bei Sheriff James. Er und seine Deputys waren für das gesamte County einschließlich dreier Städte verantwortlich und teilten sich darüber hinaus mit dem staatlich bestellten Wildpfleger die Aufsicht über den in Tennessee gelegenen Teil des Smoky-Mountain-Nationalparks.

Er hatte eine wichtige Aufgabe, und dementsprechend groß war die Zahl seiner Deputys.

Die Schreibkräfte saßen um einen der Tische herum und flüsterten aufgeregt miteinander. Normalerweise waren die meisten Officer draußen auf Streife, aber heute zählte ich mindestens fünf Deputys, die ungeduldig herumstanden und auf etwas zu warten schienen. Eine spürbare Anspannung lag in der Luft.

»Jennifer Sylvester. Immer ein Vergnügen.«

Ich riss den Blick von den herumstehenden Deputys los und stellte fest, dass der Sheriff mit einem freundlichen, väterlichen Lächeln im Gesicht auf mich zukam.

»Sheriff James. Ich habe Ihnen ein Zucchinibrot mitgebracht.« Ich hielt ihm meine Gabe hin und freute mich, als sein Lächeln zu einem breiten Strahlen wurde.

»Das wäre doch nicht nötig gewesen«, sagte er, während er gleichzeitig das in Folie gewickelte Brot entgegennahm. »Ihre Momma sagte mir, Sie möchten gerne ein kurzes Video über Ihre Kuchen drehen?«

»Richtig, Sir. Genau so ist es. Sie würde sich freuen, wenn Sie vor der Kamera etwas zu den Cupcakes sagen könnten, die wir neulich für Sie gebacken haben. Natürlich nur, wenn es Ihnen nichts ausmacht.«

»Verstehe. Werden Sie denn auch in dem Video zu sehen sein?«

Ich schüttelte den Kopf, auch wenn ich wusste, dass ich damit gegen die Wünsche meiner Mutter verstieß. Aber ich hatte mir etwas anderes ausgedacht. »Nein, Sir. Ich nehme später noch ein Intro auf, aber das hier soll ganz allein Ihr Testimonial werden, deshalb komme ich darin nicht vor.«

Er nickte und beugte sich zu mir hin, während ich sprach, wie um mich besser hören zu können. »Aha, nun denn, mir soll es recht sein. Aber gehen wir dafür doch nach nebenan in mein Büro, da haben wir mehr Ruhe.«

»In Ordnung –«

Im selben Augenblick flog hinter mir die Durchgangstür auf, und ein lauter Jubelschrei ertönte. Als ich mich umdrehte, sah ich Jackson James hereinkommen. Er legte mir die Hände an die Hüften und schob sich an mir vorbei.

»Entschuldigen Sie, Jenn«, sagte er mit einem Augenzwinkern und drängte sich zwischen mich und seinen Vater.

Jackson James war der einzige Sohn von Sheriff James und seiner Frau Janet. Sie hatten auch noch eine Tochter mit Namen Jessica, die bis vor Kurzem an der Highschool, an der mein Vater Schulleiter war, Mathematik unterrichtet hatte.

Seht ihr? Kleinstadt. Jeder kannte jeden.

Jackson wedelte aufgeregt mit einem großen braunen Umschlag. »Wir haben ihn, Sir. Hier ist er.«

»Das ging ja schnell.« Die Miene des Sheriffs hellte sich auf. Er reichte seinem Sohn das Zucchinibrot und nahm dafür den Umschlag entgegen, den er hastig aufriss, während sich die anderen Deputys um ihn scharten. Ich trat ein Stück zur Seite, weil ich nicht im Weg stehen wollte.

»Richter Payton hat die Sache vorgezogen.«

»Wir haben die Beweise doch erst heute früh reinbekommen.«

»Er meinte, die Fotos seien eindeutig und es sei ihm eine Ehre, den Haftbefehl zu unterzeichnen.« Jackson tippte gegen den Umschlag und grinste in die Runde. »Bleibt nur noch die Frage, wer von uns den Bastard hochnehmen darf.«

Der Sheriff schüttelte seufzend den Kopf, als könne er nicht glauben, was er da las.

»Bevor ihr losfahrt, fordert Verstärkung aus Merryville an.«

»Wir werden doch wohl zu sechst mit diesem schmalen Hemd fertigwerden«, sagte Jackson mit hörbarem Spott, obwohl er sich gleichzeitig um einen respektvollen Ton bemühte. »Außerdem sind Dale und Evans schon unterwegs.«

Dale und Evans waren zwei weitere Deputys, die zurzeit auf Streife sein mussten, denn ich konnte sie nirgends entdecken. Ich ließ den Blick durch den Raum schweifen.

Im nächsten Moment blieb mir das Herz stehen. Es setzte ein paar Takte aus, ehe es stotternd weiterschlug.

Reflexartig wich ich einen Schritt zurück. Eine stechende, unangenehme Hitze breitete sich in meiner Brust aus und sammelte sich in meinem Bauch. Abseits der Gruppe von Deputys hatte ich einen Mann erspäht, der gerade an einer Maschine herumschraubte.

Seinen Bart hätte ich unter tausenden wiedererkannt. Es war Cletus Winston, der drittälteste der Winston-Brüder.

Wie üblich schenkte er mir keinerlei Beachtung.

Wenn die Leute im Ort mich ignorierten oder nicht ernst nahmen, machte mir das in der Regel nicht viel aus. Nur die wenigsten waren wirklich gehässig, und der Großteil dieser Gehässigen waren junge Frauen in meinem Alter oder deren Mütter. Wenn sie mich sahen, lächelten sie zuckersüß, nur um dann hinter meinem Rücken die Augen zu verdrehen. Daran war ich gewöhnt.

Aber bei Cletus war es anders. Er sah mich überhaupt nicht. Es war, als tauchte ich gar nicht auf seinem Radarschirm auf, nicht mal als ein winzig kleiner Punkt. Das war schon immer so gewesen. Ich war schlichtweg unsichtbar für ihn.

Nicht, dass mich das gestört hätte.

Cletus Winston war der durchtriebenste, intriganteste, mächtigste und, wenigstens meiner Meinung nach, gefährlichste Mann im östlichen Tennessee – nur dass keiner außer mir sich dessen bewusst zu sein schien. Allgemein galt er als verschroben, aber harmlos. Dabei manipulierte er die Menschen so geschickt, dass sie immer genau das taten, was er wollte – und dabei noch glaubten, es wäre ihre eigene Idee gewesen.

Das wusste ich, weil ich so oft die Menschen beobachtete.

Versteht mich nicht falsch – Cletus zu beobachten war alles andere als eine Strafe. Sah er gut aus? Definitiv. Er war eine absolute Augenweide, so wie alle Winston-Brüder.

Viele hielten ihn für deutlich weniger attraktiv als seine Brüder mit ihren sauber gestutzten Bärten, den schlanken, durchtrainierten Körpern und klassisch geschnittenen Gesichtern. Auf den ersten Blick hätte man ihn vielleicht sogar übersehen können. Bei Cletus musste man unter die Oberfläche schauen, um sein wahres Potenzial zu erkennen.

Er war kleiner und gedrungener als seine Geschwister. Sein Bart war buschig und lang – so lang, dass man ihn hätte flechten können wie bei einem Wikinger. Der Mann hielt offenbar nicht viel von Bartpflege, denn abgesehen von gelegentlichem Kämmen und Ölen schien er der Natur freien Lauf zu lassen. Seine Haare waren kastanienbraun, mit einzelnen von der Sonne gebleichten Strähnen dazwischen, und er hatte Locken, die ihm in alle Richtungen vom Kopf abstanden. Die Haare waren so lang, dass sie ihm bis über die Ohren reichten, ihm aber nicht in den Nacken fielen, was daran lag, dass er den Kopf immer ein wenig schief hielt.

Bei jedem anderen, vermutete ich, hätte das charmant ausgesehen.

Ehe ich erkannt hatte, wie gerissen und kaltblütig er war, hätte ich seine wilde Mähne zu gerne gezähmt und seinen Bart gestutzt – nur ein bisschen. Gerade genug, um den attraktiven Mann unter all dem Wildwuchs zum Vorschein zu bringen.

Ich fragte mich oft, bis zu welchem Grad sein ungepflegtes Äußeres Berechnung war – eine Fassade, die ihn unauffällig und arglos erscheinen lassen sollte. Offenbar schien dieses Täuschungsmanöver gut zu funktionieren, denn die allermeisten Menschen ließen sich davon blenden.

Aber seine Augen verrieten ihn. Seine Augen hätten jedem, der wirklich hinsah, sofort bewusst machen müssen, dass er nicht einfach nur ein Sonderling war. Er war ein wahnsinniges Genie.

Seine Augen waren grün oder braun – ich war mir nicht ganz sicher, da er mich noch nie direkt angesehen hatte und auch nie lange stillstand – und umkränzt von beinahe unnatürlich dichten Wimpern. Seine Wimpern waren einfach unbeschreiblich schön.

Ich glaube, es waren diese Wimpern, die die Leute verwirrten und darüber hinwegtäuschten, dass seine Augen eine ungewöhnliche Intelligenz ausstrahlten. Seinen Augen entging so gut wie nichts. Doch zugleich verbargen sie auch seine wahren Gedanken und Gefühle und führten andere in die Irre.

Aber seinem wahnsinnigen Genie und seiner bewusst kultivierten Ungepflegtheit zum Trotz sah Cletus Winston atemberaubend gut aus.

O ja. Er war definitiv ein Hingucker.

Aber all das spielte für mich keine Rolle. Attraktivität war nicht entscheidend. Die King-Brüder waren auch attraktiv. Nur weil jemand ein hübsches Gesicht hatte, hieß das nicht, dass er kein Psychopath sein konnte.

Gegenwärtig trug Cletus eine Miene heiteren Gleichmuts zur Schau. Seine Augen allerdings erzählten eine ganz andere Geschichte. Sein Blick war hellwach, und mir war sofort klar, dass seine Aufmerksamkeit nicht allein der Maschine galt, die er gerade reparierte, sondern dass er zugleich ein waches Auge auf die Gruppe von Deputys hatte. Nach außen hin desinteressiert, lauschte er in Wahrheit jedem Wort ihres Gesprächs.

Und während er die Deputys beobachtete, beobachtete ich ihn. Wie meine Großmutter zu sagen pflegte: »In einer Scheune voller Mäuse sollte man immer die Viper im Auge behalten.«

Vor allem, wenn man selbst eine Maus ist.

»Tja, dann wird es wohl besser sein, wenn ihr gleich losfahrt«, sagte der Sheriff widerstrebend. In seiner Stimme schwang Besorgnis mit.

Die Deputys tauschten aufgeregte Blicke und setzten sich in Bewegung. Die Luft knisterte förmlich vor Anspannung. Deputy Chris Williams drehte sich um und hätte mich um ein Haar umgerannt. Er stutzte, dann lächelte er.

»Oh, hallo, Jenn. Ich habe Sie gar nicht gesehen.«

Ich nickte lediglich, ehe ich mich wieder Cletus zuwandte. Der drittälteste Winston schaute nicht in unsere Richtung. Gott sei Dank.

Neugierig beugte ich mich vor und fragte Chris im Flüsterton: »Wo wollen Sie denn alle so eilig hin?«

Er warf sich in die Brust. »Ach, nichts Besonderes. Wir nehmen nur Razor fest, den Präsidenten des Iron-Wraiths-Motorradclubs.«

Ich richtete mich wieder auf. »Ach du liebe Zeit«, sagte ich beeindruckt.

Wenn Cletus Winston der gefährlichste Mann im östlichen Tennessee war, dann kam Razor Blade St. Claire unmittelbar hinter ihm an zweiter Stelle. Der Hauptunterschied zwischen den beiden war, dass Cletus seine Macht vor der Welt geheim hielt, während Razor mit ihr – so wie mit praktisch allem anderen – prahlte. Die Polizei war ihm seit Jahren auf den Fersen, hatte ihn bisher aber nie festnageln können. Dabei wusste jeder, dass er ein Mörder war. Und dass er Drogen schmuggelte. Und noch jede Menge weiterer Verbrechen begangen hatte, von denen eins schrecklicher war als das andere.

Chris Williams’ Grinsen wurde breiter, als er sich an mir vorbeischob. »Ganz genau. Wir holen uns jetzt den dicken Fisch.«

Der dicke Fisch … Na ja, so konnte man es auch ausdrücken.

Einige der Deputys tippten sich zum Gruß an den Hut, als sie an mir vorbei zum Ausgang strebten, doch die meisten waren so berauscht von der Aussicht, den Kopf der Iron Wraiths zu verhaften, dass sie keine Notiz von mir nahmen.

Sheriff James trat mit einem zerstreuten Lächeln auf mich zu. Er hatte immer noch den braunen Umschlag in der Hand. Er wirkte nervös, was unter den gegebenen Umständen vollkommen verständlich war.

»Sollen wir das mit dem Video lieber auf ein andermal verschieben?«, schlug ich vor, weil ich mich nicht aufdrängen wollte, wenn er gerade viel wichtigere Dinge im Kopf hatte.

»Nein, nein, wir machen das jetzt. Ich freue mich schon darauf.« Er winkte Marion Davis, eine der Büroangestellten, zu sich. »Marion, könnten Sie den hier bitte George von der Beweissicherung übergeben, damit er ihn archiviert?«

»Natürlich, Sir«, sagte sie mit einem strahlenden Lächeln und beäugte ehrfürchtig den geöffneten Umschlag. Der Sheriff zögerte einen kurzen Moment, dann legte er ihn in ihre erwartungsvoll ausgestreckten Hände.

»Kommen Sie hier entlang.« Er nahm das eingepackte Zucchinibrot, das sein Sohn auf einem Tisch abgelegt hatte, und bedeutete mir, ihm zu folgen. Ich tat es, wobei ich noch einmal unauffällig in Cletus Winstons Richtung schielte. Dessen wachsamer Blick ging von Sheriff James zu der Briefsortiermaschine zu Marion Davis und dann wieder zum Sheriff.

Er brütete wieder irgendetwas aus. Ich wollte gar nicht wissen, was.

Sobald wir das Büro des Sheriffs betreten hatten, schob ich alle Gedanken an Cletus und seine Intrigen beiseite. Ich erklärte Sheriff James, wie der Videodreh ablaufen würde, dann richtete ich die Kamera ein. Ich wollte sein Gesicht eher seitlich im Bild haben, damit die Zuschauer im Hintergrund einen Teil der Wache sehen konnten.

Das Einzige, was mir an den ewigen Videos und Instagram-Aktionen gefiel, war die Tatsache, dass ich nebenbei einiges über Fotografie und Film lernte. Vom ästhetischen Gesichtspunkt her war es immer besser, die Person am Rand des Bildausschnitts statt in der Mitte zu platzieren.

»Okay, sind Sie dann so weit?« Ich schenkte dem Sheriff ein aufmunterndes Lächeln.

Er verschränkte die Arme vor der Brust, dann ließ er sie wieder sinken und runzelte die Stirn. »Was soll ich mit meinen Armen machen?«

Mein Lächeln wurde breiter. »Nehmen Sie einfach beide Arme vor den Körper und halten Sie mit der linken Hand locker das rechte Handgelenk fest. Ja, genau so. Das sieht sehr natürlich aus.«

Er nickte, als wäre das Ganze eine sehr ernste Angelegenheit, und gab mir ein Zeichen, dass ich mit der Aufnahme beginnen könne.

Der Sheriff erwies sich als Naturtalent, was mich wunderte, da er normalerweise ein eher zurückhaltender, wortkarger Mensch war. Dennoch hatte er keinerlei Schwierigkeiten, vor der Kamera über meine Cupcakes zu sprechen, und das wärmte mir das Herz.

Wir hatten das Testimonial schon nach dem ersten Versuch im Kasten, deshalb bat ich ihn erst gar nicht darum, noch eine zweite Aufnahme zu machen, sondern räumte meine Sachen zusammen und verabschiedete mich.

Erleichtert nahm ich zur Kenntnis, dass Cletus Winston in der Zwischenzeit ebenfalls gegangen war. Er stellte zwar keinerlei Bedrohung für mich da, aber nervös machte er mich trotzdem. Es war einfach nicht richtig, dass ein Mensch so krankhaft intelligent und zugleich so übertrieben attraktiv war.

Nach meinem Besuch auf der Wache fuhr ich zum Piggly Wiggly, um meine wöchentliche Kiste mit Bananen abzuholen und sie in die Bäckerei zu bringen. Es wurde schon langsam spät, und ich war müde, daher nahm ich nicht den Weg durch den Verkaufsraum, sondern trug die Kiste gleich zum Hintereingang der Backstube.

In dem Moment fiel mir wieder ein, dass ich am Morgen das schmutzige Backgeschirr einfach in den Schrank geworfen hatte. Es half alles nichts: Ehe ich nach Hause fahren und ins Bett kriechen konnte, musste ich aufräumen.

Aber meine Füße taten weh, und das Kleid, das ich trug, bohrte sich in meine Rippen. Es hatte ein eingebautes Korsett, das mir eine tolle Figur zauberte, aber zugleich ein Folterwerkzeug war. Die Latzhose hatte meine Mutter beschlagnahmt, und die Angestellten waren längst nach Hause gegangen, also zog ich das Kleid kurzerhand aus, streifte mir die Schuhe von den Füßen, entledigte mich meiner künstlichen Wimpern, band mir eine Schürze um und machte mich in Unterwäsche und Strumpfhaltern an den Abwasch. Halbnackt zu putzen war in den Augen vieler Menschen bestimmt ein sehr sonderbares Verhalten, aber ich machte es häufig, denn ich war oft noch nach Einbruch der Dunkelheit – oder vor Sonnenaufgang – allein in der Backstube.

Ich war fast fertig und spülte gerade die letzte Schüssel aus, als mein Handy klingelte. Es war meine Mutter. Wahrscheinlich wollte sie wissen, wo ich blieb.

Weil ich nasse Hände hatte, nahm ich den Anruf mit dem kleinen Finger an. »Hey, Momma. Ich bin noch in der Backstube, es dauert aber nicht mehr lange.«

»Arbeitest du etwa an den Popovers für morgen? Jetzt schon?«

Ich verkniff mir ein Stöhnen. Die große Frühstücksbestellung für morgen hatte ich völlig vergessen. »Äh, nein, noch nicht. Ich … habe ein neues Rezept ausprobiert«, log ich und schnitt eine Grimasse. Ich log nicht gerne. Dabei wurde mir immer ganz heiß, als würde ich über spitze Steine laufen oder eine Chilischote essen.

»Ah, das ist schön. Du kannst mir später alles darüber erzählen. Ich rufe wegen des Testimonials mit dem Sheriff an.«

»Ja, ich –«

»Das musst du auf nächste Woche verschieben. Wie ich hörte, gab es heute ein Vorkommnis auf der Wache.«

Ich drehte den Wasserhahn ab. Wenn meine Momma das Wort Vorkommnis in den Mund nahm, konnte das nur eins bedeuten: Tratsch.

»Aha. Was war denn los?«

»Ich glaube, es sind wichtige Beweismittel abhandengekommen. Sheriff James, der Arme, ist ganz außer sich vor Wut. Dolly Payton hat mir erzählt, der Richter habe gesagt, er hätte einen Haftbefehl unterzeichnet – für diesen schrecklichen Rocker. Laser, oder wie er heißt.«

»Razor. Razor St. Claire.« Auf einmal schlug mir das Herz bis zum Hals.

»Genau der. Unmögliche Person. Wie auch immer, Dolly hat auf der Wache angerufen, um dem Sheriff zu gratulieren und sich zu erkundigen, ob seine Jungs vielleicht Interesse an einem Schichtdessert hätten, um ihren Erfolg zu feiern, und was glaubst du, was dann passiert ist?«

»Ich … keine Ahnung.«

»Diese Flo McClure war richtig unfreundlich zu ihr! Aber irgendwann hat Dolly dann eine der Sekretärinnen an die Strippe bekommen, und die hat ihr von den verschwundenen Beweisen und dem Aufruhr auf der Wache erzählt. Und was soll ich sagen …«

Meine Momma redete weiter, aber ich hörte nur noch mit halbem Ohr zu, weil sich plötzlich alle meine Nackenhaare aufgestellt hatten. Ich trocknete mir die Hände ab und tippte auf den Bildschirm meines Handys. Während meine Mutter mit ihrem ausschweifenden Bericht fortfuhr, rief ich das Video auf, das ich von Sheriff James gemacht hatte, und sah es mir im Einzelbildvorlauf an.

Ich traute meinen Augen nicht. Mein Herz machte einen unangenehmen Satz in meiner Brust, und meine Handflächen wurden schweißfeucht.

Ich wusste, was mit den Beweismitteln passiert war – oder besser: wer den Beweismitteln passiert war.

Ich hatte alles gefilmt.

Kapitel 2

Cletus

»Wie kann denn ein neues Getriebe so teuer sein? Ich hab so viel Geld für ein Getriebe nicht!«

Meinen besten Absichten zum Trotz würde ich Deveron Stokes anlügen müssen.

»Das Getriebe macht ja nur einen Teil des Gesamtbetrags aus. Für das Getriebe bekommen Sie von mir einen Rabatt, Mr Stokes. Aber sehen Sie hier? Ihr Auspuff braucht eine neue Aufhängung. Und Ihre Profilflüssigkeit ist auf einem gefährlich niedrigen Stand – von den Unterboden-Zündkerzen und dem defekten Kurbelschrauber gar nicht zu reden.«

Kurbelschrauber war neu. Das hatte ich mir ganz spontan ausgedacht. Beau konnte so etwas besser als ich, aber er war leider nicht da. Mistkerl.

Deveron seufzte und betrachtete blinzelnd den Kostenvoranschlag, der zwischen uns auf dem Tresen lag. Seine Stirnfalten wurden tiefer. Er schüttelte den Kopf. »Also gut. Ich meine … ja, wahrscheinlich haben Sie recht. Das Auto ist wirklich in schlechtem Zustand. Danke für den Preisnachlass beim Getriebe.«

Ich nickte ernst. Ich konnte gut ernst nicken. Das ernste Nicken war vermutlich mein bestes und populärstes Nicken. Die Leute fühlten sich immer ein wenig besser, wenn ich ernst nickte, also tat ich es so oft wie möglich.

Mr Stokes hob den Blick. »Sie sind echt ein guter Kumpel, Cletus.«

Ich nickte noch einmal ernst, sagte aber nichts. Ich war definitiv kein guter Kumpel von Mr Stokes. Mr Stokes war ein schlechter Mensch. Seit sechs Jahren zahlte er keinen Unterhalt für sein Kind, aber an Whiskey, Frauen und Zigaretten mangelte es ihm nie. Allerdings war mir der Mann schon unsympathisch gewesen, bevor ich diese unappetitlichen Fakten über ihn in Erfahrung gebracht hatte.

Ich mag es nicht, über andere Menschen zu urteilen.

Ich liebe es.

Es war ungemein befreiend, wenn man Menschen abschreiben konnte.

In solchen Dingen war der erste Eindruck oft richtig. Und mein erster Eindruck war immer richtig. Das lag daran, dass ich eine streng wissenschaftliche Methode anwandte. Und dass ich mit einem unfehlbaren Sinn für Logik auf die Welt gekommen war.

Ich nehme mir immer zehn Minuten Zeit. Wenn ich keine zehn Minuten habe, bilde ich mir keinen Eindruck, sondern warte, bis mir ein entsprechendes Zeitfenster zur Verfügung steht. Ich weiche niemals von dieser Zehn-Minuten-Regel ab. Einmal habe ich mir ein halbes Jahr lang keinen Eindruck von unserem neuen Pastor gebildet, weil ich nie Gelegenheit hatte, zehn Minuten am Stück mit ihm zu verbringen.

Meine Momma fand es gar nicht gut, dass ich mich in all den Monaten hartnäckig weigerte, den Mann auch nur anzusehen. Aber meine streng wissenschaftliche Methode darf nicht verwässert oder ausgehebelt werden. Sie ist heilig. Und mehr als zehn Minuten benötige ich nicht, um den Charakter einer Person zu erkennen.

In den ersten fünf Minuten sehe ich die betreffende Person grundsätzlich nicht an. Ich schließe die Augen, schaue auf meine Füße oder zur Seite. Auf diese Weise komme ich nicht in Versuchung, ein Urteil aufgrund von Äußerlichkeiten zu fällen.

Ich schüttle der Person die Hand, um zu prüfen, was für einen Händedruck sie hat. Ist er schwach? Zu fest? Zögerlich?

Ich achte genau auf Stimme und Wortwahl, denn der Wortschatz ist das Lexikon unserer Gedanken. Wie drückt sich die Person aus? Geradeheraus? Präzise? Gestelzt? Welche Themen kommen zur Sprache? Redet die Person die meiste Zeit von sich selbst oder schreckt sie eher davor zurück, sich in den Mittelpunkt der Unterhaltung zu stellen?

Nachdem ich fünf Minuten lang einfach nur zugehört habe, unterbreche ich das Gespräch, um mich zu erkundigen, was für ein Auto die Person fährt. Dann (und erst dann) schaue ich sie an.

Es geht mir dabei nicht um das Auto als solches, sondern darum, wie die Person über das Auto spricht. Man kann viel daran ablesen, wie jemand von seinem Auto redet. Voller Stolz? Eher verlegen? Zwiegespalten?

Die Antwort auf diese Frage nimmt in der Regel zwischen zehn Sekunden und fünf Minuten in Anspruch. Am Ende dieses Automonologs habe ich mir mein Urteil gebildet.

Selbstverständlich liebte ich meinen Nächsten. Meine Momma hatte mich gut erzogen. Ich sah ein, dass es klug war, seinen Nächsten zu lieben, und verstand den Sinn hinter der Redensart »Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem anderen zu«.

Ich zog es lediglich vor, meinen Nächsten aus einem gewissen Abstand heraus zu lieben. Ich war ein Freund von Fernbeziehungen, bei denen man nicht regelmäßig miteinander kommunizieren musste.

In meinem Leben war Platz für (maximal) vierundzwanzig Menschen, und ich hatte bereits sechs Geschwister. Vierundzwanzig Menschen, das machte im Durchschnitt zwei Geburtstage pro Monat. Kein Mensch hat Zeit, mehr als zwei Geburtstagspartys im Monat zu feiern. Das ist eine ganze Menge Kuchen, und ich bin sehr wählerisch, was Kuchen angeht.

Aber zurück zu Deveron Stokes und seinem Getriebe.

Er rieb sich den Nacken und starrte missmutig auf den Kostenvoranschlag. »Die Sache ist die, Cletus, ich … tja … Also, im Moment hab ich einfach nicht genug Geld, um das alles zu bezahlen.«

Ich nickte, diesmal allerdings eher gedankenvoll als ernst. »Nun, Deveron, in dem Fall haben Sie zwei Möglichkeiten. Sie können den Wagen auf eigene Kosten von unserem Hof schleppen lassen und warten, bis Sie das Geld für eine Reparatur zusammenhaben. Oder wir kommen irgendwie zu einer Einigung.«

Ich wunderte mich kein bisschen. Im Gegenteil, ich hatte sogar darauf spekuliert, dass Deveron sich vor dem Bezahlen der Rechnung drücken würde.

Die Glocke über der Tür bimmelte, und ich spähte an Deveron vorbei, um zu sehen, wer die Werkstatt betreten hatte. Es war mein ältester Bruder Jethro. In seiner Begleitung befand sich eine große, mir unbekannte Frau.

Hastig wandte ich den Blick ab. Ich wollte nicht zu viel von ihr sehen.

»Was denn für eine Einigung?«, fragte Deveron, dessen Blick auf einmal sehr verschlagen war.

»Oh, es geht nur um einige kleine Gefälligkeiten. Nichts Ungehöriges, Mr Stokes, keine Sorge.« Das war eine weitere Unwahrheit.

Mr Stokes bügelte Hemden in der Reinigung, und er kellnerte im Front Porch, wo er allerdings nicht offiziell als Mitarbeiter geführt wurde, sondern sein Gehalt bar auf die Hand bekam – eine weitere Maßnahme, um Unterhaltsforderungen zu entgehen. In Bälde würde ich Mr Stokes eröffnen, dass die erste der besagten Gefälligkeiten, die er mir nun schuldete, darin bestand, Jackson James’ gestärkte Deputy-Uniform mit Juckpulver zu präparieren. Vergangene Woche hatte Officer James den Fehler gemacht, ohne Grund eine Verkehrskontrolle bei mir durchzuführen. Und ich war gerade nicht in der Stimmung gewesen, kontrolliert zu werden.

Im Verlauf der kommenden Wochen würde der Deputy nacheinander von mehreren Plagen heimgesucht werden. In dem Zusammenhang hatte ich sogar mit dem Gedanken gespielt, ihn unter Zuhilfenahme eines Gürteltiers mit Lepra zu infizieren. Doch am Ende hatte ich von dem Plan wieder Abstand genommen. Vielleicht beim nächsten Mal.

Mr Stokes schluckte nervös. »Na ja … okay. Ich meine, klar, warum nicht? Wenn Sie das so wollen, Cletus.«

Ich nahm einen der Schlüssel, die hinter dem Tresen bereitlagen, und legte ihn zusammen mit einem Leihwagenvertrag vor Deveron hin. »Gut. Um die Einzelheiten kümmern wir uns später, allerdings müssten die Gefälligkeiten erledigt sein, bevor ich mit der Arbeit an Ihrem Truck beginne. Bis dahin biete ich Ihnen gerne zum Preis von zehn Dollar pro Tag, zahlbar im Voraus, einen Wagen unserer werkstatteigenen Flotte als Leihfahrzeug an.«

Deveron Stokes nickte nervös. Er war kein netter Mensch, aber auch nicht völlig hirnlos. Er zückte sein Portemonnaie, reichte mir einen Hunderter – wie gesagt, an Whiskey, Frauen und Zigaretten mangelte es ihm nie – und schnappte sich Schlüssel sowie Vertrag. Er zog sich auf einen der Stühle in dem kleinen Sitzbereich zurück und begann zu schreiben.

Alle unsere Leihwagen waren 1990er Dodge Neons. Ich hatte immer einige von ihnen fahrbereit auf dem Hof stehen, für Kunden wie Deveron Stokes. Und wir hatten viele Kunden wie Deveron Stokes.

Ohne in ihre Richtung zu blicken, bedeutete ich meinem Bruder und der großen Frau, näherzutreten, während ich gleichzeitig einige Notizen auf Mr Stokes Kostenvoranschlag machte. »Sei gegrüßt, Jethro. Was führt dich in unsere bescheidene Auto-Schrauberei?«

»Hey, Cletus. Ich wollte dir Shelly Sullivan vorstellen. Sie ist neu in der Stadt und sucht Arbeit als Automechanikerin.«

Ich zog die Brauen zusammen – nicht aus Unmut, sondern vor Erstaunen. Nur mit allergrößter Mühe konnte ich mich davon abhalten, einen Blick auf diese Automechanikerin zu werfen. Es gab nicht viele Automechanikerinnen.

»Freut mich, Ihre Bekanntschaft zu machen, Miss Sullivan«, sagte ich und sah den Tresen an.

»Mr Winston.«

Mein Stirnrunzeln wurde intensiver, denn ihre Stimme klang … nun, um ganz ehrlich zu sein, klang ihre Stimme ungewöhnlich. Klar und direkt, ein bisschen heiser, als spräche sie nicht oft und auch nicht gern. Sie kam aus dem Norden. Boston, schätzte ich. Aber ihr Akzent war kaum wahrnehmbar.

Ich tat so, als müsse ich sehr gründlich eine Auftragsbestätigung überprüfen. »Erzählen Sie mir was von sich, Miss Sullivan.«

Ich musste nicht hinsehen, um zu wissen, dass Jethro schmunzelte. Er war mit meiner wissenschaftlichen Methode vertraut und amüsierte sich oft darüber. Wahrscheinlich hatte er Miss Sullivan sogar vorgewarnt, denn sie schien mir den fehlenden Blickkontakt nicht übelzunehmen.

»Ich habe mit vierzehn angefangen zu schweißen, und ungefähr seit derselben Zeit repariere ich auch Autos. Ich habe mir alles selbst beigebracht, durch Ausprobieren und aus Büchern. Ich bin sehr gut.«

Ich wartete darauf, dass sie fortfuhr. Was sie aber nicht tat.

»Sonst noch was?«, hakte ich nach.

»Nichts Relevantes«, lautete ihre Antwort.

Normalerweise achtete ich sehr genau auf meine Mimik, aber in diesem Moment konnte ich mir ein zufriedenes Lächeln nicht verkneifen. Es gefiel mir, dass sie das Wort relevant benutzt hatte. Es deutete darauf hin, dass sie über die Relevanz ihrer Äußerungen nachdachte, ehe sie den Mund aufmachte. So etwas konnte man einem Menschen nicht beibringen.

Jetzt schaltete sich auch Jethro ein. »Erinnerst du dich noch an Quinn Sullivan, den Mann von Ashleys Freundin Janie? Hübsch, rote Haare?«

»Quinn hat keine roten Haare. Wenn ich mich recht erinnere, hat er braune.«

»Nein, du Dummkopf«, knurrte Jethro ungehalten. »Ich meinte Janie, nicht Quinn. Shelly ist seine Schwester.«

»Aha.« Ich nickte, hatte den Blick aber weiterhin auf den Tresen geheftet. Ich habe kein Problem mit Vetternwirtschaft – solange der Vetter etwas taugt. Quinn war ein typischer Macher: Er redete nicht, er packte die Dinge an. Ich mochte ihn. Hätte er in der Nähe gewohnt, wäre ich vielleicht auf seine Geburtstagsparty gegangen.

Es wurde Zeit für den Händedruck, also streckte ich Shelly meine Rechte zum Gruß hin. Ihre Hand war groß für eine Frau, mit langen, schwieligen Fingern. Ihr Händedruck war kurz, fest und selbstbewusst. Doch das alles bemerkte ich nur am Rande, denn als unsere Hände sich berührten, fuhr mir ein rätselhaftes Prickeln den Arm hinauf.

Vor lauter Schreck warf ich meine geheiligte wissenschaftliche Methode über Bord.

Ich hob den Kopf.

Ich sah Miss Shelly Sullivan an.

Und bei Teslas Dampfoszillator! Die Frau war eine Schönheit.

»Warum ziehst du so ein komisches Gesicht?« Jethro fuchtelte mit seinem Zeigefinger vor meinen Augen herum.

Ich mochte das nicht. Ich packte seinen Finger und bog ihn zur Seite.

»Was meinst du mit komisch?«

»Als hättest du Verstopfung. Oder als wärst du sauer. Dass du keine Verstopfung hast, weiß ich, du trinkst ja jeden Morgen dieses widerliche Zeug mit Apfelessig und Ahornsirup.«

»Da ist kein Ahornsirup drin.«

»Dann eben Honig, was weiß ich?« Er zuckte mit den Achseln.

»Schwarze Melasse. Honig und Melasse haben absolut nichts gemeinsam – bis auf ihre Viskosität.«

»Von mir aus.« Ein neuerliches Achselzucken. »Also, warum machst du so ein Gesicht?«

»Weil ich mich ärgere, das ist doch wohl offensichtlich«, murrte ich. Wenn es irgend ging, murrte ich nicht in der Öffentlichkeit, sondern ausschließlich in Gegenwart meiner Familie, weil ich meiner Familie vertraute … meistens jedenfalls.

»Und worüber ärgerst du dich?«, fuhr Jethro mit seinem Verhör fort. Ich hörte die Belustigung in seiner Stimme. »Magst du Ms Sullivan nicht?«

Gegen meinen Willen ging mein Blick dorthin, wo die große Frau und mein jüngerer Bruder Duane sich gerade über die Motorhaube eines Ford Focus beugten. Ich musterte sie, während sie Duane mit nachdenklicher Miene zuhörte. Ihre Art war souverän und ungekünstelt. Sie war ganz auf die Arbeit konzentriert.

Ja. Immer noch perfekt.

»Natürlich mag ich Miss Sullivan.«

»Und wie sehr magst du sie?«

»Sehr.« Ich schnitt eine Grimasse. Grimassenschneiden war noch so etwas, was ich für gewöhnlich nicht in der Öffentlichkeit tat.

Seit Shelly Sullivans Ankunft in der Werkstatt war ich aus dem Murren und Grimassenschneiden gar nicht mehr herausgekommen. Dabei war jetzt wirklich nicht der richtige Zeitpunkt, um der Frau fürs Leben zu begegnen. Ich hatte viel zu viele andere Baustellen, viel zu viele Eisen im Feuer.

Hier nur eine kleine Auswahl:

Ich musste am Samstag gegen Richter Payton im Shuffleboard antreten.

Ich hatte im Oktober einen Auftritt bei einer Talentshow in Nashville, und bislang hatte ich noch kein einziges Mal geprobt.

Im November würden Jethro und Sienna heiraten.

Ich plante für die Zeit um Thanksgiving herum einen Jagdausflug nach Texas; mein Vorrat an Wildschweinwürsten war dramatisch geschrumpft.

Ich musste bis Weihnachten eine kriminelle Organisation zu Fall bringen. Dabei würden mir die King-Brüder helfen … auch wenn sie sich dessen nicht bewusst waren.

Ich musste am Sonntag Spaghettisoße kochen.

Jethro gluckste und legte mir in einer überaus lästigen Geste eine Hand auf die Schulter. »Tja, was sagt man dazu.«

»Man hält am besten die Klappe.«

Daraufhin lachte er nur noch lauter. »Ich hätte nie gedacht, dass es mal so weit kommt. Dich hat’s erwischt.«

»Ja«, gestand ich ohne Zögern ein, denn es entsprach der Wahrheit. Es hatte mich so sehr erwischt, wie es einen Menschen überhaupt nur erwischen konnte. Das zu leugnen wäre völlig zwecklos gewesen.

Wenn man sämtliche Fakten betrachtete, passten Shelly Sullivan und ich perfekt zusammen. Es war alles eine Frage der Wissenschaft. Sie war Automechanikerin. Sie war geradlinig. Sie war klug. Sie war handwerklich geschickt. Sie schien keine nennenswerten Gefühle zu haben, die man verletzen konnte. Sie war wählerisch und gab sich nicht mit jedem ab.

Und als Bonus: Als ich sie bei unserer ersten Begegnung verfrüht angesehen hatte, waren die nächsten – ganz und gar prosaischen – Worte aus ihrem Mund gewesen: »Das ist ja merkwürdig. Wie kann es sein, dass alle Winstons so attraktiv sind?«

Was sage ich? Geradlinig.

Mir gefiel ihre Optik, und ihr gefiel meine. Es war nur noch eine Frage der Zeit. Wir würden eine traumhaft pragmatische Beziehung führen.

»Wenn es dich erwischt hat, wieso ärgerst du dich dann?«

»Weil ich mich niemals irre. Das bedeutet, dass Shelly Sullivan die Frau meines Lebens ist. Aber der Zeitpunkt ist denkbar ungünstig.«

Jethro hörte auf zu lachen und hätte um ein Haar die Augen verdreht. Er hielt sich mit größter Mühe zurück, weil er wusste, dass ich kein Augenverdrehen tolerierte.

»Ach, Bruderherz. Kannst du nicht einfach ganz normal an einer Frau interessiert sein, ohne dass sie gleich die Frau deines Lebens sein muss?«

»Nein.«

»Das ist doch totaler Blödsinn, Cletus. Du warst schon mit vielen Frauen zusammen, und keine von denen war die Frau deines Lebens.«

Ich funkelte ihn an, weil ich keine Lust hatte, ihm etwas völlig Selbstverständliches zu erklären. Anscheinend hatte mein Bruder noch nie von dem Konzept der Feldforschung gehört – davon, wie wichtig es war, Daten zu sammeln, Theorien eingehenden Praxistests zu unterziehen und postkoitale Analyse zu betreiben. Nicht jede Frage konnte unter Laborbedingungen beantwortet werden. Die schönste Theorie war bedeutungslos, solange man keinerlei Erfahrungen über ihre Anwendbarkeit in der Praxis vorweisen konnte.

»Vielleicht ist sie ja auch gar nicht die Frau deines Lebens«, meinte er, vermutlich weil er meinen finsteren Blick satthatte. »Vielleicht fühlst du dich einfach nur zu ihr hingezogen, weil sie so außergewöhnlich hübsch ist. Hast du die Möglichkeit in Erwägung gezogen?«

»Nein. Sie ist die Frau meines Lebens.«

»Momma meinte immer, du würdest dich zu schnell auf etwas fixieren. Wenn du dir erst mal was in den Kopf gesetzt hast, kommst du nicht mehr davon los. Irgendwann wirst du dir damit noch mal richtig Ärger einhandeln.«

Statt einer Antwort grunzte ich nur. Unsere Mutter hatte mich des Öfteren als König der fixen Ideen bezeichnet. Sie hatte recht gehabt. Ich fixierte mich auf Dinge. Das war eine positive Charaktereigenschaft, denn ich hatte nie Schwierigkeiten damit, meine gesteckten Ziele zu erreichen.

Aber es war zugleich auch eine negative Charaktereigenschaft, weil ich manchmal eine fixe Idee nicht mehr loswurde, selbst wenn ich es wollte.

»Warum siehst du alles immer schwarz-weiß?« Jethro ließ nicht locker. »Wieso muss ein Mensch auf deiner Skala entweder eine zehn oder eine null sein? Vielleicht ist sie eine sieben? Oder eine vier?«

Ich zuckte die Achseln. »Ich habe keine Zeit für Vieren oder Siebenen. Dazu bin ich viel zu beschäftigt. Wenn jemand keine zehn ist, ist er automatisch eine null.«

Er seufzte geräuschvoll wie ein Schlauch, aus dem die Luft entweicht. Es hörte sich nicht gesund an. »Wie du meinst. Dann mach doch, was du willst. Machst du ja sowieso.«

»Ganz recht. Also, was wolltest du von mir?«

Er zog eine Augenbraue hoch. »Was meinst du?«

»Es ist doch wohl klar, dass du nicht zum Wohle deiner Gesundheit hier in der Werkstatt herumlungerst. Du willst mich um einen Gefallen bitten.«

»Woher weißt du das?«

»Ich weiß alles. Also frag mich, ich habe noch viel zu erledigen.«

»Planst du schon eure Hochzeit?«, zog Jethro mich auf.

Ich sah ihn durch zusammengekniffene Augen an. Es gefiel mir nicht, wie er sich über mich lustig machte. »So was Ähnliches.«

Er verstand den Wink und wechselte das Thema. »Gut. Also, Sienna –«

»Du meinst deine Verlobte.«

»Ja. Also, Sienna –«

»Du solltest sie als deine Verlobte bezeichnen.«

»Was? Wieso denn?«

»Weil sie deine Verlobte ist. Ich bin dein Bruder, deshalb sagst du ›mein Bruder‹. Sienna ist deine Verlobte, und sie hat sich diesen Titel sauer verdient. Schließlich muss sie Tag für Tag deine hässliche Visage und deine schlechten Manieren ertragen. Die korrekte Bezeichnung für sie zu verwenden ist da wirklich das Mindeste, was du tun kannst.«

Jethro stieß einen leisen Pfiff aus, ehe er sagte: »Ich glaube, du bist wirklich sauer.«

»Ich möchte mir lediglich den Titel deines Bruders verdienen. Also, zurück zu deiner Verlobten.«

»Okay, Miesepeter. Also: Wenn meine Verlobte nächste Woche wiederkommt, wollen wir ins Kutschenhaus umziehen.«

»Wohnt sie denn nicht gerne mit uns unter einem Dach?« Ich war enttäuscht. Ich mochte Sienna. Sie brachte mich zum Lachen und überraschte mich oft mir ihren Späßen und Albernheiten. Es gab nur sehr wenige Menschen, denen es gelang, mich zu überraschen. »Hat es mit dem Plan für die Badbenutzung zu tun? Gefällt ihr der nicht?«

»Nein. Der Plan ist nicht das Problem. Sie wollte sich sogar auf dem Plan eintragen.«

Ich grinste. »Das ist lustig.«

Jethros Miene wurde finster. »Nein. Das ist nicht