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Der Liebesroman mit Gänsehauteffekt begeistert alle, die ein Herz für Spannung, Spuk und Liebe haben. Mystik der Extraklasse – das ist das Markenzeichen der beliebten Romanreihe Irrlicht: Werwölfe, Geisterladies, Spukschlösser, Hexen und andere unfassbare Gestalten und Erscheinungen erzeugen wohlige Schaudergefühle. Gedämpftes Licht ging von den Lampen an den Tischen aus, gespannte Erwartung lag in der Luft, und selbst das leiseste Murmeln im Publikum erstarb. Auf der Bühne fuhr der rote Samtvorhang mit einem leichten Rascheln zur Seite, aber noch war außer der Dunkelheit nichts zu erkennen. Mit einem Trommelwirbel flammte ein Spot auf, auf der Bühne war schlagartig ein Mann zu sehen. »The magnificent McPherson«, einer der großen lebenden Magier, beherrschte Bühne und Publikum allein durch seine Anwesenheit. Er genoß die Augenpaare, die auf ihn gerichtet waren, doch sein Blick suchte allein eine ganz bestimmte Person im Saal. Seine Tochter Jennifer, eine vielbeschäftigte Chemikerin, hatte versprochen, zu dieser Vorstellung anwesend zu sein. Es war die Premiere des neuen Programms, und eine der Darbietungen sollte eine spezielle Überraschung für sie sein. Vater und Tochter sahen sich nur selten; seit Jenny ihr Studium und ihre anschließende zusätzliche Ausbildung hinter sich hatte, arbeitete sie in einem Forschungslabor und war mit Leib und Seele dabei. Doch für diesen Abend hatte Ian McPherson seiner Tochter eine besondere Einladung geschickt. Sie hatte heute Geburtstag, und ihr Geschenk sollte sie auf offener Bühne erhalten. Die erwartungsvoll starrenden Gesichter der Zuschauer gaben dem Magier ein besonderes Gefühl. Alle warteten darauf, daß McPherson das weiße Kaninchen aus dem Zylinder zog. Das war sein besonderes Markenzeichen, mit dem er bislang jede Vorstellung zu beginnen pflegte. Genau damit aber wollte er heute brechen. Es war an der Zeit für etwas Neues. Mit einem maliziösen Lächeln nahm McPherson den Zylinder vom Kopf, schlug ihn leicht gegen die Hand, so daß er zusammenklappte und zu einer flachen Scheibe wurde. Er sah Enttäuschung in den Augen, aber auch viel Neugier. Mit einer kaum sichtbaren Handbewegung ließ er die flache Scheibe gleich einem Frisbee über die Köpfe der Zuschauer fliegen. Noch während sich der Zylinder in der Luft befand, klappte er wieder auf, und ein Blumenregen ging auf die Zuschauer nieder.
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Seitenzahl: 154
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Gedämpftes Licht ging von den Lampen an den Tischen aus, gespannte Erwartung lag in der Luft, und selbst das leiseste Murmeln im Publikum erstarb. Auf der Bühne fuhr der rote Samtvorhang mit einem leichten Rascheln zur Seite, aber noch war außer der Dunkelheit nichts zu erkennen. Mit einem Trommelwirbel flammte ein Spot auf, auf der Bühne war schlagartig ein Mann zu sehen. »The magnificent McPherson«, einer der großen lebenden Magier, beherrschte Bühne und Publikum allein durch seine Anwesenheit. Er genoß die Augenpaare, die auf ihn gerichtet waren, doch sein Blick suchte allein eine ganz bestimmte Person im Saal. Seine Tochter Jennifer, eine vielbeschäftigte Chemikerin, hatte versprochen, zu dieser Vorstellung anwesend zu sein. Es war die Premiere des neuen Programms, und eine der Darbietungen sollte eine spezielle Überraschung für sie sein.
Vater und Tochter sahen sich nur selten; seit Jenny ihr Studium und ihre anschließende zusätzliche Ausbildung hinter sich hatte, arbeitete sie in einem Forschungslabor und war mit Leib und Seele dabei.
Doch für diesen Abend hatte Ian McPherson seiner Tochter eine besondere Einladung geschickt. Sie hatte heute Geburtstag, und ihr Geschenk sollte sie auf offener Bühne erhalten. Die erwartungsvoll starrenden Gesichter der Zuschauer gaben dem Magier ein besonderes Gefühl. Alle warteten darauf, daß McPherson das weiße Kaninchen aus dem Zylinder zog. Das war sein besonderes Markenzeichen, mit dem er bislang jede Vorstellung zu beginnen pflegte.
Genau damit aber wollte er heute brechen. Es war an der Zeit für etwas Neues. Mit einem maliziösen Lächeln nahm McPherson den Zylinder vom Kopf, schlug ihn leicht gegen die Hand, so daß er zusammenklappte und zu einer flachen Scheibe wurde. Er sah Enttäuschung in den Augen, aber auch viel Neugier. Mit einer kaum sichtbaren Handbewegung ließ er die flache Scheibe gleich einem Frisbee über die Köpfe der Zuschauer fliegen. Noch während sich der Zylinder in der Luft befand, klappte er wieder auf, und ein Blumenregen ging auf die Zuschauer nieder. Ohs und Ahs wurden laut, Beifall brandete auf. Ian verneigte sich und entdeckte jetzt endlich seine Tochter.
Hier im vornehmen Londoner Vorstadttheater »Titan’s Hall«, einem Varieté der gehobenen Art, bekam man nur mit Voranmeldung einen Platz. Hier trafen sich die Reichen und die Schönen, die Preise waren hoch, der Service erstklassig, und das Honorar für die Künstler angemessen. Aber hier trat auch nur auf, wer es in der glitzernden Welt zu etwas gebracht hatte. Ian McPherson gehörte dazu, er befand sich seit Jahren an der Spitze der Magier in Europa, und es gab nur wenige, die seine Perfektion annähernd erreichten.
McPherson fuhr in seiner Vorführung fort. Seine Assistentin Amelia, schön, schlank und blond, lenkte die Blicke der Zuschauer immer wieder auf sich, während der Magier damit beschäftigt war, Tiere verschwinden zu lassen, die Kleidung von Zuschauern auf offener Bühne zu vertauschen, ohne daß jemand merkte, wie ihm geschah, und mit einer kleinen Guillotine seine eigene Hand nicht abzuschneiden.
Einer der Höhepunkte der Show war die eigenständige Befreiung des Mannes aus einem Wasserbecken. Er tauchte gleich darauf in anderer Kleidung hinten im Zuschauerraum auf und erntete frenetischen Beifall. Das Können des Magiers bewegte sich tatsächlich in der obersten Kategorie, und er stellte fest, daß seine Tochter auch begeistert wirkte. Gut so, wenn seine Tochter mit ihm zufrieden war, dann machte er seine Arbeit wirklich ordentlich. Der nächste Trick würde der jungen Frau hoffentlich eine besondere Freude machen.
Ian betrat eine Art Telefonzelle mitten auf der Bühne, von außen wurden dicke Ketten darum geschlungen, und ein Kran hob die ganze Zelle in die Höhe. Der Magier winkte noch einmal, dann fielen – nur für eine Sekunde – Vorhänge vor die Scheiben. Als die Zuschauer das Innere wieder sehen konnten, stand Amelia in der Zelle, hielt einen Kuchen mit brennenden Kerzen in der Hand, und McPherson selbst befand sich hinter dem Stuhl seiner Tochter, wo er ihr eine wertvolle Kette um den Hals legte, bevor sie wußte, wie ihr geschah.
»Happy birthday, mein Kleines«, sagte er zärtlich und zog Jenny vom Stuhl. »Meine Tochter hat heute Geburtstag, verehrte Zuschauer. Erlauben Sie mir, ihr auf diesem Wege zu gratulieren.«
Tosender Beifall brandete auf, während Jenny sich etwas verlegen verneigte. Sie stand nicht gern im Licht der Öffentlichkeit, ganz im Gegensatz zu ihrem Vater.
»Taschenspielertricks«, hörte sie eine bekannte und unwillkommene Stimme an einem Nachbartisch. Empört drehte sie sich um. Ja, dort saß er, der große Konkurrent von Ian McPherson, Barnaby Clement, »The great Barnaby«, wie er auf der Bühne hieß. Zusammen mit seinem Sohn Gregory verfolgte er die Premiere seines Konkurrenten und war offenbar nicht überwältigt.
»Laß nur, Kind, ich weiß ja, wer es gesagt hat«, murmelte Ian unmerklich für andere.
Jenny setzte sich wieder, der Magier kehrte zurück auf die Bühne, um zum Höhepunkt seiner Vorstellung zu kommen.
»Sie werden verstehen, Ladies und Gentlemen, daß ich meiner Tochter an einem solchen Tag eine besondere Freude machen will. Aber nun richten Sie Ihre Aufmerksamkeit bitte auf meine bezaubernde Assistentin Amelia.«
Die kam mit einem hautengen Kostüm in Schwarz und Silber auf die Bühne. Von oben wurde ein Auto heruntergelassen und der Kofferraum geöffnet. Amelia wurde fachgerecht gefesselt, zwei Zuschauer überzeugten sich davon, daß alles mit rechten Dingen zuging. Dann stieg sie in den Kofferraum. Der Wagen selbst wurde mit Ketten umschlungen, und die Krananlage zog den Wagen wieder hoch in die Luft. Lächelnd stand Ian noch immer da. Ein riesiges Bassin voll Wasser rollte herein, nun wurde das Auto wieder heruntergelassen und gab blubbernde Geräusche von sich, als das Wasser in die Öffnungen drang. Ian nahm seinen dunklen Umhang um die Schulter und schwenkte seinen Zylinder.
»Wir sehen uns gleich wieder«, versprach er und drehte dem Publikum den Rücken zu. Aus der hohlen Hand ließ er ein Pulver rieseln, Rauch wallte auf, es gab einen blendenden Blitz, und der Mann war verschwunden.
Der Kran zog das Auto wieder aus dem Bassin, zwei Helfer nahmen die Ketten ab und öffneten den Kofferraum. Derweil tropfte das Wasser auf die dafür vorgesehene Unterlage. Jedermann erwartete jetzt förmlich, daß McPherson aus dem Kofferraum springen würde – aber da tat sich erst einmal gar nichts. Die Helfer starrten entsetzt auf etwas, was die Zuschauer nicht sehen konnten.
»Einen Arzt, schnell! Und einen Rettungswagen«, rief einer der Helfer.
Gemeinsam versuchten sie einen leblosen Körper aus dem Kofferraum zu heben.
Lähmende Stille herrschte im Publikum, bis Jenny aufsprang und voller Angst auf die Bühne rannte. Was war mit ihrem Vater?
Niemand wagte es, die junge Frau aufzuhalten. Sie schaute auf einen verkrümmten Körper und kämpfte darum, nicht in Ohnmacht zu fallen.
Im Kofferraum befand sich der blutverschmierte Körper von Amelia, die Ketten lagen achtlos herum, aber die schöne blonde Frau schien sich nicht gegen ihren Angreifer gewehrt zu haben. Und daß es sich nicht um einen Unfall handelte, war deutlich zu sehen.
»Großer Gott, lebt sie noch?« fragte Jenny entsetzt.
»Ich glaube, ja«, erwiderte Duncan, einer der Helfer. »Ein Rettungswagen ist schon alarmiert.«
»Dann kann es schon zu spät sein. Wo ist mein Vater abgeblieben?« Diese Sorge beherrschte die junge Frau, denn sie kannte den Ablauf der Vorführungen recht genau. Sie drehte sich um und blinzelte durch das grelle Licht der Scheinwerfer in den Zuschauerraum.
»Ist hier ein Arzt anwesend? Oder wenigstens jemand, der etwas Ahnung von Erster Hilfe hat? Gregory, wie ist es mit Ihnen? Kommen Sie her, wir brauchen hier ein paar tatkräftige Hände und jemanden, der nicht gleich in Ohnmacht fällt.« Es war ein kluger Schachzug, den jungen Mann auf diese Weise einzuspannen, so blieb ihm oder seinem Vater keine Zeit für abfällige Bemerkungen. »Mister Thornton, sorgen Sie dafür, daß auch jemand die Polizei verständigt.«
»Die Polizei?« Der Manager des »Titan’s« kam händeringend hinter der Bühne hervor. Was als Sensation angekündigt war, schien sich zu einer Katastrophe zu entwickeln. »Wo ist überhaupt Ian? Was hat diese – diese Schweinerei zu bedeuten?«
Auch Jenny hatte ihren Vater noch nicht entdeckt, und die Angst schnürte ihr fast die Kehle zu.
»Diese Schweinerei, wie Sie es nennen, Mr. Thornton, ist mehr als nur ein Unglücksfall. Natürlich brauchen wir die Polizei. Im übrigen sollten Sie wissen, wo mein Vater ist. Schließlich sind doch alle seine Wege klar vorgegeben.«
Bevor der Manager darauf antworten konnte, erklang ein markerschütternder Schrei.
»Dad«, rief Jenny angstvoll und schaute sich suchend um. Der Schrei kam von unter der Bühne und machte deutlich, daß sich jemand in höchster Not befand.
»Sorgen Sie dafür, daß die Zuschauer nicht hierher kommen«, erklang in diesem Augenblick die ruhige Stimme von Gregory Clement, und Jenny war froh, daß wenigstens einer daran dachte.
*
»Niemand geht nach Hause, bevor ich nicht alle Personalien und Aussagen habe«, knurrte Chief-Inspector Derringer. Er war zusammen mit den Kollegen von der uniformierten Polizei eingetroffen. Die Beamten hatten sofort damit begonnen, den Tatort abzusperren und das Publikum zu befragen. Ein Rettungswagen hatte Amelia ins Hospital gebracht, nachdem Gregory Clement sie notdürftig versorgt hatte. Der Mann war Anwalt, hatte sich aber erstaunlich geschickt angestellt. Er war dann auch kurzerhand mit ins Krankenhaus gefahren, um die Frau nicht allein zu lassen. Sonst aber hatte niemand den Saal verlassen.
Mittlerweile wurden die Leute jedoch unruhig, außerdem waren alle begierig darauf, diese sensationellen Neuigkeiten weiter zu verbreiten. Doch der Inspector wollte niemanden gehen lassen, bevor nicht alle Protokolle aufgezeichnet waren. Auch die Presse war bereits eingetroffen, Blitzlichter flammten auf, und eine Unmenge Fragen wurden gestellt. Ein solcher Vorfall in einem Varieté für die Oberen Zehntausend war eine Sensation.
»Haltet mir bloß die Presse vom Leibe«, befahl Derringer. »Ich sehe jetzt schon die Schlagzeilen von morgen, und ich habe keine Lust mich selbst dort wiederzufinden.«
»Der Commissioner würde das sicher auch nicht begrüßen«, meinte sein Assistent, Theo Hornblower.
»Halten Sie mir den auch außer Reichweite«, empfahl der Inspector und wandte sich Jenny zu, die hilflos und etwas verloren dastand.
»Keine Angst, Miß, meine Leute werden Ihren Vater gleich befreit haben, und der Polizeiarzt kann sich sofort um ihn kümmern.«
Ian war auf dem Weg zu seinem größten Triumph gewesen, jetzt aber steckte er im Bühnenfahrstuhl eingeklemmt und konnte sich nur daran erinnern, daß jemand ihm mit etwas Schwerem auf den Schädel geschlagen haben mußte. Er hatte das Bewußtsein verloren und war in einer äußerst unbequemen Lage wieder zu sich gekommen. Seine Beine waren zwischen den Stahlseilen eingeklemmt, und sein rechter Arm war verletzt, denn dort sickerte Blut hervor. Die Polizei bemühte sich, den Mann zu befreien und zu befragen. Offenbar hatte er Amelia aber nichts angetan, dazu wäre nicht einmal ihm genug Zeit geblieben. Das Ganze war reichlich mysteriös. Wer konnte ein Interesse daran haben, die Assistentin des großen Magiers fast umzubringen und den Mann selbst derart außer Gefecht zu setzen? Höchstens ein Rivale, aber eine solche Gemeinheit traute Jenny nicht einmal Barnaby Clement zu.
Der kam nun jedoch auf die Bühne, schaute sich stirnrunzelnd um und legte dann in einer theatralischen Geste seinen Arm um die Schultern der jungen Frau.
»Es tut mir ja so leid für Sie, Jennifer«, sagte er. »Welch ein tragisches Ende für Ihren Geburtstag. Nicht nur, daß Sie eine so minderwertige Vorstellung erleben mußten…«
»Wie können Sie es wagen, so über meinen Vater herzuziehen«, fauchte sie ihn an und machte sich aus der Umarmung frei. »Wenn Sie schon neidisch sind auf das Können meines Vaters, dann stehen Sie wenigstens offen dazu. Die Vorstellung war erstklassig, und das wissen Sie auch.«
»Nun ja, akzeptabel ist der Begriff, den ich wählen würde.«
»Halt, Moment, wer sind Sie denn?« fragte der Inspector verärgert. »Sein Kontrahent? Hm, interessant. Haben Sie etwas mit dem Vorfall zu tun?«
»Gott bewahre«, winkte Clement ab. »Ich wünsche Ian sicher keinen großen Erfolg. Aber ich würde nie selbst etwas tun, um ihm zu schaden. Dafür schätze ich ihn doch zu sehr. Im übrigen demontiert er sich selbst, dazu braucht er meine Hilfe nicht.«
»Schön, das von dir zu hören, alter Freund. Bisher dachte ich doch tatsächlich, du sabotierst mich und meine Vorstellungen.« Ian McPherson war endlich befreit, kam nun hinkend auf seine Tochter zu und nahm sie in die Arme. »Mein armes Kleines, welch ein Tag. Dabei hatte ich gehofft, wir könnten uns nach der Vorstellung noch einen schönen Abend machen.«
»Du bist verletzt, Dad, und du mußt versorgt werden. Das ist im Augenblick viel wichtiger. Schöne Tage können wir uns immer noch machen«, beruhigte sie ihn.
»Wer hat Amelia das angetan? Wissen Sie schon etwas?« wandte sich der Magier an den Polizisten.
»Wir fangen gerade erst mit unseren Ermittlungen an, Sir. Ich hoffe vielmehr, daß Sie uns noch weitere Hinweise geben können.«
Barnaby lachte seinen Rivalen an. »Ich will ja nicht unken, Ian, aber erinnert dich das nicht fatal an die Vorfälle aus den vierziger und siebziger Jahren?«
McPherson zwang sich zu einem Lächeln. »Du übertreibst, Barnaby. Außerdem ist das lange her. Was sollten denn wohl die Vorfälle von damals mit heute zu tun haben?«
»Darf ich auch mal erfahren, um was es geht?« fragte Derringer ungehalten.
»Aber sicher, Inspector. In den frühen Jahren des Titan’s und sogar noch in dem Theater davor sind mehrfach ein Magier und seine Assistentin auf ungeklärte Weise zu Tode gekommen. Einmal fand man während der Vorstellung die Frau in einem Sack auf dem Seilboden, sie hatte keinen heilen Knochen mehr im Körper.«
Jenny schüttelte sich unwillkürlich, obwohl sie mal etwas über diese alte Geschichte gehört hatte.
Derringer nickte ungeduldig. »Nein, das klingt nicht so, als hätte das etwas mit dem Unglück von heute zu tun. Das ist ja nun doch ein bißchen zu lange her, finden Sie nicht?«
»Das ist aber noch nicht alles«, meinte Clement mit einem boshaften Unterton. »Wenn Sie die Geschichte dieses Hauses verfolgen, werden Sie feststellen, daß sich derartige – nun, Unglücke – in schöner Regelmäßigkeit wiederholen.«
»Unsinn, wie kommst du jetzt nur auf so etwas?« wehrte McPherson ab.
»Naja, ich habe meine Hausaufgaben gemacht. Ich an deiner Stelle wäre zu dieser Zeit gar nicht erst hier aufgetreten. Aber du mußtest ja nehmen, was du bekommen konntest.«
»Warum hast du dich selbst dann hier beworben?« gab Ian sarkastisch zurück. »Ich habe das Schreiben gesehen, in dem du deine Dienste angeboten hast. Du wolltest dich also doch in Gefahr begeben?«
»Könnten Sie Ihre kleinen Hahnenkämpfe bitte dann austragen, wenn Sie allein sind? Mr. McPherson, Mr. Clement, haben Sie sonst noch etwas Wichtiges zu den Ermittlungen beizutragen? Falls nicht, würde ich empfehlen, daß sich Mr. McPherson endlich in ärztliche Behandlung begibt.«
Barnaby Clement zuckte die Schultern. »Solltest du meine Hilfe brauchen, bin ich gern dazu bereit, Ian. Du kannst mir erklären, wie dein Trick funktioniert, dann will ich gern an deiner Stelle die Vertretung übernehmen. Er ist mir jedoch zu einfach und zu wenig subtil, um ihn selbst ausfindig zu machen. Melde dich, wenn es soweit ist. Miß Jennifer, es war schön, Sie wiederzusehen.«
»Das könnte dir so passen«, fuhr McPherson auf. »Du wirst meine Geheimnisse sicher nicht erfahren. Aber hab’ Dank für dein freundliches Angebot. Ich werte es ausnahmsweise nicht als Beleidigung.«
Clement ging lächelnd davon, und Jenny schickte ihm wütende Blicke hinterher. »Hat er wirklich nichts anderes zu tun, als andere Leute in den Schmutz zu ziehen? Das ist ein ganz schlechter Stil. Nun ja, zumindest hatte sein Sohn genug Verstand im Kopf, um bei Amelia Erste Hilfe zu leisten. Wir sollten uns bei ihm bedanken.« Die junge Frau war zornig, obwohl sie die Rivalität der beiden Männer seit ihrer Kindheit kannte. Sie war damit aufgewachsen, daß ihre Mutter die Familie verließ, um zu Barnaby zu gehen. Ian war nur schwer darüber hinweggekommen, daß seine Frau ausgerechnet seinen damaligen Freund vorzog, der sich in der Folgezeit zu seinem härtesten Rivalen entwickelte. Doch niemals hatte er zugelassen, daß Jenny deshalb schlecht von ihrer Mutter dachte. Barnaby und Gloria waren nicht lange glücklich gewesen. Die Frau hatte sich schwer damit getan das Kind aus der vorangegangenen Ehe von Clement, eben Gregory, aufzuziehen. Außerdem stellte sie rasch fest, daß der Mann nicht bereit war, ihre überzogenen Ansprüche zu erfüllen. So hatte sie auch ihn bald verlassen, war nach Amerika gegangen, wo sich ihre Spur verlor. Die beiden Magier pflegten von da an ihre Konkurrenz, begegneten sich in der Öffentlichkeit aber meist mit ausgesuchter Höflichkeit. Im übrigen machten beide gute Karrieren, die gegenseitige Stichelei gehörte zu ihnen, und bisher hatte niemand Anstoß daran genommen.
Jenny wünschte sich allerdings, daß sie Barnaby nie wiedersehen mußte, sie mochte ihn nicht, weil sie mit seiner süffisanten, arroganten Art nicht zurechtkam, die sie allerdings auch als reinen Selbstschutz erfaßte. Gregory kannte sie praktisch gar nicht, und eigentlich wollte sie ihn auch nicht kennenlernen. Aber der Anstand gebot, daß sie ihm für seine Hilfe dankte. Er hatte ohne zu zögern geholfen.
Derringer ließ die Leute nun endlich nach Hause gehen, das Varieté leerte sich zusehends. Nur ein Reporter blieb hartnäckig in der Nähe von Ian McPherson, in der Hoffnung, eine persönliche Stellungnahme zu bekommen. Als daraus aber nichts wurde, stellte er sich Jenny in den Weg.
»Miß McPherson, was sagen Sie zu dem Hinweis, dieser unglückselige Vorfall könnte etwas mit den alten Geschichten zu tun haben? Was wollen Sie Ihrem Vater raten? Soll er sein Engagement hier aufkündigen? Wie hoch schätzen Sie die Gefahr ein?«
Sie schaute ihn wie erstarrt an. »Ich habe Ihnen beim besten Willen nichts zu sagen. Falls Sie weitere Auskünfte benötigen, wenden Sie sich bitte an die Polizei. Von mir bekommen Sie keine Information.«
»Das ist bedauerlich. Schließlich besteht doch die Möglichkeit, daß Mr. Clement versucht haben könnte, die Vorstellung Ihres Vaters zu sabotieren und dabei über das Ziel hinausgeschossen ist.«
Das war doch wohl die Höhe.
»Hören Sie gut zu«, sagte Jenny mit deutlicher Betonung und funkelte den Mann an. »Es mag sein, daß mein Vater und Mr. Clement nicht gerade die besten Freunde sind. Aber weder der eine noch der andere würde so weit gehen, eine so hinterhältige Tat auszuführen. Es gibt eine gewisse Ehre unter den Menschen, die auf der Bühne stehen, auch wenn Sie das vielleicht nicht verstehen können. Mir ist schon klar, daß Sie auf der Suche nach Schlagzeilen so denken müssen, aber Sie dürfen Ihre Aufmerksamkeit getrost anderen Menschen zuwenden.«
Der Reporter schien von dieser flammenden Verteidigungsrede wenig beeindruckt, er kratzte sich am Kopf. Seine nächsten Worte bewiesen jedoch, daß er schon seine Hausaufgaben gemacht hatte.
»Ist es die moralische Pflicht einer Tochter so zu sprechen? Wenn ich mich recht entsinne, stehen Sie zu beiden Männern in einer gewissen verwandtschaftlichen Beziehung. Hat es Sie übrigens nie gereizt, sich selbst der Bühne zuzuwenden? Bei Ihren Beziehungen dürfte das doch nicht schwierig sein.«