Isabelles Verbotene Liebe - Tina Folsom - E-Book

Isabelles Verbotene Liebe E-Book

Tina Folsom

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Beschreibung

Als San Francisco von grausamen Morden erschüttert wird, wird Scanguards schnell klar, dass die Beweise auf einen der ihren hinweisen, den ruppigen und eigenwilligen Türsteher und Vampir Orlando. Isabelle, die Hybridentochter von Samson und Delilah, versucht Orlandos Unschuld zu beweisen. Doch eine Enthüllung über Taten aus Orlandos Vergangenheit stellt ihr Vertrauen in ihn auf eine harte Probe, während er versucht, sie wegzustoßen, aus Angst, die Vergangenheit könnte sich wiederholen und ihm erneut alles nehmen, was er liebt. Während sie nach dem Schuldigen suchen, um Orlandos Namen reinzuwaschen, wird klar, dass Isabelle und Orlando die brutalen Morde nur dann aufklären können, wenn sie niemandem außer einander vertrauen. Selbst wenn das bedeutet, dass sie ihre Herzen öffnen und ihre Urängste offenlegen müssen. Lara Adrian, New York Times Bestseller Autorin der Midnight Breed Serie: "Ich bin süchtig nach Tina Folsoms Büchern! Die Scanguards Serie ist eine der heißesten Sachen, die es bei Vampirliebesromanen gibt. Wenn Sie glühend heiße, sich rasant entwickelnde Romane lieben, dann verpassen Sie diese packende Serie nicht!" Über die Serie Die Scanguards Vampirserie ist voll von rasanter Action, brennenden Liebesszenen, witzigen Dialogen und starken Helden und Heldinnen. Vampir Samson Woodford lebt in San Francisco und besitzt die Sicherheits-/Leibwächterfirma Scanguards, die sowohl Vampire als auch Menschen beschäftigt. Und letztendlich auch einige Hexer. Später in der Serie tauchen auch ein paar unsterbliche Hüter und Dämonen auf. Jedes Buch kann als alleinstehender Roman gelesen werden (keine Cliffhanger) und dreht sich immer um ein neues Paar, das die Liebe findet, aber die Serie macht mehr Spaß, wenn sie chronologisch gelesen wird. Scanguards Vampire Band 1 - Samsons Sterbliche Geliebte Band 2 - Amaurys Hitzköpfige Rebellin Band 3 - Gabriels Gefährtin Band 4 - Yvettes Verzauberung Band 5 - Zanes Erlösung Band 6 - Quinns Unendliche Liebe Band 7 – Olivers Versuchung Band 8 – Thomas' Entscheidung Band 8 1/2 – Ewiger Biss Band 9 – Cains Geheimnis Band 10 – Luthers Rückkehr Band11 – Blakes Versprechen Band 11 1/2 – Schicksalhafter Bund Band 12 – Johns Sehnsucht Novelle – Brennender Wunsch Band 13 – Ryders Rhapsodie (Scanguards Hybriden - Band 1) Band 14 - Damians Eroberung (Scanguards Hybriden - Band 2) Band 15 - Graysons Herausforderung (Scanguards Hybriden - Band 3) Band 16 - Isabelles Verbotene Liebe (Scanguards Hybriden - Band 4) Hüter der Nacht Band 1 – Geliebter Unsichtbarer Band 2 – Entfesselter Bodyguard Band 3 – Vertrauter Hexer Band 4 – Verbotener Beschützer Band 5 – Verlockender Unsterblicher Band 6 – Übersinnlicher Retter Band 7 – Unwiderstehlicher Dämon Codename Stargate Band 1 - Ace – Auf der Flucht Band 2 - Fox – Unter Feinden Band 3 - Yankee – Untergetaucht Band 4 – Tiger – Auf der Lauer Der Clan der Vampire Der Clan der Vampire (Venedig 1 – 2) Der Clan der Vampire (Venedig 3 – 4) Der Clan der Vampire (Venedig 5) Jenseits des Olymps Band 1 - Ein Grieche für alle Fälle Band 2 - Ein Grieche zum Heiraten Band 3 - Ein Grieche im 7. Himmel Band 4 – Ein Grieche für Immer Die Scanguards Vampirserie hat alles: Liebe auf den ersten Blick, von Feinden zum Liebespaar, Alpha-Helden, Leibwächter, Brüderschaft, Jungfrau in Not, Frau in Gefahr, die Schöne und das Biest, verborgene Identität, Seelenverwandte, erste Liebe, Jungfrauen, gequälter Held, Altersunterschied, zweite Liebeschance, trauernder Liebhaber, Rückkehr von Totgeglaubten, heimliches Baby, Playboy, Entführungen, von Freunden zum Liebespaar, Coming-out, heimlicher Verehrer, unerwiderte Liebe, Amnesie, Aristokraten, verbotene Liebe, eineiige Zwillinge, Partner bei der Verbrechensbekämpfung.

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ISABELLES VERBOTENE LIEBE

SCANGUARDS HYBRIDEN - BAND 4

SCANGUARDS VAMPIRE - BAND 16

TINA FOLSOM

INHALT

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Kapitel 46

Epilog

Lesereihenfolge

Auch in dieser Serie

Andere Bücher von Tina

Über die Autorin

KURZBESCHREIBUNG

Als San Francisco von grausamen Morden erschüttert wird, wird Scanguards schnell klar, dass die Beweise auf einen der ihren hinweisen, den ruppigen und eigenwilligen Türsteher und Vampir Orlando.

Isabelle, die Hybridentochter von Samson und Delilah, versucht Orlandos Unschuld zu beweisen. Doch eine Enthüllung über Taten aus Orlandos Vergangenheit stellt ihr Vertrauen in ihn auf eine harte Probe, während er versucht, sie wegzustoßen, aus Angst, die Vergangenheit könnte sich wiederholen und ihm erneut alles nehmen, was er liebt.

Während sie nach dem Schuldigen suchen, um Orlandos Namen reinzuwaschen, wird klar, dass Isabelle und Orlando die brutalen Morde nur dann aufklären können, wenn sie niemandem außer einander vertrauen. Selbst wenn das bedeutet, dass sie ihre Herzen öffnen und ihre Urängste offenlegen müssen.

Isabelles verbotene Liebe © 2023 Tina Folsom

Lektorat: Birgit Oikonomou

Scanguards® ist ein eingetragenes Markenzeichen

1

Die Wunde war schlimm und blutete stark. Aus tiefen Schnitten in der ansonsten perfekten Haut sickerten Rinnsale von Blut. Der Duft stieg ihr in die Nase und wirkte sich auf unerwartete Weise auf sie aus. Er war schwer verletzt und obwohl sie um sein Wohlergehen besorgt war, konnte sie nur daran denken, wie sein Blut schmecken würde. Würde es süß oder würzig sein? Reichhaltig und lecker? Sie war sicher, es war all das.

Isabelle ließ ihren Blick über den blutenden Unterleib zu der geformten Brust gleiten, bevor ihr Blick auf der pulsierenden Halsschlagader verweilte. Sie löste den Blick davon und hob die Lider, um sein Gesicht anzusehen. Orlandos blaue Augen fixierten sie. Er hatte sie dabei ertappt, wie sie ihn mit so unverhohlenem Verlangen, solchem Hunger und solcher Begierde ansah. Als sie erkannte, dass ihm bewusst war, was sie wollte, spürte sie, wie ihr Puls zu rasen begann und ihr Herz gegen ihren Brustkorb schlug wie der Drummer einer Rockband. Doch er wich nicht zurück, hielt sie nicht auf, als sie ihr Gesicht auf seine Bauchwunde senkte, obwohl er wissen musste, was sie vorhatte.

„Ich muss die Wunde verschließen“, murmelte sie. Sie wussten beide, dass das nicht der Grund war, aus dem sie es tat.

Der Geruch des Blutes war jetzt intensiver. Es hatte etwas Metallisches an sich, obwohl es sich vollkommen von menschlichem Blut unterschied. Sie wollte es, wollte ihn kosten, ihn erkunden. So lange sie sich zurückerinnern konnte, liebte sie den Geschmack von Blut, obwohl sie noch nie zuvor ein solches Verlangen verspürt hatte. Es hatte ihr noch nie nach Vampirblut gelüstet. Aber jetzt verspürte sie diese Begierde mit einer Dringlichkeit, als hinge ihr Leben davon ab.

Ohne Zurückhaltung leckte sie das Blut auf, das aus der Bauchwunde strömte, und leckte über die Schnitte, die die Klauen eines Vampirs hinterlassen hatten. Sofort erwachte alles Weibliche in ihr, als wäre sie Dornröschen und der Kuss eines Prinzen erweckte sie gerade wieder zum Leben. Aber der Mann unter ihr war kein Prinz. Er war ein Vampir. Ein sehr maskuliner. Ein starker. Jede Zelle ihres Körpers erhitzte sich. Es fühlte sich an, als würde in ihr ein Feuerwerk entzündet. Als ob dies das erste Mal wäre, dass sie sexuelles Verlangen verspürte. Dabei war sie weit entfernt davon, noch Jungfrau zu sein. Vor ihrem einundzwanzigsten Lebensjahr, bevor ihr Vampirhybriden-Körper aufgehört hatte zu altern und in seiner endgültigen Form erstarrt war, hatte sie schon zahlreiche sexuelle Erfahrungen gesammelt. Jetzt, mit fast vierunddreißig, war sie eine erfahrene Frau mit gesunden Bedürfnissen und Wünschen, die sie regelmäßig mit menschlichen Männern stillte, die sie in Bars oder Clubs aufriss.

Sie hatte einige ihrer Liebhaber gebissen, aber dies hier war anders. Dieser Mann war ein Vampir. Und sein Blut zog sie zu ihm hin. Als sie über die verletzte Haut leckte und das reichliche Blut aufsaugte, spürte sie bereits, wie sich die Form der Schnittwunden unter ihren Lippen veränderte. Die Haut heilte dank ihres Speichels, dessen heilende Eigenschaften genauso wirksam waren wie die eines vollblütigen Vampirs.

Isabelle strich mit ihren Händen über Orlandos Cargohose, hielt sich an seinen Hüften fest und drückte ihn auf das Sofa, damit er nicht entkommen konnte. Doch Orlando bewegte sich trotzdem; seine Hüften hoben sich. Plötzlich rieb etwas Hartes an ihren Brüsten. Ihr Atem stockte und sie wich zurück und schaute nach unten. Dort, hinter dem Reißverschluss seiner Hose, sah sie die Beule, die sich gebildet hatte: ein Ständer von gewaltigen Ausmaßen.

Unfähig zu widerstehen, legte sie ihre Handfläche darüber und drückte seinen Schwanz.

„Verdammt, Isabelle!“

Orlandos gestöhnter Ausruf klang nicht wie eine Zurechtweisung, sondern eher wie eine Einladung. Sie drückte ihn erneut. Sie konnte sich nicht zurückhalten, öffnete den Knopf und zog den Reißverschluss nach unten. Er trug keine Unterwäsche. Sie holte tief Luft, gleichermaßen überrascht und erfreut. Sein Schwanz war lang und dick. Lilafarbene Adern schlängelten sich um den schönen Schaft und an seiner Spitze glitzerten Tropfen seines Spermas.

Isabelle legte ihre Hand um die Wurzel und bemerkte, wie Orlandos Atem sich beschleunigte. Seine Reaktion gefiel ihr. Sie hatte es schon immer geliebt, einen Mann vor Verlangen in den Wahnsinn zu treiben, aber bei Orlando ging es um mehr als nur das. Sie wollte, dass dieser starke Vampir mit dem riesigen Körper sich ihr unterwarf, um mehr bat und süchtig nach ihrer Berührung wurde.

Sie konnte nicht länger warten, legte ihre Lippen um die Spitze seines Schwanzes und nahm ihn tief in ihren Mund, wobei ihr Speichel seine Haut bedeckte und den Abstieg geschmeidig machte. Er schmeckte verboten, und sie liebte den Geschmack. Ein Stromstoß fuhr durch ihr Innerstes, wo er jede Zelle erfüllte, bis er ihren Kitzler erreichte und ihn vor Verlangen pochen ließ.

„Fuck!“, fluchte Orlando

Einen Moment später waren seine Hände auf ihr, zerrten an ihrem Oberteil und rissen es in Fetzen. Ihr wurde klar, dass sie keinen BH trug, obwohl sie hätte schwören können, dass sie zuvor einen getragen hatte. Ihre Brüste waren von harten Brustwarzen gekrönt, die sich jetzt nach seiner Berührung sehnten. Große, warme Hände umschlossen sie und sie seufzte erleichtert, bevor sie mit eifrigen Bewegungen weiter an seinem Schwanz lutschte.

Plötzlich drückte Orlando sie zurück, sodass sie ihren Halt an seiner Erektion verlor. Bevor sie protestieren konnte, gruben sich seine Krallen in ihre Hose und er zerriss sie, genau wie er ihr Oberteil zerrissen hatte. Kühle Luft wehte gegen ihre erhitzte Haut, während ihr Herz weiterhin in ihren Ohren donnerte.

„Isabelle …“

Als sie Orlando in die Augen sah, sah sie, dass diese golden schimmerten, ein klares Zeichen von Erregung und Verlangen. Das Rascheln der Kleidung ließ ihren Blick zu seiner Hose wandern. Jetzt war auch diese zerfetzt, und sie war diejenige, die es getan hatte – mit ihren Fingern, die sich in scharfe Krallen verwandelt hatten. Sie hatte nicht einmal bemerkt, dass ihre vampirische Seite zum Vorschein gekommen war.

Im nächsten Augenblick setzte sie sich rittlings auf ihn und spießte sich auf seiner steinharten Erektion auf, wobei sie mit solcher Kraft zustieß, dass mit einem lauten Stöhnen alle Luft aus ihrer Lunge strömte.

„Isabelle!“

Sie hörte ihren Namen, aber sie konnte jetzt nicht aufhören, musste ihn reiten, als würde der Teufel sie verfolgen. Schweißperlen bildeten sich auf ihrem Hals und liefen zwischen ihren Brüsten hinab, wo sie ein kleines Rinnsal bildeten. Orlandos Lippen umfassten eine Brust und saugten den harten Nippel in seinen Mund, während er ihre Brüste mit beiden Händen drückte und sie streichelte wie ein Mann, der wusste, was ihm gehörte. Seine besitzergreifende Berührung war berauschend und spornte sie noch mehr an, ließ sie ihn noch schneller reiten.

„Isabelle!“

Sie warf einen Blick auf ihn hinab, aber seine Lippen waren immer noch um ihre Brustwarze gelegt und saugten an ihr, als könnte er nicht genug davon bekommen. Es war nicht Orlando, der ihren Namen gerufen hatte.

„Isabelle!“

Diesmal erkannte sie die Stimme. Noch immer auf Orlandos Schwanz aufgespießt, wirbelte Isabelle ihren Kopf herum und blickte über ihre Schulter. Ihre Mutter Delilah stand in der offenen Tür und starrte sie an.

„Isabelle!“

Isabelle richtete sich auf und öffnete die Augen. Einen Moment lang wusste sie nicht, wo sie war.

„Geht es dir gut, Isa?“, fragte Delilah mit Besorgnis in ihrer Stimme. Sie stand nur ein paar Meter von ihr entfernt.

Isabelle blinzelte. Sie lag allein in ihrem Bett, ihr Nachthemd klebte an ihrem schweißüberströmten Körper. „Mom.“

„Dein Wecker hat geklingelt. Hast du das nicht gehört?“

Isabelle warf einen Blick auf den Nachttisch, auf dem ihr Handy lag.

„Ich muss wirklich müde gewesen sein“, sagte sie schnell und hoffte, dass ihr nicht ins Gesicht geschrieben stand, dass sie einen sexuellen Traum von niemand anderem als Orlando, einem Angestellten ihres Vaters, gehabt hatte. Orlando, der Vampir, der so zurückhaltend war wie nur möglich und der nie über sich selbst und generell nur sehr selten sprach.

Dies war nicht das erste Mal, dass sie diesen Traum hatte. Seit Orlando vier Monate zuvor im Zusammenhang mit den Ermittlungen zur Entführung ihres Vaters Samson und ihres Freundes Cain verletzt worden war, hatte sie davon geträumt, was in jener Nacht passiert war. Orlando war schwer verletzt gewesen, und während sie ihm menschliches Blut zur Heilung gegeben hatte, hatte sie gleichzeitig seine Wunde geleckt, um sie mit ihrem Speichel zu schließen, was er zu verweigern versucht hatte. Aber sie hatte sein Blut kosten wollen, und das hatte sie auch getan. Damals war es nicht weiter gegangen, weil andere mit ihnen im Raum gewesen waren, aber in ihren Träumen führte das Ereignis immer zu Sex, zu herzklopfendem, ans-Kopfteil-des-Bettes-schlagendem, verschwitztem Marathon-Sex.

„Du siehst ein wenig gerötet aus“, sagte Delilah und legte ihre Hand auf Isabelles Stirn.

Isabelle wich zurück. „Mom, mir geht es gut. Du weißt genauso gut wie ich, dass ich nicht krank werde. Es liegt wahrscheinlich an der schweren Bettdecke. Ich sollte sie gegen die Sommerbettdecke austauschen.“

Ja, gib der Bettdecke die Schuld! Sehr schlau.

„Das ist es wahrscheinlich“, antwortete Delilah. Sie lächelte. „Ich weiß, dass du heute Abend frei hast, aber dein Vater hat gerade angerufen. Er möchte, dass du ins Hauptquartier kommst. Es gibt einen Fall.“

„Hat er gesagt, worum es geht?“

„Um einen Mord.“

Isabelle nickte und schwang ihre Beine aus dem Bett. „Ich dusche mich lieber und mache mich fertig. Kannst du ihm bitte sagen, dass ich in vierzig Minuten da bin?“

„Sicher, Schatz.“

„Danke, Mom.“

Isabelle betrat ihr Badezimmer, als sie hörte, wie sich die Tür zu ihrem Schlafzimmer hinter Delilah schloss. Sie war erleichtert, wieder alleine zu sein, auch wenn sie gerne zu Hause lebte. Schließlich war das Haus so riesig, dass sie die meiste Zeit das Gefühl hatte, allein zu sein, selbst wenn ihre Eltern und ihr jüngerer Bruder Patrick zu Hause waren. Aber in den letzten vier Monaten, seit dem Vorfall mit Orlando, hatte sie begonnen darüber nachzudenken, sich eine eigene Wohnung zu nehmen. Gelegentlich übernachtete sie in Graysons Loft im Finanzviertel, wo sie mehr Privatsphäre genoss. Sie bewahrte dort sogar einige ihrer Kleidungsstücke und andere Notwendigkeiten auf. Ihr Bruder Grayson war mit seiner Gefährtin Monique nach New Orleans gezogen, kurz nachdem Samson und Cain von ihren Entführern befreit worden waren. Aber er hatte das Loft nicht verkauft.

Isabelle trat unter die Dusche. Sie konnte immer noch den Geist von Orlandos Berührung spüren, auch wenn er sie im wirklichen Leben nie berühren würde. Aber in ihren Träumen hatte er noch viel mehr getan. Er hatte mit ihr geschlafen und sie auf die besitzergreifendste Art und Weise genommen, die nur möglich war.

In Wirklichkeit würde so etwas natürlich nie passieren. Ihren Freunden und Kollegen bei Scanguards zufolge hatte Orlando noch nie Interesse an einer Frau gezeigt und niemand hatte je gehört, dass er ein Date oder einen One-Night-Stand hatte. Und als Türsteher im Nachtclub Mezzanine, der Samson und seinem besten Freund Amaury gehörte, hatte er sicherlich die Wahl an hübschen Frauen. Dennoch schien er an Sex desinteressiert zu sein. Für einen kurzen Moment hatte sie sich gefragt, ob Orlando schwul sei, aber Eddie und Thomas, das schwule Paar, das die IT-Abteilung von Scanguards leitete, waren sich hundertprozentig sicher, dass Orlando heterosexuell war.

Sie seufzte. Warum interessierte sie sich für einen Mann, der sie nur mit höflicher Gleichgültigkeit behandelte? Lag es daran, dass sie der Versuchung erlegen war, sein Blut zu trinken? Fühlte sie sich deshalb jetzt zu ihm hingezogen? Oder lag es daran, dass er ein Riese war, ein Vampir, der jeden überragte und eine Stärke und Macht ausstrahlte, die absoluten Schutz versprach? Hatte sie immer noch emotionale Narben von ihrer eigenen Entführung vor vierzehn Jahren? Fühlte sie sich deshalb zu Orlando hingezogen, weil sie instinktiv wusste, dass er sie immer beschützen würde?

Isabelle schüttelte den Kopf und griff nach dem Shampoo. Es war dumm, so zu denken. Orlando hatte kein Interesse an ihr. Er sah sie nur als Samsons Tochter. Und obwohl sie wusste, dass er und Samson eine gemeinsame Vergangenheit hatten, hatte ihr Vater niemandem – außer vielleicht Delilah – erzählt, was zwischen ihnen vorgefallen war.

2

San Francisco, achtzehn Monate zuvor

Er hatte nur noch einen letzten Gefallen zu erbitten. Was er tun würde, wenn diese Sache nicht klappte, wusste er nicht. Hatte er den Mut, alles zu beenden? Oder war er ein Feigling, weil er an der Hoffnung festhalten wollte, obwohl er wusste, dass es keine gab? Warum sollte er sein elendes Leben verlängern wollen, wenn so viel Blutvergießen in seiner Vergangenheit lag?

Bevor er seine Meinung ändern konnte, klingelte Orlando an der Tür des großen viktorianischen Hauses in einem schicken Viertel von San Francisco. Er wusste, dass jemand zu Hause war. Er konnte Geräusche von drinnen hören, obwohl selbst sein empfindliches Vampirgehör keine Worte ausmachen konnte. Durch die Fenster in den oberen Stockwerken strömte Licht in die Nacht. Im Erdgeschoss bewegte sich ein Vorhang und ließ vorübergehend einen Lichtstrahl auf den Bürgersteig fallen.

Obwohl es Ende November war, war die Temperatur in dieser Küstenstadt mild. Im Norden würde es schneien. Aber er vermisste den Schnee nicht, obwohl er andere Dinge seines Zuhauses vermisste, ein Zuhause, das er seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen hatte und in das er nie zurückkehren konnte.

Die schwere Holztür öffnete sich und gleichzeitig warf eine Lampe über dem Eingang ihr Licht auf Orlando. In der offenen Tür stand ein großer Mann, dessen Silhouette sich vom Licht hinter ihm abzeichnete. Orlando blieb auf der Treppe stehen. Er wollte sich nicht anmaßen anzunehmen, er sei willkommen. Es war gut möglich, dass ihn der Mann, der ihn jetzt anstarrte, nicht erkannte. Immerhin waren über drei Jahrzehnte vergangen, seit sie sich kennengelernt hatten. Und sie waren sich nur ein einziges Mal begegnet.

„Orlando“, sagte Samson, seine Stimme nur ein Echo, bevor er sich räusperte. „Orlando Carlisle.“

Orlando nickte. „Samson.“

„Was machst du hier?“

Bei dieser Frage durchfuhr ihn ein Anflug von Enttäuschung. Er war hier nicht willkommen. „Ich hätte nicht kommen sollen.“ Er drehte sich bereits auf dem Absatz um, als sich eine Hand auf seine Schulter legte. Orlando war sofort in Alarmbereitschaft und spannte sich an.

„Beweg deinen Hintern hier rein, Orlando, und zwing mich nicht, dich hereinzuzerren. Ich mache es, wenn ich muss.“ In Samsons Stimme lag ein Schmunzeln. „Obwohl du gut fünfzig Pfund schwerer bist als ich.“

Sein Zögern war wie weggewischt. Orlando betrat den Flur und Samson schloss die Tür hinter sich. Er blickte sich in dem eleganten Haus um, das nicht nur Reichtum, sondern auch Wärme ausstrahlte, die Wärme einer Familie. Er hatte immer gewusst, dass Samson ein reicher Mann war, aber er war in mehr als einer Hinsicht reich. Er hatte eine Familie, eine Gefährtin, Kinder, auch wenn Orlando den Gerüchten zunächst nicht geglaubt hatte.

„Schön, dich zu sehen“, sagte Samson und umarmte ihn für einen kurzen Moment. „Es ist lange her.“

Orlando nickte. „Fünfunddreißig Jahre.“ Es war eine zufällige Begegnung gewesen.

„Komm, setz dich.“ Er deutete auf das große Wohnzimmer.

„Danke, Samson.“ Orlando nickte und setzte sich auf das Sofa, unsicher, wie er sagen sollte, was er geübt hatte, seit er herausgefunden hatte, wo Samson lebte.

„Kann ich dir etwas anbieten?“, fragte Samson. „Welche Blutgruppe magst du am liebsten?“

Orlando schluckte. „Du hältst dir Blutsklaven?“ Das hatte er von einem Mann wie Samson nicht erwartet. Erstens war er mit einer Sterblichen gepaart, also trank er nur von seiner Gefährtin, und zweitens war Samson ein ehrenhafter Mann, einer, der keinen Unschuldigen wehtat. Das war ihm sofort klar geworden, als er Samson damals begegnet war. Hatte er sich in seiner Beurteilung Samsons geirrt oder hatte dieser sich verändert?

„Natürlich nicht“, sagte Samson kopfschüttelnd. „Es ist in Flaschen abgefüllt und kommt aus ethischer Quelle. Lass mich dir eine holen.“

Bevor Orlando protestieren konnte, verließ Samson den Raum. Er hörte, wie eine Tür geöffnet und dann wieder geschlossen wurde. Orlando sah sich in dem wunderschön dekorierten Raum um. Über dem Kamin, in dem ein Gasfeuer brannte, schmückten Bilder von Kindern unterschiedlichen Alters und einer schönen dunkelhaarigen Frau an Samsons Arm den Raum. Wie es aussah, hatte Samson einen Blutbund mit einer atemberaubenden Schönheit geschlossen und zwei Söhne und eine Tochter gezeugt. Für einen Moment verkrampfte sich Orlandos Herz. Er hätte auch eine Familie haben können. Eine Familie wie die Samsons. Aber das Schicksal war grausam, und was einst in greifbarer Nähe gewesen war, war ihm wie feiner Sand durch die Finger geglitten und hatte in Blut und Tod geendet.

Samson betrat erneut das Wohnzimmer und reichte ihm eine durchsichtige Glasflasche. Orlando bemerkte das Etikett darauf: AB+ abgefüllt von Scanguards.

„Danke.“

Es war schon ein paar Tage her, seit er sich ernährt hatte, und jetzt verspürte er den Hunger und das Bedürfnis, sich mit dem Blut vollzutrinken. Da er jedoch nicht wie ein Wilder wirken wollte, ließ er sich Zeit, den Deckel abzuschrauben und die Flasche an seine Lippen zu setzen. Als die reichhaltige, zähfließende Flüssigkeit seine Zunge berührte und seine ausgetrocknete Kehle hinunterlief, wurde ihm klar, wie hungrig er war. Die letzten Jahrzehnte unter dem Radar zu leben, hatte ihn gelehrt, mit wenig auszukommen. Er ernährte sich nur, wenn er das Gefühl hatte, dass es sicher war und das Risiko, entdeckt zu werden, gering. Manchmal bedeutete das, dass er auf eine Mahlzeit verzichten musste. Er hatte sich daran gewöhnt.

„Warum hast du mich nicht schon früher aufgesucht?“, fragte Samson.

Orlando begegnete seinem Blick und stellte die Flasche auf dem Wohnzimmertisch ab. „Mir ging es gut. Es bestand keine Notwendigkeit.“

Samson zeigte auf die Flasche, die noch halbvoll war. „Es gibt noch mehr, wenn du es brauchst. Ich urteile nicht.“

Orlando zwang sich, ein paar Sekunden zu warten, bevor er die Flasche noch einmal hob und den Rest der Flüssigkeit hinunterkippte. „Ich weiß es zu schätzen.“

„Jetzt erzähl mir, was dich nach San Francisco führt.“ Samson lehnte sich im Sessel gegenüber dem Sofa zurück.

Langsam holte Orlando Luft. „Ich bin gekommen, um dich um einen Gefallen zu bitten.“

„Brauchst du Geld? Ich kann dir alles geben, was du brauchst.“

Orlando schüttelte den Kopf. „Ich brauche kein Geld. Ich habe genug, um durchzukommen. Ich brauche etwas anderes.“

„Nenn es, und es gehört dir.“

Er zweifelte nicht daran, dass Samson es ernst meinte. Dennoch zögerte er.

„Orlando, du hast mir damals das Leben gerettet. Ich wäre nicht hier, wenn du nicht gehandelt hättest. Ohne dich hätte ich nicht das, was ich jetzt habe: eine liebevolle Familie.“

„Das freut mich für dich.“

Samson drängte ihn nicht weiter und er war dafür dankbar. Er war es nicht gewohnt, um etwas zu bitten. Er hatte sich immer auf sich selbst verlassen, nie auf andere, aber er war an dem Punkt angelangt, an dem er erkannte, dass er ohne etwas, dem er zugehören konnte, zugrunde gehen würde.

„Ich brauche einen Job, Samson. Einen Job bei deinem Unternehmen.“ So könnte er Teil von etwas Größerem sein, wieder Teil einer Gemeinschaft, einer Art Familie.

Samson beugte sich vor. „Ich glaube, ich habe genau das Richtige für dich. Es ist eine gute Position.“

„Es ist mir egal, was ich verdiene. Ich bin bereit, alles anzunehmen.“ Auch wenn er dadurch verzweifelt klang. Zumindest sich selbst gegenüber konnte er das zugeben. Ohne eine Gemeinschaft gleichgesinnter Vampire um ihn herum hätte er nicht die Kraft, weiterzumachen. „Und ich muss heute Abend noch anfangen.“

Samson musterte ihn lange, bevor er nickte. „Ich verstehe. Das haben wir alle schon durchgemacht. Ich werde dir heute Abend gleich etwas besorgen. Quinn kann dir sofort einen Firmenausweis und einen Auftrag geben. Brauchst du eine Unterkunft?“

Orlando zuckte mit den Schultern. „Ich werde schon etwas finden. Mach dir darüber keine Gedanken.“

„Ich werde Amaury Bescheid geben; er wird dir eine Liste der verfügbaren vampirsicheren Mietobjekte geben, bis du etwas Dauerhafteres findest.“

Das war mehr, als er erwartet hatte. „Das weiß ich zu schätzen.“

Samson stand auf und Orlando tat es ihm gleich.

„Ich wünschte, ich könnte mit dir zum Hauptquartier fahren, aber ich gehe heute Abend mit meiner Frau ins Theater. Sie zieht sich gerade an. Aber ich rufe vorher an, damit Quinn dich erwartet und sich um dich kümmert.“

„Danke, Samson, ich bin dir sehr dankbar.“

„Genauso wie ich es immer sein werde, mein Freund“, sagte Samson, schüttelte seine Hand und hielt sie ein paar Atemzüge lang fest.

In der Stille kamen eilige Schritte näher.

„Dad?“

Samson wandte sich um, als er die Frauenstimme hörte, und Orlando folgte seinem Blick, als eine junge Frau durch den offenen Torbogen eintrat.

„Oh, tut mir leid, ich wusste nicht, dass wir Besuch haben“, sagte sie mit einem hinreißenden Lächeln.

Orlandos Kehle wurde trocken.

„Isabelle, das ist ein alter Freund von mir, Orlando Carlisle. Orlando, das ist meine Tochter, Isabelle.“

Er hörte Isabelles Antwort kaum und war sich nicht sicher, ob er etwas erwiderte, denn alles in seinem Inneren wirbelte herum, als wäre er in einen Trockner geworfen worden. Er konnte seine Füße nicht spüren, wusste nicht, ob er noch stand oder ob er auf einer Wolke schwebte oder, schlimmer noch, zusammengebrochen und ohnmächtig geworden war.

Isabelle war die schönste Frau, die er je gesehen hatte. Und in seinem langen Leben – er war im Jahr 1754 zu Beginn des Siebenjährigen Krieges in einen Vampir verwandelt worden – war er schon vielen schönen Frauen begegnet. Doch niemand konnte Isabelle das Wasser reichen. Sie war groß und schlank, mit langen Beinen, die in engen Jeans steckten, und einem Rollkragenpullover, der ihre Brüste wie ein kuscheliger Handschuh umschlang. Ihr langes dunkles Haar sah aus, als wäre es aus zarter Seide gesponnen. Ihre Haut hatte einen olivfarbenen Teint, der zu ihren natürlich roten Lippen und ihrer geraden Nase passte. Perfekt geschwungene Augenbrauen umrahmten ihre dramatischen grünen Augen, die wie tiefe Wasserbecken aussahen, in denen jeder Mann ertrinken könnte. Als wäre sie eine Sirene und ein bloßer Blick auf sie könnte sein Schicksal besiegeln.

Alles an ihr deutete auf Gefahr hin: ihr sinnliches Lächeln, die Krümmung ihrer Lippen, das sanfte Heben und Senken ihrer Brüste, während sie gleichmäßig atmete, ihre anmutigen Bewegungen, als sie näher kam, das Gefühl ihrer warmen Hand in seiner, als sie sie zum Gruß schüttelte. Ja, alles an Isabelle zeigte ihm, dass er sich fernhalten sollte, weil es so leicht wäre, sich in sie zu verlieben. Ihr sein Herz zu öffnen. Sie hineinzulassen. Sie zu Seiner zu machen.

Obwohl er wusste, dass er es nicht tun durfte, denn alles, was er berührte, zerstörte er. Und eine Frau wie Isabelle verdiente etwas Besseres als ihn. Es spielte keine Rolle, dass er sich bereits jetzt, Sekunden nachdem er sie kennengelernt hatte, nach ihr verzehrte. Eine so intensive Lust endete nie gut. Es würde ihn – noch einmal – blind machen und er würde die Gefahr erst erkennen, wenn es zu spät wäre. Bis er keine andere Wahl mehr hatte, als das Unverzeihliche zu tun. Nein, es war am besten, nie auf diese Weise an Isabelle zu denken. Es war besser, niemals seinen Wünschen nachzugeben.

„Orlando?“

Samsons Stimme unterbrach seine Gedanken.

„Wie bitte?“, gelang es ihm zu antworten, denn er wusste nicht, was Samson ihn gefragt hatte.

„Isabelle hat angeboten, dich zu Scanguards zu bringen, da sie sowieso dorthin fährt.“

Verdammt! Warum musste sie ihn so in Versuchung führen? „Ich möchte keine Umstände machen.“

„Es sind keine Umstände“, versicherte ihm Isabelle.

Ihre Stimme war wie ein sanftes Rinnsal, das in jede Zelle seines Körpers eindrang, ihn betörte und in Versuchung führte. Wie würde sie klingen, wenn sie unter ihm wäre, wenn er mit ihr Liebe machte? Würde ihr Stöhnen die gleiche sinnliche Qualität haben wie ihre Stimme? Würde sie seinen Namen auf die gleiche Weise sagen, während er sie beglückte, bis er sich nicht mehr zurückhalten konnte und sie zu Seiner machte? Und das erste Mal, wenn er während des Liebesspiels von ihr trank, würde es noch besser sein, als er es in Erinnerung hatte? Wäre es wie im Paradies?

„Dann ist es abgemacht“, sagte Samson bestimmt.

Orlando hatte keine andere Wahl, als Isabelle zu folgen, als sie die Treppe hinunter zur Garage ging, wo sie auf ein babyblaues Auto zeigte. Sie wollte, dass er sich in einen Thunderbird hineinquetschte?

„Ich habe den Wagen gerade erst bekommen. Es macht so viel Spaß zu fahren.“ Sie ließ sich auf dem Fahrersitz nieder.

Es war nicht einfach, in den winzigen Sportwagen einzusteigen, besonders nicht für einen Mann mit seiner riesigen Statur. Bei einer Körpergröße von 1,90 Metern und einem Gewicht von 120 Kilogramm von Knochen und Muskeln hatte er große Mühe, seinen Körper zusammenzuklappen, damit er auf dem Beifahrersitz Platz nehmen konnte. Seine Knie befanden sich auf halber Höhe seines Oberkörpers, sein Kopf berührte fast das Dach, aber das Schlimmste war, dass Isabelles Hand sein linkes Bein streifte, als sie den Gang einlegte und aus der Garage schoss.

Jedes Mal, wenn der Wagen abbog, stieß Orlando in dem kleinen Innenraum mit ihr zusammen, während Isabelles natürlicher Duft den engen Raum erfüllte. Sie duftete nach Vanille und Orangen, und der Duft beschwor Bilder ihrer nackten Körper herauf, die sich in einem uralten Paarungstanz aneinander wanden.

Er spürte, wie sich zwischen ihnen eine Spannung ausbreitete, als könnte sie spüren, was er dachte. Als wüsste sie von seinen ausschweifenden Gedanken.

Verdammt! Er musste aus diesem Auto aussteigen, bevor sie ihn vor Verlangen in den Wahnsinn trieb. Er wünschte, er wäre nie zu Samson gekommen, denn seine schöne Tochter würde ihm zum Verhängnis werden. Dessen war er sich sicher. So sicher wie die Tatsache, dass die Sonnenstrahlen ihn zu Asche verbrennen würden, wenn er zu lange dem Licht ausgesetzt wäre.

3

San Francisco, Gegenwart

Orlando schnappte sich seine Schlüssel vom Sideboard im Flur seines kleinen zweistöckigen Hauses und öffnete die Eingangstür. Er atmete die kühle Nachtluft ein und ließ seinen Blick schweifen. Ein Nachbar ging mit seinem Hund spazieren und drängte ihn zum Pinkeln, während der Mann sich heimlich eine Zigarette anzündete und über die Schulter zu seinem Haus schaute, als wollte er nachsehen, ob seine Frau aus dem Fenster blickte. Orlando schüttelte den Kopf. Aus einer Entfernung von fünfzig Metern stank der Mann wie ein Aschenbecher. Sicherlich würde seine Frau den Zigarettenrauch riechen, der an ihm hing, sobald er das Haus wieder betrat.

Wachsam wie immer ging Orlando die fünf Stufen hinunter zu dem kleinen Tor, wo sich sein Briefkasten befand. Er schloss ihn auf und holte die Post heraus. Bevor er sie durchblättern konnte, ließ ihn ein Geräusch zu seiner Linken den Kopf herumschnellen. Seine Nachbarin, eine Frau Anfang Fünfzig, trat aus ihrem Haus und näherte sich.

„Guten Abend, Mr. Carlisle“, sagte sie.

Der einzige Grund, warum sie seinen Namen kannte, war, weil seine Post ein- oder zweimal mit ihrer vermischt worden war. Das ärgerte ihn, weil er es vorzog, anonym zu bleiben, aber er hatte sich nichts anmerken lassen. Auch jetzt zeigte er nicht, dass er keine Lust auf ein Gespräch hatte.

„Ms. Brix.“ Er nickte knapp und drehte sich auf dem Absatz um, um wieder hineinzugehen.

Aber Ms. Brix verstand den Hinweis nicht. „Haben Sie von Wayne gehört?“

Mit einem stummen Seufzer wandte er sich um und täuschte einen freundlichen Gesichtsausdruck vor, obwohl er nicht sicher war, ob ihm das gelang. Schließlich war er nicht für seine Freundlichkeit bekannt. „Ich kenne niemanden, der so heißt.“

Sie deutete auf die Umschläge in seiner Hand. „Der Postbote Wayne Hong.“

„Oh, ich wusste nicht, dass das sein Name ist.“

Welche Gerüchte auch immer Ms. Brix über den Postboten hatte, Orlando war nicht daran interessiert, davon zu hören. Er musste sich auf seine Schicht im Mezzanine vorbereiten, wo er seit anderthalb Jahren als Türsteher arbeitete. Die Arbeit gefiel ihm aus einer Vielzahl von Gründen. In erster Linie hielt es ihn bei Verstand. Er war Teil einer Gemeinschaft, in der alle zum Wohle ihrer Artgenossen zusammenarbeiteten. Es hielt ihn unter Kontrolle, sorgte dafür, dass er zur Rechenschaft gezogen wurde, damit er nicht in die Dunkelheit absackte.

Auch wenn er als Türsteher in einem Nachtclub, dessen Teilhaber Samson war, viel Kontakt zu Gästen hatte, war er nicht gezwungen, freundlich zu ihnen zu sein. Tatsächlich wurde von ihm eine gewisse Schroffheit erwartet. Die Leute nutzten jeden aus, der zu freundlich war. Orlando sorgte dafür, dass sich die Clubbesucher benahmen, und ein unhöflicher Türsteher sorgte dafür, dass die lautstarke Menge ausreichend eingeschüchtert blieb. Es hätte Konsequenzen, wenn sie sich nicht an die Regeln halten würden. Und diese Regeln galten sowohl für Menschen als auch für Vampire. Tatsächlich wurden Vampire strenger behandelt als Menschen, da sie selbst ohne Waffen viel mehr körperliche Schmerzen verursachen konnten als ein Mensch.

Auch die Tatsache, dass er in seinem Job nicht viel reden musste, gefiel ihm gut. Er war kein Mann vieler Worte. Tatsächlich fielen ihm die Worte nicht leicht, und er zog es vor, seine Gefühle und Meinungen für sich zu behalten. Es würde ihm nichts nützen, jemanden an sich heranzulassen. Er hatte schon vor langer Zeit eine Mauer um sein Herz errichtet, aus Angst, dass er erneut einen fatalen Fehler begehen würde. Leider traten bereits vor achtzehn Monaten Risse in dieser Mauer auf. Für die Risse war Samsons Tochter Isabelle verantwortlich, obwohl sie sich ihrer Wirkung auf ihn nicht bewusst war. Gut, dass sie sich selten sahen und dass sie ihn kaum bemerkte. Er würde in großen Schwierigkeiten stecken, wenn sie jemals erahnen würde, dass er sie begehrte.

„... so grausig, ich kann es immer noch nicht glauben. Wayne war so ein netter Mann.“

Ms. Brix’ Worte holten ihn zurück in die Gegenwart.

„Wayne?“

Sie seufzte und in ihren Augen schimmerten Tränen. Wie lange hatte er nicht zugehört?

„Ja, es war ein brutaler Mord. So viel Blut. Fast so grausig wie der Angriff des Tigers aus dem Zoo. Erinnern Sie sich daran? Es war vor etwa fünfzehn Jahren, als dieser Mann über das Gehege kletterte und von dem Tiger in Stücke gerissen wurde.“

Verwirrt starrte Orlando sie an. „Wollen Sie damit sagen, dass unser Postbote von einem Tiger aus dem Zoo getötet wurde?“

Sie schüttelte den Kopf und sah genervt aus. „Nein, natürlich nicht. Aber offenbar hat derjenige, der in sein Haus eingebrochen ist und ihn getötet hat, ihn abgeschlachtet. Ich meine, sie sagen, dass es so viel Blut gab. Sie haben ihn heute Morgen tot aufgefunden. Es war überall in den Nachrichten. Wie kommt es, dass Sie das nicht gehört haben?“

Orlando zuckte mit den Schultern. „Nachtschicht. Ich verfolge die Nachrichten kaum.“ Er deutete auf die Briefe in seiner Hand. „Ich muss mich darum kümmern, bevor meine Schicht beginnt.“

„Es macht mir Angst“, fuhr sie unbeirrt fort. „Er wohnte in der Nachbarschaft, wissen Sie.“

„In Glen Park?“, fühlte Orlando sich gezwungen zu fragen, obwohl seine Geduld am Ende war.

„Ja, auf der anderen Seite des Hügels, Sie wissen schon, in der Nähe der BART-Station.“ Sie schniefte. „Ich wünschte, Sie würden nicht nachts arbeiten, wissen Sie? Es wäre gut, einen so großen und starken Nachbarn wie Sie in der Nähe zu haben, wenn ein Mörder sein Unwesen treibt.“

Sie warf ihm einen anerkennenden Blick zu und ließ diesen über seine Oberarme und seine Brustmuskeln schweifen, die unter seinem schwarzen T-Shirt hervortraten. Wenn Blicke einen Mann ausziehen könnten, würde er splitternackt in seinem Vorgarten stehen.

Zeit, sich aus diesem Gespräch zu befreien. „Ich bin sicher, dass die Polizei für die Sicherheit in der Gegend sorgen wird. Gute Nacht.“

Er drehte sich um, bevor sie noch etwas sagen konnte, und eilte die Stufen hinauf. Sekunden später war er wieder in seinem Haus und schloss die Tür hinter sich. Er seufzte. Jeder Mord war tragisch, aber er konnte nichts dagegen tun. Er war zuversichtlich, dass die Polizei damit umgehen konnte. Es war deren Aufgabe.

Orlando blätterte beiläufig durch die Post und wollte gerade alles in den Mülleimer werfen, als ihm auffiel, dass sich zwischen den Angeboten von Immobilienmaklern und der örtlichen Supermärkte und anderen nutzlosen Anzeigenblättern ein weißer Umschlag befand. Der Poststempel zeigte an, dass der Brief aus San Francisco verschickt worden war. Er drehte den Umschlag um, aber weder der Name noch die Adresse des Absenders standen darauf. Er öffnete den Brief und zog eine weiße Karte heraus. In gepflegter Handschrift stand da: Ich weiß über Montreal Bescheid.

Alles Blut schien aus ihm zu weichen, und er spürte, wie eine Kälte seinen Körper erfasste und ihn lähmte. Jemand hatte ihn gefunden. Er hatte immer gewusst, dass es eines Tages passieren würde. Aber warum jetzt, wo er wieder etwas zu verlieren hatte, auch wenn es nur ein Tagtraum war? Denn das war alles, was es war, ein Traum. Der Traum, dass Isabelle ihm gehörte und dass sie ihn liebte und ihn mit all seinen Fehlern akzeptierte. Und es würde immer ein Traum bleiben, denn er würde nie versuchen, ihn Wirklichkeit werden zu lassen. Der Traum allein hatte ihn in den letzten achtzehn Monaten aufleben lassen. Tatsächlich hatte es ihm etwas gegeben, auf das er sich am Ende seines Arbeitstages freuen konnte. Und nun drohte jemand, ihm dieses bisschen Glück zu rauben und die Taten seiner Vergangenheit aufzudecken. Wozu? Um ihn ein für alle Mal zu vernichten und ihm dem Schicksal zu übergeben, dem er so lange entkommen war, dem Schicksal, das er für die Sünden, die er begangen hatte, das Blut, das er vergossen hatte, verdiente: den Tod.

4

Isabelle stieg aus dem Aufzug und ging den Korridor im obersten Stockwerk des Scanguards-Hauptquartiers im Missionsviertel entlang. Hier war viel los, was nachts nichts Ungewöhnliches war. Schließlich arbeiteten die vollblütigen Vampire und viele der Vampirhybriden zu dieser Zeit gerne, da sie tagsüber schliefen. So wie sie es die meiste Zeit tat. Während ihrer Schul- und späteren Collegezeit hatte sie andere Arbeitszeiten eingehalten, aber jetzt bevorzugte sie die Nacht, genau wie ihr Vater und seine Vampirkameraden.

Isabelle klopfte an die Tür des kleinen Konferenzraumes neben Samsons Büro und trat ein, ohne auf eine Antwort zu warten. Die anwesenden Personen standen im Raum und unterhielten sich beiläufig. Samson sprach mit Mike Donnelly, dem Polizeichef, der seit über zwei Jahrzehnten ihr Vertrauter war. Er war ein einfacher Polizist gewesen, als er von der Existenz von Vampiren erfahren hatte, und fungierte anschließend als Verbindungsmann der Polizei, um Verbrechen im Zusammenhang mit Vampiren an Scanguards weiterzuleiten, anstatt die Polizei etwas untersuchen zu lassen, wofür sie nicht ausgerüstet war. Im Alter von über 60 Jahren war Mike immer noch einer der wenigen Polizeibeamten von San Francisco, die wussten, was hier nachts vor sich ging. Er bewahrte ihre Geheimnisse.

Cooper und Benjamin, beide Vampirhybriden und erfahrene Leibwächter, nur ein paar Jahre jünger als sie, deren Eltern ebenfalls für Scanguards arbeiteten, warfen ihr einen Blick zu. Isabelle begrüßte sie mit einem Nicken und ließ dann ihren Blick zu Amaury, Benjamins Vater, wandern, der mit einem Vampir sprach, dem sie noch nie zuvor begegnet war. Er war groß und hatte blondes Haar und durchdringende graue Augen. Der Mann schien Mitte dreißig oder vielleicht Anfang vierzig zu sein, obwohl sein wahres Alter weit davon entfernt sein könnte. Es bedeutete lediglich, dass er im menschlichen Alter von Mitte dreißig bis Anfang vierzig in einen Vampir verwandelt worden war.

„Isa, da bist du ja“, sagte Samson mit einer Geste zum ovalen Tisch. „Wir können anfangen.“

Während alle ihre Plätze einnahmen, zeigte Samson auf den blonden Vampir. „Habt ihr euch schon kennengelernt?“

„Nein, das glaube ich nicht“, antwortete Isabelle.

„Ich hätte mich daran erinnert“, fügte der Vampir hinzu und richtete seinen Blick auf sie.

„Isabelle, das ist Nelson Sarduni“, sagte Samson. „Er ist unser neuer Verbindungsmann zum SFPD. Nelson, das ist meine Tochter Isabelle.“

„Freut mich, dich kennenzulernen, Isabelle“, sagte Nelson mit einem lockeren Lächeln, das ihn jünger aussehen ließ.

Isabelle begrüßte ihn mit den gleichen höflichen Worten. „Bist du gerade dem SFPD beigetreten?“

Mike klopfte Nelson auf die Schulter. „Nelson arbeitete für die Polizei in Seattle. Ich habe es vor sechs Monaten geschafft, dass er zu uns versetzt wird. Wir hatten großes Glück, ihn zu bekommen. Es ist ziemlich schwierig, gleichzeitig Polizeichef zu sein und eine Liaison mit Scanguards zu haben. Mein Tag hat nur 24 Stunden. Und ich werde nicht jünger.“

„Ich bin sehr dankbar für die Gelegenheit“, sagte Nelson.

„Und wir wissen das wirklich zu schätzen“, fügte Samson hinzu, bevor sich sein Gesichtsausdruck änderte. „Lasst uns alle über diesen Fall auf den neuesten Stand bringen. Mike? Nelson?“

„Darf ich, Sir?“, fragte Nelson mit einem Blick auf Donnelly.

Donnelly nickte und Nelson öffnete die Akte vor sich. „Heute Morgen wurde die Leiche von Wayne Hong in seinem Haus in Glen Park gefunden. Er wurde brutal ermordet.“ Er nahm mehrere Fotos aus der Akte und reichte sie herum.

Isabelle schaute sich die Tatortfotos an, auf denen die Leiche eines asiatischen Mannes auf einem Sofa in einem Wohnzimmer liegend zu sehen war. Seine Kehle war herausgerissen worden und überall war Blut. Seine Augen standen offen. Die Angst spiegelte sich in ihnen wider. Seine Kleidung war zerrissen und blutgetränkt.

„Mr. Hong war Postbote. Er befand sich mitten in einer Scheidung und lebte allein. Seine Schwester fand ihn, als sie am Morgen kam, um sein Auto auszuleihen, weil ihres in der Werkstatt war“, fuhr Nelson fort.

Ein eisiger Schauer lief Isabelle über den Rücken. Sie konnte sich nicht einmal vorstellen, was die Schwester des armen Mannes gerade durchmachte. Wenn ihren beiden Brüdern Grayson und Patrick etwas zustoßen würde, wäre sie am Boden zerstört.

„Irgendwelche Anzeichen eines gewaltsamen Eindringens?“, fragte Isabelle automatisch.

„Nein. Wir gehen davon aus, dass er seinen Mörder kannte oder dass der Mörder Gedankenkontrolle oder eine List benutzte, um hineingelassen zu werden“, antwortete Nelson.

„Ist es bereits bestätigt, dass dies das Werk eines Vampirs war?“, warf Cooper ein.

„Nicht bestätigt“, sagte Donnelly schnell, „aber aus der vorläufigen forensischen Untersuchung geht hervor, dass die Wunden nicht mit irgendeinem Messer oder einer Klinge zugefügt wurden.“ Er zeigte auf eines der Fotos. „Das sind Spuren, die von Krallen hinterlassen wurden. Und da es in San Francisco keine Bären, Tiger oder Berglöwen gibt, würde ich sagen, dass es ein Vampir war.“

Samson nickte mit ernster Miene. „Ich stimme Mike zu. Deshalb nehmen wir diesen Fall an. Isabelle, du wirst die Führung übernehmen.“ Er gab den beiden Hybriden ein Zeichen. „Cooper und Benjamin helfen dir bei allem, was du brauchst. Nelson wird dir Zugang zum Tatort, zur Leiche und zu den forensischen Daten verschaffen, die die Polizei bisher gesammelt hat.“

„Wir müssen unsere eigene gerichtsmedizinische Untersuchung durchführen“, sagte Isabelle.

„Kein Problem“, antwortete Nelson schnell. „Wir werden euch die Leiche übergeben, damit das forensische Team von Scanguards eine Beurteilung vornehmen und bestätigen kann, dass Hong von einem Vampir getötet wurde.“

„Und die Gerichtsmedizinerin der Stadt? Was wirst du ihr sagen?“, fragte Isabelle.

„Lass das unser Problem sein“, sagte Nelson mit einem Blick auf Donnelly. „Richtig, Sir?“

„Es hat Vorteile, Chef zu sein“, sagte Donnelly mit einem Augenzwinkern, bevor er wieder ernst wurde. „Leider hat die Presse bereits Wind von diesem Fall bekommen. Ich werde mich um sie kümmern. Aber wir müssen den Mörder schnell finden. Wir können keinen außer Kontrolle geratenen Vampir in unserer Stadt herumlaufen lassen. Ich muss dem Bürgermeister und den Bewohnern versprechen können, dass sie in Sicherheit sind. Ich werde mir eine Geschichte ausdenken, die die Presse zufriedenstellt, wenn es so weit ist.“

„Na ja, darin hast du doch jede Menge Übung, nicht wahr?“, fügte Amaury hinzu.

„Ich wünschte, das hätte ich nicht, aber so ist es eben.“ Donnelly erhob sich.

„Ich begleite dich nach draußen, Mike“, bot Samson an und stand ebenfalls auf. Amaury tat dasselbe.

„Wir überlassen die Sache euch“, sagte Samson mit einem Nicken. Dann lächelte er Isabelle an. „Das schaffst du, Isa.“

Die drei Männer gingen und die Tür schloss sich hinter ihnen.

Gestärkt durch das Vertrauen ihres Vaters in sie holte Isabelle tief Luft und blickte Nelson und die beiden Hybriden an.

„Na dann“, begann Isabelle. „Wie bald kannst du uns Hongs Leiche überführen lassen, damit wir ihn untersuchen können?“

„Heute Nacht wird nichts passieren, fürchte ich. Die Gerichtsmedizinerin muss das abzeichnen. Aber ich kann den Transfer für morgen Vormittag anberaumen. Passt dir das?“, fragte Nelson.

„Das ist in Ordnung. Benjamin, kannst du dafür sorgen, dass Maya im Laufe des Tages vorbeikommt, um sich die Leiche anzusehen, sobald sie hier ist?“

„Kein Problem“, bestätigte Benjamin. „Möchtest du, dass ich oder Cooper dabei helfen?“

„Nur wenn ihr nicht mit anderen Dingen beschäftigt seid. Ich möchte die Leiche auch selbst sehen.“ Sie machte sich eine Notiz auf dem Block vor ihr. „Ich möchte, dass du, Benjamin, zum Postamt gehst. Erkundige dich über Hongs Postroute und arbeite an dem Zeitablauf, wann er an jenem Tag die Arbeit verlassen hat bis zu dem Zeitpunkt, wo ihn seine Schwester tot aufgefunden hat.“

„Soll ich seine Kollegen verhören?“, fragte Benjamin.

„Mach das. Allerdings bezweifle ich, dass der Mörder einer seiner Kollegen ist, wenn wir es wirklich mit einem Vampir zu tun haben.“

„Das haben wir“, unterbrach Nelson. „Ich habe die Leiche gesehen.“ Er zeigte auf die Bilder. „Für mich besteht kein Zweifel daran, dass dies das Werk eines Vampirs ist. Blutdurst ist meine Vermutung.“

„Wahrscheinlich hast du recht, aber lasst uns nichts überstürzen.“

„Was soll ich tun?“, fragte Cooper.

„Du und ich werden mit den Nachbarn reden.“ Isabelle schaute auf ihre Uhr. „Für heute Abend ist es etwas zu spät. Die meisten Menschen werden inzwischen schlafen. Das machen wir morgen. Lass uns frühmorgens, bevor sie zur Arbeit gehen, anfangen.“

„Sieben Uhr?“, fragte Cooper.

„Ja, lass uns das machen. Und mit wem wir am frühen Morgen nicht reden können, bei dem versuchen wir es am späten Nachmittag und frühen Abend noch einmal. Das gibt mir Zeit, mir die Leiche anzusehen, sobald sie hier ist. Und bis dahin sollte Benjamin auch einen Zeitablauf für uns haben, oder?“

Benjamin nickte. „Ja. Was ist mit dem Tatort selbst?“

„Den könnten wir uns jetzt anschauen“, schlug Isabelle vor, da sie keine Zeit verlieren wollte. „Kannst du uns hineinlassen, Nelson?“

„Das könnte ich, ja, sicher“, sagte er zögernd. „Aber warum machen wir das nicht, nachdem eure Leute die Leiche untersucht haben? Ich denke, dass ihr dadurch ein besseres Bild bekommt, wenn ihr euch dann Hongs Haus anseht. Dann werdet ihr wissen, wonach ihr sucht.“

„Hmm.“ Isabelle dachte über seine Worte nach.

„Ich sage ja nur.“ Er zuckte mit den Schultern. „Ich habe einfach die Erfahrung gemacht, dass der Tatort nach der Untersuchung der Leiche viel mehr Sinn ergibt. Zumindest habe ich das in den letzten zehn Jahren getan. Aber wenn du jetzt gehen willst, ist das auch in Ordnung.“

Isabelle wusste, dass sie nicht so viel Erfahrung in der Aufklärung von Morden hatte wie Nelson, und sie hatte schon vor langer Zeit gelernt, dass es nicht schaden konnte, sich von jemandem mit mehr Erfahrung beraten zu lassen. „Hat die Polizei das Haus schon gründlich durchsucht?“

„Außer dem Beamten, der zuerst am Tatort war, und der Gerichtsmedizinerin, die die Leiche abgeholt hat, waren nur Donnelly und ich in Hongs Haus. Wir gingen sofort davon aus, dass es sich um einen Vampirmord handelte, und haben deshalb allen anderen den Zugang verwehrt. Ich habe eine oberflächliche Suche durchgeführt, aber ich hielt es für besser, mit einer gründlicheren Suche zu warten, bis euer Team sich mir anschließen kann.“ Er schaute auf seine Uhr. „Wir könnten es heute Nacht noch machen, aber ich bezweifle, dass wir unsere Suche vor Tagesanbruch beenden würden.“

Sie verstand seine Sorge. Er war ein vollblütiger Vampir, der nicht in der Sonne sein konnte. Und es gab heute Nacht keine Eile, sich den Tatort anzusehen. Die Fotos, die Nelson mitgebracht hatte, gaben ihr einen sehr guten Hinweis auf das, was geschehen war.

„Also gut, lass es uns morgen Abend machen“, stimmte Isabelle zu. „Wir fangen kurz nach Sonnenuntergang an. Sollen wir uns im Haus treffen?“

„Das passt mir“, stimmte Nelson mit einem Nicken zu. Er klappte die Akte zu und schob sie über den Tisch. „Das ist alles, was wir bisher haben. Es wird euch helfen, euch ein gutes Bild des Opfers zu machen. Dort findet ihr Kontakte zu seiner Schwester und seiner Arbeit sowie die Adresse von Hongs Haus. Dort steht auch meine Handynummer.“ Er stand auf. „Ich muss ein paar Dinge organisieren, damit wir euch morgen Früh die Leiche bringen können.“

Isabelle griff in ihre Handtasche und holte eine Karte heraus. Sie reichte sie ihm. „Das ist meine Handynummer. Halte mich auf dem Laufenden.“

„Sicher.“

Nelson verließ den Konferenzraum und ließ sie mit Benjamin und Cooper allein.

Benjamin seufzte und zeigte auf die Fotos. „Das sieht wirklich gruselig aus. Ich hoffe, wir kriegen diesen Bastard bald.“

Isabelle nahm eines der Fotos und starrte es an. Wieder zitterte sie, obwohl Hybriden die Kälte nicht so spürten wie Menschen. „Ich hasse den Gedanken, dass irgendwo da draußen jemand ist, der zu dieser Art von Gewalt fähig ist.“

„Wir werden ihn finden, keine Sorge“, meinte Cooper zuversichtlich. „Das machen wir immer.“

5

Isabelle parkte ihren babyblauen Thunderbird einen halben Block vom Hintereingang des Mezzanines entfernt und stieg aus. Sie hatte die Akte über Wayne Hong, die Nelson zusammengestellt hatte, zweimal gelesen, um sicherzustellen, dass ihr nichts entging. Er hatte viele handschriftliche Notizen gemacht und alles, was die Polizei über den Hintergrund des Opfers gesammelt hatte, ausgedruckt, um ihr ein vollständiges Bild des Opfers zu vermitteln. Da sie heute Abend nicht viel anderes tun konnte, hatte sie beschlossen, sich zu entspannen und ins Mezzanine zu gehen, den Nachtclub in South of Market, dessen Miteigentümer ihr Vater war und der von ihrem Bruder Patrick und ihrem guten Freund Damian geleitet wurde. Der beliebte Nachtclub beschäftigte eine Reihe vollblütiger Vampire und wurde von Scanguards-Mitarbeitern frequentiert - von Menschen, Vampiren und Hexen gleichermaßen.

Anstatt den Club mit ihrem Scanguards-Ausweis über den Hintereingang zu betreten, ging Isabelle um das Gebäude herum zum Vordereingang, wo ein Türsteher stand. Sein Rücken war ihr zugekehrt, als sie näher kam, aber sie erkannte ihn trotzdem. Orlando war der größte Vampir, dem sie je begegnet war, größer und breiter als ihr Vater und noch massiver als Amaury, der beste Freund ihres Vaters und Miteigentümer von Scanguards und dem Mezzanine.

Sie hätte Orlando leicht aus dem Weg gehen können, wenn sie den Hintereingang genommen hätte, aber sie wollte ihn sehen, wollte ihren Blick über ihn schweifen lassen, selbst wenn es nur für einen kurzen Augenblick war. Sie fühlte sich wie ein Junkie, der seinen nächsten Fix brauchte. War es erst vier Monate her, dass er verletzt worden war und sie sich um seine Wunden gekümmert hatte, nicht nur, indem sie ihm menschliches Blut zur Heilung verabreichte, sondern auch, indem sie die tiefen Schnitte an seinem Bauch geleckt und sie mit ihrem Speichel versiegelt hatte? Es fühlte sich an, als wäre es erst gestern passiert, dass sie sein Blut gekostet hatte. Seitdem träumte sie jedes Mal, wenn sie schlief, von einer Wiederholung.

Isabelle wischte sich ihre verschwitzten Hände an ihrer engen Jeans ab und holte tief Luft. Immer wenn sie wusste, dass sie Orlando gegenüberstehen würde, wurde sie so nervös wie ein Teenager, der in das Büro des Rektors geschleppt wurde und das Schlimmste erwartete. Orlando hatte den Vorfall ihr gegenüber nie wieder erwähnt, aber sie erinnerte sich noch daran, wie er sie angesehen hatte, als sie ihn geleckt hatte: wütend und bereit, sie zu töten, als hätte sie etwas getan, das ihm unvorstellbare körperliche Schmerzen bereitete.

Isabelle war nur wenige Meter von der Eingangstür des Clubs entfernt, als Orlando plötzlich den Kopf drehte, als hätte ihn eine Hornisse gestochen – obwohl mitten in der Nacht keine Hornissen umherflogen. Seine Augen weiteten sich und seine Nüstern blähten sich wie die eines Tieres, das den Geruch eines Raubtiers wahrgenommen hatte. Was war er dann, wenn sie das Raubtier war? Die Beute?