Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Peter Hirschberg, der selbst in Jerusalem gelebt und zahlreiche Gruppenreisen und Fortbildungen in Israel/Palästina geleitet hat, erschließt in diesem bestens aufgemachten Reiseführer die wichtigsten biblischen Stätten vor dem Hintergrund des biblischen Zeugnisses und der neuesten Erkenntnisse der biblischen Archäologie. Deutlich wird dabei auch, wie eine Studien- und Pilgerreise im Heiligen Land helfen kann, sich neu für den "Geist der Bibel" zu öffnen. Der Schwerpunkt liegt eindeutig auf der Jesusgeschichte, so dass die für die neutestamentliche Zeit zentralen Orte Galiläas und das herodianische Jerusalem besonders ausführlich behandelt werden. Aber auch die wichtigsten alttestamentlichen Stätten finden gebührende Berücksichtigung. Der reich bebilderte und allgemein verständlich geschriebene Band ist für jeden interessierten Besucher des Heiligen Landes ein unentbehrlicher Reisebegleiter.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 463
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Peter Hirschberg
Israel
und die palästinensischen Gebiete
Herausgegeben von Christoph vom Brocke und Christfried Böttrich
EVAs Biblische Reiseführer
Peter Hirschberg, Dr. theol., Jahrgang 1961, studierte Theologie in Neuendettelsau, Tübingen, Jerusalem und Erlangen. Er ist Pfarrer der bayerischen Landeskirche. Von 1990 bis 1995 war er als Theologischer Referent für den christlich-jüdischen Dialog zuständig, bis er die Leitung des Evangelischen Pilger- und Begegnungszentrums in Jerusalem übernahm. Er hat im Neuen Testament promoviert und ist gegenwärtig als Hochschulpfarrer und Lehrbeauftragter in Bayreuth tätig. U. a. erschien von ihm: »Jesus von Nazareth. Eine historische Spurensuche« und »Die bleibende Provokation. Christliche Theologie im Angesicht Israels«.
Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
2., korr. Auflage 2014
© 2011 by Evangelische Verlagsanstalt GmbH · Leipzig
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt.
Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Gesamtgestaltung: behenlux gestaltung, Halle (Saale)
Coverbild: Blick auf den See Genezareth, © Peter Hirschberg
E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH 2017
ISBN 978-3-374-03433-8
www.eva-leipzig.de
EVAs Biblische Reiseführer
Bereits erschienen:
Band1: Griechenland ISBN 978-3-374-02463-6
Band2: Jordanien ISBN 978-3-374-02462-9
Band3: Türkei – Westküste ISBN 978-3-374-02587-9
Band4: Türkei – Mittleres und östl. Kleinasien ISBN 978-3-374-02610-4
Band5: Ägypten ISBN 978-3-374-02796-5
Band6: Israel ISBN 978-3-374-02841-2
In Planung:
Band7: Syrien
Band
Einleitung18
I. Die Geschichte Israels im Überblick22
II. Galiläa – das Haupwirkungsfeld Jesu42
III. Die Tetrarchie des Philippus92
IV. Bronzezeitlich-eisenzeitliche Städte im Norden Israels104
V. Das Nordreich Israel – Samaria124
VI. Der Jordangraben: von Galiläa nach Jerusalem140
VII. Das Westufer des Toten Meeres158
VIII. Jerusalem180
IX. Der Süden des Landes280
X. Die Küstenebene und das beginnende Bergland306
Cover
Titel
Der Autor
Impressum
EVAs Biblische Reiseführer
Übersicht
Einleitung
I. Die Geschichte Israels im Überblick
Die Frühzeit Israels (13.–11. Jh. v. Chr.)
Das Königtum Sauls, Davids und Salomos
Das Nordreich Israel
Das Südreich Juda
Das babylonische Exil
Die nachexilische Zeit
Die hellenistische Zeit
Die römische Zeit
Von der neutestamentlichen Zeit bis zum Staat Israel
II. Galiläa – das Haupwirkungsfeld Jesu
Einleitung
Topographie
Geschichte
Jesus aus Galiläa
Nazareth
Einleitung
Nazareth im Neuen Testament
Der archäologische Befund
Lage und Größe
Ein jüdisches Dorf
Nazareth zur Zeit Jesu
Die Verkündigungskirche und ihre Vorgängerbauten
Die byzantinische und die judenchristliche Kirche
Die heutige Kirche
Die Josephskirche
Die Gabrielskirche
Kapernaum
Das so genannte »evangelische Dreieck«: Kapernaum, Bethsaida, Chorazin
Kapernaum, »die Stadt Jesu«?
Kapernaum zur Zeit Jesu
Die Kalksteinsynagoge und die Synagoge Jesu
Das Haus des Petrus
Die Berufung der ersten Jünger in der Nähe Kapernaums
Jesu Wirken in Kapernaum
Kapernaum: ein Ort christlich-jüdischer Konkurrenz?
Bethsaida
Einleitung
Das eisenzeitliche Bethsaida
Die hellenistisch-frühjüdische Stadt
Ist et-Tell Bethsaida?
Chorazin
Einleitung
Lage und Geschichte
Chorazin im 1. Jh. n. Chr
Die Synagoge des 4. Jh.s
Tabgha und Umgebung
Einleitung
Ort der Speisung
Die Brotvermehrungskirchen
Der Auferstandene begegnet Petrus – die Primatskapelle
Andere in der Nähe von Tabgha lokalisierte Traditionen
Weitere neutestamentliche Spuren rund um den See Genezareth
Taubental
Magdala
Das »Jesusboot« im Kibbuz Ginnosar
Ginnosar
Berg der Seligpreisungen
Kursi – und die Austreibung der Dämonen
Hippos/Susita
Sepphoris und Tiberias – die Hauptstädte Galiläas
Einleitung
Sepphoris: Geschichte und archäologischer Befund (1. Jh.)
Sepphoris und Jesus von Nazareth
Sepphoris in spätrömischer und byzantinischer Zeit
Tiberias: Geschichte und archäologischer Befund (1. Jh.)
Warum wirkte Jesus nicht in Sepphoris und Tiberias?
Biblische Stätten Galiläas in Stichworten
Tabor – Ort der Verklärung
Kana – aus Wasser wird Wein
III. Die Tetrarchie des Philippus
Einleitung
Gamla
Einleitung
Geschichte
Der Kampf um Gamla
Die Synagoge
Das byzantinische Dorf und Dolmen
Die Zeloten
Jesus und die Zeloten
Cäsarea Philippi/Banias
Einleitung
Geschichte
Das Panheiligtum
Jesus bei Cäsarea Philippi – ein biographischer Wendepunkt
IV. Bronzezeitlich-eisenzeitliche Städte im Norden Israels
Megiddo
Einleitung
Ein kurzer geschichtlicher Überblick
Gebäude aus der salomonischen Zeit?
Tore, Mauern, Stallanlagen
Der Kultplatz mit seinen Tempeln
Silo, Ställe, südlicher Palast, Wassersystem
Hazor
Topographie und Geschichte
Biblische Bedeutung
Mauern und Befestigungsanlagen
Verbindung zwischen Ober- und Unterstadt
Erweiterung der Mauer durch Ahab
Sechskammertor und bronzezeitlicher Königspalast
Vierraumhaus, Zitadelle, Wassersystem
Dan
Einleitung
Das bronzezeitliche Lajisch (Leschem)
Das israelitische Dan
Eine israelitische Tempelanlage
Die Toranlage
Der einzige außerbiblische Beweis für die Existenz von König David
V. Das Nordreich Israel – Samaria
Einleitung
Sichem
Samaria
Elia und die Baalspropheten
Wirtschaftliche Blüte im 8. Jh
Weitere Geschichte
Forum
Theater und Augustustempel
Kapelle von Johannes dem Täufer, Johanneskirche
Neapolis (Nablus) und Umgebung
Antike Reste
Ebal und Garizim
Die Samaritaner
Entstehung und Geschichte
Die Samaritaner heute
Der Jakobsbrunnen und das Josephsgrab
Jesus und die Samaritaner
Biblische Stätten des Nordreichs in Stichworten
Gibea
Bet-El
Schilo
VI. Der Jordangraben: von Galiläa nach Jerusalem
Beit Shean (Skythopolis)
Einleitung
Das bronzezeitliche und israelitische Beit Shean
Skythopolis
Das Theater
Das Badehaus
Die Palladiusstraße
Monumente im Zentrum
Silvanusstraße und restlicher Rundweg
Jericho
Einleitung
Tell es-Sultan
Das neutestamentlich-herodianische Jericho
Jesus in Jericho
Die Taufstelle bei Jericho
VII. Das Westufer des Toten Meeres
Einleitung
Khirbet Qumran
Geschichte der Entdeckung
Die Qumranschriften
Die einstigen Bewohner von Khirbet Qumran und die Schriftrollen – Beschreibung der Anlage
Die rekonstruierte Geschichte der »Qumrangemeinschaft«
Qumran und das Neue Testament
En Gedi
Einleitung
Das chalkolithische Heiligtum
Biblische Belege
Geschichte En Gedis: frühjüdische bis byzantinische Zeit
Masada
Einleitung
Fluchtburg und Winterpalast des Herodes
Masada und die Zeloten
VIII. Jerusalem
Einleitung
Topographie Jerusalems
Ein kurzer geschichtlicher Abriss
Jesus in Jerusalem
Die Davidsstadt
Einleitung
Die »getreppte Rampe«
Eisenzeitliche Häuser
Ein hasmonäischer Turm
Die bronzezeitliche und eisenzeitliche Mauer
Das Wasserversorgungssystem der Bronze- und der Eisenzeit
Bronzezeitlicher Tunnel und Warrenschacht
Der Hiskijatunnel
Eroberung Jerusalems durch den Warrenschacht?
Der südöstliche Abhang der Davidsstadt: Mauern, ein Steinbruch, die »Königsgräber« und eine antike Synagoge
Der Teich Siloah
Die Blindenheilung am Teich Siloah (Joh 9,1–8)
Die byzantinische Basilika
Der herodianische Tempel
Einleitung
Herodes der Große und »sein« Tempel
Der einstige Tempelplatz
Die den Platz umgebenden Hallen
Trennung zwischen Juden und Heiden
Die Gebäude im inneren Bereich
Das Tempelgebäude
Die Westmauer (»Klagemauer«)
Der Westmauertunnel: Wilsonbrücke, Warrentor, Reste der Baris und ein hasmonäischer Kanal
Der archäologische Park an der Südwestecke
Die herodianische Straße und der Robinsonbogen
Ort des Schofarblasens
Muslimische Paläste und eine Kreuzfahrerstruktur
Der einstige Treppenaufgang und die südlichen Tore
Reinigungsbäder und Vierkammertor
Die Südostecke
Das goldene Tor
Jesus und der Tempel
Jesus: radikaler Gegner oder Reformer des Tempelkults?
Die Tempelkritik Jesu als Grund für seine Hinrichtung
Die Tempelthematik im Neuen Testament
Die islamischen Heiligtümer: Felsendom und El Aksa
Geschichte
Die Errichtung von Felsendom und El Aksa
Ein in Stein gegossenes Glaubensbekenntnis gegenüber Juden und Christen
Das jüdische Viertel
Mauern und Tore des vorexilischen Jerusalems
Die herodianische Oberstadt
Luxuriöse Villen (Wohl-Center)
Das »verbrannte Haus«
Jesus in seinem Verhältnis zu Sadduzäern und Pharisäern
Der Cardo maximus
Das römische Straßensystem im 2. Jh
Das byzantinische Straßensystem
Das muslimische Viertel
Der Teich Bethesda
Die Geschichte der Anlage
Die Krankenheilung am Teich Bethesda
Weitere Geschichte des Ortes
Die Via Dolorosa und die Frage nach dem Prätorium
Ecce Homo und Lithostrotos
Das christlich-arabische Viertel
Die Anastasis (»Grabeskirche«)
Ort der Kreuzigung und Auferweckung Jesu?
Der Bau der konstantinischen Basilika
Struktur der Anlage
Weitere Geschichte der Kirche
Vorhof
Salbungsstein
Golgota und Adamskapelle
Rotunde und Grab Christi
Grab des Joseph von Arimathia
Einstiger Innenhof
Armenische Kreuzauffindungskapelle und St. Helena-Kapelle
Südlicher Umgang und Kirchenschiff
»Er ist nicht hier«
Der Ölberg
Einleitung
Jesus und der Ölberg
Die Vater unser-Kirche: die einstige Eleona
Der Ort der Himmelfahrt im Neuen Testament
Apokryphe und biblische Ölbergtraditionen
Die einstige und heutige Kirche
Die Himmelfahrtkapelle – das »Inbomon«
Dominus flevit-Kapelle – »der Herr hat geweint«
Lukas 19,41–44 in seinem historischen Kontext
Das byzantinische Kloster (7. Jh.)
Die alten Grabanlagen (2. Jt. – 4. Jh.)
Gethsemane: Ort des Gebetes Jesu
Die theologische Bedeutung des letzten Gebetes Jesu
Gethsemane und die »ecclesia elegans«
Die heutige Kirche und ihre Vorgängerbauten
Das Mariengrab
Bethanien und Betfage
Zwei in Bethanien lokalisierte neutestamentliche Geschichten
Die verschiedenenen Kirchen Bethaniens
Betfage
Weitere biblische Orte Jerusalems in Stichworten
Jaffator – Zitadelle – Palast von Herodes d. Gr
Jakobuskathedrale
Der neue Zion
Das Davidsgrab
Der Abendmahlssaal
Die verschiedenen Kirchen auf dem Zion
Das Essenertor
St. Peter in Gallicantu (zum Hahnenschrei)
Das Hinnomtal
Das Kidrontal
IX. Der Süden des Landes
Bethlehem und Umgebung
Einleitung
Bethlehem im Alten Testament
Jesu Geburt in Bethlehem
Die Geburtskirche
Die Geburtsgrotte
Das Höhlensystem der Katharinenkirche
Weitere Geschichte der Geburtskirche
Die Milchgrotte, das Haus des Joseph und der Davidsbrunnen
Die Hirtenfelder in Bet Sahur
Das Herodeion
Einleitung
Die Palastfestung
Das untere Herodeion
Hebron
Einleitung
Archäologischer Befund
Geschichte und biblische Bedeutung
Die Machpela – das Heiligtum der Patriarchengräber
Beerscheba
Einleitung
Geschichte und Archäologie
Beerscheba: Stadt der Erzväter und Grenzstadt Judas
Arad
Geschichte
Biblische Bezüge
Der Jahwetempel
X. Die Küstenebene und das beginnende Bergland
Einleitung
Aschkelon und Aschdot
Aschkelon
Aschdot
Jaffa/Joppe
Geschichte
Biblische Bezüge
Cäsarea (maritima)
Geschichte
Der nördliche Teil und der Augustustempel
Der Hafen
Antikes Straßensystem, römische und byzantinische Gebäude
Das Stadion
Das herodianische Theater
Der herodianische Seepalast
Die Gefangenschaft des Paulus
Petrus und der römische Hauptmann Cornelius
Der Tod von Herodes Agrippa I
Cäsarea in altkirchlicher und rabbinischer Zeit
Lachisch
Einleitung
Geschichte und biblische Bezüge
Assyrische Belagerungsrampe
Die Toranlage
Die Palastanlagen
Emmaus/Nikopolis
Einleitung
Geschichte
Die Kirchen von Emmaus/Nikopolis
Auf dem Weg nach Emmaus, oder: Christus inkognito!
Das Heilige Land: Erinnerungen, die in die Zukunft weisen
Register
Weitere Bücher
Blick über die Dächer Jerusalems
Zwischen 100.000–200.000 deutsche Touristen besuchen gegenwärtig das Heilige Land. Angesichts der politischen Spannungen, die so manchen von einer Reise nach Israel/Palästina abhalten, ist dies eine durchaus beachtliche Zahl. Israel kann sich in der Kategorie »Bildungs- und Studienreisen« sehen lassen, auch wenn es noch nie ein Ziel des Massentourismus war und es vermutlich auch in Zukunft nicht werden wird. Fest steht jedenfalls: Wer die religiös-kulturellen Wurzeln unserer europäischen Zivilisation kennen und verstehen will, der kommt – auch als eher säkular orientierter Mensch – an diesem Land nicht vorbei. Hier haben Judentum und Christentum ihre genuinen Wurzeln, und zusammen mit dem Islam verehren alle drei großen monotheistischen Religionen Jerusalem als Heilige Stadt.
Viele Christen besuchen das Heilige Land allerdings nicht nur, um ihren Bildungshorizont zu erweitern. Sie wollen mehr. Sie erhoffen sich eine Vertiefung ihres Glaubens, vielleicht sogar, dass brüchig gewordene Überzeugungen am Ort des ursprünglichen Geschehens eine neue und tragfähige Basis bekommen. Sie sind damit Pilger und Pilgerinnen im klassischen Sinn. Auch manche Theologen schlagen in die gleiche Kerbe, wenn sie das Heilige Land als »fünftes Evangelium« bezeichnen und damit zum Ausdruck bringen, dass sich einem durch das Erleben der biblischen Landschaft oft vieles erst richtig erschließt. Tatsächlich ist das auch die Erfahrung vieler Menschen. Nicht wenige schwärmen noch Jahre danach von einer Reise ins Heilige Land und berichten, wie ihnen erst an heiliger Stätte manches richtig aufgegangen ist. Nach biblischem Zeugnis ist es Gott selbst, der sich aus Liebe zu uns Menschen konkret »verortet« hat. Er ist nicht im »Himmel« geblieben, sondern Menschen in ihrer konkreten alltäglichen Wirklichkeit begegnet, so dass Orte und Landschaften noch heute an diese Begegnungen erinnern und helfen können, sich für den Geist der Bibel zu öffnen.
Unser Reiseführer setzt hier an. Er will als biblischer Reiseführer die Geschichte und die Geschichten des Alten und Neuen Testaments mit der biblischen Landschaft, den heiligen Stätten und den neusten Erkenntnissen biblischer Archäologie ins Gespräch bringen, um so ein besseres und tieferes Verstehen der Bibel zu ermöglichen. Das beginnt bei relativ banalen Einsichten. So wird jeder, der schon einmal von der Küstenebene oder dem Jordangraben in das bergige Jerusalem hinaufgefahren oder gar gewandert ist, plötzlich verstehen, warum in der Bibel immer davon die Rede ist, dass die Stämme nach Jerusalem hinauf ziehen. Das setzt sich fort bei theologischen Fragen. Man muss nur die durch archäologische Forschungen neu zugänglich gewordene Heimatstadt Jesu, Nazareth, mit den damaligen Regierungshauptstädten Sepphoris und Tiberias vergleichen, und einem wird schlagartig klar, aus welch bescheidenen Verhältnissen Jesus kommt. Nicht nur seine Kritik an Reichen und Mächtigen wird so verständlich, man begreift auch, warum es für viele ein Anstoß war, wenn seine Anhänger behaupteten, dass aus einem so unbedeutenden Flecken der Messias Israels kommen soll. Kurz: Die Beschreibungen der einzelnen Orte sollen helfen, die biblischen Geschichten vor dem Hintergrund von Landschaft, Archäologie und auch Theologie in ihrer Tiefe besser zu verstehen.
Ich will freilich keine zu euphorischen Erwartungen wecken. Das, was Archäologie und kritische Bibelwissenschaft ans Tageslicht fördern, kann auch sehr irritierend sein. Nicht selten werden die vertrauten, von Kindesbeinen an verinnerlichten „biblischen“ Vorstellungen sogar erst einmal radikal zerstört. Wie geht man zum Beispiel damit um, wenn man auf einmal merkt, dass es eine Landeroberung durch Israel, wie sie die Bibel erzählt, nie gegeben hat? Anscheinend stimmt es doch nicht, was der Bestsellerautor Werner Keller mit dem Buchtitel „Und die Bibel hat doch recht“ behauptet hat. Aber hat sie überhaupt nicht recht? Oder hat sie nur auf einer anderen Ebene recht, und das Problem ist gar nicht die Bibel, sondern ein bestimmtes falsches Vorverständnis unsererseits? Es ist jedenfalls klar, dass eine Reise ins Heilige Land nicht nur Fragen beantwortet, sondern auch viele neue Fragen aufbrechen lässt. Bezogen auf unsere lieb gewordenen biblischen Sehweisen bedeutet dies, dass es oft erst zu einem inneren, manchmal recht mühseligen „Umbau“ kommen muss, bevor in uns ein neues Bild entstehen kann. Ich habe mich dennoch dafür entschieden, dem Leser und der Leserin solche Umbauprozesse nicht zu ersparen. Nicht, weil ich jemand ärgern oder ihm etwas lieb Gewordenes nehmen möchte, sondern weil ich der Überzeugung bin, dass die neuen Einsichten unseren Glauben bereichern und vertiefen können.
Einen biblischen Reiseführer über Israel/Palästina zu schreiben, der dennoch handhabbar sein soll, gleicht der Quadratur eines Kreises und erfordert in jedem Fall eine klare Schwerpunktsetzung. Um es deutlich sagen: Eine halbwegs ausführliche Beschreibung aller biblischen Stätten in einem Band ist nicht möglich. Ich habe deshalb zwei Grundsatzentscheidungen getroffen: (1) Ich konzentriere mich auf die zentralen Orte der Jesusgeschichte, da ich davon ausgehe, dass die meisten Leserinnen und Leser dieses Reiseführers einen christlichen Hintergrund haben. Der Führer folgt deshalb auch in der Anordnung des Stoffes der Jesusgeschichte: Er beginnt in Galiläa, dem Zentrum des Wirkens Jesu, und geht dann über das Jordantal bzw. Samaria in den Süden, mit dem Schwerpunkt auf Jerusalem als dem Ort von Kreuzigung und Auferstehung. Am Ende stehen der Süden und die Küstenebene. In diesen grob an der Jesusgeschichte orientierten Aufriss wird die alttestamentliche Geschichte eingewoben. (2) Insgesamt war meine Devise: Weniger ist mehr. Ich habe die zentralen Stätten ausführlicher beschrieben, „Nebenschauplätze“ dagegen nur grob dargestellt oder auch ganz auf sie verzichtet.
Dieser Führer hat seinen eindeutigen Schwerpunkt in der biblischen Zeit. Die jüdische, christliche und teils auch islamische Wirkungsgeschichte, die sich an den Jesusstätten meist im Bau späterer Kirchen manifestiert, wird nur in Grundlinien beschrieben. Eine ausführliche archäologische und kunstgeschichtliche Darstellung dieser Stätten war nicht möglich. Erst recht musste – von vereinzelten Ausnahmen abgesehen – auf die Beschreibung der zahlreichen jüdischen und islamischen Orte der nachbiblischen Zeit verzichtet werden.
Die meisten Sehenswürdigkeiten, die in diesem Führer beschrieben werden, befinden sich in Israel bzw. Ostjerusalem, nur einige Orte liegen in der Westbank. Da es israelischen Reiseanbietern/Guides (im Augenblick) verboten ist, in die autonomen palästinensischen Gebiete zu fahren, muss man solche Ausflüge separat organisieren und dabei natürlich die augenblickliche Sicherheitslage berücksichtigen. Inzwischen kann man über in Ostjerusalem ansässige Anbieter, aber auch in den autonomen Gebieten (z.B. in Ramallah) Rundreisen oder kürzere Ausflüge buchen.
Dieser Reiseführer kann einen normalen Reiseführer nicht ersetzen. Er stellt ein zusätzliches Begleitbuch dar, das die biblische Perspektive in den Mittelpunkt rückt. Zum Schluss bleibt mir nur noch eines zu sagen: Es gibt neben den steinernen Zeugnissen auch „lebendige Steine“: die Menschen, die in großer ethnischer, kultureller und religiöser Vielfalt in diesem Land leben und vielleicht sogar dessen eigentlichen Schatz bilden. Erst wer ihnen begegnet, erfährt das Heilige Land in seiner ganzen Tiefe.
Menorah vor der Knesset als Symbol der Geschichte Israels
Wer die Geschichte Israels in alttestamentlicher Zeit rekonstruieren will, greift aus gutem Grund auf das Alte Testament zurück. Denn auch wenn das Alte Testament primär ein theologisches Buch ist, so enthält es doch grundlegende geschichtliche Informationen. Ohne sie würden wir trotz der immer wichtiger werdenden außerbiblisch-literarischen und archäologischen Zeugnisse nur ein sehr dürftiges Bild von der Geschichte Israels haben. Fest steht freilich genauso: Erst ab dem 9. Jh. v. Chr. können wir davon ausgehen, dass die Bibel uns in einer einigermaßen verlässlichen Weise über die historischen Vorgänge Auskunft gibt. Die Darstellung der Frühzeit Israels nimmt in der Bibel zwar einen breiten Raum ein (1. bis 5. Buch Mose, Josua, Richter) und hat theologisch grundlegende Bedeutung, unterscheidet sich aber massiv von den heute vertretenen wissenschaftlichen Rekonstruktionen.
Nach der biblischen Darstellung kamen die Nachkommen Abrahams (Isaak, Jakob und seine Söhne) aufgrund einer Hungersnot nach Ägypten. Obwohl sie dort in Sklaverei gerieten, wurde aus der Abrahamsfamilie im Laufe der Zeit ein ansehnliches Volk. Nach langen Jahren der Knechtschaft erbarmte sich Gott seines Volkes und berief Mose, um die Israeliten aus der Sklaverei Ägyptens herauszuführen. Anschließend schloss Gott am Sinai mit ihnen einen Bund, gab ihnen seine Gebote und befahl ihnen, unter Führung Josuas das Land Kanaan zu erobern.
Die archäologische und durch eine kritische Lektüre der biblischen Quellen gestützte wissenschaftliche Rekonstruktion der frühen Geschichte Israels entwirft ein in vielerlei Hinsicht anderes Bild dieser Epoche. Um sich diesem Bild anzunähern, kann es eine Hilfe sein, sich das spätere Israel als einen aus verschiedenen Segmenten bestehenden Kreis vorzustellen, bei dem die einzelnen Segmente ganz verschiedene ethnisch-regionale, historische und religiöse Ursprünge haben und erst langsam zu einer Einheit zusammengewachsen sind.
Das vermutlich größte Segment dieses Kreises besteht nun überraschenderweise aus Menschen, die zur ursprünglichen Bevölkerung Kanaans gehörten, also nicht von außen in das verheißene Land eingewandert sind. Sie sind nur innerhalb des Landes gewandert, und zwar von den in den Ebenen liegenden Städten und Dörfern in die Bergregionen. Der hauptsächliche Grund für diese Wanderung dürfte darin gelegen haben, dass es während der letzten Hälfte des 2. Jt. v. Chr. aufgrund politischer und wirtschaftlicher Probleme im ganzen Mittelmeerraum zu einem Niedergang der bronzezeitlichen Städte kam, also auch der Stadtstaaten in Palästina. Viele Stadtbewohner und von den Städten abhängige Bauern aus dem näheren Umfeld hatten kein Auskommen mehr und mussten sich woanders eine neue Existenz aufbauen. So setzten sie sich in die Berge Mittelpalästinas ab und lebten dort ein halbnomadisches oder auch sesshaftes Leben als Bauern.
Karte des altestamentlichen Israel
Dort trafen sie auf andere Bevölkerungselemente: auf sesshafte oder halbnomadische Gruppen, die zum Teil auch von der Wüste her eingesickert waren oder noch im Begriffe waren einzusickern. Die biblischen zwölf Stämme sind als regionale Einheiten in einem solchen, etwa vom 14. bis zum 11. Jh. v. Chr. sich erstreckenden Prozess entstanden, bis sie dann in einem zweiten Schritt ein Volk geworden sind.
Dieses Israel, das zu diesem Zeitpunkt eher ein lockerer Stämmeverbund war, wird das erste Mal in der Siegesstele des Pharao Merenptah erwähnt, die um 1208v.Chr. anzusetzen ist. Aufgrund des Namens (Jisra-El) kann man schließen, dass dieser Verbund noch nicht jahwegläubig war, sondern elgläubig: El (in der Bibel oft einfach als »Gott« übersetzt) war der Hauptgott des kanaanäischen Götterpantheons. Ansonsten sagt uns die Stele eigentlich nichts über dieses Israel.
Was ist nun aber mit Mose und der Befreiung aus Ägypten? Folgende Erklärung legt sich nahe: Es gab tatsächlich eine relativ kleine Gruppe, nennen wir sie einmal die Mosegruppe, die in Ägypten Fronarbeit geleistet hat. Diese Gruppe wurde von Mose im Namen Jahwes aus Ägypten herausgeführt, hat am Schilfmeer eine erstaunliche Rettungserfahrung gemacht und dann vielleicht sogar am Sinai einen »Bund« mit Jahwe geschlossen. Dass es zwischen Ägypten und nomadischen Gruppen tatsächlich Kontakte gab und eine solche Szene damit durchaus vorstellbar ist, bestätigen die Quellen. In einer ägyptischen Inschrift aus dem Jahr 1350v.Chr. wird von einer Gruppe von Halbnomaden erzählt, »die nicht wusste, wo sie leben sollte«, und die nach Ägypten kam, »um ein Heim in dem Gebiet des Pharao zu erbitten«. Um 1200v.Chr., meldete ein ägyptischer Grenzbeamter, dass er Beduinenstämme aus der Steppe passieren ließ, »um sie und ihr Vieh auf der großen Besitzung des Pharao, der guten Sonne eines jeden Landes, am Leben zu erhalten«. Diese Gruppe hat in Ägypten Jahwe als ihren Retter erfahren und sich im 13./12. Jh. v. Chr. im Bergland Mittelpalästinas niedergelassen, wo sie eines der vielen Segmente bildete, aus denen das Volk Israel hervorging.
Nun kann man natürlich noch einen weiteren Schritt zurückgehen und fragen: Woher kam der Jahweglaube ursprünglich? Woher hatte ihn die Mosegruppe? Wir wissen heute, dass es in der sich südlich vom Toten Meer bis zum späteren Elat erstreckenden Arava und in den nordöstlichen Gebieten des Roten Meeres schon lange vor dem Entstehen Israels den Glauben an den Gott Jahwe gab. Die Mosegruppe dürfte in einer heute nur noch schwer rekonstruierbaren Weise auf diese Frühformen zurückgehen. Darauf deutet übrigens die biblische Moseüberlieferung selbst hin: Mose, der an den Sinai flieht und dem dort eine Jahweoffenbarung zuteil wird, ist mit einer Midianiterin verheiratet (2 Mose 3, 1), und wie wir aus anderen Quellen erfahren, waren die Midianiter Jahweverehrer.
Das Spannende ist nun allerdings, dass über die Mosegruppe und andere jahwegläubige Gruppen in Juda (mit nochmals anderen Ursprüngen als die Mosegruppe) der Jahweglaube auch bei den anderen, sich allmählich etablierenden Stämmen Eingang fand, relativ kleine Teile also alle anderen nachhaltig beeinflusst haben! Vielleicht hängt dies, zumindest in Mittelpalästina, auch damit zusammen, dass die Erfahrung der Mosegruppe in manchem den Erfahrungen der Kanaanäer entsprach. Sie hatten ihren eigenen Auszug (Exodus) hinter sich, mussten ihre gesicherte Existenz zuungunsten einer nomadischen oder halbnomadischen Existenz aufgeben und vertrauten ihr Leben deshalb vermutlich gern dem Gott an, der in der Bindung an ihn ein freies Leben in einem neu geschenkten Land in Aussicht stellte. Fest steht jedenfalls, dass am Ende eines jahrhundertelangen Prozesses die Stämme Israels diesen Glauben übernommen hatten – so sehr, dass man sich mit der ursprünglichen Mosegruppe eins fühlte, ja sich selbst als zu denen gehörig betrachtete, die einst von Jahwe aus Ägypten befreit wurden. Theologisch gesprochen: Jahwes barmherzige Zuwendung, die im Exodus konkret wurde, war nicht nur etwas Historisches, galt nicht nur denen, die damals dabei waren, sondern auch den Nachkommen der einstigen Mosegruppe und all denen, die erst später dazukamen.
Wüstengebiet in der nordöstlichen Arava (Timna)
Die Autoren der Bibel haben aus den unterschiedlichen Geschichten, die mit den historischen Ursprüngen Israels verbunden sind, eine große und zusammenhängende Geschichte gemacht, weil sie aus der Glaubensüberzeugung heraus lebten, dass in all diesen komplizierten Prozessen Gott in sehr unterschiedlicher Weise am Werke war. Er hat alles so gefügt, dass aus vielen Gruppen und Stämmen ein Volk geworden ist und dieses Volk im Glauben an ihn seine Einheit und seinen Auftrag in dieser Welt findet. Es handelt sich aus der Perspektive des Glaubens also nicht um Geschichtsfälschung, sondern um die Betrachtung von geschichtlichen Prozessen auf einer tieferen Ebene.
Eine kriegerische Form der Landnahme im Sinne der Bibel hat es deshalb nie gegeben. Das bestätigen auch die archäologischen Zeugnisse, denen zufolge einige der Städte, die nach dem Buch Josua von den Israeliten erobert wurden, zu dieser Zeit (spätes 13. Jh. v. Chr.) bereits zerstört waren (z.B. Jericho und Ai). Es handelt sich bei diesen biblischen Erzählungen um Ätiologien: Ätiologien wollen ein Faktum der Gegenwart durch einen Rückgriff auf die Vergangenheit erklären. Im Falle Jerichos wäre die zu erklärende Größe ein merkwürdig aussehender Ruinenhügel und die Erklärung eine in sagenhafter Vorzeit stattgefundene Eroberung. Noch gewichtiger ist allerdings die Tatsache, dass die Bibel selbst in Richter 1 all die Städte aufzählt, die Israel nicht erobert hat. Wenn man genauer hinsieht, muss man sich fragen, ob es überhaupt eine bedeutende Stadt gibt, die Israel erobert hat. Warum erzählt das Buch Josua dann aber derart massiv, dass das Land im Auftrag und mit dem Beistand Jahwes kriegerisch erobert wurde? Wahrscheinlich handelt es sich dabei um eine Geschichtsinterpretation aus dem 7. Jh. v. Chr. Im 8. Jh. hatten die Assyrer das Nordreich Israel ausradiert und die Situation war für viele äußerst hoffnungslos. Die Frage war: Wie konnte Gott das zulassen? Die Antwort, die das Buch Josua gibt, heißt: Einst wurde das Land von Jahwe seinem Volk gegeben, indem er das kleine Israel gegen die mächtigen kanaanäischen Stadtstaaten siegen ließ. Das Land ist also keine Selbstverständlichkeit. Es ist Gottes Geschenk und fordert zur Verantwortung heraus. Wenn es Israel nun genommen wurde, dann nicht weil die Assyrer mächtiger sind als Jahwe, sondern weil Israel durch seinen Ungehorsam diese kostbare Gabe Gottes verscherzt hat (Jos 24, 19–22). Gott kann geben und nehmen. Die meisten in unseren Ohren so grausam klingenden Eroberungsberichte wollen also gerade nicht Gewalt und Besitzansprüche legitimieren: Sie sind äußerst selbstkritisch gemeint.
Künstlerische Darstellung von König David (beim Davidsgrab)
Der erste König Israels, Saul, kam aus der Region, wo die im 13. Jh. beginnende Siedlungstätigkeit ihren Schwerpunkt hatte: aus dem mittelpalästinischen Bergland, genauer: aus dem Dorf Gibea in Benjamin. Der vermutlich in der zweiten Hälfte des 11. Jh.s auftauchende Wunsch nach einem König ist verständlich, auch wenn er theologisch in den alttestamentlichen Texten oft scharf kritisiert wird. Denn einerseits benötigte das im 11. Jh. bereits stark besiedelte Bergland eine effiziente wirtschaftliche, rechtliche und verkehrsmäßige Infrastruktur, wenn das Zusammenleben der vielen Bevölkerungsgruppen funktionieren sollte, also genau das, wofür ein König als Garant einer starken Zentralgewalt stand. Andererseits konnte ein durch einen König geeintes Reich der drohenden Philistergefahr wirkungsvoller begegnen. Nun darf man sich das Königreich des Saul allerdings nicht zu groß vorstellen: Es wird das mittelpalästinische Bergland umfasst haben, beginnend nördlich von Jerusalem bis zur Jesreelebene hin, ergänzt durch einen kleinen, bis südlich des Sees Genezareth reichenden Streifen im Ostjordanland. Die kanaanäischen Städte in der Ebene gehörten nicht dazu, und natürlich erst recht nicht die philistäischen Ansiedlungen an der Küstenebene.
Das Königtum Davids war bereits ganz anderer Art. Zielstrebig hat er auf seine Karriere hingearbeitet, auch wenn man später darin einen Akt göttlicher Erwählung sah. Man muss sich David wohl am ehesten als eine Art »Bandenführer« vorstellen. Seine Bande war eine Söldnertruppe, mit der es ihm gelang, sich im Süden Judas eine ansehnliche Machtbasis zu verschaffen. Dabei agierte er taktisch äußerst klug und geschickt. So stand er in einem Vasallitätsverhältnis zu den Philistern (1Sam 27), die ihre Interessen durch ihn vertreten sahen und ihm deshalb auch keine Steine in den Weg legten. Gleichzeitig erwarb er sich Sympathien unter den Bewohnern Judas, indem er ihnen »Geschenke« zukommen ließ, die er auf seinen Beutezügen erobert hatte. Sein Ziel hatte er in dem Moment erreicht, als ihn die Einwohner Judas in Hebron zu ihrem König machten (2Sam 2, 4). Später salbten ihn nach wiederum sehr geschickten Aktionen auch noch die Bewohner der nördlichen Stämme im Rahmen eines Vertragsverhältnisses zum König (2 Sam 5, 3). Nun herrschte David in Personalunion über ein beträchtliches Gebiet, auch wenn man lieber nicht von einem davidischen Großreich sprechen sollte, da hier der biblische Bericht ein späteres Ideal in die Zeit Davids projiziert. Hauptstadt wurde das von David eroberte Jerusalem.
Nach einem nicht unerheblichen Machtkampf zwischen Salomo und seinem Bruder Adonija folgte Ersterer David auf dem Thron, wobei Salomo vor allem von Kreisen unterstützt wurde, die stärker in Jerusalem verwurzelt waren (der Jerusalemer Stadtpriester Zadok, der Prophet Nathan und Salomos Mutter Bathseba). Auf diese Weise bekam das Stadtkönigtum in der Gestalt des Salomo noch größere Bedeutung und es dürfte auch von daher zu erklären sein, dass es ausgerechnet Salomo war, der in Jerusalem den Tempel erbaute. Schließlich ist es die Aufgabe eines sich sakral verstehenden Stadtkönigs, als Repräsentant Gottes auch für die religiösen Anliegen seiner Untertanen zu sorgen. Im Unterschied zu David musste sich Salomo sein Reich nicht erst mühsam erschaffen. Er erbte es von seinem Vater und konnte sich deshalb der inneren Ausgestaltung widmen. Salomo teilte das Nordreich in einzelne Provinzen auf, was ihm eine bessere Verwaltung, vor allem auch eine effizientere Besteuerung ermöglichte (1Kön 4, 7–19). Zudem konnte er, indem er die kanaanäischen Städte und die ländlich geprägten israelitischen Gebiete voneinander trennte, eher gewährleisten, dass die kulturelle Diversität der verschiedenen Gruppen nicht zu unüberbrückbaren Spannungen führte. Vieles, was die Bibel über den Reichtum und die Weisheit Salomos erzählt, ist Fiktion, aber nicht alles. Nachdem das Reich durch David politische Stabilität gewonnen hatte, konnte sich Salomo einen gewissen kulturellen Luxus auch leisten.
Nach dem Tod Salomos brach das Reich auseinander, was vor allem damit zusammenhängen dürfte, dass er die nördlichen Stämme durch Steuern und Abgaben zu sehr ausgebeutet hat. So gab es von nun an das Nordreich Israel und das Südreich Juda.
Jerobeam, der erste König des Nordreichs, kommt in der biblischen Geschichtserzählung, die vor allem aus der Perspektive des Südreichs erzählt wird, nicht sehr gut weg. Immer wieder wird von der »Sünde Jerobeams« gesprochen: Jerobeam hatte in Dan und Bethel ein Heiligtum errichtet und darin jeweils ein Stierbildnis aufgestellt. Diese beiden geographisch günstig im nördlichen und südlichen Bereich seines Reiches gelegenen Heiligtümer sollten das verlorengegangene Jerusalemer Heiligtum ersetzen.
Das Nordreich existierte ca. 200 Jahre lang. Seine Hauptstädte wechselten anfangs häufig (Sichem, Pnuel, Tirza), bis dann im 9. Jh. durch König Omri Samaria endgültige Hauptstadt des Reiches wurde. Das politische »System« des Nordreiches war nicht klar festgelegt: Man schwankte zwischen einem Wahlkönigtum und verschiedenen Versuchen, eine Dynastie zu etablieren. Die erste große Dynastie war die des Omri (882–845v.Chr.). Er setzte gegenüber den Kannanäern auf eine bewusst integrative Religionspolitik. Außenpolitisch war die Omri-Dynastie eng mit den phönizischen Küstenstädten verbündet. Mit dem Aramäerstaat um Damaskus kam es dagegen immer wieder zu heftigen Auseinandersetzungen. Die zweite große Dynastie, durch eine Revolte jahwetreuer Kreise initiiert (2 Kön 8–10), war die des Jehu (845–747v.Chr.). Jehu löste das Bündnis mit den Phöniziern und zahlte den Assyrern Tribut, um so größere Auseinandersetzungen zu vermeiden. Von den Aramäern ging keine Gefahr aus, da diese während der längsten Zeit der Dynastie in Konflikte mit Assyrien verwickelt waren. Diese politische Entspannung führte unter JerobeamII. (782–747v.Chr.) zu einer wirtschaftlichen und kulturellen Blüte, die aber von dem aus Juda stammenden Propheten Amos scharf kritisiert wurde. Er geißelte Luxus, soziale Ungerechtigkeit, politische Gräueltaten und religiöse Heuchelei. In der zweiten Hälfte des 8. Jh.s wurden die Assyrer zur beherrschenden Gefahr. Nachdem die Assyrer bereits 733 den größten Teil des Nordreichs in assyrische Provinzen verwandelt hatten, eroberten sie nach dem Abfall Israels von Assyrien 722 auch noch Restisrael samt seiner Hauptstadt Samaria. Die Oberschicht wurde deportiert und ging im assyrischen Bevölkerungsgemisch auf. In Israel selbst wurden fremde Bevölkerungselemente angesiedelt. Israel als Staat war damit endgültig von der Landkarte verschwunden. Der Name ging später auf Juda über.
Stadtmauern des eisenzeitlich Dan
Im Unterschied zu Israel gab es in Juda kontinuierlich die davidische Dynastie. Auch die Hauptstadt war und blieb – schon aufgrund der sakralen Begründung (Zionstheologie: Der Zion ist von Gott erwählt) – immer Jerusalem. Außenpolitisch hatte man ebenfalls wie Israel Konflikte mit den Aramäern. Das Verhältnis zu Israel war während der Zeit der Omriden freundschaftlich. Eher abgekühlt war es unter der Jehu-Dynastie. Parallel zu JerobeamII. kam es auch in Juda unter dem König Usija (773–747v.Chr.) zu einer prosperierenden Entwicklung. Ende des 8. Jh.s bedrohten die Assyrer auch Jerusalem. Nachdem sich König Hiskija von Assyrien losgesagt hatte, zogen die Assyrer gegen Juda und standen 701v.Chr. vor Jerusalem. Es hätte nicht mehr viel gefehlt und Juda hätte das gleiche Schicksal wie Israel erlitten. Doch in letzter Minute wendete sich das Schicksal für Juda noch einmal zum Guten. In 2 Kön 18f. wird erzählt, wie Jerusalem durch ein göttliches Wunder verschont wurde. In historischer Perspektive wird es eine in letzter Minute geleistete Tributzahlung gewesen sein, die das Unglück noch einmal von Jerusalem fernhalten konnte. Ergebnis war jedenfalls, dass Juda die folgenden 60 Jahre ein assyrischer Vasallenstaat war, bis im Jahr 640 Josia an die Macht kam. Ihm schreibt die Bibel ein groß angelegtes religiöses Reformprogramm zu: radikale Rückkehr zum Jahweglauben, Beseitigung von heidnischen und synkretistischen Kulten. Politisch gelang es ihm, das Joch der Assyrer abzuschütteln und die Grenzen Judas bis weit in das ehemalige Territorium Israels hinein auszuweiten. Ende des 7. Jh.s war die babylonische Bedrohung an die Stelle der assyrischen getreten. Im entscheidenden Augenblick sagte sich der judäische König Jojakim von den Babyloniern los, woraufhin Nebukadnezar einen Rachefeldzug startete. Angesichts der vor den Toren stehenden Babylonier kapitulierte Jerusalem (598/597v.Chr.). Ein Teil der Oberschicht wurde deportiert. Doch auch danach, unter dem von Nebukadnezar als neuer König eingesetzten Zedekia, war man noch nicht klug geworden. Erneut sagte man sich von den Babyloniern los, und auch dieses Mal blieb die prompte Reaktion nicht aus. Das Ergebnis war verheerend: Jerusalem wurde erobert, der Tempel zerstört (587v.Chr.). Außerdem kam es zu einer weiteren Deportation. Nun war die Zeit des babylonischen Exils endgültig eingeläutet.
Rekonstruktion des davidischen Jerusalem (Zitadellenmuseum)
Künstlerische Darstellung des Exils (Zitadellenmuseum)
In der Zeit des babylonischen Exils lebten weiterhin jüdische Bevölkerungsgruppen in Juda/Jerusalem, auch wenn ein Großteil der Oberschicht von den Babyloniern weggeführt worden war. Im Unterschied zur assyrischen Deportationspraxis konnten die Exulanten bei den Babyloniern in geschlossenen Siedlungen wohnen. Es war möglich, sich eine neue Existenz aufzubauen, ja, man konnte sogar ein recht angenehmes Leben führen. Dennoch wurde das Exil als die bislang größte Katastrophe in der Geschichte Judas erfahren. Bedrängende Fragen stellten sich ein: Warum hat Gott zugelassen, dass aus dem Tempel ein Trümmerfeld wurde? Ist der Zion nicht der erwählte Wohnsitz Gottes? Ist all das ein Zeichen, dass Gott sein Volk endgültig verstoßen hat? Oder darf Israel noch einmal auf einen Neuanfang hoffen? Fragen über Fragen, so dass es sicher kein Zufall ist, dass ein Großteil der alttestamentlichen Literatur im babylonischen Exil entstanden ist. Dabei betrachtete man das Exil fast durchgängig als Strafe Gottes für die von Israel begangenen Sünden. Die Frage, ob von Gott her ein neuer Anfang möglich ist, war anfangs durchaus offen. Erst allmählich gewann die Überzeugung Oberhand, dass durch Gottes barmherziges Handeln und die Umkehr Israels noch einmal ein Neuanfang möglich werden kann. Ezechiel, Deuterojesaja (Jes 40–55) und die in exilisch-nachexilischer Zeit entstandenen Schriften sind von dieser Gewissheit geprägt. Nachdem die Perser als neue Großmacht die Babylonier besiegt hatten (539v.Chr.) und der Perserkönig Kyros ein Jahr später den Juden erlaubte, den Tempel wieder aufzubauen (das so genannte Kyrosedikt), rückte die Hoffnung in den Bereich des Machbaren. Freilich, es dauerte noch Jahre bis die Ersten zurückkehrten. Im Jahr 520v.Chr. begann man den Tempel neu zu bauen. 515v.Chr. wurde er eingeweiht (Haggai, Sacharja).
Wie die biblischen Berichte erkennen lassen, litten die nach Jerusalem zurückgekehrten Exulanten unter den katastrophalen Zuständen in Jerusalem. Der Aufbau war mühsam, die im Exil laut werdenden göttlichen Verheißungen einer glücklichen Zukunft schienen sich nicht zu erfüllen. Trotz aller Mühsal und Enttäuschung gelang es im Laufe der Zeit, ein neues, im Tempelkult zentriertes Gemeinwesen aufzubauen. Die Perser, die während der kommenden fast 200 Jahre die neuen Oberherrn waren, unterstützten diesen Prozess nachhaltig durch ihre tolerante Religionspolitik (siehe Esra und Nehemia).
Die nächste entscheidende Epoche nach der Perserzeit war die hellenistische Zeit. Sie begann mit Alexander d. Gr., dem es in relativ kurzer Zeit gelang, ein Weltreich zu schaffen. Nach seinem Tod (323v.Chr.) wurde das riesige Reich unter seinen Nachfolgern, den sog. Diadochen, aufgeteilt. Für Israel sollten in der folgenden Zeit zwei Diadochenreiche eine zentrale Rolle spielen: das Ptolemäerreich, das sein Zentrum in Ägypten hatte, und das Seleukidenreich, das sich von seinem Zentrum in Syrien ausgehend nach Osten erstreckte. Israel lag mitten zwischen diesen beiden Reichen und war daher ein begehrter Zankapfel. Grob gesagt befand sich Israel im 3. Jh. unter ptolemäischer Herrschaft, erst im Jahr 198v.Chr. lösten die Seleukiden die Ptolemäer ab. Die intensive Hellenisierung des Nahen Ostens ging auch an Israel nicht spurlos vorbei. Sie führte dazu, dass sich die einen Juden dem Hellenismus annäherten, ihn als einen »modern way of life« betrachteten, der mit dem jüdischen Glauben durchaus kompatibel ist, während andere sehr gesetzestreu waren und im Hellenismus einen mit dem Jahweglauben nicht zu vereinbarenden Götzendienst sahen.
In der seleukidischen Zeit kam es dann noch einmal zum Entstehen eines autonomen Staates. Der Hintergrund ist folgender: Aufgrund von Streitigkeiten zwischen hellenismusfreundlichen und hellenismusfeindlichen Kreisen in Jerusalem griff der seleukidische Herrscher AntiochusIV. Epiphanes ein. Er eroberte Jerusalem, verbot das Halten des Sabbat und die Beschneidung und stellte im Tempel eine Zeusstatue auf. Folge dieser brutalen Religionsverfolgung war eine Solidarisierung unterschiedlich geprägter toragläubiger Gruppen. Der Widerstand gewann eine konkrete politische Form in dem Priester Mattatias und dessen Söhnen. Vor allem sein Sohn Judas Makkabäus enfesselte einen regelrechten Krieg. Ihm gelang es, im Jahre 164v.Chr. den Tempel zurückzuerobern, der daraufhin neu geweiht wurde. Daran erinnert das jüdische Chanukkafest. Im Jahr 142v.Chr. gelang es Simon, nach Judas und Jonathan der dritte Bruder in der Nachfolge, die seleukidische Herrschaft weitgehend abzuschütteln. Von 129v.Chr. bis 63v.Chr. gab es noch einmal einen unabhängigen jüdischen Staat unter der Herrschaft der Hasmonäer, wie man die Dynastie der Makkabäer zu bezeichnen pflegt. Religiös gesehen kam es auch unter den Hasmonäern im Laufe der Zeit zu einer Assimilation an den Hellenismus. Die Frommen nahmen den Hasmonäern dabei vor allem übel, dass sie in Personalunion auch das Hohepriesteramt an sich rissen. Es bildeten sich in dieser Zeit die religiösen Bewegungen heraus, die bis in die neutestamentliche Zeit hinein von Bedeutung waren: die radikal hellenismusfeindlichen Essener, die in dieser Hinsicht eher gemäßigten Pharisäer und die hellenismusfreundlichen Sadduzäer.
Pompeius nützte den Machtkampf zwischen zwei hasmonäischen Prinzen (Aristobul und Hyrkan) zu seinen Gunsten und eroberte im Jahr 63v.Chr. Jerusalem. Damit fand der Hasmonäerstaat sein definitives Ende. Hyrkan durfte zwar weiter als Hoherpriester fungieren, nicht jedoch als König. In den Jahren 50–40v.Chr. kommt nun allmählich Herodes ins Spiel. Sein Vater, Antipater, hatte sich nach dem Tode des Pompeius auf die Seite Cäsars geschlagen, diesen militärisch kräftig unterstützt und sich dadurch mächtige Sympathien erworben. Er wurde zum Prokurator von Judäa gemacht und konnte so seinen beiden Söhnen, Phasael und Herodes, wichtige militärische Posten anvertrauen. Phasael wurde oberster militärischer Befehlshaber in Jerusalem, Herodes in Galiläa. Damit begann der unaufhaltsame Aufstieg des Herodes. Sein erster Triumph bestand darin, dass er Antigonos, den Sohn des Aristobul, in Galiläa besiegte. Dieser jedoch gab nicht so schnell auf, verbündete sich mit den Parthern und drang mit deren Hilfe 40v.Chr. in Palästina ein. Herodes gelang die Flucht nach Rom, wo er sich vom Senat offiziell zum König von Judäa erklären ließ. Erst nachdem die Römer die Parther wieder aus Syrien vertrieben hatten, eroberte er mit römischer Hilfe 37v.Chr. Jerusalem. Antigonos wurde hingerichtet.
Herodes hatte ein ausgezeichnetes Verhältnis zu Kaiser Augustus. Zwar war er ein Vasallenkönig von Roms Gnaden, aber als solcher konnte er sein Reich selbständig regieren. Ergebenheit gegenüber Rom, diplomatisches Geschick, aber auch hartes und teils brutales Durchgreifen gegenüber politischen Gegnern waren Kennzeichen seiner Regierungszeit. Herodes versuchte sich an einem schwierigen Balanceakt zwischen jüdischen und römisch-hellenistischen Interessen. Der ist ihm einerseits auch ganz gut gelungen, weil er sonst nicht so lange an der Herrschaft geblieben wäre, andererseits hat ihn dies bei vielen seiner jüdischen Untertanen nicht beliebter gemacht. Aus römisch-hellenistischer Perspektive betrachtet, war Herodes sicher ein großer König: Sein Reich war politisch und wirtschaftlich stabil und hatte – gerade im kulturellen Bereich – manche Höhepunkte aufzuweisen. Aus jüdisch-religiöser oder ethischer Perspektive betrachtet, konnte Herodes jedoch kaum bestehen. Die Förderung paganer Kulte werden ihm fromme Juden trotz seines grandiosen Tempelneubaus kaum verziehen haben und sein krankhaftes Misstrauen gegenüber möglichen Konkurrenten spiegelt sich selbst noch in den neutestamentlichen Texten.
Palästina zur Zeit Jesu
Verschleppung der Tempelgeräte – Nachbildung der Szene des Titusbogens in Rom (Zitadellenmuseum)
Nach dem Tod des Herodes (4v.Chr.) wurde sein Reich unter dreien seiner Söhne aufgeteilt. Herodes Archelaus bekam Judäa, Samaria und Idumäa, behielt diese Gebiete aber nicht lange, da er aufgrund von Unfähigkeit im Jahr 6n.Chr. von den Römern abgesetzt wurde. Die drei Regionen wurden nun zu Judäa zusammengefasst und fortan von einem römischen Statthalter (Prokurator) verwaltet. Dieser wohnte in Cäsarea und kam nur ab und zu nach Jerusalem. Die inneren Angelegenheiten wurden vom Synedrium geregelt, einer Art jüdischer Selbstverwaltungsinstanz, bestehend aus Pharisäern, Sadduzäern und Hohem Priester. Herodes Antipas herrschte über Galiläa und Peräa (4 v. bis 39n.Chr.). Der Dritte Sohn hieß Philippus. Er regierte über vier Gebiete (Gaulanitis, Auranitis, Trachonitis und Batanäa) die sich nordöstlich des Sees Genezareth befanden. Er gilt als der friedlichste der Herodessöhne und war bis zum Jahr 34n.Chr. an der Macht.
Der letzte jüdische Herrscher, dem es noch einmal gelang, das Reich in den Grenzen von Herodes d. Gr. für kurze Zeit (41–44n.Chr.) unter seine Herrschaft zu bringen, war AgrippaI. Nach seinem Tod wurde Judäa einschließlich Galiläa und Peräa als römische Provinz direkt von Rom regiert. Ab 53n.Chr. bekam AgrippaII. die Herrschaft über das Gebiet des Philippus und Teile von Galiläa und Peräa zugesprochen. Er regierte bis zum Jahr 100 und war auch während des jüdisch-römischen Krieges immer loyal gegenüber Rom.
Die zelotische Bewegung wurde im Laufe des 1. Jh.s immer stärker. Waren es anfangs nur einzelne Guerillaaktionen, mit denen die jüdischen Gotteskämpfer gegen die Römer vorgingen, so stießen sie in den 60er Jahren auf immer mehr Sympathie bei der jüdischen Bevölkerung, so dass es schließlich zum jüdisch-römischen Krieg (66–70n.Chr.) kam. Dieser endete verhängnisvoll mit der Einnahme von Jerusalem und der Zerstörung des Tempels unter dem Kommando des Titus im Jahre 70n.Chr.
Wirklich klug geworden war man durch diese katastrophale Niederlage nicht. Im 2. Jh. kam es erneut zu einer Aufstandsbewegung. Auslöser dafür war Kaiser Hadrian, der im Jahr 134n.Chr. aus Jerusalem eine römisch-hellenistische Polis machen wollte. Anführer dieses zweiten Krieges gegen Rom (132–135n.Chr.) war der jüdische Heerführer Bar Kosiba, den Rabbi Akiba, ein berühmter Gelehrter dieser Zeit, sogar für den Messias hielt. Aus Bar Kosiba wurde nun Bar Kochba, wie der messianische Sternensohn von 4 Mose 24,14 hieß. Auch dieser Krieg scheiterte jämmerlich, so dass fortan Juden Jerusalem nicht einmal mehr betreten durften. Der Schwerpunkt der jüdischen Besiedlung verlagerte sich deshalb in den folgenden Jahrhunderten immer stärker nach Galiläa.
Nach dem ersten und zweiten jüdischen Krieg musste sich das Judentum als tempelloses Judentum neu etablieren. Dies geschah durch die rabbinische Bewegung, für die die Tora an die Stelle des Tempel rückte. In Fortsetzung der pharisäischen Bewegung ging es ihr um eine Heiligung des Alltags durch eine ständige Neuaktualisierung der biblischen Gebote in der mündlichen Überlieferung. Diese mündliche Überlieferung wurde um 200n.Chr. in Sepphoris (Galiläa) in Form der Mischna schriftlich kodifiziert und bildet die Grundlage des Talmud. Das Zentrum jüdisch-rabbinischer Gelehrsamkeit lag nun in Galiläa (3.–5. Jh. n. Chr.), wo sich das Synedrium an verschiedenen Orten niederließ, bis es in Tiberias seinen endgültigen Ort gefunden hatte.
Mit dem 4. Jh., in dem das römische Reich christlich geworden war, begann für Israel/Palästina die byzantinische Epoche. Kaiser Konstantin bzw. seine Mutter Helena ließen prächtige Kirchen im Heiligen Land bauen: die Geburtskirche in Bethlehem und die Anastasis (Auferstehungskirche) und Eleona (Himmelfahrtskirche) auf dem Ölberg. Diese drei sollten gewissermaßen ein in Architektur gegossenes Glaubensbekenntnis darstellen und damit auch den einen Glauben des Reiches symbolisieren. In den folgenden Jahrhunderten folgten unzählige weitere Kirchen. Der Pilgerstrom schwoll immer mehr an. Jüdische Existenz, vor allem in Galiläa, war weiter möglich, auch wenn es zunehmend – mit einem Höhepunkt im 5. Jh. – zu Spannungen gekommen ist.
Byzantinischer Türbalken (Negev)
614 eroberten die Perser das Heilige Land, zerstören zahlreiche Kirchen und raubten das heilige Kreuz aus der Grabeskirche, das der byzantinische Kaiser Heraklion 624 zurückerobern konnte.
Der im 7. Jh. entstandene Islam breitete sich infolge von zahlreichen Eroberungskriegen in Windeseile über den Mittelmeerraum aus. Im Jahre 638 übergab der christliche Patriarch von Jerusalem mit Namen Sophronius dem Kalifen Omar die Schlüssel von Jerusalem, nachdem er die Stadt zwei Jahre (!) gegen die islamische Belagerung gehalten hatte und damit gute Chancen besaß, eine friedliche Übergabe auszuhandeln. Nun war das Heilige Land muslimisch geworden. Verschiedene Dynastien folgten aufeinander (Omajaden, Abassiden, Fatimiden). Christen wurden geduldet, wobei die Spannungen im 11. Jh. zunahmen und schließlich zu den Kreuzzügen führten.
Nach dem Aufruf zum ersten Kreuzzug durch Papst UrbanII. (1085) eroberten die Kreuzfahrer 1099 in einem grausamen Gemetzel Jerusalem. Knapp 100 Jahre gab es nun ein Kreuzfahrerreich mit Jerusalem als Hauptstadt, bis dann im Jahr 1187 Sultan Saladin die Kreuzfahrer bei den Hörnern von Hittim in Galiläa schlagen und kurz darauf Jerusalem zurückerobern konnte. Im dritten Kreuzzug (1189) konnte zwar die Küste zurückerobert werden, nicht jedoch Jerusalem. Im fünften Kreuzzug (1228/29), eher eine diplomatische Reise, konnte FriedrichII. Jerusalem, Bethlehem und Nazareth per Vertrag zurückgewinnen. Das Glück währte jedoch nur kurze Zeit. 1244 ging Jerusalem endgültig an die türkischen Truppen verloren. 1291 fällt Akko als letzte Bastion der Kreuzfahrer in die Hände der Mamelucken.
Mameluckisches Tor in Jerusalem
Fahne Israels
Bis ins 20. Jh. hinein blieb Palästina nun unter verschiedenen islamischen Herrschaften: Vom 13. bis zum beginnenden 16. Jh. regierten Fahne Israels die Mamelucken, deren Bautätigkeit man vor allem in Jerusalem noch an vielen Stellen erkennen kann. 1517–1918 war Palästina unter osmanischer Herrschaft. Juden und Christen waren weiter im Heiligen Land präsent, vor allem die jüdische Bevölkerung war jedoch auf eine sehr bescheidene Zahl gesunken.
Im Zuge des 1. Weltkriegs und der damit verbundenen Niederlage des osmanischen Reiches kam Palästina unter britisches Mandat. Die Ende des 19. Jh.s beginnende zionistische Einwanderung nach Palästina führte in den 20er und 30er Jahren des 20. Jh.s – nicht zuletzt aufgrund der unheilvollen britischen Schaukelpolitik – zu zunehmenden Spannungen zwischen Juden und Arabern. Ende der 40er Jahre war die Lage so explosiv geworden, dass die Engländer zum Rückzug bereit waren. Die UNO beschließt darauf in einer Vollversammlung die Teilung des Landes in einen jüdischen und einen arabischen Staat. Die Juden sind begeistert. Die Araber lehnen den Plan ab, so dass es nach der Ausrufung des Staates Israel am 14. Mai 1948 durch Ben Gurion zum Krieg kommt. Jordanien, Irak, Syrien, Libanon und Ägypten ziehen gegen Israel in den Krieg. Dieser Krieg endet 1949 mit einem Waffenstillstand. Israel konnte sein Gebiet gegenüber dem Teilungsvorschlag der UNO vergrößern. Ein Staat Palästina entstand nicht, da Jordanien Ostjerusalem und die Westbank annektierte. Folge des Krieges waren zahlreiche palästinensische Flüchtlinge.
Auf die vielen israelisch-arabischen Kriege kann hier nicht eingegangen werden. Erwähnt werden soll nur, dass Israel im Sechstagekrieg u.
Westufer des Sees Genezareth
Galiläa hat für einen christlichen Pilger vor allem wegen der Person und Botschaft Jesu zentrale Bedeutung. Schließlich handelt es sich um den Landstrich Israels, in dem Jesus die meiste Zeit seines Lebens verbracht hat. Dort ist er aufgewachsen, dort war auch der Schwerpunkt seiner öffentlichen Wirksamkeit. Wer deshalb Jesus, »den Galiläer«, besser verstehen will, der kommt nicht darum herum, sich ausführlicher mit der besonderen Eigenart dieser Landschaft und ihrer Bevölkerung zu beschäftigen.
Jesreelebene vom Osten (Tabor) aus gesehen
Die südliche Grenze des heutigen Galiläa bildet die sich in ostwestlicher Richtung erstreckende Jesreelebene. Sie war bereits in alttestamentlicher Zeit als Kornkammer des Landes von immenser Bedeutung und wird immer noch landwirtschaftlich intensiv genutzt. Die Jesreelebene verbindet die Küstenebene mit dem südlich des Sees Genezareth gelegenen Jordantal. Sie hatte im Altertum als wichtige Verkehrsverbindung (Via Maris) zwischen der Küste und den großen zivilisatorischen Zentren in Syrien und Mesopotamien entscheidende strategische und wirtschaftliche Bedeutung. Im Nordwesten reicht Galiläa heute bis zur libanesischen Grenze. Die östliche Grenze bildet der See Genezareth und im Westen wird die Grenze durch die zur Küste abfallenden Berge markiert. Das neutestamentliche Galiläa, das Reich des Herodes Antipas, hatte einen ganz ähnlichen Umfang, wobei in Richtung Küste sehr schnell das heidnisch-phönizische Gebiet begann und es im Südwesten eine kleine Ausbuchtung in Richtung Samaria gab (siehe Karte, Geschichte, S.36).
Berge Untergaliläas und angrenzende Neftoaebene
Galiläa besteht größtenteils aus hügeligem, teils bergigem Land. Man teilt es in Unter- und Obergaliläa ein. Mit Untergaliläa bezeichnet man die an die nördlich der Jesreelebene angrenzende, noch relativ niedrige Berglandschaft (300–600m). Sie wird von zahlreichen kleineren »Hochebenen« durchzogen und war bereits in der Antike verkehrstechnisch gut zugänglich. Die Heimat Jesu, Nazareth, befindet sich in Untergaliläa. Aber auch sein Hauptwirkungsgebiet am See kann man noch dazu zählen, steht mit Untergaliläa jedenfalls in einem organischen Zusammenhang. Insgesamt handelt es sich ziemlich genau um das Gebiet, das (süd-)westlich des Sees Genezareth liegt. Das nordwestlich des Sees allmählich beginnende Bergland bezeichnet man als Obergaliläa. Hier werden die Berge über 1000m hoch, so der Meron, der mit seinen 1208 Metern die höchste Erhebung Galiläas bildet. Es ist klar, dass dieses schwer zugängliche Gebiet in der Antike bei Siedlern nicht sehr beliebt war. Es war deshalb nur dürftig bewohnt, so dass es kein Zufall ist, wenn es im Neuen Testament keine Rolle spielt und auch bei Josephus vor allem als Rückzugs- und Zufluchtsgebiet für Aufständische vorkommt.
Der Meron
Der Name des Sees Genezareth (hebr. kinneret) leitet sich von der am Westufer gelegenen eisenzeitlichen Stadt Kinneret her. Entweder steckt in dem Namen das Wort »kinnor« (= Leier) – als Anspielung auf die diesem Musikinstrument ähnelnde Form des Sees – oder es handelte sich ursprünglich um den Namen einer Gottheit. Im Neuen Testament hat der See Genezareth große Bedeutung. An seinen Ufern und in seiner Umgebung – vor allem am nordwestlichen Teil (Betsaida, Kapernaum, Chorazin) – liegt der regionale Schwerpunkt der Wirksamkeit Jesu. Der See ist ungefähr 20km lang, 11km breit und erreicht eine Tiefe von knapp 50m. Er befindet sich ca. 210m unter dem Meeresspiegel und liegt in dem so genannten syrisch-afrikanischen Grabenbruch, der sich von der Türkei über das Rote Meer bis nach Afrika hinabzieht. Die Luftfeuchtigkeit am See ist gerade in den Sommermonaten oft erheblich, im Winter ist das Klima mild und angenehm. Besonders am westlichen Ufer (Genessarebene) gibt es – worauf bereits Josephus hinweist (JosBell III 10, 8) – sehr fruchtbare Böden und eine reiche Vegetation. Der See verfügt über einen großen Fischreichtum, und es verwundert deshalb nicht, dass einige Jünger Jesu Fischer waren.
Das nordwestliche Seeufer (vorne rechts Kapernaum, Mitte links Jordanmündung)
Wie groß die Teile Galiläas waren, die zum davidisch-salomonischen Reich gehörten, hängt davon ab, ob man bezüglich des geeinten Reiches eher eine minimalistische oder eine maximalistische Lösung bevorzugt. Wenn König Salomo Hazor wirklich zu seiner Befestigung ausgebaut haben sollte, dann hätte bereits ein erheblicher Teil Galiläas zu seinem Reich gehört. In der Zeit des Nordreiches Israel stritten sich Israel und das Aramäerreich um Galiläa und die Jesreelebene. Ziemlich sicher lässt sich nur sagen, dass Galiläa in der Zeit von 880–840v.Chr. und in der Zeit von 800–738/732v.Chr. von Israel beherrscht wurde. Nach der Eroberung des Nordreichs durch die Assyrer fiel auch Galiläa unter deren Oberherrschaft.
Von der assyrischen (8. Jh.) bis weit in die persische Zeit hinein war Galiläa nur dünn besiedelt. Das änderte sich erst wieder in der hellenistischen Zeit (ca. 300–100v.Chr.), wo zahlreiche hellenistisch geprägte Siedlungen entstanden, nicht zuletzt am östlichen Seeufer (Gadara, Hippos, Bethsaida) und südlich des Sees (Skythopolis). Diese Siedlungen waren ein wichtiger Knotenpunkt für den wirtschaftlichen Transfer zwischen der Mittelmeerküste und den neuen hellenistischen Zentren in Syrien und dem Ostjordanland. Aber nicht nur im Osten, auch im Westen Galiläas gab es einen neuen Aufschwung, und dies hing vor allem mit den hellenistischen Städten an der Küste zusammen, für die das galiläische Hinterland als Absatzmarkt und Güterlieferant (z.B. von Getreide) wichtig war. Dabei strahlte der Einfluss von Ptolemais/Akko ins untergaliläische Hügelland aus, während Tyrus und Sidon stärkere Verbindung nach Obergaliläa hatten.
Die radikalste Wandlung erfuhr Galiläa infolge der hasmonäischen Eroberung. Vermutlich gelang es bereits Aristobul im Jahr 104/103v.Chr., große Teile Galiläas seinem Reich einzuverleiben. Er war von der Vision getrieben, Israel in seiner ursprünglichen Ganzheit wiederherzustellen – und dazu gehörte natürlich, wenn man an das alte Nordreich denkt, auch Galiläa. Da jedoch ein überwiegend heidnisches Galiläa diesem Ideal kaum genügt hätte, musste Galiläa judaisiert werden. Damit hat Aristobul, der nur ein Jahr regierte, allenfalls begonnen, richtig in Angriff genommen wurde diese Aufgabe erst von seinem Nachfolger Alexander Jannäus (103–78v.Chr.). Er siedelte Juden aus dem Süden an und vollzog auch Zwangsbeschneidungen an Heiden. Diese Judaisierung war durchaus erfolgreich, so erfolgreich, dass wir gut 100 Jahre später auf eine angestammte jüdische Bevölkerung stoßen. Da das Judentum Galiläas letztlich aus Jerusalem importiert war, wird man trotz unterschiedlicher Prägungen – und trotz der Tatsache, dass es weder hier noch dort das eine Judentum gab – den Unterschied nicht verabsolutieren dürfen. Das alte Vorurteil, dass die Galiläer nicht ganz so gesetzestreu waren wie die Juden aus Jerusalem, ist also schon von der Genese des dortigen Judentums her zu hinterfragen und wird auch von den konkreten Fakten nicht bestätigt. Freilich: An der bestehenden Präsenz heidnischer Orte in Galiläa haben auch die Hasmonäer nichts geändert, wenn nun auch westlich des Sees, also in Untergaliläa, ein stark jüdisch geprägtes Gebiet entstand. Vielleicht machte gerade dieses nahe Beieinander von Judentum und Heidentum das besondere Gepräge Galiläas aus.
Herodes Antipas, einer der Söhne von Herodes d. Gr., erbte nach dessen Tod (4v.Chr.) die Herrschaft über Galiläa und Peräa. Er residierte zuerst in Sepphoris, nur 5–7km von Nazareth entfernt, bevor er dann im Jahr 19/20n.Chr. das von ihm neu gegründete Tiberias zu seiner Hauptstadt machte. Erst im Jahre 39n.Chr. musste er abdanken. Aufgrund einiger schwerwiegender politischer Fehler wurde er von Caligula nach Gallien verbannt. Herodes Antipas ist der Regent, unter dessen Herrschaft Jesus aufwuchs und starb. Wie sein Vater war auch er ein entschiedener Anhänger des römisch-hellenistischen »way of life«. Er handelte manchmal sehr energisch und agressiv – wie man an der Hinrichtung Johannes des Täufers sehen kann –, agierte dann jedoch auch wieder sehr vorsichtig. So nahm er bei der Münzprägung auf die Empfindlichkeiten seiner Landsleute Rücksicht, indem er unanstößige jüdische Motive bildlichen Darstellungen vorzog.
Landschaft, Archäologie und Geschichte Galiläas können eine große Hilfe sein, wenn wir Jesus und seine Botschaft besser verstehen wollen. Dies lassen vor allem die folgenden Punkte erkennen:
Landwirtschaft um den See Genezareth
(1) Galiläa öffnet die Augen für den ländlichen Schwerpunkt des Wirkens Jesu. Wer die Evangelien liest, dem fällt auf, dass in Jesu Gleichnissen das Aussäen der Saat, das Wachstum der Pflanzen oder auch der Fischfang eine große Rolle spielen. All dies wird plausibel, wenn man sich vor Augen hält, dass das Galiläa, in dem Jesus aufwuchs und wirkte, weitgehend bäuerlich geprägt war. Es gab zwar auch zwei größere Städte, Sepphoris und Tiberias, aber in diesen hat Jesus nicht gewirkt. Sein primärer Adressatenkreis waren Menschen, die in einem ländlichen Umfeld lebten. Daraus muss man keinen romantischen Gegensatz zum Stadtleben konstruieren, zumal Jesus in seinen Gleichnissen immer wieder zeigt, dass ihm städtische Themen vertraut waren und das städtische Leben für ihn nicht von vornherein negativ besetzt ist. Aber mit einem Paulus, der fast nur in Städten gewirkt und verkündigt hat, ist Jesus nicht zu vergleichen. Gewiss hatte er auch nicht dessen Bildungshorizont. Es wird deshalb sehr zum Verständnis der Botschaft Jesu helfen, wenn man die materiellen, sozialen und kulturellen Lebensumstände der größtenteils auf dem Land lebenden Galiläer rekonstruieren kann.