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Mark Maleckis Welt bricht zusammen, als seine Frau ihn verlässt. Mit der Rolle des alleinerziehenden Vaters fühlt sich Mark völlig überfordert - und sucht Trost im Alkohol. Weil er bei seiner Arbeit in einer Düsseldorfer Privatbank morgens regelmäßig zu spät kommt, schickt ihn sein Chef auf eine »Strafexpedition« in die Nähe von Freiburg. Noch hofft Mark, dort die frische Schwarzwaldluft zu genießen und ein wenig zur Ruhe zu kommen.
Doch schon bald stößt er auf Ungereimtheiten: Die kleine Filiale verzeichnet höhere Wertpapierumsätze und Spareinlagen als die Hauptstelle. Außerdem sind einige Kontoinhaber nicht auffindbar. Das riecht nach Steuerbetrug! Alle Fäden scheinen bei dem eigenwilligen Filialleiter und passionierten Jäger Alwin Graf Brelau zusammenzulaufen. Mark spürt, dass Brelau etwas zu verbergen und mehr als eine Leiche im Keller hat. Und dann geschieht ein Mord ...
Die Kriminalromane von SPIEGEL-Bestsellerautorin Rebecca Gablé bei beTHRILLED in der richtigen Reihenfolge (jeder Krimi kann für sich gelesen werden):
Jagdfieber
Die Farben des Chamäleons
Das letzte Allegretto
Das Floriansprinzip
eBooks von beTHRILLED - mörderisch gute Unterhaltung.
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Zeit:6 Std. 19 min
Krimis:
Das Floriansprinzip
Das letzte Allegretto
Die Farben des Chamäleons
Historische Romane:
Die fremde Königin
Teufelskrone
Hiobs Brüder
Das zweite Königreich
Das Lächeln der Fortuna
Das Haupt der Welt
Die Waringham Saga
Der Palast der Meere
Der dunkle Thron
Der Hüter der Rose
Von Ratlosen und Löwenherzen
Der König der purpurnen Stadt
Das Spiel der Könige
Ein Routinejob wird zur tödlichen Gefahr.
Für den Bankrevisor Mark Malecki ist die Welt nicht mehr in Ordnung, seit ihn seine Frau verlassen hat. Als alleinerziehender Vater fühlt er sich überfordert, trinkt zu viel und kommt morgens zu spät zur Arbeit. Als ihn sein Chef auf eine »Strafexpedition« in die Nähe von Freiburg schickt, erwartet er gute Schwarzwaldluft – und einen Routinejob. Doch in Ellertal erlebt Mark eine Überraschung: Die Zweigstelle hat höhere Wertpapierumsätze und Spareinlagen als die Hauptstelle; mehrere Kontoinhaber sind nicht auffindbar. Es riecht nach Steuerbetrug! Die Fäden laufen zusammen in der Hand des eigenartigen Filialleiters Alwin Graf Brelau, eines passionierten Jägers. Malecki spürt, dass Brelau mehr als nur eine Leiche im Keller hat …
eBooks von beTHRILLED – mörderisch gute Unterhaltung.
Rebecca Gablé studierte Literaturwissenschaft, Sprachgeschichte und Mediävistik in Düsseldorf, wo sie anschließend als Dozentin für mittelalterliche englische Literatur tätig war. Heute arbeitet sie als freie Autorin und lebt mit ihrem Mann am Niederrhein und auf Mallorca. Ihre historischen Romane und ihr Buch zur Geschichte des englischen Mittelalters wurden allesamt Bestseller und in viele Sprachen übersetzt. Besonders die Romane um das Schicksal der Familie Waringham genießen bei Historienfans mittlerweile Kultstatus.
REBECCA
GABLÉ
JAGDFIEBER
Digitale Neuausgabe
»be« – Das eBook-Imprint der Bastei Lübbe AG
Copyright © 1995 by Rebecca Gablé
Dieses Werk wurde vermittelt durch die Michael Meller Literary Agency GmbH, München.
Für diese Ausgabe:
Copyright © 2022 by Bastei Lübbe AG, Köln
Lektorat: Karin Schmidt
Covergestaltung: Sandra Taufer, München unter Verwendung von Motiven von © shutterstock: Vladitto | Romeo Koitm | Markus Gann | Volodymyr Krasyuk | Paul Aniszewski
eBook-Erstellung: hanseatenSatz-bremen, Bremen
ISBN 978-3-7517-2163-9
be-thrilled.de
lesejury.de
Jetzt bin ich also tatsächlich im Knast. Und die Klugscheißer, die mich hier und da ungebeten ein Stück auf meinem Weg begleitet haben, haben allesamt recht behalten. Es ist genau das eingetreten, was sie mir immer prophezeit haben. Glückwunsch.
Natürlich habe ich nicht versucht, meinen Boss umzubringen. Ich meine, die Behauptung ist doch einfach lächerlich. Sprich es mal laut aus, dann hörst du, wie irrsinnig das klingt. Und wer weiß. Wenn dir passiert wäre, was mir passiert ist, hättest du vielleicht auch getan, was ich getan habe.
Jedenfalls, wie’s aussieht, werde ich eine unbestimmte Zeit hier in der ›Ulmer Höh‹ verbringen; sie haben den Haftverschonungsantrag abgelehnt. Das hätte ich an ihrer Stelle vermutlich auch getan. Der Staatsanwalt hat sehr nachdrücklich ausgeführt, dass akute Fluchtgefahr bestehe. Er meinte wohl, ich sei weit genug runtergekommen, um meine Kinder und alles andere einfach hinter mir zu lassen und mich abzusetzen. Er war so überzeugend, dass ich’s zuletzt fast selbst geglaubt hätte.
Ich habe also jede Menge Zeit. Darum werde ich jetzt alles aufschreiben, was passiert ist. Nur so, weil mir nicht viel anderes zu tun übrig bleibt. Oder vielleicht auch, damit ich nicht den Verstand verliere. Die Gefahr besteht durchaus, da sollte man sich lieber nichts vormachen. Im Laufe eines Tages hört man hier so viele Schlösser rasseln, dass man glaubt, man sei Lichtjahre von der Welt draußen entfernt. Man kann glatt auf die Idee kommen, dass man es niemals schaffen wird, durch all diese verschlossenen Türen jemals wieder rauszukommen. Die Nächte sind die wahre Zerreißprobe. Wenn ich mal mehr als zwei Stunden schlafen kann, schätze ich mich glücklich. Meistens liege ich wach und denke über die Typen nach, denen ich das alles verdanke. Ich stelle mir vor, dass sie ein rauschendes Fest feiern, weil sie ungeschoren davongekommen sind. Dass sie auf meinem Grab tanzen, während mir meine Niederlage die Luft abschnürt.
Ich könnte mir vorstellen, dass so was schon Robustere als mich ins Land der Wüste getrieben hat.
Es war sieben oder halb acht, als ich endlich nach Hause kam. In der Küche empfing mich warmes Licht und der Duft von Apfelkuchen. Nicht schlecht. Ich warf die Schlüssel auf den Küchentisch und öffnete den Kühlschrank auf der Suche nach den Kuchenresten. Fehlanzeige. Ich schnappte mir ein Bier.
Grafiti lag auf der Fensterbank und hob mit mäßigem Interesse den Kopf.
»Na, Alter.«
Er erhob sich umständlich, streckte sich, sträubte das Fell und sprang auf den Boden. Auf dem Weg zur Tür warf er einen Blick in seinen Futternapf und sah mich dann abschätzend an. Ich schüttelte den Kopf. »Du wirst zu fett, Kumpel.«
Er kniff die Augen zu; irgendwie sah er ziemlich dämlich aus, wenn er das machte, aber ich wusste, was es hieß: Was kümmert mich deine Meinung? Er trat behäbigen Schrittes hinaus in den Regen.
»Hey, jemand zu Hause?« Ich war müde oder vielleicht eher gerädert. Ich ließ mich auf einen Stuhl fallen.
»Papi!?«
Von irgendwoher erscholl Annas Elfenstimme, und im nächsten Moment kam sie in die Küche gefegt. Ich fing sie auf, als sie zu mir hochsprang.
»Papi, wo warst du denn so lange? Daniel hat mir einen Apfelkuchen gebacken!«, verkündete sie atemlos.
Ich drückte sie vorsichtig an mich, ich fand sie immer noch so zerbrechlich wie am Tag ihrer Geburt vor fünf Jahren.
»Himmel, du riechst so gut, Prinzessin.« Mit einem Mal traf mich bleierne Traurigkeit wie ein Hammerschlag. »Und? Wie war der Apfelkuchen? Habt ihr mir was übrig gelassen?«
Sie lachte und schüttelte ihren winzigen, blonden Kopf, so dass die Zöpfe hin und her tanzten. »Nein, es ist alles weg.«
»Saubande.«
»Sei nicht traurig. Komm, wir fragen Daniel, er backt bestimmt noch einen für dich!«
Da war ich nicht so sicher. »Nein, lass mal. Ich werd mir ’ne Pizza bestellen.«
»Oh, ich möchte auch eine! Mit Pilzen und viel, viel Tomatensoße! Ja?«
»Vergiss es. Du wirst jetzt schlafen gehen.«
»Och, wie doof. Bitte, bitte.«
»Na schön, meinetwegen.«
Ich setzte mich an den Küchentisch, verfrachtete Anna auf mein linkes Knie und sah sie an. Sie wurde ihrer Mutter von Tag zu Tag ähnlicher.
»Hat deine Mutter angerufen?«
Sie sah ratlos zu mir hoch, doch ehe sie antworten konnte, sagte eine wütende Stimme von der Tür: »Nein, natürlich hat sie nicht angerufen. Warum sollte sie ausgerechnet heute anrufen?«
»Hallo, Daniel.«
»Hi. Schon zu Hause?« Er grinste humorlos.
»Erspar mir den Rest, ja.«
Das Grinsen wurde noch eine Spur impertinenter.
Ich betrachtete meinen Sohn mit dem üblichen Unbehagen. So sehr Anna nach ihrer Mutter kam, so ähnlich sah Daniel mir. Zugegeben, ein zweifelhafter Vorzug. Und genau wie ich in seinem Alter, war er dürr und schon ziemlich groß. Nur kann ich nicht sagen, ob ich meinen Vater auch immer mit wütenden Kugelblitzblicken traktiert habe, als ich dreizehn war. Vermutlich nicht. Daniels Zorn jedenfalls richtete sich bei jeder Gelegenheit gegen mich, und das machte mich ratlos. Und nicht selten machte es mich auch wütend. Meine Qualitäten als Vater sind ebenso bescheiden wie die als Ehemann. Er hatte das sehr klar erkannt. Er hielt seinen Vater für einen Versager auf der ganzen Linie, und in schwachen Stunden gab ich ihm durchaus recht. Mein Sohn und ich, wir steckten in einer Dauerkrise.
Sein Blick machte mir zu schaffen, er nagelte mich regelrecht fest. Ich machte mich mit Mühe davon frei und starrte auf das Bild an der Wand neben der Tür. Blaues Meer, blauer Himmel, ein Eiland mit gelbem Sand und ein stattliches Segelschiff. Daniel hatte es vor ein paar Jahren gemalt. Und ich wusste genau, was dabei in ihm vorgegangen war. Aber du kannst rennen und rennen, mein Sohn, so weit du kannst, du findest niemals das Eiland und das Meer und das Segelschiff.
»Komm schon, setz dich zu uns, Daniel.«
»Nein, kein Bock.«
Er drückte sich im Türrahmen rum wie ein streunender Kater, fixierte mich und zwang mich ohne jede Mühe, ihn wieder anzusehen.
»Na los, Junge.«
»Was?«
»Ich seh doch, dass du mir was sagen willst.«
»Tatsächlich?«
Wie kann ein dreizehnjähriger Bengel ein solcher Zyniker sein? Er vergrub die Fäuste in den Taschen seiner Jeans und senkte den Kopf wie zum Angriff. »Ich hab einen Brief für dich. Ich hatte mal wieder Ärger in der Schule. Sie wollen wohl, dass du mal vorbeikommst. Ich denke, diesmal wollen sie mich ernsthaft rausschmeißen.«
Sein Ärger in der Schule war nicht neu, dass sie ihn rauswerfen wollten, schon. Mein Magen verkrampfte sich, weil ich für diese ganze Misere keine Kraft hatte, ich wollte nichts davon hören. Ich hatte genug Scherereien mit mir selbst.
»Was hat’s gegeben?«
Er verzog das Gesicht und hob die Schultern. Sagte nichts. Er wollte es spannend machen. Ich war zu zermürbt, um ihn zu packen und zu schütteln, also musste ich es ertragen.
Ich spürte Annas ängstlichen Blick; sie hasste es, wenn er und ich uns stritten.
Schließlich hielt Daniel die Zeit für gekommen. »Da ist dieser Frank Wefers in meiner Klasse.«
Ich hatte den Namen schon gehört.
»Heute Mittag hatte er eine echt komische Idee. Wir saßen mit ein paar Leuten zusammen und aßen, da fing er an rumzutönen, er hätte sie am Sonntag mit diesem Wichser auf dem Tennisplatz gesehen.«
Ich zuckte zusammen, ehe ich es verhindern konnte. Weil mir das Thema nicht gefiel und ebenso wenig die Vorstellung, dass sie ihre Sonntage jetzt auf Tennisplätzen verbrachte.
»Daniel, ich bin wirklich nicht an langen Ausführungen interessiert. Was ist passiert?«
»Was ist ein Wichser, Papi?«, wollte Anna wissen.
Fantastisch.
Daniel sprach weiter, als wäre er nicht unterbrochen worden. »Vermutlich war sie wirklich mit diesem Typen auf dem Tennisplatz. Ich mein, mir ist ja egal, wo sie sich rumtreibt. Das hab ich auch zu Frank gesagt. Er meinte, er könnt sich nicht vorstellen, dass ihm das egal wär, mit wem seine Alte bumst. Er hat dann ziemlich hässliche Sachen über sie gesagt, eben über Frauen, die’s mit jedem machen und so. Ich hab ihm gesagt, er soll aufhören mit dem Quatsch, aber er kam immer mehr in Fahrt. Na ja, da bin ich eben auf ihn los und hab ihm sein verdammtes Maul gestopft.«
Er machte wieder eine Pause. Offenbar fand er es plötzlich schwierig, mich anzusehen, und das beunruhigte mich ziemlich.
»Und?«
»Na ja. Das Problem ist, ich hab ihm ein paar Knochen gebrochen. Den Kiefer zum Beispiel. Er liegt im Krankenhaus.«
Ich starrte ihn einige Sekunden lang an. Plötzlich war mir kalt, und ich verspürte ein leises Grauen bei der Einsicht, dass dieser Fremde nur das Gesicht meines Sohnes hatte. Ich wusste schon lange nicht mehr, wer das war. Umso böser traf mich diese Überraschung.
Alle Kraft schien aus meinen Armen gewichen, als ich Anna im Zeitlupentempo auf den Boden stellte. »Geh nachsehen, wo Flip ist, okay?«
»Aber was ist denn nun ein Wichser?«
»Ich erklär’s dir später. Schieb ab, okay?«
»Na gut.«
Sie verschwand, und in der Küche blieb dieses sirupdicke Schweigen zurück. Ich wusste überhaupt nicht, was ich tun sollte, wo diese verdammte Sache ein Paar Hörner hatte, die ich hätte packen können.
»Bitte, Daniel, setz dich.«
»Wozu?«
»Ich sag’s nicht noch mal!«
»Na schön. Kann ich ein Bier haben?«
Er wollte mich also in Rage bringen. Ich sah ihn scharf an, ohne Erfolg. Unmöglich, seine Strategie zu durchschauen. »Natürlich nicht.«
»Auch gut.« Zögernd kam er näher, ließ mich nicht aus den Augen.
Ich versuchte durchzuatmen und mich an den Gedanken zu gewöhnen, dass mein Sohn seinem Kumpel den Kiefer gebrochen hatte. Ich merkte sofort, dass dieser Gedanke und ich niemals Freunde werden würden. Schließlich gab ich mir einen Ruck. »Ich dachte, Frank Wefers ist dein Freund.«
»Seit wann interessierst du dich dafür, wer meine Freunde sind?«
Ich starrte auf meine Bierflasche. Keine Ahnung, wie lange ich sie schon wie ein Irrer zwischen den Händen drehte, lange genug jedenfalls, dass das Bier pisswarm geworden war.
»Wolltest du wirklich ein Bier, oder wolltest du mir nur auf die Eier gehen?«
»Ich schätze, ich wollte beides.«
»Wenn du eins holst, kannst du einen Schluck abhaben.«
Er stand auf, ging zum Kühlschrank, stellte die Flasche vor mich hin und rutschte wieder auf die Bank mir gegenüber. Ich öffnete die Flasche mit dem Feuerzeug, schnappte mir ein Glas und füllte es zur Hälfte.
»Warum hast du das getan, Daniel? Ich meine, wenn es schon sein musste, dass du dir den Kerl vorknöpfst, warum hast du ihn so übel zugerichtet?«
»Ich weiß nicht, ich kann mich nicht erinnern.«
»Komm mir nicht damit.«
»Aber es ist so. Als wär ein Filmriss in meinem Kopf. Ich kann mich erst wieder daran erinnern, dass er am Boden lag und röchelte und blutete und Rotz und Wasser heulte. Dann ist mir schlecht geworden, und ich hätte um ein Haar vor dem ganzen Publikum mitten in der Cafeteria gekotzt.«
Ich steckte mir eine Kippe an und zog ein bisschen zittrig daran. Wenigstens redete er offen mit mir. Das war einigermaßen selten.
»Mach dir nicht vor, du wüsstest nicht, warum das passiert ist. Denk darüber nach und sag es mir.«
Er starrte auf die Tischplatte, als gäbe es da irgendetwas Außergewöhnliches zu sehen. »Als ich zu Frank sagte, er sollte aufhören mit dem Gequatsche, hat er überhaupt nicht reagiert. Im Gegenteil. Er hat immer weitergemacht. Und es kamen immer mehr Leute dazu. Ich mein, das war kein Spaß mehr oder so, er wollte mich fertigmachen. Ich kam mir so verladen vor. Und alle haben gelacht. Alle. Ich wusste nicht, dass Wut so weh tun kann. Im Bauch. Und ich hab immer nur gesagt, er soll aufhören, das wär unfair, er soll aufhören. Dann konnte ich auf einmal gar nicht mehr reden, so als wär irgendwas blockiert. Ich weiß auch nicht. Irgendwas Irrsinniges passierte in meinem Kopf. Da war ein Summen, das wurde immer lauter, und mein Kopf fing an, weh zu tun. Ich hatte das Gefühl, als könnte ich mich nicht mehr rühren, nicht mehr Luft holen, als würd ich stocksteif dastehen und nur zusehen. Es war wirklich so, als wär ich das gar nicht selbst, richtig unheimlich. Ich glaub, … na ja, ich bin wahrscheinlich so ausgerastet, weil sie tatsächlich mit dem Kerl bumst.«
»Ja, natürlich tut sie das. Er ist ihr neuer Freund, das ist ganz normal. Willst du es dir deswegen zur Gewohnheit machen, Leute, die die Wahrheit sagen, krankenhausreif zu schlagen? Die Welt ist eine Kloake, Daniel, die Dinge laufen selten so, wie wir wollen.«
»Ach, hör doch auf! Ich bin das so satt, mir solche Sprüche von dir anzuhören. Du willst doch nur drüber wegtäuschen, dass sie dir abgehauen ist. Weil du nie, nie, nie zu Hause bist! Weil alles, was hier zu Hause abgeht, dich immer einen Dreck gekümmert hat! Da musste sie sich ja verarscht vorkommen!«
Das ließ mich nun wirklich nicht kalt, ich biss sofort an. »O ja, natürlich. Meinst du, das ändert irgendwas daran, was du getan hast? Ist dir klar, dass du in verdammten Schwierigkeiten bist? Willst du das jetzt vielleicht mir anhängen? Aber wenn wir schon davon reden, sag ich dir, wie es war: Als sie mir damals diesen Job anboten, hab ich lange mit deiner Mutter drüber gesprochen. Sie fand das völlig in Ordnung, sie hat mich sogar dazu gedrängt. Verdammt, Daniel, sie hat hier das Handtuch geschmissen, nicht ich. Aber mir gibst du die Schuld daran. Findest du das fair? Glaubst du, für mich ist es leichter als für dich?«
Er schoss eine ganze Batterie an stummen Vorwürfen auf mich ab. Das ging mir irgendwie an die Nieren. »Los, Junge, sag’s mir. Warum starrst du mich an, statt es auszusprechen, damit ich was dazu sagen kann?«
»Weil es keinen Sinn hat. Du wirst es nicht schaffen, dass es so wird wie früher. Denn das willst du ja gar nicht. Für dich wäre das die Hölle, die ganze Woche, jeden Abend hier zu Hause zu sein, ein Familienleben macht dich doch krank.«
»Okay. Du willst also unbedingt mir an allem die Schuld geben. Meinetwegen. Aber im Augenblick bist du derjenige, der den großen Mist gebaut hat. Du hast dich gehen lassen und jemanden verletzt. Sogar ziemlich übel. Meinst du nicht, du solltest dich dazu mal äußern? Mal über dich selbst nachdenken? Verdammt, es ist möglich, dass Franks Eltern dich anzeigen. Weißt du, was dann los ist?«
»Pah, mir doch egal. Und du wärst doch wahrscheinlich erleichtert, wenn sie mich in ein Heim stecken.«
»Ja, das würde dir wahrscheinlich gefallen, was? Das würde dein Martyrium perfekt machen. Vergiss es. Sie werden dich in kein Heim stecken. Daniel, hör verdammt noch mal auf, dir so unendlich leidzutun. Das bringt dich keinen Schritt weiter.«
»Meinst du, dein blödes Gequatsche bringt mich weiter? Du meinst also, ich tu mir leid, ja? Du weißt doch überhaupt nichts von mir!«
»Nein?«
»Ich kümmere dich doch einen Dreck. Dir wird doch schon flau, wenn du nur an mich denkst.«
»Wieso bist du so sicher?«
»Weil du nie mit mir redest. Ich meine, nie wirklich. Dir ist doch völlig gleich, was es für mich bedeutet, aus der Schule zu fliegen.«
»Falsch. Es ist mir nicht gleich. Sag es mir.«
»Ach, vergiss es!«
Als er trank, sah ich, dass er versuchte, zwei Tränen wegzublinzeln, aber sie ließen nicht locker. Langsam rollten sie über sein Gesicht, trafen sich an seinem Kinn, und er wischte sie mit einer verschämten Geste weg, ohne mich anzusehen. Das brachte meine eiserne Haltung total zum Einsturz. Ich kam mir vor wie der letzte Dreckskerl.
Ehe ich es mir anders überlegen konnte, stand ich auf, ging zu ihm hin und nahm ihn in die Arme. Sein Körper strahlte eine unglaubliche Wärme aus. Entsetzt wehrte er sich gegen meine Umarmung. Ich hielt ihn trotzdem fest. »Komm, lass es raus, Daniel. Es ist schon in Ordnung. Niemand sieht uns.«
Er erstarrte eine Sekunde, dann brach sein Widerstand plötzlich zusammen wie ein Damm in einer Sturmflut. Er weinte lange und so verzweifelt, dass mir himmelangst davon wurde. Ab und zu kam ein heiseres, krampfiges Schluchzen heraus, aber die meiste Zeit blieb er stumm, hatte eine Hand in mein Hemd gekrallt, die andere boxte er mir gelegentlich zwischen die Rippen.
Ich strich ihm ratlos über den Rücken. Jeden einzelnen Wirbel konnte ich spüren.
»Okay? Besser?«
Er nickte. Dann schniefte er ein paarmal, bevor er sich entschloss, mich anzusehen. »Bist du sauer auf mich?«
»Nein. Ich bin ziemlich geschockt, aber das spielt im Grunde keine Rolle. Ich bin der Letzte, der es sich leisten könnte, sauer auf dich zu sein, denn deine Neigungen zum Ausklinken hast du von mir. Ich weiß, worüber wir reden. Und darum will ich, dass du dich in Zukunft sehr genau im Auge behältst. Denn das wird nicht das letzte Mal sein, dass dich die Raserei packt. Sie ist … irrsinnig gefährlich. Sie schaltet dein Gehirn aus. Lass es nicht zu.«
»Okay.«
»Und morgen wirst du zu ihm ins Krankenhaus gehen und mit ihm reden. Du musst dich entschuldigen.«
»Waas?!« Er wurde stocksteif in meinen Armen. Ich ließ ihn los.
»Einen Dreck werde ich tun! Ich soll mich entschuldigen, nachdem dieser …«
»Ja. Und wenn er dich rausschmeißt, dann musst du das eben wegstecken. Und wenn er dich nicht rausschmeißt und du dich dadurch noch lausiger fühlst, musst du auch das wegstecken.«
»Meinst du nicht, ich sollte das selbst entscheiden? Kannst du dir eigentlich vorstellen, wie ich mich heute Mittag gefühlt hab?«
»Das spielt jetzt keine Rolle mehr. Du hattest trotzdem kein Recht, ihn so zuzurichten.«
»Nein, wahrscheinlich nicht. Ich hab nie ein Recht. Auf gar nichts.«
»Ach, hör schon auf. Verdammt, du weißt ganz genau, dass du dich ins Unrecht gesetzt hast, als du ihn angefasst hast. Spätestens als du ihm … den Kiefer gebrochen hast.« Großer Gott, ich konnte das immer noch nicht glauben. »Du musst doch irgendwie versuchen, das in Ordnung zu bringen. Selbst wenn er nicht dein Freund wäre. Wenn du das nicht tust, bist du … ein Feigling, oder?«
Ich zündete mir eine neue Kippe an und ignorierte Grafitis Kratzen an der Tür. Er musste warten. Ich wollte sehen, ob Daniel nicht wenigstens fühlte, dass ich recht hatte, egal, ob er das nun zugab oder nicht.
Ich hab immer versucht, meine Kinder so wenig wiemöglich zu manipulieren. Mir war egal, wie sie aussahen oder wie sie redeten, ich mischte mich da nicht ein. Aber es gab ein paar Sachen, die fand ich wirklich wichtig. Und so was Ähnliches wie Ehre gehörte wohl dazu.
Aber er schien mich in dem Punkt nicht für kompetent zu halten. »Ein Feigling, he? Und was bist du? Du hast dich bei mir noch nie dafür entschuldigt, dass es dir lieber gewesen wäre, sie hätte mich abgetrieben und du hättest sie nicht heiraten müssen.«
Ein Unsichtbarer war in die Küche geschlichen und hatte mir eine unsichtbare Eisenstange in den Magen gerammt.
»Wie kommst du auf so was?«
»Sie hat es gesagt. Als ihr euch mal wieder angeschrien habt. Kurz bevor sie abgehauen ist.«
Das hatte sie wirklich. Ich erinnerte mich daran. Das Miststück hatte immer so laut gebrüllt, wie es ihr passte. Und ich konnte dann anschließend durchs Haus schleichen und meine weinenden Kinder beruhigen. Manchmal war ich auch zu gerädert dazu. Meine Ehe hatte mich mitunter ganz schön ausgelaugt.
»Das hat sie gesagt, um mir eins auszuwischen, um mir weh zu tun eben. Aber es ist nicht die Wahrheit.«
»Bist du sicher?«
Ich war mir ganz und gar nicht sicher. Gütiger Himmel, ich war erst einundzwanzig gewesen, als sie schwanger wurde. Ein Kind war so ziemlich das Letzte, was ich wollte. Aber ich hatte nie ein Wort von Abtreibung gesagt. Das hatte sie tatsächlich nur erfunden, um mich auszumanövrieren. Als wir in den letzten Zügen lagen.
Ich sah ihn an. »Ich schwör’s dir.«
Er betrachtete mich argwöhnisch, wollte ganz sichergehen, ob ich ihm in diesem Punkt was vormachte oder nicht. Aber weil ich ihn an diesem Abend zum ersten Mal seit langer Zeit wieder wirklich liebte, war es nicht schwer, ihn zu überzeugen.
Schließlich raffte er sich mit großer Mühe zu einem Entschluss auf. »Also meinetwegen. Ich geh morgen zu Frank.«
Ich war wirklich erleichtert. »Und was ist mit der Schule? Willst du dableiben, oder würdest du es lieber woanders noch mal neu versuchen?«
»Hm. Ich würd schon gern bleiben. Ich meine, die Schule hat das beste Physiklabor in der Stadt, nur bei uns können wir flüssigen Sauerstoff herstellen, und das ist wirklich wichtig für das Experiment, an dem ich gerade mit ein paar Leuten arbeite.«
Ich starrte ihn an. Ich hatte keine Ahnung gehabt, dass er sich für naturwissenschaftliche Forschung interessierte. Er war doch noch ein Junge!
»Was ist mit diesem Brief, wer hat den geschrieben?«
Er verzog das Gesicht zu einer hasserfüllten Fratze. »Meurer. Der Terminator. Stellvertretender Direktor.«
»Was ist das für ein Typ?«
»Ein Arschloch. Ich glaub, er hat seit Monaten darauf gewartet, dass so was passiert. Er hat heute Mittag Aufsicht in der Cafeteria geführt, hat also ganz genau mitbekommen, was da abging. Aber er hat so getan, als würd er nichts hören und nichts sehen. Erst als ich dann so ausgerastet bin, kam er angestürmt. Da war er aber zu langsam. Als ich später in sein Büro kam, hat er zu mir gesagt, er hätte immer schon gewusst, dass ich an der Schule nichts zu suchen hätte. Ich wär, warte mal, ein … gemeingefährlicher Amokläufer, hat er gesagt. Und das wär kein Wunder, schließlich käm ich aus asozialen Verhältnissen. Dann hat er auf mich eingedroschen, bis ich dachte, sie könnten den nächsten Krankenwagen direkt für mich bestellen …«
»Er hat was getan?!« Mir wurde richtig flau vor Wut. »Also ich weiß nicht, ob ich will, dass du auf dieser Schule bleibst, Daniel. Das ist doch wohl das Letzte.«
»Ach, reg dich nicht so auf. Das Physiklabor ist wichtiger.«
»Scheiß auf das Physiklabor …«
»Wer entscheidet das? Du oder ich?«
Ich dachte nach. »Du, schätze ich.«
»Gut. Hier ist der Brief.« Er zog einen zerknüllten Umschlag aus seiner Hosentasche. »Ich denke, seine Telefonnummer steht drin.«
Ich nahm ihn ohne große Lust. »Asozial, he? Findest du auch, dass du aus asozialen Verhältnissen kommst?«
Er zuckte mit den Schultern. »Was heißt das schon. Ich finde, es trifft auf uns nicht zu, denn wir haben ein ziemlich großes Haus, viel Kohle und ein Kindermädchen und eine Putzfrau und all diesen Quatsch. Trotzdem, irgendwas stimmt hier nicht.«
Ich konnte nur nicken, besser hätte ich das auch nicht ausdrücken können.
Ich riss den Umschlag auf und las den Brief. Meine Überzeugung, dass dieser Meurer tatsächlich ein Arschloch war, festigte sich. Ich zerbrach mir eine Weile den Kopf, wie ich vorgehen wollte, dann schnappte ich mir das Telefon. »Weißt du Franks Telefonnummer?«
Er gab sie mir. »Was willst du damit?«
»Wart’s ab.«
Franks Vater war nicht besonders gut auf mich zu sprechen. Konnte ich verstehen. Es schien ihm viel dran zu liegen, mir klarzumachen, wie erschüttert vor allem Frau Wefers wegen der ganzen Geschichte war. Von mir aus. Konnt ich auch verstehen. Wahrscheinlich machte sie ihm die Hölle heiß.
Ich ließ ihn sich erst mal auskotzen und erfuhr bei der Gelegenheit, dass Frank nicht nur den Kiefer, sondern auch beide Handgelenke gebrochen hatte (Was hast du mit ihm gemacht, Daniel?), dass er aber wieder ganz in Ordnung kommen würde. Diese hoffnungsvolle Aussicht machte ich mir zunutze, und dann redeten wir in aller Ruhe darüber. Von Vater zu Vater sozusagen. Im Grunde war Wefers ein ganz vernünftiger Kerl. Vorsichtig erklärte ich ihm, wie es zu Daniels Entgleisung gekommen war, hütete mich aber, seinen Jungen dabei auch nur andeutungsweise zu beschuldigen. Trotzdem schaffte ich es, dass er über seinen Sohn regelrecht empört war und sich bei mir entschuldigte.
Wirklich erstaunlich, wozu man Leute bewegen kann, wenn man sie an der richtigen Stelle zu fassen kriegt. Und die richtige Stelle kann man meistens ganz leicht rausfinden. Man muss nur genau hinhören. Das war eine Sache, die mir fast immer gelang, es ist auch eine Frage des Trainings. Denn das war mein Job. Leute dazu zu bringen, Dinge zu sagen, die sie eigentlich nicht sagen wollten. Geständnisse abzulegen, zu denunzieren, Geheimnisse preiszugeben. Und es ist wirklich ganz leicht, wenn man weiß, wie’s geht.
Franks Vater jedenfalls hatte ich nach kürzester Zeit weichgekocht. Wir kamen überein, dass man sich über ein Schmerzensgeld bestimmt auch außergerichtlich einigen konnte, und dass eine Anzeige eine völlig unnötige Belastung für Daniels Zukunft sei. Ich war erleichtert. Wirklich ein ganz vernünftiger Kerl. Ich hatte das Gefühl, dass er mich um ein Haar auf ein Bier eingeladen hätte, bevor er auflegte.
Daniel grinste mich an. »Nicht übel. Jetzt kannst du Meurer sagen, dass Franks Alter mich nicht anzeigt, und dann wird er nicht mehr so viel Wind in den Segeln haben.«
»Du bist wirklich nicht auf den Kopf gefallen, Junge.«
Trotzdem war dieser Meurer eine harte Nuss. Zuerst hatte ich seine Frau am Telefon, und dann musste ich die ganze Zeit an den Lehrer aus dem Zeichentrickfilm in The Wall denken, dieses Männlein, das von seiner Alten an Marionettenfäden rumgezerrt wird. Denn schon ihre Stimme war Furcht einflößend, sie klang, als sei sie fett, hätte einen kleinen, dunklen Oberlippenbart und als sei mit ihr ganz und gar nicht zu spaßen.
Während sie ihren Mann ans Telefon holte, gab ich meiner Flasche den Rest, und nach kurzem Zögern gab ich Daniels Glas auch den Rest. Er hatte fast nichts davon getrunken. Kluger Junge.
»Hallo?«
»Malecki. Herr Meurer?«
»In der Tat. Sieh an. Sie sind also der Vater dieses Subjektes.«
»Wenn Sie damit meinen Sohn Daniel meinen, ja. Und ich möchte Ihnen raten, ihn in Zukunft nicht mehr als asozial oder Amokläufer zu bezeichnen.«
»Ich fürchte, Sie schätzen die Situation nicht korrekt ein. Ich gedenke nicht, Ihre Ratschläge zu befolgen oder zukünftig überhaupt noch mit Ihnen zu tun zu haben, da Ihr Sprössling von der Schule entfernt wird. Es ist nicht im Sinne der Schule, und es ist auch den anderen Schülern oder Eltern nicht zuzumuten, einen Schüler zu behalten, gegen den ein Jugendstrafverfahren läuft und der eine Gefahr für die Moral seiner Mitschüler ist. Ich kann Ihnen nur empfehlen, Ihrem Sohn einen Platz auf einer guten Schule für Verhaltensgestörte zu suchen. Vielleicht besteht dann noch Hoffnung, dass etwas aus ihm wird.«
Mein Herzschlag beschleunigte sich ein bisschen, ich spürte förmlich, wie mir die Farbe aus dem Gesicht fiel.
Nur die Ruhe, Mark, alter Junge. »Nein, Sie sind offenbar derjenige, der die Situation verkennt. Denn es wird kein Jugendstrafverfahren geben. Frank Wefers’ Vater, der die Lage anscheinend objektiver beurteilen kann als Sie, ist der Ansicht, dass sein Sohn an den Ereignissen nicht schuldlos ist, und er war ganz zuversichtlich, dass wir unter uns zu einer Einigung kommen würden. Es wird Ihnen also schwerfallen, ausreichende Gründe für Daniels Schulverweis zu finden. Nicht genug jedenfalls, um einen Prozess zu riskieren, auf den ich es bedenkenlos ankommen lassen würde. Und jetzt sag ich Ihnen noch was: Es ist bestimmt richtig, dass Daniel heute einen schweren Fehler gemacht hat, keiner weiß das besser als er selbst. Aber es ist schwierig, immer die Nerven zu behalten, wenn ein Junge sich zusätzlich zu seinen persönlichen Problemen noch mit scheinheiligen Biedermännern rumschlagen muss. Wenn ich noch mal das Gefühl habe, dass Sie Daniel aus persönlichen Gründen benachteiligen, und, vor allem, wenn es Ihnen das nächste Mal einfällt, ihn anzurühren, dann bringe ich Ihren Arsch vor den Schulausschuss und mache Sie so fertig, dass Sie sich anschließend nur noch an den nächsten Baum hängen können!!«
»Sie wollen mir drohen?!«
»Warum nicht. Und jetzt sagen Sie mir freundlicherweise, ob Sie immer noch versuchen wollen, Daniel von der Schule zu schmeißen.«
Er brauchte eine Weile, ehe er seine Antwort rausbekam. So, als wäre sein Widerwillen so groß, dass die Worte einfach nicht aus seinem Mund wollten. »Nun, ich fürchte, wenn Herr und Frau Wefers sich so gegen die Interessen ihres Sohnes und die der Schule stellen, werden wir keine Möglichkeit haben …«
»Wärmsten Dank.«
Ich legte auf, besser, ich knallte den Hörer auf das Telefon, so dass ein kleiner Riss im Plastik aufsprang und dann ein winziges schwarzes Plastikdreieck mit einem leisen Klicken auf den Boden fiel. Ich stierte es an und wischte mir mit der Hand über die Augen.
»Wow! Starker Vortrag.« Daniel strahlte mich regelrecht an.
»Ich würde mir an deiner Stelle keine großen Hoffnungen machen, dass er dich in Zukunft zufriedenlässt. Vielleicht will er es dir jetzt erst recht zeigen. Und mir. Besser, du nimmst dich vor ihm in Acht.«
»Ja, wahrscheinlich hast du recht. Trotzdem. Es war geil, wie du’s dem Kerl gezeigt hast.«
Ich war ziemlich erstaunt über seine Begeisterung, so hatte er mich lange nicht angesehen. Vermutlich war es egal, ob dieser Meurer jetzt noch eifriger hinter ihm her war oder nicht.
Vielleicht war es wichtiger, dass Daniel mal erlebt hatte, wie sein Vater sich für ihn ins Zeug legte.
Wer weiß.
Grafiti kratzte wieder an der Tür. Ich stand auf und ließ ihn rein. »‘tschuldige, Kumpel.«
»Fährst du heut Abend noch in die Stadt?«, fragte Daniel lauernd.
»Weiß noch nicht. Kommst du mit nach nebenan?«
»Nein, ich hab noch was zu tun. Bin den ganzen Tag zu nichts gekommen. Anna mit ihrem Apfelkuchen und so weiter. Also, ich verschwinde dann. Nacht. Und vielen Dank.«
»Nacht, Daniel.«
Ich sah ihm nach, als er durch die Tür ging. Dann verschwand er auf der Treppe. Und ich fragte mich, wie das alles weitergehen sollte.
Mark.«
»Hm.«
»Komm schon, Junge. Wach auf.«
Ich schlug widerwillig die Augen auf. Vertrauter Anblick: eine dunkle Holztheke mit Tausenden von Macken und Kerben und einer starken Maserung. Mein Kopf lag darauf. »Tarik.«
»So ist es. Hier ist ein Kaffee.«
Ich hob den Kopf und zog die Tasse zwischen meine Ellenbogen.
Tarik stand hinter dem Tresen und wischte Gläser. Er wirkte gelassen und heiter, wie immer am Ende einer langen Nacht. Er hatte die richtige Konstitution für einen Altstadtwirt. »Was hast du getrieben letzte Nacht, he?«
Ich dachte kurz darüber nach. Dann fiel es mir ein. Ich war von zu Hause aus hierhergekommen. Aber die leere Kneipe hatte mich genervt, ich war raus auf die Straße. Es goss in Strömen, innerhalb von Sekunden war ich nass bis auf die Knochen. Ich war einfach ein paar Stunden rumgelaufen, durch finstere, menschenleere Straßen ohne Laternen.
Ich seufzte. »Ich glaub, ich hab ein, zwei Fensterscheiben eingeschlagen.«
Er nickte kommentarlos.
Ich trank von meinem Kaffee, und es durchrieselte mich angenehm. »Na ja. Manchmal kann man irgendwie nicht anders, oder?«
Er sah von einer Pilstulpe auf. »Und willst du ewig so weitermachen? Denkst du nicht, du solltest dich langsam mal zusammenreißen?«
»Tarik, um Himmels willen. Keine Predigt.«
»Mann, das geht jetzt schon fast zehn Monate so. Ist sie das wirklich wert? Dass du dich kaputtmachst deswegen?«
Gute Frage. Ich hatte keine Ahnung. Ich winkte ab und trank meinen Kaffee aus.
Er zog den Stöpsel aus dem Spülbecken. »Du bist nicht der einzige Kerl, dem das passiert ist, weißt du.«
»Nein. Und wenn schon. Ich denke, ich verschwinde lieber. Lass mich meinen Deckel bezahlen, und dann fahr ich nach Hause.«
»Du hast deinen Deckel schon bezahlt. Wenn ich dich gelassen hätte, hättest du ihn dreimal bezahlt.«
Ich rutschte von meinem Hocker. »Auch gut. Also dann.«
»Ja. Mach’s gut, Mark. Und jetzt geh zur Arbeit. Es ist Zeit.«
»Nein, heute nicht.«
Aber er überzeugte mich irgendwie, und ich machte mich ohne viel Elan auf den Weg.
Das Praktische und gleichzeitig so Verhängnisvolle war, dass kaum zehn Minuten Fußweg mein Büro von der Altstadt trennten. Das war einer der Gründe, warum ich mich so oft dort rumtrieb. Jetzt am Vormittag erschienen mir die Straßen mit dem alten Kopfsteinpflaster tot und glanzlos. Selbst ein paar Einkaufsbummler konnten das Bild nicht retten. An regnerischen Vormittagen zeigt die Altstadt ihr wahres, freudloses Gesicht. Ich zog die Schultern hoch, sah mich so wenig wie möglich um und stiefelte Richtung Heinrich-Heine-Allee.
Mein Büro lag in der siebten Etage eines Glaspalastes an der Breiten Straße, der Zentrale des Bankhauses Kienast, allerfeinste Adresse. Beim Anblick der geschniegelten Gestalten im gleißenden Neonlicht unten in der Schalterhalle rebellierte mein Magen wie immer. Ich machte, dass ich nach oben kam. Beim Eintreten knipste ich die Deckenleuchte aus; das Licht, das durchs Fenster drang, war dumpf und melancholisch, angenehm. Ich lehnte mich mit dem Rücken an die geschlossene Tür und atmete tief durch.
Paul sah auf und schüttelte seufzend den Kopf. »Mann, du siehst furchtbar aus.«
»Ich fühl mich auch furchtbar.«
»Hoffentlich hat dich niemand gesehen.«
»Kannst du nicht mal aufhören, dir Sorgen um mein Image zu machen? Alle haben mich gesehen, jeder, der die Augen offen hatte. Ich bin durch den Haupteingang gekommen. Die Sicherheitsschleuse am Personaleingang ist nach zehn Uhr nicht mehr besetzt, da kommt kein Staubkorn mehr rein oder raus. Wusstest du das nicht?«
»Woher denn? Ich bin immer um neun hier.« Er stieß sich mit den Füßen ab und rollte mit seinem Schreibtischstuhl zum Fenster. Auf der Fensterbank hatte er immer ein Glas mit Marshmallows stehen, diese ekelhaft süßen, bunten Dinger, die wie Schaumgummi aussehen und, wenn du mich fragst, auch genauso schmecken. Er konnte jedenfalls nicht leben ohne das Zeug. Er langte ordentlich zu.
»Ja. Um neun, ich weiß. Manchmal machst du mich krank.« Ich setzte mich und zündete mir eine Kippe an.
Durch das Milchglas unserer Bürotür drangen gedämpfte Geräusche, Schreibmaschinen und murmelnde Stimmen, schemenhafte Gestalten hasteten über den Gang. Ich legte die Füße auf den Schreibtisch und den Kopf in den Nacken.
»Hör mal, Mark, sitz hier nicht einfach so rum. Geh dich mal rasieren. Er war mindestens schon fünfmal hier und hat nach dir gefragt.«
»Wer? Ferwerda?«
»Wer sonst? Besser, er sieht dich nicht in diesem Zustand.«
»Ich wäre besser gar nicht erst gekommen.«
»Meinste echt? Glaubst du nicht, dass sie dich irgendwann einfach feuern werden?«
»Nur zu.«
Ich hatte Kopfschmerzen.
Aus meinem Schrank schnappte ich mir ein paar Klamotten und Rasierzeug, dann ging ich zum Waschraum.
Diese Dusche war einfach das Letzte, entweder zu heiß oder zu kalt, und man musste hin und her springen, um von dem kümmerlichen Strahl einigermaßen nass zu werden. Trotzdem, als ich fertig war, ging es mir schon besser. Ich war in der Lage, eine Rasur ernsthaft ins Auge zu fassen, und ich fing damit an, bevor ich es mir wieder anders überlegen konnte.
Ich war so gut wie fertig, als er reinkam. »Ah! Da sind Sie also endlich!«
»Morgen.«
»Morgen?! Sind Sie im Bilde über die Uhrzeit?«
»So ungefähr.«
»Es ist nach elf!! Wofür halten Sie sich eigentlich, Malecki? Das wüsste ich wirklich zu gern! Wieso glauben Sie, dass Sie sich das leisten können?«
»Geht das nicht ein bisschen leiser? Ich hab Kopfschmerzen. Ziemlich heftige.«
»O nein. Wenn ich mit Ihnen fertig bin, dann haben Sie Kopfschmerzen. Jetzt noch nicht.«
Ich rasierte mich weiter und sah ihn im Spiegel an. Er sah wirklich so aus, als ob er das ernst meinte. Ich schaltete den Rasierer aus. »Kann ich mich vorher noch fertig anziehen?«
»Sie würden mir eine echte Freude machen, wenn Sie sich ausnahmsweise mal eine Krawatte anziehen würden!«
»O nein, müssen wir die Nummer mit der Krawatte heute wirklich unbedingt abziehen?«
»Jetzt hören Sie mir mal gut zu, Mann: Meine Geduld mit Ihnen hat sich vorläufig ganz und gar erschöpft! Ich weiß nicht, was ich verbrochen habe, dass ich mich mit Ihnen rumplagen muss! Aber jetzt habe ich einen Job für Sie, und den werden Sie verdammt noch mal auch machen! Und Sie werden morgens um neun damit anfangen!!«
Ich drehte mich zu ihm um und lehnte mich gegen die Kacheln. »Nur weiter.«
Er seufzte. »Wozu. Kennen Sie doch alles. Ich hab nur mal wieder Scherereien wegen Ihnen, das ist alles.«
Ich gähnte verstohlen. »Was gibt’s denn?«
»Kommen Sie in mein Büro, wenn Sie hier fertig sind. Wir müssen mal in Ruhe reden. Wollen Sie ein Frühstück?«
Mir wurde unbehaglich. Das Letzte, was mir fehlte, waren väterlich wohlmeinende Ermahnungen. »Na ja, warum nicht.«
Er ließ mich allein, und ich raufte mir die Haare.
Wenn Leute mich fragen, wie ein Kerl wie ich an einen Job wie meinen kommt, bin ich immer ratlos. Ich weiß selbst nicht so genau.
Als Ilona damals schwanger wurde mit Daniel, hatte sie einen Job bei dieser vornehmen Düsseldorfer Privatbank. Ich hatte nie was Vernünftiges gelernt und fand eigentlich nicht, dass das ein besonderes Versäumnis war, aber sie wollte aufhören zu arbeiten, und irgendwoher brauchten wir schließlich einen Lebensunterhalt. Also redete sie mit ein paar Leuten bei ihrer Bank, und ich bekam einen Job in der Zentralkasse. Das war okay. Zwei-, dreimal am Tag hatten wir Stoßzeit, ansonsten zockten wir. Um Millionenbeträge. Das Zeug lag ja einfach nur so da rum. Wenn wir Feierabend machten, räumten wir die Bündel wieder in die Tresore und strichen die letzten sechs Nullen von unseren Spielschulden weg. Wahrscheinlich würde ich heute noch da unten im Keller hocken und pokern, hätte nicht der Chefkassierer mit zweien von den anderen zusammen ein krummes Ding abgezogen und über eine halbe Million an die Seite geschafft.
Das ließ mich persönlich ja völlig kalt, nur als die Sache aufflog, schoben sie es auf mich und eins der Mädchen. Sie hatten sogar Beweise gegen uns fabriziert. Es sah wirklich düster aus, und das Mädchen hatte Abgase in ihren Käfer geleitet und war gestorben. Ganz so nahm ich mir das nicht zu Herzen, aber die Staatsanwaltschaft ermittelte gegen mich, und keiner wollte mir glauben. Also zerbrach ich mir den Kopf und kam schließlich drauf, wie sie es angestellt hatten. Ich kannte mich ja aus und wusste, wie die Dinge in der Zentralkasse liefen. Ich besuchte den Chefkassierer des Nachts zu Hause und konnte ihn überzeugen, dass es besser war, ein Geständnis abzulegen.
Am nächsten Tag bestellten sie mich wieder in die Revision, oben in der siebten Etage, wo ich in den Tagen zuvor endlose Stunden lang von irgendwelchen blasierten Krawattenhälsen verhört worden war. Aber diesmal führten sie mich nicht in das deprimierende Kämmerchen, sondern ins Büro des Abteilungsdirektors Dr. Ferwerda. Er wollte wissen, wie ich dahintergekommen war. Ich erklärte es ihm, und er bot mir einen Job an. Ich lehnte ab. Hätte ich ihn damals schon so gut gekannt wie heute, hätte ich meinen Atem gespart. Man hat fast keine Chance gegen ihn, wenn er sich was in seinen Kürbiskopf gesetzt hat.
Ich sagte, ich hätte keine Ahnung von Bankgeschäften, er sagte, das kommt schon. Ich sagte, ich hätte keine Bullenmentalität, er sagte, nein, stimmt, aber ich hätte jede Menge kriminelle Energie, und das war’s, was man für diesen Job brauchte.
Er hatte recht. Als Anna zur Welt kam, war ich der Revisor mit der höchsten Aufklärungsquote beim Bankhaus Kienast. Nur noch selten schickten sie mich zu diesen Routinerevisionen, denen die Filialen regelmäßig unterzogen werden, wo jeder Leitfaden auf Herz und Nieren überprüft wird, ob auch ja alle Vorschriften eingehalten werden. Ich bekam mehr und mehr die heißen Eisen. Sonderuntersuchungen. Unterschlagungen, Veruntreuungen, Geldwäsche und all dieses Zeug. Denn das kann ich am besten. Vielleicht, weil es einen gewissen Unterhaltungswert hat. Ich war niemals immun geworden gegen die menschlichen Tragödien, die sich hinter den meisten Gaunereien verbergen, aber jeder ausgeklügelte Betrug bedeutete für mich eine Abwechslung vom grauen Bankalltag. Und ich verdiente nicht schlecht; Revisoren werden in der Regel ziemlich gut bezahlt, damit sie nicht so leicht zu bestechen sind. Ich glaubte, alles sei einigermaßen in Ordnung, und wir kauften unser Haus in Himmelgeist.
Schade nur, dass das Bankhaus Kienast überall in Deutschland und in allen großen Städten der Welt Filialen unterhält, wo krumme Dinger gedreht werden. Schade, dass ich so gut wie gar nicht mehr zu Hause war. Schade, dass meine Frau mir erst sagte, dass ihr das nicht passte, als ich sie mit dem Koffer in der Hand an der Tür traf. Da war’s zu spät. Ich erfuhr, dass sie mich schon eine ganze Weile mit diesem Typen aus ihrem Tennisklub betrog, und sie zog direkt zu ihm. So geht das eben.
In der ersten Zeit, nachdem sie weg war, schickte Ferwerda mich nicht auf Tour, weil ich mich um meine Kinder kümmern musste. Und weil ich außerdem völlig am Boden zerstört war. Ich hätte nichts Vernünftiges zuwege gebracht. Er schien das zu verstehen, und er hatte wirklich viel Geduld mit mir.
Seit Monaten hatte ich also nur Bürokram gemacht. Und wie immer, wenn ich mich eine Zeit lang ohne Unterbrechung in der Zentrale aufhielt, hatte mal wieder irgendwer Anstoß an mir genommen.
»Und was ist es diesmal?« Wir saßen in seinem Büro an dem Besprechungstisch vorm Fenster, vor mir ein Tablett mit Frühstück, vor ihm eine Tasse Tee.
Er nahm ein Schlückchen. »Tja. Sie haben die Zweigstellenleiterin in Bilk ein profilneurotisches Miststück genannt.«
Ah ja. Ich entsann mich. Ich zuckte mit den Schultern.
»Das ist sie. Der Laden läuft nicht, weil sie keine Verantwortung übertragen kann. Sie hält alle außer sich für Idioten.«
»Ja, ja, mag ja sein, aber sie ist die Schwägerin von Wermershausen.«
»Na und? Wer ist das?«
»Der ist im Vorstand, Malecki.«
»Mir doch egal …«
»Ich weiß, ich weiß. Trotzdem, Wermershausen ist schlecht auf Sie zu sprechen und liegt mir in den Ohren. Von wegen Ihrer Erscheinung, Ihren Arbeitsmethoden, all diesen Sachen.«
»Er wird sich beruhigen.«
»Wer weiß. Vielleicht. Dann war da noch die Sache mit dem Schließfach von diesem Mafiaboss, das Sie haben versiegeln lassen.«
»Na und? Das zu tun war mein Job, oder? Wie ich höre, schwebt der Staatsanwalt im siebten Himmel über die Beweise, die er in diesem Schließfach gefunden hat.«
»Schon. Aber der Mafioso hat seinem Anwalt gesagt, dass er Ihre Eier zum Frühstück verspeisen wird.«
»Tja, Geschmäcker sind verschieden …«
»Ja, ja, Sie nehmen immer alles auf die leichte Schulter, bis Sie wieder mal im Krankenhaus landen. Aber dieser Mann ist wirklich gefährlich. Ich will ja nicht sagen, dass Sie falsch gehandelt haben, aber ich halte es für das Beste, wenn Sie eine Weile nicht in der Stadt sind. Außerdem, ich kann Sie nicht ewig hier beschäftigen, ich kann auch auf Dauer nicht riskieren, Sie von der wirklichen Arbeit abzuziehen. Wird Zeit, dass Sie wieder auf Reisen gehen. Ich denke, Sie werden eine Weile in den Schwarzwald fahren …«
»Was?«
Er lächelte treuherzig.
»Nach Ellertal. Sie werden eine Routinerevision durchführen und so lange dort bleiben, bis ich Ihnen sage, dass Sie zurückkommen können.«
Ich wollte meinen Ohren gar nicht trauen. »Was zum Henker soll ich im Schwarzwald?«
Er warf mir einen Stapel Papiere in den Schoß. »Sehen Sie sich das genau an. Ellertal ist eine kleine, ländliche Gemeinde in der Nähe von Freiburg, ungefähr dreitausend Seelen. Es gibt am Ort vier Banken, aber unsere Filiale hat beinah neunzig Prozent Marktanteile. Vor allem Einlagen und Wertpapiere. Horrend.«
Ich wurde langsam wach. »Schwarzgelder?«
»Das sollen Sie herausfinden. Die letzte Revision war vor drei Jahren. Bergmann und Michels haben sie gemacht. Sie kamen zurück mit leeren Händen und einem miesen Gefühl. Jetzt sind Sie dran.«
»Warum ausgerechnet jetzt? Irgendwelche neuen Erkenntnisse?«
»Nein. Nur weitere Umsatzsteigerungen. Der Filialleiter in Ellertal ist ein Mann namens Brelau. Ihn werden Sie unter die Lupe nehmen. Ich schlage vor, Sie fahren am Montag.«
Ich faltete die Unterlagen zusammen und steckte sie ein. »In Ordnung.«
Er lächelte schwach. »Bonne chance.«