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Ein fesselnder Liebesroman von Rainer M. Schröder alias Ashley Carrington: Daniela Stern steht mit ihren 37 Jahren mitten im Leben: Sie ist eine erfolgreiche Geschäftsfrau im Showbusiness, charmant, attraktiv und wohlhabend. Mit ihrem Liebhaber, dem Maler Christian Hendrick, verbindet sie eine leidenschaftliche Beziehung. Doch mit einem Mal ist plötzlich alles anders: Als man ihr und ihrem Aufnahmestudio »Stardust Studios« einen Versicherungsbetrug anhängen will, gerät ihre Welt aus den Fugen. Daniela muss um das kämpfen, was sie sich mühevoll aufgebaut hat, und sich gleichzeitig Dämonen aus ihrer Vergangenheit stellen, die sie immer wieder aufs Neue in ihren Albträumen heimsuchen.
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Seitenzahl: 396
Ashley Carrington
Roman
Für Daniela Leineweber in herzlicher Zuneigung
Alles war voller Blut. Daniela prallte wie vor einer unsichtbaren Wand zurück. Als sie abwehrend die Hände hob, waren auch die plötzlich blutverschmiert. Der Schnee zu ihren Füßen verlor im Schein der Straßenlaterne sein milchiges Weiß und färbte sich dunkel. Doch Walter lebte noch. Einen kurzen Moment zwar nur, aber der genügte, um ihr stumm zu verstehen zu geben, dass er wusste, was geschehen war und welche Rolle sie bei seinem unabwendbaren Tod spielte. Er sah sie unverwandt an. In seinen Augen stand kein Flehen um Hilfe und auch keine Todesangst, sondern nur Mitleid. Und es war dieser letzte Blick, bevor seine Augen starr und leblos wurden, der sich wie ein Dorn in ihre Seele bohrte und sie nicht mehr loslassen sollte.
Daniela Stern schlug die Hände vors Gesicht und wollte flüchten, doch sie konnte nicht. Sie war wie gelähmt. Alle Kraft schien sie verlassen zu haben. Zitternd stand sie da, während der Schneefall wieder einsetzte. Die nächtliche Februarkälte durchdrang ihr dünnes Cocktailkleid mit den Spaghettiträgern und dem tiefen Ausschnitt. Und so wie ihre eleganten italienischen Schuhe mit dem durchbrochenen Leder keinen Schutz vor dem Schnee boten, so wenig vermochte sie mit ihren Händen seinen Blick abzuwehren.
Sie wimmerte.
»Es ist ja gut … Daniela! … Daniela, ganz ruhig. Es ist nur ein Traum … Hörst du mich?« Christian Hendrik beugte sich über sie und rüttelte sie sanft an der Schulter. »Es ist nur ein Traum. Wach auf, und alles ist vorbei.«
Die vertraute Stimme drang durch die grauenhaften Bilder der Blutnacht zu ihr und holte sie aus dem quälenden Traum in die Wirklichkeit. Sie schlug die Augen auf, und ihr völlig verkrampfter Körper entspannte sich ein wenig. Sie atmete schnell und flach, als hätte sie die gesamte Rheinuferpromenade von Köln im Dauerlauf bewältigt. Ihr Herz jagte, und sie spürte kalten Schweiß auf ihrer Stirn.
»Du hast im Schlaf richtig gewimmert und gezittert. War es wieder dieser grässliche Alptraum?«, fragte Christian Hendrik mitfühlend, und seine Hand streichelte beruhigend ihren Arm.
»Ja«, sagte Daniela, und ihrer Stimme war anzuhören, wie sehr ihr dieser Traum zugesetzt hatte.
»Möchtest du darüber reden, Liebling?«
»Nein.«
»Du hast mir noch nie erzählt, was das für ein Alptraum ist, der dich manchmal heimsucht und so schrecklich mitnimmt. Hat das vielleicht einen Grund?«
Daniela war froh, dass es im Schlafzimmer noch dunkel war, obwohl hinter den Fenstern schon ein neuer, feuchtkalter Februartag mit einer grauen Wolkendecke über Köln heraufdämmerte. »Ja, den Grund, dass es mir reicht, wenn er mich im Schlaf quält. Ich will hinterher nicht noch darüber reden, sondern ihn so schnell wie möglich vergessen«, antwortete sie, und obwohl es stimmte, war es doch zugleich auch weit davon entfernt, die ganze Wahrheit zu sein.
»Wie du meinst. Gewöhnlich weißt du ja sehr genau, was du willst und was nicht«, entgegnete er ein wenig spöttisch und auch doppeldeutig und zog sie in seine Arme.
»Sind wir uns da nicht sehr ähnlich?«, fragte sie, während sie sich in seine Armbeuge schmiegte. Da Christian nackt schlief, spürte sie seinen kräftigen Körper direkt und intensiv. Er flößte ihr Ruhe und Geborgenheit ein. Und als sie ihre Hand auf seine breite Brust legte, musste sie unwillkürlich an ihre exzentrische Freundin Bea denken, die stark behaarte Männer enorm erotisch fand. Sie dagegen konnte einem behaarten Körper absolut nichts abgewinnen. Sie liebte es vielmehr, unter ihren Fingerspitzen und Lippen glatte, geschmeidige Haut zu spüren. »Außerdem, was erwartest du von einer berufstätigen Frau knapp an der Schallmauer zur vierzig?«
Er lachte leise auf. »Bis dahin sind es noch drei Jahre, mein Schatz. Also was willst du hören? Dass du so betörend und aufregend bist wie die meisten Models nicht einmal in ihren Twen Jahren? Oder dass ich diese Schallmauer schon vor zwei Jahren durchbrochen und dennoch nicht das Gefühl habe, schon einen Platz in einem Altenheim vorbestellen zu müssen?«, neckte er sie und strich ihr dabei liebevoll über das Gesicht. Das Signalhorn eines Rheinschiffs klang zu ihnen in die kleine und sündhaft teure Dachterrassenwohnung am Konrad-Adenauer-Ufer hinauf. Von der Dachterrasse, die knapp vier Meter im Quadrat maß, hatte man einen einzigartigen Blick über den Rhein und einen Teil der Stadt, der mit dem Preis ein wenig versöhnte, und an sehr klaren Tagen konnte man weit ins Bergische Land sehen.
»Das macht mir wirklich Mut«, entgegnete sie, auf seinen Scherz eingehend, und hauchte einen Kuss auf seine Brust. Sie liebte es, wie er roch. Jeder Mensch hatte seinen eigenen Geruch, und wenn der bei einem Mann nicht stimmte, dann konnte sie es nicht einmal ertragen, dass er sie in die Arme nahm, geschweige denn mit ihr im Bett lag. Sie wusste, dass es nur Einbildung war, aber Christians ganz eigenen Geruch verband sie mit dem Salz des Meeres, mit den Dünen und Reetgräsern von Sylt und mit den Ölfarben und Malmitteln, die in seinem kleinen Friesenhaus auf der Nordseeinsel überall herumlagen, in der Küche ebenso wie im Badezimmer. »Aber was mich noch viel mehr beruhigt«, fügte sie hinzu und fuhr mit der Kuppe ihres Zeigefingers über seine Brust zum Bauchnabel hinunter, »ist …«
»Ist was?«, fragte er und ließ seine Hand über ihren linken Oberschenkel wandern, den sie leicht angewinkelt über seinen Schoß gelegt hatte.
»… dass du Landschaften und keine Aktbilder malst und deshalb auch keine Entschuldigung hast, diese jungen, frechen Dinger in dein Haus kommen zu lassen, damit sie sich dir im Evakostüm präsentieren«, scherzte sie, wohl wissend, dass er auf Sylt nicht lange zu suchen brauchte, wenn es ihm darum ging.
Seine Hand fuhr unter ihr hüftlanges Nachthemd. »Auch der Körper einer Frau ist eine Landschaft, die es mit ihren sanften Wellen, anmutigen Erhebungen und tiefen Tälern zu erforschen gilt«, erwiderte er, strich über Hüfte und Rippenbögen und folgte ganz langsam der Wölbung ihres Busens, um dann ihre Brustwarze mit den Fingerspitzen zu umkreisen.
Ein angenehmer Schauer durchlief sie bei dieser zärtlichen, behutsamen Bewegung. »Mit manchen Landschaften scheinst du mir besonders gut vertraut zu sein.«
»Jede Landschaft hat tausend verschiedene Gesichter. Will man mit einer Landschaft also wirklich vertraut werden, muss man sie zu allen Tages- und Nachtzeiten kennen, bei greller Sonne und bei fahlem Mond, bei trübem Nieselregen und bei wütendem Sturm, im Zwielicht des Morgens und in der samtenen Dunkelheit einer sternklaren Nacht«, flüsterte er. Seine Lippen berührten ihre Stirn und glitten über ihr Haar, als er sie mit seinem linken Arm noch mehr an sich zog und seine rechte Hand über ihren Rücken gleiten ließ, hinab zu ihrem Gesäß. Er folgte dabei der leichten Mulde ihres Rückgrats, um seine Hand dann über ihrem Po wie zu einem Fächer der Zärtlichkeit zu öffnen.
Daniela hatte das erregende Gefühl, als malte er sie wirklich mit seiner Hand. Seine Fingerspitzen waren wie feine Pinsel, die mit kaum merklichem Druck über ihre Haut tänzelten. Gleichzeitig spürte sie kraftvolles, aufstrebendes Leben unter ihrem linken Bein, das noch immer über seinem Schoß lag. »Und welche Landschaft willst du jetzt erkunden?«, raunte sie, zog ihr Bein zurück und begann seine Liebkosungen zu erwidern.
»Ich befinde mich auf der Suche nach dem Tal der Lust«, antwortete er und drang mit drei Fingern in ihr lockiges Schamhaar ein. »Und ich weiß, dass es hier irgendwo in diesem verheißungsvollen blonden Busch verborgen ist. Ich bin sicher, dass ich es finden werde.«
»Lass es uns zusammen suchen«, flüsterte sie und streichelte sanft seine schon erregte Männlichkeit.
Christian zog ihr das Nachthemd aus, warf die Bettdecke zur Seite und beugte sich über sie. Seine Lippen umschlossen ihre Brustwarzen, erst behutsam spielerisch die eine, doch dann schon kräftiger die andere, während seine Hand mit kreisenden Bewegungen über ihren Bauch fuhr. Dann zog seine Zunge eine feuchte Bahn über ihren Busen, um wenig später langsam abwärts zu wandern.
Daniela gab sich ganz den wunderbaren Gefühlen hin, die in ihr aufstiegen und ihren Körper mit Wärme und wachsender Erregung erfüllten. Und es steigerte ihre zunehmende Lust, dabei auch seine Erregung zu spüren und sie mit Händen und Lippen zu einem lodernden Feuer des Begehrens zu entfachen.
Das erste Licht fiel durch die nur halb geschlossenen Gardinen ins Zimmer, als sie ihn auf sich zog.
»Bleib so … nur für einen Augenblick!«, sagte sie leise, als sie ihn ganz tief in sich spürte.
Er sah sie liebevoll an. Sein Atem streifte ihr Ohr, dann drückte er seine Lippen in ihre Halsbeuge und biss sie zärtlich.
Sex kurz nach dem Aufwachen am Morgen war etwas, das sie immer mit Christian genoss, wenn die Zeit es zuließ, auch wenn sie oftmals nicht zum Höhepunkt kam, weil sie noch zu träge und schläfrig war. Es machte ihr nichts aus, zumal sie zu anderen Tageszeiten keine Probleme hatte, volle Erfüllung zu finden. Allein das Gefühl, ihn in sich zu spüren und seine Lust zu erleben, war wunderbar und gab dem neuen Tag etwas Beschwingtes und Lebensfrohes. An diesem Morgen reagierte ihr Körper jedoch bedeutend schneller und sensibler als sonst. »Warte! … Bitte!« Sie hielt ihn fest, als er sich nach einer Weile zurückziehen wollte.
Sie konnte die Verwunderung auf seinem Gesicht sehen. Doch er tat ihr den Gefallen, bewegungslos zu verharren.
Daniela stöhnte und erlaubte sich nur, ihre Muskeln im Schoß einzusetzen, um die anschwellende Lust zu verstärken.
Als er sie sanft und mit leicht geöffneten Lippen küsste und sich ihre Zungenspitzen berührten, verdichtete sich ihre Wollust auf geradezu unerträgliche Weise in einer imaginären Mitte ihres Leibes, um dann wie eine Quelle unter hohem Druck mit einer gewaltigen Fontäne hochzusteigen und sie mit sich hinwegzuschleudern. Von den Zehenspitzen bis in die Kopfhaut durchströmte sie jenes unbeschreibliche Gefühl, das den Menschen für einige Augenblicke jeder bewussten Kontrolle entzieht und ihn in einen Rauschzustand entführt.
Als sie wieder zu Atem kam, wälzten sie sich engumschlungen auf die andere Seite des Bettes, Daniela diesmal auf ihm, denn sie wusste, wie sehr er es mochte, in dieser Stellung zum Höhepunkt gebracht zu werden. Seine Hände umfassten ihren Po, während sein Mund nicht genug von ihren Brüsten bekommen konnte, die sein Stöhnen erstickten, als seine Lust den Höhepunkt erreichte.
Danach zog er sie zu sich hinunter, und sie streckte sich auf ihm aus, ohne ihn freizugeben. Seine Hände streichelten über ihren Rücken, ihren Po und ihre Beine.
»Daniela …«
»Hm?«
»Ich wünschte manchmal, ich könnte so malen, wie ich jetzt fühle«, flüsterte er zärtlich und mit sehnsüchtiger Stimme und vergrub dabei eine Hand in ihrem halblangen, leicht gewellten Haar.
»Du bist nicht nur ein wunderbarer Liebhaber, sondern auch ein erfolgreicher Maler«, entgegnete sie. »Aber dir das zu sagen, heißt ja wohl Eulen nach Athen tragen, nicht wahr?«
Christian küsste sie neben das Ohr. »Weißt du überhaupt, wie sehr ich dich liebe?«
»Hm, ja, allmählich beginnst du mich zu überzeugen. Ich glaube, ich muss aufpassen, dass ich dir nicht mit Haut und Haaren verfalle, großer Meister«, erwiderte sie, und in ihrer scherzhaft ausweichenden Antwort steckte, ohne dass es ihr in dem Moment bewusst wurde, eine gehörige Portion Wahrheit.
»Wir hätten unseren Urlaub wirklich nicht schöner beginnen können«, sagte Christian glücklich und wickelte eine Haarsträhne um seinen Finger. »Zehn Tage Gstaad! Ich mag es noch gar nicht glauben, dass wir es nach fast einem Jahr endlich geschafft haben, deine und meine Termine unter einen Hut zu bringen und einmal länger als nur für ein Wochenende irgendwohin zu fahren.«
»Ich weiß allerdings nicht, ob ich zehn Tage mit dir durchhalte«, neckte sie ihn. »So wie du mir im Bett die Kraft raubst, schon am frühen Morgen …«
Er lachte. »Ich werde dich auch wieder aufpäppeln, Liebling, verlass dich drauf. Und jetzt schlaf noch ein bisschen. Wir haben viel Zeit. Wenn wir gegen zehn, elf losfahren, ist es noch früh genug. Vor Einbruch der Dunkelheit sind wir allemal in Gstaad.«
Daniela überließ sich bereitwillig der wohligen Schwere, die sich nach dem Liebesakt stets bei ihr einstellte, und schlief in seinen Armen ein. Diesmal quälte sie kein Alptraum.
Von der kleinen Küche aus eroberte der von Christian frisch aufgebrühte Kaffee Daniela Sterns Dachwohnung, während im Wohnzimmer Barbra Streisands Greatest Hits vom CD-Player liefen und im Bad der Fön bei offener Tür mit monotoner Dissonanz dagegenhielt.
Daniela stand in schwarzen Strumpfhosen mit feinem Lilienmuster und einem schwarzen Spitzenbody mit hoch angeschnittenem Bein und eingearbeitetem BH vor dem Spiegel. Dieser nahm die ganze Fläche über der Waschkommode bis zur Decke ein und war wie ein kostbares Gemälde von einem breiten Rahmen eingefasst, nur bestand der nicht aus Holz, sondern aus schwarzgrauem Marmor.
Der warme Luftstrom des Föns wirbelte ihre rotblonden Haare durcheinander, mit denen sie als junges Mädchen so unglücklich gewesen war. Dabei besaßen sie wirklich nur einen sehr dezenten Stich ins Rötliche. Es hatte dennoch lange gedauert, über die Pubertät hinaus, bis sie ihr Haar so angenommen hatte, wie es war. Jetzt, mit siebenunddreißig und als erfolgreiche Geschäftsfrau, war sie längst stolz auf ihre ungewöhnliche Haarfarbe, und die Sommersprossen um Nase und Augen gehörten ebenso zu ihrer Persönlichkeit wie ihre prägnante Nase und ihr Mund, den Mutter Natur schon ein wenig kleiner hätte ausfallen lassen können, wie sie manchmal in sehr selbstkritischen Momenten meinte. Aber sie beklagte sich nicht wirklich, war sie doch mit schönen Zähnen, aparten Gesichtszügen, einer reinen, straffen Haut und ausdrucksstarken blauen Augen gesegnet – und mit einer schlanken, wohlproportionierten Figur, die sie hinsichtlich der Kleidung nie vor Probleme gestellt hatte, ganz gleich, wie viel Geld sie dafür hatte ausgeben können. Jeans, Leggins und T-Shirts standen ihr genauso gut zu Gesicht wie klassische Kostüme, Etuikleider und extravagante Abendgarderoben mit tiefem Dekolleté.
Sie stellte den Fön ab. »Chris? Spielst du das letzte Lied bitte noch einmal?«
»Welches Lied?«, kam seine Stimme aus dem Wohnzimmer, begleitet von Geschirrklappern. Er deckte gerade den Frühstückstisch.
»My Heart Belongs to Me!«, rief sie ihm den Titel zu.
Im nächsten Augenblick stand er in der Tür zum Badezimmer. Sie lächelte ihn im Spiegel an. Er war nicht nur ein begabter und erfolgreicher Sylter Maler, sondern zudem auch noch ein sehr attraktiver Mann. An diesem Morgen trug er sandbraune Cordhosen und einen beigen Pullover, der ihm gut stand, obwohl er ihm eine Nummer zu weit war. Sein dunkelblondes, gelocktes Haar hatte er wie immer sehr nachlässig gekämmt. Auf seinem markanten Gesicht mit der energischen Kinnpartie lag ein belustigtes Lächeln, während in seinen kastanienbraunen Augen unverhohlene Zärtlichkeit stand.
»To me?« Er hob die Brauen und schüttelte den Kopf. »Du musst dich im Pronomen geirrt haben, Schatz. Sicherlich hast du gemeint ›My heart belongs to you‹, nicht wahr?« Er trat hinter sie und schlang seine Arme um ihre Taille.
»Nein, nein, du hast richtig gehört. Barbra Streisand weiß schon, was sie singt und warum. Also sei so lieb und geh mit der Skip-Taste zurück. Ich glaube, es ist Song Nummer drei.«
»Spricht jetzt der Studioboss zu mir?«, fragte er und ließ seine Hände über ihren Bodysuit abwärts wandern. Seine Fingerspitzen fuhren über das weiche Kissen ihrer Schamhaare, das den dünnen Stoff wölbte. Dabei küsste er sie auf den Hals.
Daniela seufzte. »Bitte tu das nicht, sonst werde ich heute gar nicht mehr fertig!«
»Was kann ich dafür, dass du so verführerisch riechst und dich so wunderbar anfühlst?«, verteidigte er sich. »Wie soll ein Mann, sofern er nicht ganz aus Holz ist, diesem Lockruf der Natur widerstehen?«
»Indem er Selbstbeherrschung übt, mein Herr!«, entgegnete sie und schlug ihm mit der Rundbürste spielerisch auf die Hand, die sich auf ihre linke Brust gelegt hatte. »Und nun mach, dass du aus dem Bad kommst!«
»Mein Gott, die Eier!«, rief er plötzlich und gab sie frei. »Sie sind bestimmt schon steinhart!« Er hastete aus dem Badezimmer.
»Dann koch uns nur ja gleich zwei neue!«, rief Daniela ihm lachend nach. »Die harten Eier können wir auf der Fahrt essen.«
Sie sprühte sich ein wenig Festiger aufs Haar, das ihr bis über die Ohren reichte, und legte etwas Rouge auf, um ihrer winterlichen Blässe entgegenzuwirken, während ihre Lippen nur einen Hauch von Gloss benötigten, besaßen sie doch von Natur aus eine reizvolle Tönung.
Das rauchgraue Strickkleid aus Kaschmir, das sie auf Sylt in der Boutique in Westerland so sehr bewundert und dann von Christian zu Weihnachten geschenkt bekommen hatte, lag schon auf dem Bett bereit. Sie liebte dieses Kleid mit dem schlichten V-Ausschnitt und der Knopfleiste mit den fünfmarkstückgroßen muschelweißen Perlmuttknöpfen im Rücken. Zusammen mit ihrer doppelreihigen Perlenkette, dem breiten, schwarzen Lackgürtel und den dazu passenden schwarzen Schuhen, fühlte sie sich darin allem gewachsen. Es war ein ebenso ideales Kleid für die Reise als auch für die Firma. Eine kleine Veränderung an den Accessoires, und schon bekam es einen neuen Charakter.
»Kaffee und Eier sind fertig, und das Baguette von gestern ist auch schon aufgebacken«, rief Christian, und durch den Rundbogen, der das Schlafzimmer mit dem Wohnzimmer verband und mit einem lindgrünen Vorhang verschlossen werden konnte, sah Daniela, wie er eine übertriebene Geste der Einladung in Richtung des kleinen Esstisches machte, der liebevoll gedeckt vor der doppelflügligen Terrassentür stand. »Wenn ich also bitten darf, Mylady?«
»Sofort, Maître. Ich muss nur noch ins Kleid schlüpfen und dich bitten, mir die Knöpfe im Rücken zu schließen.«
»Sie sind an diesem Tisch auch in Ihrer derzeitigen Aufmachung herzlich willkommen, Madame«, entgegnete er scherzhaft und kam zu ihr hinüber. »Einmal ganz davon abgesehen, dass ich dir lieber beim Ausziehen als beim Anziehen helfe.«
»Das glaube ich dir gern, du Nimmersatt!«, sagte sie lachend und strahlte ihn an.
Gerade wollte Daniela das Kleid vom Bett nehmen, als das Telefon auf dem Acryltisch neben der beigen Wohnzimmercouch mit den vielen pastellfarbenen Kissen klingelte. Sie hatte am gestrigen Abend den Anrufbeantworter eingeschaltet, der nun nach dem ersten Klingelzeichen ansprang.
Unwillkürlich machte Daniela zwei rasche Schritte auf das Telefon zu, doch Christian hielt sie im Rundbogen zurück. »Tu es nicht«, bat er sie, mit ihrer Arbeitswut und beruflichen Hektik nur allzu gut vertraut. »Wer weiß, wer das ist.«
Sie schaute auf ihre Armbanduhr. »Es ist zwanzig vor neun, Christian! Von meinen Freundinnen würde so früh keine anrufen. Jedenfalls nicht hier zu Hause. Es kann eigentlich nur das Studio sein«, erwiderte sie und fragte sich automatisch, wer von ihren Angestellten es wohl sein mochte und worum es ging.
»Es ist doch ganz gleichgültig, wer es ist«, sagte er etwas ungehalten. »Offiziell bist du seit dem Wochenende im Urlaub und somit seit zwei Tagen gar nicht mehr zu Hause. Du hast doch gestern Abend extra deinen Anrufbeantworter eingeschaltet, damit du nicht schon wieder mit allem möglichen Kram belästigt wirst.«
Ihr Blick blieb auf die rote Digitalanzeige des Anrufbeantworters gerichtet. rc leuchtete im Displayfenster auf, was bedeutete, dass das Gerät gerade eine Nachricht aufzeichnete.
Es schien sich um eine ziemlich lange Mitteilung zu handeln, denn das Symbol für Aufnahme war noch immer nicht verlöscht. »Ja, schon, aber …«
Er fiel ihr ins Wort. »Vergiss den Anrufbeantworter, und lass uns frühstücken, Liebling. Ich habe einen Mordshunger. Und zu spät sollten wir nun auch nicht losfahren.«
»Du hast selbst gesagt, dass wir uns mindestens bis zehn Zeit lassen können. Ich glaube, ich höre mir doch besser mal an, was da auf dem Band ist. Vielleicht ist es ja wichtig«, sagte sie. »Wer am Montagmorgen um zwanzig vor neun bei mir zu Hause anruft, wird bestimmt gute Gründe dafür haben.«
»So wie du gute Gründe hast, das Band nicht abzuhören und dich einmal nicht um dein Tonstudio zu kümmern!«, erwiderte er energisch. »Du hast mir selbst gesagt, dass gute Leute bei dir in den Stardust Studios arbeiten. Also gib ihnen auch die Gelegenheit, dir zu beweisen, dass sie dein Vertrauen zu Recht verdienen und für zehn Tage alle Probleme allein bewältigen können.«
»Ja, das werde ich auch«, versicherte sie. »Aber ich möchte doch wissen, was das für eine Nachricht war. Vielleicht ist sie ja wirklich belanglos.«
Er verzog das Gesicht zu einer Grimasse und sagte resignierend: »Wie du meinst. Aber wenn es um deine Firma geht, ist doch nichts belanglos.«
Daniela ersparte sich eine Entgegnung, ging zum Anrufbeantworter und drückte die Wiedergabetaste. Das Band lief zum Beginn der Aufzeichnung zurück, der Recorder schaltete auf Play um, und nach dem Signalton drang die raue Stimme ihres stellvertretenden Geschäftsführers Oliver Lück durch den lichten Raum, der mit aprikosenfarbenem Teppichboden ausgelegt war.
»Hallo, Danny, ich bin’s, Oliver. Hoffentlich erwische ich Sie noch zu Hause. Für den Fall, dass Sie schon in Gstaad auf den Brettern stehen, werde ich es nachher bei Ihnen im Hotel versuchen. Ich weiß bloß nicht, wo Marianne Ihre dortige Telefonnummer hingelegt hat. Na ja, sie wird ja spätestens in einer halben Stunde eintrudeln …«
»Komm zur Sache, Oliver!«, sagte Daniela ungeduldig.
»Aber vielleicht haben Sie die den Kasten ja auch laufen, obwohl Sie noch in der Wohnung sind. Also wenn Sie mithören, wäre es besser, Sie würden jetzt abnehmen und sich in meinen Monolog einklinken, Danny. Dieses Blassgesicht von der Versicherung, dieser unsägliche Egon Donner oder Dommers, ich vergess seinen Namen fast so schnell wie sein Gesicht, hat mich nämlich gerade angerufen. Der Kerl hat einen echten Knaller losgelassen. Es scheint, als stünde uns eine Menge Ärger ins Haus. Die Kacke ist ganz schön am Dampfen, wenn es wirklich so kommt, wie er mir gesagt hat. Entschuldigen Sie den unfeinen Ausdruck, aber ich glaube, das trifft die Sache ziemlich genau, denn die Absahner von der Versicherung wollen den Versicherungsschaden vom Rosenmontag nicht bezahlen, stellen Sie sich das mal vor …«
Daniela wurde ganz weiß. »Nein!«, stieß sie mit ungläubiger Bestürzung aus.
Christian, der Kaffee in ihre Tassen gegossen hatte, setzte die Kanne ab und machte eine betroffene, sorgenvolle Miene. »Und ich gehe jede Wette ein, dass sich die Erbsenzähler von der Bank auch heute Morgen noch bei uns melden werden«, fuhr Oliver Lück mit der ihm eigenen schnoddrigen Redeweise fort. »Denn denen hat Egon der Blasse die Entscheidung seiner Versicherung schon per Fax in ihre Chefetage aus Edelholz geschickt, wie er nicht versäumt hat, mir zu sagen. Also melden Sie sich bloß. Denn die Schose ist ein paar Nummern zu groß, als dass ich sie allein über die Bühne bringen könnte und wollte. Tja, das wär’s dann. Denke, das reicht für ‘nen Montagmorgen!«
Es klickte, als Oliver Lück auf legte, und der Anrufbeantworter ging wieder in Aufnahmebereitschaft.
Die Blässe von Danielas Gesicht erschreckte Christian. Er war sofort bei ihr. »Es ist bestimmt bloß halb so schlimm, wie es im Augenblick klingt«, versuchte er sie zu beruhigen.
»Halb so schlimm?«, stieß sie aus. »Mein Gott, bei diesem Schaden geht es um fast vierhunderttausend Mark!«
»Du weißt doch, wie das mit den Versicherungen ist. Mit ihren vollmundigen Versprechungen, was sie alles leisten, und den Prämienerhöhungen sind sie schnell bei der Hand, aber wenn es ans Zahlen geht, winden sie sich erst einmal und versuchen einem die Ansprüche zu beschneiden. Doch da die Sachlage ja ganz eindeutig ist, wird ihnen nichts anderes übrigbleiben, als zu zahlen. Am besten rufst du Lück an und sagst ihm, er soll gar nichts unternehmen, bis du zurück bist.«
»Bis ich zurück bin?«, wiederholte sie verständnislos. »Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich mich jetzt mit dir an den Frühstückstisch setzen und danach in aller Gemütsruhe in den Urlaub fahren kann!«
»Es ist doch nur für zehn Tage, Daniela! Und das mit der Versicherung ist ja keine Terminsache, oder?«, hielt er ihr vor.
»Nein, es geht dabei nur um fast vierhunderttausend Mark!«, antwortete sie gereizt. »Wie kannst du erwarten, dass ich das für die nächsten zehn Tage einfach so aus meinen Gedanken verbanne? Wenn die Versicherung tatsächlich einen Dreh gefunden hat, wie sie sich vor der Zahlung drücken kann, dann stecken die Stardust Studios und damit ich in verdammt großen Schwierigkeiten!«
»Die scheint es in deiner Branche täglich, ja fast stündlich zu geben«, brummte er vor sich hin und dachte an die vielen Pläne für gemeinsame Unternehmungen, die noch jedes Mal geplatzt waren, weil ihr geschäftlich irgendetwas dazwischengekommen war.
»Ich arbeite mit Menschen, Christian, und nicht mit Leinwand und Ölfarben in einem stillen Atelier auf einer kleinen Insel!«, gab sie nicht ohne Schärfe zurück. »Und bevor ich auch nur eine Mark an Gewinn mache, muss ich Hunderttausende in technisches Gerät investieren und jeden Monat pünktlich die Gehälter meiner Mitarbeiter überweisen! Von den Bankverpflichtungen mal ganz abgesehen!«
Er hob die Hände in einer Geste der Abwehr. »Schon gut. Ich weiß, ich versteh nicht viel vom Big Business.«
»Big Business!« Sie lachte kurz und ärgerlich auf und fuhr in ihr Kleid. »Hätte ich mein Geld damals angelegt, stünde ich heute mit dem Erlös aus festverzinslichen Papieren bestimmt besser da.«
»Warum verkaufst du dann die Stardust Studios nicht?«
Sie warf ihm einen geradezu empörten Blick zu. »Und warum hörst du nicht auf zu malen?«
»Okay, so bitterböse, wie du mich jetzt anblickst, habe ich es ja nicht gemeint«, sagte Christian schnell, denn er begriff, dass er einen Schritt zu weit gegangen war und etwas angerührt hatte, wo Daniela sehr empfindlich reagierte. Es bedrückte ihn, dass ihre zärtliche Stimmung wieder einmal jäh in Streit umgeschlagen war.
Daniela schaltete den Anrufbeantworter aus und wählte die Nummer ihres Tonstudios. Dass Christian ihr die Knöpfe auf dem Rücken schloss, merkte sie gar nicht. Unruhig wartete sie, dass am anderen Ende abgehoben wurde. Als das geschah, hatte sie sofort Oliver Lück am Apparat.
»Worum geht es? Was hat Egon Lommers genau gesagt?«, kam sie sofort und ohne Umschweife zur Sache.
Oliver Lück war jedoch kein Mann der kurzen Wege, schon gar nicht im Gespräch. Statt Probleme direkt anzugehen, zog er es vor, sie einzukreisen – und dabei fing er mit dem größtmöglichen Kreis an, wie Charley, ihr bester Toningenieur, einmal so treffend gesagt hatte. Und Oliver Lück machte auch an diesem Morgen keine Ausnahme von seinem Prinzip.
»Sie sind also noch zu Hause und haben meinen Anruf mitgehört, ja? Gott sei Dank. Da fällt mir echt ein Stein vom Herzen. Mann, ich war ganz schön geplättet, als dieser Prämienheini mich vorhin angerufen hat. Ich dachte erst, er wollte mich veralbern. Aber der war so cool am Telefon wie ‘ne fette Schweinebacke frisch aus dem Gefrierschrank. Ich habe schon befürchtet, ich müsste Sie …«
»Oliver!«, fuhr sie ihm scharf ins Wort. »Sparen Sie sich Ihre verbalen Ornamente, und kommen Sie endlich zur Sache! Was hat Egon Lommers gesagt? Und warum will die Versicherung nicht zahlen?«
Sie hörte, wie sich Oliver eine Zigarette anzündete. Dann antwortete er: »Sie wollen uns ‘nen Versicherungsbetrug anhängen, Danny.«
»Wie bitte? Versicherungsbetrug?«, echote Daniela fassungslos. »Das ist doch absoluter Blödsinn!«
»Klar, habe ich ihm auch gesagt. Aber er klang nicht so, als übte er gerade eine Passage für seine nächste Büttenrede. Ich glaube, die wollen uns tatsächlich an die Eier!«
»Da sind sie bei mir aber an die falsche Adresse geraten, Oliver, und das nicht nur im buchstäblichen Sinne!«, stieß Daniela zornig aus. »In einer halben Stunde bin ich da. Dann sehen wir weiter.«
»In Ordnung, Chefin.«
Daniela legte auf.
Christian saß am Frühstückstisch und trank seinen Kaffee schwarz. »Du fährst also in die Firma«, stellte er fest.
»Ja, ich muss. Die Versicherung will uns Versicherungsbetrug anhängen. Dagegen muss ich sofort etwas unternehmen. Oliver hat ganz recht, die Bank wird sich auch noch heute bei mir melden. Ich habe also voraussichtlich eine Menge am Hals, und ich weiß nicht, wie lange es dauert, um die Angelegenheit zu klären.«
Er zog die Brauen hoch. »Was heißen soll?«
»Dass du besser nicht auf mich wartest, Christian«, sagte sie. »Fahr schon vor. Ich komme, so schnell es geht, mit der Bahn nach.«
»Ich kann auch hier warten.«
»Nein. Zu wissen, dass du hier auf mich in der Wohnung wartest, würde mich ganz nervös und kribblig machen.«
»Warum sagen wir unseren Urlaub nicht gleich ab? Dann gäbe es keinen Grund mehr, nervös und kribblig zu sein.«
»Sei doch nicht so böse, Liebster. Ich verspreche dir, dass ich mich beeilen werde.« Sie lief ins Schlafzimmer, um ihre Schuhe aus dem Schrank zu holen. »Und du kannst die Zeit in Gstaad nutzen, dich mit deinem alten Jugendfreund zu treffen, den du doch unbedingt besuchen wolltest.«
»Ich wollte die Tage in erster Linie mit dir verbringen, Daniela.«
Sie schlüpfte in die Schuhe und legte sich den schwarzen Lackgürtel um die Taille. Dann eilte sie zu ihm ins Wohnzimmer zurück. »Das wirst du auch, nur etwas später als geplant. Morgen, spätestens übermorgen komme ich nach, das verspreche ich dir«, tröstete sie ihn und sah ihn mit ihren blauen Augen um Verständnis bittend an.
Er gab einen Stoßseufzer von sich und stand auf, um ihr in den Trenchcoat zu helfen. »Also gut, du hast gewonnen, ich fahre vor. Doch spätestens übermorgen Abend hole ich dich in Gstaad vom Bahnhof ab.«
»Ja, gut, einverstanden. Aber jetzt muss ich los!« Sie schlang ihre Arme um seinen Hals und küsste ihn. Dieser Kuss fiel allerdings nicht so lange und so leidenschaftlich aus, wie er es sich gewünscht hätte. Er wusste auch, warum dem so war. Körperlich mochte sie noch bei ihm sein, doch mit ihren Gedanken befand sie sich schon längst woanders.
Er brachte sie zur Tür. Sie hatte es so eilig, dass sie sogar darauf verzichtete, auf den Fahrstuhl zu warten. Er hörte sie das Treppenhaus hinunterhasten. Das schnell leiser werdende Stakkato ihrer Absätze deprimierte ihn, erschien es ihm doch irgendwie symbolisch für ihre Beziehung.
»Für wen hält mich dieser Wichtigtuer überhaupt? Für einen drittklassigen Talente-Scout, der auf der Suche nach einer zukünftigen Nummer 97 des europäischen Schlager-Grand-Prix über die Dörfer tingelt?«
Alan Byrd hieb wütend auf die Bedienungstasten des Kassettenrecorders seiner Multi-Media-Anlage, für deren Preis man schon einen ordentlichen Mittelklassewagen aus dem Land der aufgehenden Sonne bekommen hätte. Er riss die Demo-Kassette, die seinen Wutausbruch ausgelöst hatte, aus dem lautlos hervorgleitenden Recorderwagen, schwang in seinem ledernen weißen Chefsessel zu seinem modernen L-förmigen Designerschreibtisch herum und schleuderte das Band in den Papierkorb.
»Stupid Bastard!«
Die Tür zu seinem Büro, das sich in der obersten Direktoren-Etage der Plattenfirma Goldcoast Records in einem Kölner Hochhaus befand und jeden Besucher unter anderem mit einer zehn Meter langen Fensterfront beeindruckte, ging auf, und eine vollschlanke, brünette Frau in den Fünfzigern trat in das Zimmer. Es war Doris Maier, seine Sekretärin, die eine unübersehbare Vorliebe für weiße Rüschenblusen mit großen Kragenschleifen besaß.
»Welche Laus ist Ihnen denn nun schon wieder über die Leber gelaufen, Herr Byrd?«, fragte sie, vorwurfsvoll in Blick und Tonfall. Ihr neuer Chef hatte sie zwar schon mehrmals gebeten, ihn nur mit seinem Vornamen anzureden, wie das wohl in Kalifornien, wo die Zentrale von Goldcoast Records angesiedelt war und wo Alan Byrd herkam, und auch sonst überall in den Staaten üblich war, doch sie hielt das für eine amerikanische Unsitte und dachte nicht daran, sie zu übernehmen, nur weil sie für eine amerikanische Firma arbeitete. Dies war immerhin Köln und nicht Los Angeles, und ein wenig Distanz und Respekt hatte noch keinem geschadet.
»Laus? Peter Kreuter kann man kaum eine Laus nennen. Ochse oder Rhinozeros treffen ihn da schon viel besser«, schimpfte Alan Byrd und griff nach seinen Mentholzigaretten.
Doris Maier machte ein pikiertes Gesicht. »Aber Herr Byrd! Sie können doch nicht so … beleidigend über unseren Product-Manager sprechen!«, tadelte sie ihn.
Die Packung war leer. Er knüllte sie zusammen, warf sie in den Papierkorb und holte dabei das Demo-Band heraus. »Und ob ich das kann, Doris! Die Zentrale hat mich nicht hierhergeschickt, damit ich mir den Hintern in diesem feudalen Büro platt sitze und mir die ersten Tastversuche von milchbärtigen Hinterhofrockern anhöre, die sich für einen zweiten Bruce Springsteen oder eine bessere Ausgabe von Madonna halten. Unser überaus geschätzter Product-Manager schickt mir aber laufend solchen Schrott und erwartet, das ich mir das auch anhöre. Heute Morgen haben ich von ihm diesen Mist mit einem seiner Memos auf den Tisch bekommen. Hier!« Er warf ihr die Kassette zu, die sie reflexartig auf fing. »Hören Sie sich das Band an. Wenn Sie es schaffen, bis zum zweiten Song zu kommen, lade ich Sie ganz groß im Dom-Hotel zum Essen ein.«
»Ich bin nun wirklich die falsche Adresse für Rockmusik, Herr Byrd!«, wehrte sie ab.
Ein sarkastisches Lächeln trat auf sein Gesicht. »Keine Sorge. Der Bursche, der sich da auf dem Band abquält, soll die Nachfolge von Howard Carpendale antreten – wenn ich das Memo von Peter Kreuter richtig verstanden habe. Doch ich glaube nicht, dass wir genug Masochisten dazu bringen können, nicht nur Platten von ihm zu kaufen, sondern sie sich auch noch zu Gemüte zu führen.«
»Sie lassen aber wirklich kein gutes Haar an Herrn Kreuter«, sagte sie fast unglücklich.
»Vielleicht tue ich ihm unrecht. Möglicherweise ist ihm sehr wohl klar, was für ein Müll das ist, den er mir da auf den Tisch gelegt hat. Ja, so tief danebengreifen kann man gar nicht. Es steckt Absicht dahinter. Und das kann nur bedeuten, dass er plant, ein neues Label auf den Markt zu bringen: Maso-Musik. Oder fänden Sie Abart-Pop besser?«
Sie schüttelte den Kopf und machte eine Miene, als verzweifelte sie. »Seien Sie doch nicht so geschmacklos und zynisch, Herr Byrd!«, bat sie ihn. »Irgendwie passt das so gar nicht zu Ihnen!«
»Hören Sie ins Band rein, und dann sprechen wir uns wieder. Aber vorher seien Sie bitte so nett und holen mir eine Schachtel Zigaretten aus dem Automaten, ja?«
»Sie sollten weniger rauchen!«
»Erinnern Sie mich daran, dass das zum nächsten Silvester wieder auf die Liste meiner ewigen guten Vorsätze kommt, Doris«, sagte er mit einem jungenhaften Grinsen.
Seufzend verließ sie das Zimmer.
Alan Byrd saß einen Moment unschlüssig am Schreibtisch. Dann griff er zum Telefonhörer und wählte Peter Kreuters Nummer. Besser, er brachte es gleich hinter sich, statt die Sache vor sich herzuschieben.
Dessen Sekretärin stellte ihn sofort durch. »Oh, Sie sind es, Alan. Ich habe nicht damit gerechnet, dass Sie sich schon so schnell melden«, sagte Peter Kreuter in seiner betont munteren Art, die Alan schon ein Graus war. »Aber es freut mich natürlich. Ich nehme an, Sie haben sich das Demo-Band von Billy Cane angehört? Wie finden Sie ihn?«
»Seine Musik ist genau das Richtige, um eine neue Arbeitswoche zu beginnen«, sagte Alan sarkastisch und fügte in Gedanken hinzu: Denn schlimmer kann es danach gar nicht mehr kommen.
»So? Ja? Sie finden ihn also auch vielversprechend?« Peter Kreuter klang erfreut.
»Zumindest hat er mich munter gemacht und meinen Adrenalinspiegel um einiges ansteigen lassen, Peter.«
»Oh, das klingt jetzt aber mehr nach Vorbehalten.«
»Ja, so könnte man es auch nennen.« Seine Sekretärin erschien in der Tür. Er winkte sie zu sich, nahm die Zigaretten mit einem Nicken entgegen und dankte ihr mit einem Lächeln. »Meine Begeisterung hält sich in sehr bescheidenen Grenzen.«
Kreuter?, formte sie stumm den Namen des Product-Managers.
Alan nickte, während sein Gesprächspartner am anderen Ende nach einer kurzen Pause ein sehr reserviertes »So? Na ja …« von sich gab.
»Aber was ich von diesem Billy Cane halte, ist eigentlich auch völlig ohne Belang, Peter. Gut möglich, dass Sie das bessere Feeling haben. Und wenn Sie meinen, aus ihm könnte man etwas machen, sollten Sie ihn im Auge behalten«, schwenkte Alan Byrd nun auf die sanfte, diplomatische Tour um, was ihm einige Mühe bereitete, denn er hielt nicht viel von Peter Kreuter. Aber auch wenn er von der Zentrale mit besonderen Aufgaben und besonderen Vollmachten in die deutsche Tochterfirma entsandt worden war, war es nicht ratsam, sich schon in den ersten Wochen Feinde im Haus zu schaffen. Er hatte auch so bereits gegen genug Hindernisse anzukämpfen, denn keine Tochterfirma liebt es, wenn man ihr aus dem Mutterhaus einen »Ausputzer« ins Nest setzte, damit dieser das Schiff wieder auf Kurs brachte. Denn damit attestierte man den Verantwortlichen, dass sie es aus eigener Kraft nicht geschafft hatten und dass man in Los Angeles davon überzeugt war, dass sie es auch in Zukunft nicht schaffen würden.
»Hm, ja …« Peter Kreuters Stimme hatte noch immer einen beleidigten Tonfall.
»Vielleicht sollten Sie ihm sogar einen Vorvertrag geben und ihn somit erst einmal für Goldcoast Records parken, bis Sie wissen, ob er für eine Produktion taugt. Sie werden es schon machen, Peter, mit Ihrer Erfahrung«, schmeichelte Alan ihm, und es kostete ihn große Überwindung.
Aber er hatte einen wichtigen Job zu erledigen und musste sich dafür den Rücken freihalten. Und ein Mann wie Peter Kreuter war in diesem Dschungel innerbetrieblicher Intrigen für jeden Dolchstoß aus dem Hinterhalt gut …
Doris Maier lächelte erleichtert, dass sich ihr neuer Chef so moderat gab. Wenn sie einmal von einigen seiner amerikanischen Unsitten absah, war er eigentlich ein sehr angenehmer Vorgesetzter, wie sie freimütig zugeben musste. Er war weder launisch noch ungerecht und wusste genau, was er wollte und was nicht. Er verstand sein Geschäft, kein Zweifel. Deshalb hatte man ihn wohl auch geschickt und weil er ein ausgezeichnetes, fast akzentfreies Deutsch sprach. Zudem stellte er rein äußerlich etwas dar.
Alan Byrd, laut Personalbogen in Washington geboren und gerade achtunddreißig Jahre alt geworden, besaß die schlanke Figur eines Dressmans und eine Vorliebe für elegante italienische Mode. Die Zusammenstellung seiner Anzüge, Hemden und Krawatten hatte stets eine ganz besondere Note, die Eleganz mit einer Lässigkeit kombinierte, wie sie nur wenigen gelang. Sein Gesicht hatte mit der hohen Stirn und der geraden Nase klassische Züge. Unter dichten Brauen, die so glatt und schwarz waren wie sein kurzgeschnittenes Haar, lagen tiefgründige, wachsame Augen. Ein kleines Grübchen fand sich in der Mitte seines Kinns.
Doris Maier nickte ihm noch einmal wie aufmunternd zu und kehrte beruhigt in ihr Vorzimmer zurück.
»Daran habe ich auch schon gedacht, Alan«, sagte Peter Kreuter mit versöhnlicher Stimme. »Wie ich die Szene im Augenblick beurteile …«
Alan Byrd interessierte es nicht im Geringsten, wie Peter Kreuter die Szene beurteilte, denn wenn er mit seinen bisherigen Einschätzungen und dementsprechenden Einkäufen richtig gelegen hätte, wäre er, Alan, nicht nach Köln abkommandiert worden. Aber er ließ ihn reden und hörte zu. Dabei riss er die Packung auf, steckte sich eine Zigarette an und begnügte sich mit einsilbigen Kommentaren, die alles und nichts bedeuten konnten.
Endlich kam Kreuter zum Schluss, und nun sagte Alan: »Sie können mir einen Gefallen tun, Peter.«
»Nur heraus damit. Wenn es in meiner Macht steht, tue ich es gerne.«
»Schicken Sie mir zukünftig doch bitte keine weiteren Demos von talentierten Nachwuchskünstlern. Es ehrt mich ja, dass Sie an meinem Urteil interessiert sind, aber die Förderung neuer Künstler fällt nicht in den Aufgabenbereich, mit dem man mich in Los Angeles betraut hat«, sagte er so taktvoll wie eben möglich. »Mein Job ist es, unserem europäischen Pop-Programm einen gehörigen Push zu geben, der Konkurrenz ein paar große Namen abzujagen und Goldcoast Records wieder attraktiv für namhafte Künstler zu machen. Damit bin ich wirklich ausgelastet genug, als dass ich mich noch auf das schwierige Feld des Nachwuchs-Scouting begeben könnte. Ich wäre Ihnen deshalb dankbar, wenn Sie mir den Tisch von solchen Sachen freihalten würden.«
»Natürlich, ich verstehe, Alan. Aber falls mir ein wirklicher Hammer unterkommt …«
Alan verzog das Gesicht und stöhnte stumm auf. »Sicher, dann lassen Sie es mich wissen, Peter. Oh, ich muss Schluss machen. Ich habe ein Überseegespräch auf der anderen Leitung«, log er. »Ja, wir sehen uns. Bis dann.« Erleichtert und in der Hoffnung, zukünftig von Peter Kreuters wüsten Entdeckungen verschont zu werden, legte er auf.
Eine halbe Stunde später meldete sich Doris auf der Gegensprechanlage. »Herr Byrd?«
Er drückte die Sprechtaste. »Ja, Doris? Was gibt es?«
»Hier ist eine Vanessa Chesterfield, die Sie unbedingt sprechen …« Sie brach mitten im Satz ab und rief ungläubig und empört: »Halt, warten Sie! Sie können doch nicht einfach …« Alan wusste sehr wohl, was Vanessa alles konnte, wenn sie es sich in den Kopf gesetzt hatte. Die Tür flog im nächsten Moment auf, und seine Freundin rauschte mit wehendem Pelzcape ins Zimmer, als hätte sie diesen Auftritt unzählige Male geübt. Aber für ein routiniertes Fotomodell wie sie war solch eine Inszenierung vor kleinem, ausgewähltem Publikum keine große Affäre. Das beherrschte sie aus dem Handgelenk, an dem Goldarmbänder klirrten. Unter dem Cape trug sie einen hautengen Hosenanzug aus schwarzer Seide, der mit goldenen Stickereien verziert war. Für diese Jahreszeit war der Hosenanzug viel zu dünn, brachte aber ihre traumhafte Figur sehr nachdrücklich zur Geltung, und allein das zählte. Ihre langen blonden Haare, ganz auf Löwenmähne gestylt, bildeten einen phantastischen Kontrast zum Schwarz ihres Outfits, dem warmen Braun ihrer Haut und dem Lagunengrün ihrer Augen. Sie war zweifellos eine Schönheit, und zusammen mit ihrem Talent, sich vor der Kamera zu bewegen und sich ganz nach Bedarf ihrer Auftraggeber in einen Vamp oder die verlockende Unschuld zu verwandeln, hatte sie diese Schönheit zu einer erfolgreich sprudelnden Geldquelle gemacht – ohne jemals darauf angewiesen zu sein.
»Hallo, Darling!«, rief sie mit einem strahlenden Lächeln, das Alan sofort ein ungutes Gefühl gab. Oft genug hatte er erfahren, dass ein solches Strahlen die getarnte Vorhut eines schweren Unwetters war.
Sie ließ das Cape mit einer sparsamen Bewegung, die zu erlernen eine weniger talentierte Frau wochenlang zur Verzweiflung gebracht hätte, von ihren Schultern gleiten. Wortlos und mit der Selbstverständlichkeit einer Frau, die von Kindesbeinen an gewohnt war, bedient zu werden, drückte sie den Pelz der Sekretärin in die Hand, die ihr nachgeeilt war. »Entschuldige, dass ich so unangemeldet hereinplatze, aber ich verspreche dir, dass ich dich auch bestimmt nicht lange von deiner so wichtigen Arbeit abhalte, Darling. Ich bin wirklich gleich wieder weg.«
Alan kam hinter dem Schreibtisch hervor und gab Doris mit einem Nicken zu verstehen, dass mit diesem unangemeldeten, überfallartigen Besuch schon alles seine Richtigkeit habe.
Mit ärgerlicher Miene und dem Cape in den Händen, das Alan Byrd seiner Freundin im September in Los Angeles bei hochsommerlichen Temperaturen in einem winterlich klimatisierten Nobelgeschäft auf dem Rodeo Drive, der wohl teuersten Einkaufsstraße der ganzen Westküste, gekauft hatte, zog sie die Tür etwas schroff hinter sich zu.
»Du siehst hinreißend aus, Vanessa«, sagte Alan und wollte ihr einen Kuss geben, doch sie richtete es durch eine rasche Drehung des Kopfes so ein, dass er sich mit ihrer Wange begnügen musste.
»Ja, findest du?« Sie strich sich über die Hüften und blickte ihn dabei von der Seite an, als bezweifelte sie seine Urteilskraft. Dann zuckte sie mit den Schultern, wie über eine Lappalie, über die es sich gar nicht nachzudenken lohnte, und sagte mit einem honigsüßen Lächeln: »Ich wäre auch zu Tode betrübt gewesen, wenn es dir nicht gefallen hätte. Es ist ein kleines Mitbringsel aus Paris. Irgendwie musste ich mich ja trösten.«
»Ich konnte dich wirklich nicht begleiten, Vanessa, so sehr ich es auch bedauert habe. Das habe ich dir doch lang und breit erklärt.«
»Ja, ich erinnere mich dunkel. Du sagtest irgend etwas von einem Meeting, nicht wahr?«
Vanessa lächelte noch immer, und das war ein ganz böses Zeichen. Alan wurde immer mulmiger zumute. Er gab ihr Feuer, als sie ihre Handtasche von Hermès aufschnappen ließ und einem Krokoetui eine ihrer extrem langen und extrem dünnen Zigaretten entnahm.
»Komm, setz dich«, forderte er sie auf und wollte mit ihr zur Sitzgruppe aus perlgrauem Leder hinübergehen, über der als gerahmtes Poster die Marilyn-Monroe-Collage von Andy Warhol hing. »Möchtest du ein Glas Schampus oder Kaffee oder vielleicht beides?«
»Ganz reizend von dir, Darling«, bedankte sie sich und legte den Kopf in den Nacken, um den Rauch fast senkrecht zur Decke zu blasen. »Aber so viel Zeit habe ich nicht mehr. In nicht ganz zwei Stunden geht mein Flieger, und mein Taxi wartet unten.«
»Was für ein Flieger?«, fragte er verständnislos. »Ich denke, du bist heute Morgen erst aus Paris gekommen?«
»Richtig, Darling«, sagte sie. »Aber ich mache diesmal nur einen kurzen Zwischenstopp in Cologne.«
»Und wo willst du jetzt hin?«, fragte er, und plötzlich befiel ihn eine dunkle Ahnung. Wie eine Platte aus Blei drückte sie auf seine Brust.
»Nach L.A., Sweetheart«, flötete sie, und während das trügerische Lächeln auf ihrem makellos geschminkten Gesicht verharrte, trat ein harter Glanz in ihre Augen. »Und dort werde ich auch bleiben. Ich habe genug von Deutschland – und von dir. Affären kann ich auch in Kalifornien haben, und zwar bedeutend bequemer und amüsanter.«
Alan erblasste. »Vanessa, das kannst du mir nicht antun!«
»Und ob ich das kann«, sagte sie leichthin. »Ich bin jetzt neunundzwanzig und es leid, solch ein Leben zu führen, Darling. Ich kannte mal einen Manager im Musikbusiness von L.A., der überaus aufmerksam und vielversprechend war, ich meine als Mann, mit dem man sich eine gemeinsame Zukunft vorstellen kann, nicht als Troubleshooter für die Firma und als Zauderer im Privatleben. Aber dieser Alan Byrd ist mir irgendwo zwischen den Staaten und Europa abhanden gekommen. Wie auch immer, du hast deine Chance gehabt, Darling. Jetzt werden die Karten neu gemischt.«
»Vanessa, du kannst mich doch nicht so zwischen Tür und Angel …«, setzte er zu einem beschwörenden Protest an.
Doch sie fiel ihm kühl ins Wort. »Ich habe dir oft genug gesagt, dass ich dieses Leben als Schmetterling unter Schmetterlingen, die von Blume zu Blume flattern, für eine Zeitlang ganz amüsant finde. Aber ich habe dir auch gesagt, dass ich fest entschlossen bin, mit dreißig verheiratet zu sein.«
»Himmel, wie kann eine Frau wie du bloß so eine unsinnige Torschlusspanik haben!«
»Das hat mit Torschlusspanik nicht das Geringste zu tun, Alan, sondern mit festen Prinzipien und Vorstellungen, die man vom eigenen Leben hat«, erwiderte sie, ohne die Ruhe und ihr Lächeln zu verlieren. »Ich komme aus einer Familie, in der man nicht unbedingt eine Karriere machen muss, um sich zu beweisen. Ich bin eine geborene Chesterfield, falls du das vergessen haben solltest.«
»Wie könnte ich«, murmelte er und griff nervös zu seinen Mentholzigaretten.
»Die Chesterfields sind kein x-beliebiger Familienclan, sondern eine einflussreiche Dynastie«, fuhr sie fort. »Und ich habe die feste Absicht, dass eines Tages auch meine Kinder dasselbe mit demselben Stolz sagen werden!«
»Das verstehe ich ja, Vanessa. Aber müssen wir das denn jetzt übers Knie brechen und im Stehen zerreden?«
Ihr Lächeln wurde noch um eine Spur strahlender. »Nein, natürlich nicht, Darling. Wir werden gar nichts mehr zerreden, denn ich verlasse dich.«
Er sah sie nur an, unfähig zu einer Erwiderung. Dass sie es ernst meinte, wusste er. Deshalb unternahm er auch keinen Versuch mehr, sie umzustimmen.
»Der Schlüssel für die Wohnung, Sweetheart.« Sie hielt ihn mit spitzen Fingern und ließ ihn in die Brusttasche seiner Anzugjacke fallen.
»Du wirst mir verdammt fehlen, Vanessa«, brachte er nun mühsam heraus.
»Sollte dein Gefühl des Verlustes stark genug sein, weißt du ja, wo du mich findest, Darling«, erwiderte sie mit sanfter Stimme. »Aber das einzige Wiedersehensgeschenk, das ich dann von dir akzeptiere, ist ein Ehering. Und in dem Fall muss er noch nicht einmal einen Diamanten haben.«
»Das ist Erpressung, und das weißt du!«
Lächelnd schüttelte sie den Kopf. »Nein, es ist ein liebevolles und großzügiges Angebot, das du ebenso annehmen wie ausschlagen kannst«, widersprach sie, hauchte einen Kuss neben seine Wange in die Luft und rauschte so hoheitsvoll und selbstbewusst aus seinem Büro, wie sie hereingeschneit war. Tief erschüttert sackte Alan in seinen ledernen Drehsessel mit der hohen Rückenlehne. Vanessa hatte wahrhaftig Ernst gemacht und ihn verlassen! Ohne jede Vorwarnung, zumindest ohne ausdrückliche. Sie flog nach Kalifornien zurück. Und damit zog sie einen brutalen Schlussstrich unter zwei Jahre, die er im Großen und Ganzen für zwei glückliche Jahre gehalten hatte.
Sollte er ihr zum Flugplatz nachfahren? Nein, das war Unsinn. Vanessa war keine Frau, die sich leicht umstimmen ließ. Wankelmut gehörte gewiss nicht zu ihren Eigenschaften. Sie hatte jedes Wort so gemeint, wie sie es gesagt hatte. Nur ein Ehering konnte sie mit ihm versöhnen. Aber er dachte gar nicht daran, sich von ihr erpressen zu lassen. Von keiner Frau! Auch nicht von Vanessa! Er wusste nur zu gut, was die Ehe aus einer ehemals glücklichen Beziehung machen konnte. Wer darauf scharf war und ohne den Trauschein nicht glücklich sein konnte, der sollte seinetwegen vor den Altar treten. Aber das alleinseligmachende Rezept war die Ehe bestimmt nicht. Schon gar nicht, wenn man dahin gedrängt wurde.