Jared kehrt zurück - Regina Mars - E-Book

Jared kehrt zurück E-Book

Regina Mars

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Beschreibung

»Wo warst du, Jared?« Seit Tims bester Freund die beschauliche Kleinstadt verlassen hat, sind zehn Jahre vergangen. Doch Jared kehrt zurück. Als er in Tims Buchhandlung marschiert, bekommt der den Schock seines Lebens: Aus dem rüpelhaften Bad Boy ist ein sexy Holzfällertyp geworden, dessen raue Stimme Tim fast zum Schmelzen bringt. Sofort ist das alte Herzklopfen wieder da ... das vollkommen unerwünschte Herzklopfen. Schließlich hat Jared kein Interesse an ihm, oder? Oder? Jared wollte nicht nach Two Rivers Kissing zurückkehren. Niemals. Aber ein Wunsch, den er nicht abschlagen kann, zwingt ihn zurück. Zurück zu Tim Summers, seinem ehemals besten Freund, dem niedlichsten Bücherwurm der Welt, dem er all seine Geheimnisse anvertraut hat. Bis auf eins: seine Gefühle für ihn. Folge den beiden in eine verschneite Kleinstadt in Oregon, erlebe Küsse, die nach Cupcakes schmecken, leidenschaftliche Stunden im Lager einer Buchhandlung und verliebe dich mit!

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Zehn Jahre später
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Ein Jahr später

 

Vor zehn Jahren

 

 

»Ich schaffe das nicht«, brachte Tim hervor. Seine Hände waren schweißnass und sein Kopf ein rauschendes Chaos. Er sah die Bäume kaum, an denen sie vorbeirasten. »Ich glaube, ich muss spucken.«

Jared lachte. Das hätte Tim ärgern können, aber seltsamerweise beruhigte es ihn. Wie immer. Tief einatmend sah er sich zu seinem besten Freund um. Der saß am Steuer, gelassen und so muskulös, dass seine Schultern fast Tims berührten.

»Echt«, sagte Tim. »Ich bin so verdammt nervös.«

Jared sah sich zu ihm um. Helle Augen musterten Tim. Wolfsaugen, hatte er mehr als einmal gedacht, und sich dann geschämt. Jared war kein Raubtier. Er war ein netter Kerl. Egal, was alle sagten und egal, wie Jared aussah, mit seinen fast zwei Metern, dem rasierten Kopf und den Kampfstiefeln. Tim wusste, dass Jared innen drin ganz anders war. Was er mal wieder bewies, indem er Tim zu seinem Promdate fuhr. Ein Date, das er am liebsten vergessen würde.

»Bestimmt hat Tyler nur aus Mitleid gesagt, dass er mit mir geht.« Tim holte tief Luft und es fühlte sich an, als würde kein bisschen Sauerstoff seine Lungen erreichen. Das Innere von Jareds Camaro war stickig vom Geruch seiner Angst. »Bestimmt bereut er, dass er Ja gesagt hat. Oh Gott. Vielleicht ist er gar nicht da.«

»Er wird da sein.« Jareds Bass war so beruhigend wie eine Umarmung und mit einem Mal bekam Tim wieder Luft. »Der wäre doch ein Trottel, wenn er nicht mit dir da hin will.«

»Wieso?«

»Weil er total auf dich steht.«

Tim blinzelte. »Was, echt? Äh. Hat er dir das erzählt oder was?« Er konnte sich nicht erinnern, dass Jared und Tyler je miteinander sprachen.

»Nee. Das sieht man.« Jared verzog den Mund. »Als du ihn gefragt hast, da hat er geschaut, als hätte er im Lotto gewonnen. Und hinterhergestarrt hat er dir, als wärst du … keine Ahnung. Ein Käsesteak.«

»Igitt.« Tim lachte nervös. Jared lachte ebenfalls, vollkommen selbstsicher. Sie waren gleich alt. Wie kam es, dass Jared mit achtzehn schon ein Mann war und Tim immer noch ein verunsicherter kleiner Junge? »Hat er mich echt so angeschaut?«

»Hat er.«

»Ah. Gut zu wissen. Als ich ihn gefragt habe, war ich damit beschäftigt, auf meine Schuhe zu schauen und nicht zu kotzen.«

»Hat doch geklappt.«

»Ja. Immerhin.« Wenn Jared eins seiner Mädels fragte, ob sie mit ihm ausgehen wollten, schaffte er es vermutlich, ihnen in die Augen zu schauen. Und locker zu sein. Tim war einmal dabei gewesen, als er Christy vorgeschlagen hatte, bowlen zu gehen, und wäre vor Bewunderung fast umgefallen. Niemand auf der ganzen High School war selbstbewusster als Jared. Absolut niemand. Was es noch erstaunlicher machte, dass sie beste Freunde waren.

Tim rückte seine Brille zurecht und zog an den Ärmeln seines Anzugs. Der hatte seinem Dad gehört und war ihm mindestens zwei Nummern zu groß.

»Fühlt sich an, als wäre mein ganzes Leben zwei Nummern zu groß«, murmelte er.

»Was laberst du?«

»Nichts.« Tim seufzte. »Ich bin ein Feigling. Ich werde mich nicht mal trauen, mit Tyler zu reden … wenn er überhaupt da ist.«

»Er ist da. Und du redest mit ihm.« Jared schnaubte.

»Warum kann ich nicht mutiger sein?«

»Du bist mutig.«

»Ich scheiße mich fast ein, wenn ich Tyler bitte, mein Prom Date zu sein. Das ist doch nicht mutig.«

»Klar ist es das. Ihr seid bestimmt die ersten Kerle, die zusammen zur Prom gehen.«

»Oh. Meinst du, das macht ihm was aus?«

»Wenn es ihm was ausmacht, ist er ein Trottel.« Jared war nicht besonders gut auf Tyler zu sprechen und Tim wusste nicht, warum. »Hey, sieh’s mal so: Du hattest die Eier, etwas zu tun, das sich in diesem Kaff seit der Gründung niemand getraut hat. Du bist ein Pionier oder so.«

»Ein Pionier, der dir gleich das Armaturenbrett vollkotzt.« Rechts und links zogen Ahornbäume und Douglasien vorbei, aber gleich würden die ersten Häuser zu sehen sein. »Fahr rechts ran.«

»Musst du spucken?« Elegant riss Jared das Steuer herum und brachte den Wagen zum Stehen.

»Nein. Glaube ich.« Tim schloss die Augen. »Ich brauch nur einen Moment, bevor wir in Two Rivers ankommen.«

Two Rivers Kissing war eine Kleinstadt, nur eine Viertelstunde von dem Trailerpark entfernt, in dem sie beide lebten. Tim mit seiner Familie und Jared mit seiner Pflegefamilie. Den Namen verdankte die Stadt den beiden Flüssen, die sich hier im Tal trafen und vereinten. Es war eine wunderschöne Stadt, fand Tim, und wenn es nach ihm ginge, würde er für immer hierbleiben. Normalerweise. Gerade wollte er Jared bitten, mit ihm zu fliehen, irgendwohin, und nie mehr wiederzukommen.

»Hey.« Jareds Pranke drückte Tims Schultern, erstaunlich sanft. »Du packst das. Du hast vorher immer Schiss, aber dann rockst du die Sache. Wie die Rede in der Bücherei. Oder das Querflöten-Konzert.«

»Querflöte zu spielen ist so uncool«, murmelte Tim. »Warum will Tyler mit jemandem zur Prom, der so uncool ist wie ich?«

»Tim.« Jared klang wie jemand, der kurz davor war, die Geduld zu verlieren. »Du bist cool. Cooler als jeder andere in diesem Kaff. Verglichen mit dir sind alle anderen Feiglinge.«

»Haha.«

»Echt. Du machst das, was du willst und was dir … na ja, wichtig ist. Querflöte spielen, tanzen und Tyler um ein Date bitten. Und es ist dir egal, was die anderen sagen.«

»Es ist mir überhaupt nicht egal.«

»Jou. Und du machst es trotzdem. Das ist noch viel cooler, als wenn es dir egal wäre.«

Tim war nicht sicher, dass Jareds Logik funktionierte. Aber er entspannte sich langsam. »Danke.«

Jared zuckte mit den Achseln und sah auf die Straße.

»Nein, echt. Danke, Jared. Du … Danke, dass du mir Mut machst. Danke, dass du mich zu Tyler fährst.« Tim nahm Jareds Hand und drückte sie.

Es war eine gute Hand: breit, stark und verlässlich. Tim hatte in letzter Zeit oft daran gedacht, diese Hand zu nehmen, in einem ganz und gar nicht freundschaftlichen Kontext. Aber das konnte er Jared nicht sagen. So viel zum Mut.

Und glücklicherweise war Tim irgendwann aufgefallen, wie sehr er Tylers Lächeln mochte, und wie Tylers Blick oft einen Moment zu lang auf seinen Lippen verharrte, wenn sie in Chemie Partner waren.

Glücklicherweise. Tyler zu sagen, dass er ihn mochte, war furchteinflößend und schrecklich. Jared zu sagen, dass er ihn mochte, war ganz und gar unmöglich.

»Danke«, wiederholte Tim und lächelte. »Okay. Mir geht es wieder gut. Ich verspreche, dass ich aufhöre zu jammern, bis wir bei Tyler sind. Und morgen mache ich uns Pizza, okay?«

»Okay.« Jareds langsames Grinsen ließ ihn noch männlicher aussehen. Etwas zerrte in Tims Brust, aber er ließ nicht zu, dass das Gefühl sich ausbreitete. »Ich nehme Anchovis und Barbecuesoße.«

»Kriegst du.« Tim ließ Jareds Hand los, die er schon viel zu lange gehalten hatte. »Mit doppeltem Mozzarella.«

»Nice.« Jared streckte sich, sein flacher Bauch kam zum Vorschein und Tim schaute schnell weg. Zu spät. Er hatte schon die Linie aus feinen Haaren gesehen, die dort abwärts lief, und die ihn viele Nächte lang beschäftigt hatte. »Dann bring ich dich mal zu diesem Trottel und wenn er dich nicht gut behandelt, rufst du mich an, klar?«

»Klar. Aber Tyler ist echt nett.« Tim räusperte sich.

»Echt nett scharf auf dich«, knurrte Jared und Tim lachte. »Ehrlich. Der schaut dich an, als wollte er dich fressen.«

»Haha.« Die Nervosität, die endlich verschwunden war, rauschte zurück. »Meinst du das ernst? Meinst du, er will mich … also …«

»Vögeln?«

»Küssen! Ich habe von Küssen gesprochen!« Tim richtete sich auf. Seine Brille rutschte die Nase hinunter. Sie war ein billiges Modell von Walmart und machte sich dauernd selbständig.

Jared sah ihn ungläubig an. »Ja, klar will der dich küssen. Aber danach will er mehr, garantiert.« Drohend sah er Tim an. »Tu nichts, was du nicht willst, klar? Und wenn er dich überreden will, verpass ihm eine.«

Tim starrte ihn an. »Ich hab noch nie jemanden geküsst«, platzte er heraus. »Wie soll ich denn an … an mehr denken?« Nicht, dass der Gedanke an mehr so unangenehm war. Es war nur, als würde man versuchen, eine ganze Hochzeitstorte auf einmal zu verspeisen statt ein einziges Stück zu essen.

»Noch nie?« Jared wirkte ehrlich überrascht.

»Du bist mein bester Freund.« Tim verschränkte die Arme. »Wenn ich jemanden geküsst hätte, dann hätte ich dir ja wohl davon erzählt.«

Jared blickte nachdenklich durch die Windschutzscheibe auf die Straße. Über ihnen hing die Nachmittagssonne und warf lange Schatten auf den Asphalt. »Stimmt wohl.«

»Das wird eine Katastrophe«, flüsterte Tim. »Tyler wird versuchen, mich zu küssen, und ich werde es verkacken. Garantiert.«

»He, ganz ruhig.«

Tim legte das Gesicht in die Hände. »Ich pack das nicht.«

Jared hatte ganz offensichtlich ein schlechtes Gewissen. »Du packst das. Auf jeden Fall. Küssen ist das Leichteste auf der Welt.«

»Das sagst du so leicht. Du hast ja Ahnung davon.« Tim schreckte hoch. »Kannst du es mir zeigen?« Flehend sah er Jared an. »Kannst du mir zeigen, wie es geht?«

Jared starrte ihn an und schwieg, genau lange genug, dass Tim Zeit hatte zu kapieren, was für einen peinlichen Mist er gelabert hatte. Fuck!

»Ich meine …«, begann er und hob die Hände.

»Okay.« Jared zuckte mit seinen gigantischen Schultern, als hätte Tim ihm nicht den seltsamsten Vorschlag seit Beginn ihrer Freundschaft gemacht.

»Was, echt?« Hitze kroch in Tims Wangen. Mit einem Mal war er sich noch bewusster, wie Jared roch: nach frisch geschnittenem Gras, weil er heute Morgen Mrs. Drexlers Rasen gemäht hatte, und nach Motoröl, weil sein uralter Camaro vorhin gezickt hatte. Und nach etwas anderem. Etwas Unerklärlichem, das definitiv früher nicht da gewesen war, als er regelmäßig bei Tim übernachtet hatte. Als sie bis in die Nacht geredet hatten, unter der Bettdecke, um Tims Geschwister nicht aufzuwecken. Da hatte Jared schon gut gerochen, aber halt nicht so. So aufregend. Wild wie der Duft, den der Wind ab und zu von der fernen Küste herüberwehte.

»Komm her.« Jared wandte sich zu ihm um und lehnte den linken Ellenbogen auf das Lenkrad.

Tims Kinnlade klappte runter.

»Na los.« Jared legte den Kopf schief. »Wenn du zu lange darüber nachdenkst, wird das nichts. Das ist wie vom Sprungbrett zu springen.«

Tim konnte sich nicht rühren. Sein Kopf rauschte, sein ganzer Körper zitterte, auf eine ganz und gar angenehme Art. Jareds Mund, an den er viel zu oft gedacht hatte, wenn er nicht schlafen konnte, war so nahe und …

»Hast du Schiss?« Jared hob eine Augenbraue.

Tim schüttelte den Kopf. »F-fang du an.« Er schluckte. Versteinert saß er da und betete, dass Jared nicht gleich lachen würde, weil das alles nur ein blöder Witz gewesen war.

Jared zuckte erneut mit den Achseln (wie konnte er so lässig sein?) und beugte sich vor. Sein Atem streifte Tims Lippen. Seine Wolfsaugen waren so nahe, dass Tims Herz eine Vollbremsung hinlegte.

Oh Gott, dachte er. Oh Gott, Oh Gott, gleich küsst er mich. Gleich küsst Jared mich. Mein erster Kuss ist mit … mit Jared Hayes.

Aber Jared küsste ihn nicht. Er verharrte, sein aufregender Geruch und sein warmer Atem so nahe, dass es weh tat.

»Komm her, Feigling«, raunte er und Tims Versteinerung löste sich.

Mit hämmerndem Herzen lehnte er sich vor und überbrückte die letzten Millimeter.

Jared hatte recht gehabt: Küssen war ganz leicht. Als hätte er nie etwas anderes getan, neigte Tim den Kopf, um besser an Jareds Mund heranzukommen.

Jareds Lippen waren weich und voll. Und so sanft. Tim konnte nicht genug von dieser Sanftheit bekommen. Wie konnte es sein, dass sie sich so anfühlten? Sie wirkten hart, wenn Jared durch die Flure der High School ging, das schwarze Shirt wie eine Rüstung um den muskulösen Körper. Wenn er mit Tim durch die Straßen von Two Rivers Kissing schritt, so bedrohlich, als würde an jeder Ecke der beschaulichen Kleinstadt eine Messerattacke drohen.

Wie kann das sein?, dachte Tim und dann dachte er gar nichts mehr. Er spürte nur noch. Die Hitze, die Jareds Mund ausstrahlte. Die Pranke, die sich an seine Wange legte und ihn näher zog. Die glatte Zungenspitze, die in seinen Mund stieß, nur, um sich sofort wieder zurückzuziehen. Tim beugte sich vor, aber sie blieb verschwunden, und Jared löste sich von ihm.

Tim blinzelte. Sein Gesicht fühlte sich an wie ein Hochofen, sein Körper brannte lichterloh und der Schritt seiner zu weiten Anzughose kam ihm nicht länger so geräumig vor. Er schluckte. Sein Schwanz presste gegen den Stoff der Unterhose, und alles in ihm drängte darauf, Jared erneut zu küssen, und dann noch mal, und noch mal …

Stumm sank Tim zurück in seinen Sitz und steckte die Hände in die Hosentaschen, damit Jared nicht merkte, was in seinem Schritt vor sich ging. Er schnappte nach Luft.

Das hatte wirklich geschmeckt wie … wie das erste Stück einer gigantischen Hochzeitstorte. Alle Zweifel waren wie weggeblasen. Er wollte diese Torte. Er wollte sie ganz verspeisen, so schnell wie möglich. Na ja, vielleicht beim dritten Date oder so. Aber er wollte es!

»Äh, danke«, krächzte er. »War das okay?«

»Ja.« Jared klang etwas heiser. Hatte er sich erkältet? Jared war doch nie krank, und schon gar nicht im Mai. »Und? Hast du noch Schiss?«

Tim schüttelte den Kopf. Er leckte sich über die Lippen und kostete den fremden Geschmack. Würzig, salzig und süß zugleich. Mit Mühe unterdrückte er ein Stöhnen.

Jared lieferte ihn rechtzeitig bei Tyler ab. Tylers Eltern wohnten in der Nähe der High School, in einem hübschen neuen Haus. Hübscher zumindest als jedes Haus, in dem Tim oder Jared je gewohnt hatten.

»Soll ich mit raus kommen?«, fragte Jared und musterte den Vorgarten. Kurz geschnittenes Gras, auf dem weiße Hirsche aus Holz standen, umrahmt von einem niedrigen Zaun. Wie aus einem Katalog.

»Nein. Danke. Ich schaffe das.« Tim kicherte. »Außerdem wär’s ein bisschen komisch, wenn wir ihn zusammen abholen, oder? Was würden seine Eltern denken?«

»Wahrscheinlich, dass wir einen Dreier planen.«

Tim verschluckte sich. »Mann! Sag doch sowas nicht!«

»Was?« Jared grinste lässig. »Willst du etwa keinen Dreier mit mir?«

»Nein! Ich … ich denke nicht so über dich. Überhaupt nicht, ich … also.« Tim straffte sich, um überzeugender zu lügen. »Du musst dich nicht unwohl fühlen, weil ich auf Männer stehe, okay? Ich würde dich nie irgendwie angraben oder so. Du bist wirklich überhaupt nicht mein Typ.«

Jared wirkte äußerst amüsiert. »Ich hab keine Angst, dass du mich anfällst. Ich kann mich wehren. Wenn du versuchst, mir das Höschen herunterzureißen, versohl ich dir den Arsch.«

»Ich würde nie versuchen, dir das Höschen … also echt.« Tim kicherte. »Hast du überhaupt Höschen an?«

»Das wüsstest du wohl gern, was?«

»Nein, ich …«

»Tim.« Jared wirkte erwachsener als je zuvor. Wärme strahlte aus seinen hellen Augen. »Ich verarsch dich nur. Ich weiß, dass du nichts tun wirst, was ich nicht will, ja? Würdest du nie. Du bist in Ordnung.« Er räusperte sich. »Und jetzt geh da raus und schnapp dir diesen Trottel.«

»Tyler ist kein Trottel.«

»Wenn du das sagst.« Jared deutete mit dem Kopf durch die Windschutzscheibe. Tyler war vor das Haus getreten. Er sah echt gut aus. Der Anzug saß perfekt an seinem schlanken Körper, und in der Brusttasche steckte sogar eine weiße Rose. Tyler winkte. Seine Zähne blitzten im Licht der untergehenden Sonne.

»Fuck«, sagte Tim. »Er ist zu schön für mich.«

»Überhaupt nicht. Wenn der Trottel nicht kapiert, was für ein Fang du bist, ist er ein noch größerer Trottel als ich dachte«, knurrte Jared. »Und jetzt raus aus meinem Wagen. Ich muss rechtzeitig beim Waffle House sein.«

Einer seiner Nebenjobs, und normalerweise arbeitete Tim auch dort. Aber nur einer von ihnen hatte frei nehmen können, und Jared hatte angeboten, zu arbeiten. Die Prom war ihm eh egal, sagte er.

Dankbar blickte Tim Jared an. »Ich meld mich, wenn ich zurück bin. Oder morgen.«

»Morgen reicht.« Jared sah ihn nicht an. Sein Profil erinnerte ebenfalls an einen Wolf: grob und doch irgendwie edel. »Viel Spaß.«

»Danke. Bis morgen.« Tim sprang aus dem Wagen und schlug die Tür hinter sich zu. Wenn er gewusst hätte, was danach geschah, hätte er sich umgedreht. Er hätte Jared nachgesehen, als der mit quietschenden Reifen davon fuhr. Er hätte dem Camaro einen letzten Blick geschenkt.

Aber er war zu abgelenkt von Tyler, der ihm entgegenkam. Der seine Hand nahm, als sie gemeinsam zur Schule schlenderten. Der mit ihm plauderte, der ihm gestand, dass er ebenso nervös war wie Tim, weil sie das erste Männerpaar auf der Prom waren. Jemals.

Aber es lief gut. Bis auf ein paar seltsame Blicke geschah nichts. Tims Bandkollegen feierten sie und als sie im Konfettiregen tanzten, war es fast magisch. Nur ab und zu sah Tim sich um, weil er glaubte, Jareds Stimme hinter sich zu hören. Doch Jared war nicht da. Ab und zu roch Tim ihn auf seiner Kleidung oder schmeckte ein Echo ihres Kusses. Ab und zu fragte er sich, wie es wäre, mit Jared zu tanzen, aber … ja.

Gegen Mitternacht, als sie in der Dunkelheit heim schlenderten, durch die sauberen Straßen bei Tylers Haus, blieben sie unter einer Straßenlaterne stehen und küssten sich. Es schmeckte überhaupt nicht nach Hochzeitstorte. Es schmeckte nach einem der besseren Sandwiches in der Schulkantine. Aber wenn man richtig Hunger hatte, war ein Sandwich nicht zu verachten.

Tim verabschiedete sich von Tyler und ging weiter, zu der Tankstelle, in der seine Mom arbeitete. Er half ihr zwei Stunden lang, bis sie mit ihm heimfahren konnte, und immer wieder glaubte er, diesen Kuss zu spüren. Nicht den mit Tyler. Den ersten.

Denk nicht daran, dachte er. Vergiss ihn. Morgen siehst du Jared wieder, und dann musst du dich normal benehmen.

Doch er irrte sich.

Er sah Jared nicht wieder.

Am nächsten Morgen war sein bester Freund verschwunden, und niemand wusste, wohin.

Zehn Jahre später

 

 

»Oh Gott«, stöhnte Caleb und wand sich unter ihm. Vielmehr versuchte, er sich zu winden.

Jared pinnte ihn in die Matratze. Er hielt Calebs Handgelenke fest und bewegte sich in ihm, mit der gelassenen Sicherheit eines Mannes, der genau wusste, was er tat.

»Oh Gott.« Caleb warf den Kopf in den Nacken. Er roch süß, nach Duschgel, frischem Schweiß und diesem Herrenduft, den so viele Städter trugen. Irgendwas mit Dior. Morgenlicht drang durch den Schlitz zwischen den karierten Vorhängen und zog eine helle Schneise über Calebs nackte Brust mit den hellbraunen Nippeln. »Ohgottohgottohgott …«

Jared hätte Gott gern aus dieser Nummer herausgehalten, aber Caleb bestand darauf, den Namen des Herrn zu brüllen, bis er kam. Mit einem tiefen Seufzer ließ Jared ebenfalls los und spritzte tief in Caleb ab. Er verharrte einen Moment über ihm, keuchend, während die Wände der Blockhütte sich langsam aus dem gleißenden Wirbel schälten.

»Oh Gooott«, stöhnte Caleb ein letztes Mal. Er wischte sich Schweiß von der Stirn und sah bewundernd zu Jared auf. »Das tat gut. Danke, edler Wanderführer.«

»Gern geschehen.« Jared zog sich aus ihm zurück und streifte das Kondom ab. Zielsicher schleuderte er es in den Mülleimer. »Darf ich dich darum bitten, diesen Service in deiner TripAdvisor-Rezension zu erwähnen?«

»Klar. ‚Der äußerst attraktive Wanderführer hat mir drei Nächte lang das Hirn rausgevögelt. Fünf Sterne‘ ist genau das, was die da lesen wollen.« Caleb richtete sich auf und strich sich die Locken aus der Stirn. Braune Locken, fast wie Tim sie gehabt hatte. Damals. Maureen und Amaya machten sich darüber lustig, dass Jared einen bestimmten Typ hatte, und er fürchtete, dass sie recht hatten.

‚Schmale Nerds mit Brille und Locken, die nicht wissen, was ihnen geschieht‘, hatte Amaya gesagt und Maureen hatte grölend gelacht.

Jared hatte es mit anderen Männern versucht, aber es war einfach nicht das Gleiche, und mit Frauen ohnehin nicht.

Caleb zog seine Brille wieder an. Er war ein hübscher Kerl. Programmierer. ‚Ich mache genau das, wonach ich aussehe‘, hatte er gesagt.

Jared hätte auf Buchhändler getippt, aber das lag nur daran, dass Buchhändler Tims Traumberuf gewesen war.

Und warum dachte er jetzt schon wieder an Tim? Es war neun, nein, zehn Jahre her, dass sie sich zum letzten Mal gesehen hatten.

»Wann musst du los?« Jared ging zur Küchenzeile, nackt und verschwitzt, und goss sich ein Glas Wasser ein. »Du checkst um zehn aus, oder?«

Schweigen. Als er sich umsah, bewunderte Caleb offensichtlich seinen Arsch.

»Also«, Caleb leckte sich die Lippen, »ich habe überlegt, ob ich nächstes Wochenende wiederkomme. Oder du könntest mich in Portland besuchen. Was hältst du davon?«

Oh. Jared betrachtete das Glas in seinen Händen. Kalt. Überdeutlich spürte er, wie eisig der Boden unter seinen nackten Füßen war. Seinen riesigen Füßen. Alles an ihm war übergroß.

»Ich muss viel arbeiten.« Jared räusperte sich. »Hör mal, ich bin nicht auf der Suche nach etwas Festem.« Er hatte eigentlich geglaubt, dass er das deutlich gemacht hätte.

»Oh.« Das rosige Nachglühen verschwand aus Calebs Wangen. Mit einem Mal war sein niedliches Gesicht verschlossen. »Klar. Hast du ja gesagt. Ich habe nicht gedacht, dass … Bild dir nichts ein, ja?«

»Tu ich nie«, sagte Jared und klang dabei so scheiß-arrogant, dass er sich am liebsten selbst geohrfeigt hätte.

Caleb schnalzte mit der Zunge. »Sicher.« Er war eindeutig wütend. Mist. »Für wen hältst du dich eigentlich? Als ob ich mit einem Hinterwäldler wie dir was anfangen wollte.« Er lachte höhnisch.

Das war schnell schiefgegangen, selbst für Jareds Verhältnisse. Normalerweise dauerte es wenigstens eine Viertelstunde von wildem Sex bis zu ‚Ich will dich nie wiedersehen‘.

»Hinterwäldler? Eben hast du mich noch Gott genannt.«

»Raus.« Caleb deutete auf die Tür.

Jared exte sein Glas, stieg in die Jeans und verschwand. Seine restlichen Klamotten über den Schultern trat er in die Morgensonne hinaus und blinzelte. Eisige Luft empfing ihn. Zu eisig, um ohne Schuhe unterwegs zu sein.

»Was willst du?«, fauchte Caleb, als Jared die Tür noch mal öffnete. »Hast du es dir anders überlegt?«

»Hab meine Schuhe vergessen.« Caleb schnappte sie sich.

»Arschloch«, hörte er, als er zum zweiten Mal vor die Blockhütte trat.

Mit den robusten Lederstiefeln war es angenehmer, über das Gras vor der Hütte zu schreiten. Im Gehen zog Jared sich sein T-Shirt und das dicke Flanellhemd über. Über seinem Kopf zwitscherten Rotkehlchen und Waldlaubsänger, und irgendwo, weit entfernt, röhrte ein Motor. Vielleicht Maureens Pick-up.

Er ließ die Blockhütte hinter sich, die Caleb gemietet hatte, und ging über einen schmalen Trampelpfad abwärts. Die Morgensonne strahlte zwischen den Stämmen der fast kahlen Ahornbäume hervor und tauchte den Weg in ein Wechselspiel aus Licht und Schatten. Hell und dunkel. Kalt und … kälter. Kein Wunder, es war fast Dezember.

Jared kickte einen Stein aus dem Weg und sah in den Himmel. Seufzend ließ er die Schultern kreisen. Er hatte nicht mit Komplikationen gerechnet. Eigentlich hatte er Caleb von Anfang an gesagt, dass er Single war und das auch bleiben wollte. Aber Caleb konnte nichts dafür, wenn sein Herz sich selbständig gemacht hatte. Jared erinnerte sich noch gut daran, wie sich das anfühlte.

Die Hände in den Hosentaschen schlenderte er durch den Wald auf die nächste Lichtung. Vorbei an zwei Blockhütten, immer weiter abwärts. Er roch Kiefernharz und den Duft von Pancakes und geschmolzener Butter aus einer der Hütten. Frühstück. Das musste Familie Hoyt sein. Sie hatten die größere der Hütten gemietet.

Jared liebte es, hier zu sein. Maureen behauptete, dass er seine Jugend verschwendete, aber er hatte sich in der Stadt nie so wohl gefühlt wie im Wald. Kurz war im Gespräch gewesen, dass er in die angrenzende Kleinstadt ziehen könnte, aber das hatte sich schnell erledigt. Er wollte hier sein. Hier war sein neues Zuhause. Nur manchmal hörte er eine leise Stimme, die ihm sagte …

Nichts sagte sie. Gar nichts.

Die Bäume lichteten sich erneut und das dreistöckige Holzgebäude mit der Aufschrift »Blue Pines Resort« kam in Sicht. Maureens Pick-Up stand auf einem der Parkplätze und als er sich näherte, wehten ihm Essensdüfte entgegen, die mindestens so köstlich waren wie bei den Hoyts.

»Mom!« Er riss die Eingangstür auf. Als er an der Rezeption vorbeikam, schlug er auf die altmodische Klingel dort. »Und Mom! Was gibt’s zum Frühstück?«

»Putz dir die Schuhe ab!«, raunzte Maureen. »Und denk nicht, dass wir dich bedienen, weil du verschlafen hast. Du machst das Rührei.«

»Zu Befehl.« Jared umrundete die beiden Frauen, schnappte sich die gusseiserne Pfanne und stellte sie auf den Herd. Es roch bereits herrlich nach Bacon und frisch gebrühtem Kaffee.

»Mit Basilikum bitte.« Amaya deutete auf die bemalten Blumentöpfe, die auf der Fensterbank standen. Sie lächelte sanft. »Du siehst erholt aus.«

»Bin ich.« Jared holte Eier aus dem gigantischen Kühlschrank. Das Monster füllte die halbe Küche aus, aber Amaya liebte ihn heiß und innig. Und was Amaya liebte, blieb. Sie war einen Kopf kleiner als Maureen und viel ruhiger, aber Jared war zu der Überzeugung gekommen, dass sie in dieser Beziehung die Hosen anhatte. Also, sozusagen. Beide trugen Jeans. Amaya mit einer pastellfarbenen Bluse darüber und Maureen mit einem schwarzen Shirt, auf dem das Logo ihrer alten Metalband prangte. Von den Dingern hatte sie einen halben Schrank voll. Angeblich wären sie und die Mädels damals fast berühmt geworden, irgendwann Ende der 90er oder so.

Maureen fuhr sich durch die rotgefärbten Locken. »Schatz, haben wir noch mehr Butter? Die reicht kaum bis morgen.«

»Du solltest sie nicht pur essen«, sagte Amaya sanft. »Dann hält sie länger.«

»Wer sagt, dass ich die pur esse?« Maureen stemmte die Hände in die Hüften.

»Okay, fast pur.«

»Lüge.«

»Gut, dass ich das Rührei mache.« Jared schob seinen riesigen Leib zwischen den beiden hindurch. »Bei dir ertrinkt es in Fett.«

»Genau.« Amaya gab Maureen einen Kuss. »Denk ans Cholesterin, Schatz.«

»Cholesterin hat nichts mit Ernährung zu tun«, behauptete Maureen. »Am besten, man bewegt sich viel. Und ich war heute Morgen schon draußen bei der Wuerth-Farm.«

»Mit dem Auto«, brummte Jared. »Das gilt nicht.«

»Erbsenzähler.« Sie versuchte, ihm in die bärtige Wange zu kneifen. Er wich aus. »So behandelst du deine arme Mom also. Und das, obwohl ich dich auf der Straße aufgesammelt und dir ein Zuhause gegeben habe.«

»Von wegen Zuhause. Ich schufte seit zehn Jahren für euch und bekomme kaum den Mindestlohn.« Er schnaubte. »Ihr behandelt mich wie einen Leibeigenen.«

»Wir behandeln dich wie unseren eigenen Sohn.« Maureen legte die Hand auf ihren beachtlichen Busen. »Und das ist der Dank.«

Jared küsste sie auf die Wange. »Sorry, Mom. War nur ein Witz.«

»Das will ich auch hoffen«, knurrte sie. »Du bekommst das beste Gehalt im ganzen Resort, Junge.«

»Nicht so viel Butter ins Rührei«, sagte Amaya. »Denk an Maureens Cholesterinwerte.«

Es war leicht, so leicht. Jared hatte nie eine Familie wie diese gehabt und es erstaunte ihn immer noch, dass er sie gefunden hatte. Na ja, eigentlich hatte Maureen ihn gefunden. Genau wie sie gesagt hatte: am Straßenrand, zwei Stunden von Two Rivers Kissing entfernt, völlig fertig in seinem kaputten Camaro. Natürlich hatte er sich seine Verzweiflung nicht anmerken lassen. Kein Stück. Wenn seine verdammte Familie ihm eins beigebracht hatte, dann das.

Aber zum ersten Mal hatte jemand seine Fassade durchschaut, und zwar innerhalb eines Augenblicks.

Komm erst mal mit, hatte Maureen gesagt. Du siehst aus als hättest du Hunger.

Misstrauisch war er in ihren staubigen Pick-up gestiegen und sie hatte ihn hierher gefahren. Sie hatte ihn ihrer Frau vorgestellt und Amaya hatte ihm ein dick belegtes Sandwich vorgesetzt. Mit Bacon, Mayonnaise und Oliven. Wenn er sich darauf konzentrierte, konnte er es immer noch schmecken.

Keiner von ihnen hatte geahnt, dass er zehn Jahre lang bleiben würde.

Die Klingel der Rezeption ging und riss ihn aus seinen Gedanken. Maureen riss sich die Schürze runter.

»Ich mach das. Oder willst du?«

Jared schüttelte den Kopf. Das war vermutlich Caleb, der auscheckte.

Maureen musterte ihn und schnalzte mit der Zunge.

Als sie zurückkehrte, war der Esstisch gedeckt. Amaya hatte ihn mit buntem Laub geschmückt und der gemütlich vollgestopfte Raum sah so heimelig aus, dass Jared sich wunderte, dass er hierher gehörte. Doch das tat er. Er verfrachtete seinen riesigen Leib auf einen der Holzstühle und begann, das Brot in dicke Scheiben zu schneiden. Der Laib war noch warm.

»Frisch gebacken?«, fragte er Amaya. »Wie lange bist du schon wach?«

»Ich konnte nicht schlafen.« Amaya wiegte den Kopf. »Mir gehen so viele Dinge durch den Schädel.«

»Echt? Was denn?«

»Erzähle ich dir später.« Sie lächelte geheimnisvoll.

Maureen warf sich auf ihren Stuhl. »Alter, hatte der schlechte Laune. Was hast du mit ihm angestellt?«

»Nichts.« Jared butterte sein Brot, belegte es mit Bacon und biss die Hälfte ab.

»Hast du ihm das Herz gebrochen?«, fragte Amaya.

»Innerhalb von drei Tagen?« Jared hob eine Augenbraue. »Wie soll ich das denn schaffen?«

Maureen schnaubte. »Als ich noch mit den Mädels unterwegs war, konnte ich ein Herz in drei Minuten brechen.«

Amaya tätschelte ihren Arm. »Sicher, Schatz. Jared, du musst vorsichtiger sein, wenn du mit deinen lieben Jungs anbandelst. Das sind alles liebe Jungs, oder? Wenn sie miese Mistkerle wären, wäre es mir egal.«

Schlechtes Gewissen mischte sich in den köstlichen Geschmack des Butterbrots. »Ich hab ihm gesagt, dass ich nichts Festes will.«

Maureen und Amaya warfen sich einen Blick zu.

»Was?« Jared verschränkte die Arme. Dank der Arbeit an den Hütten waren sie inzwischen so dick, dass er sie selbst kaum umfassen konnte, nicht mal mit seinen Pranken.

»Ist vermutlich schwer, sich keine Hoffnungen zu machen, wenn ein muskulöser Gott im Holzfällerhemd sich für einen interessiert«, sagte Amaya.

Maureen wiegte den Kopf. »Ein bärtiger Gott. Sein Bart macht die Sache noch schlimmer. Unser Junge sieht aus, als wäre er einem Kalender mit sexy Holzfällern entstiegen.«

Amaya nickte nachdenklich. »Sexy Holzfäller mit besonders seelenvollen Augen.«

»Was labert ihr da?« Jared legte den Rest seines Brotes ab, um die beiden ungläubig zu mustern. »Und was versteht ihr von sexy Holzfällern? Keine von euch hat sich je für Männer interessiert.«

»Wir sind halt nicht blind. Und außerdem stolz auf dich.« Maureen grinste. »Unser Kleiner. Die Muckis hast du von mir. Und den seelenvollen Blick von Amy.«

»Stimmt.« Amaya griff nach dem Bacon.

»Ich habe überhaupt keinen seelenvollen Blick.« Jared schnaubte. »Was soll das sein?«

Amaya überlegte. »So einen Blick, der sagt: ‚Obwohl ich ein Kreuz wie ein Bulle habe, wurde mir doch das Herz gebrochen und die Narbe tut immer noch weh.«

»Du schaust zu viele Schnulzen.« Jared schnappte sich die nächste Scheibe Brot und ignorierte die Narbe, die immer noch ziepte, wenn die Sonne unterging. Sonnenuntergänge erinnerten ihn an Tim. Nicht, weil die Dinger romantisch waren. Sondern, weil die Sonne untergegangen war, als er ihn zum letzten Mal gesehen hatte. Sie hatte sich in Tims Brille gespiegelt, bevor er sich umgewandt hatte, um zu diesem Trottel Tyler zu laufen.

»Wolltest du mir nicht etwas erzählen?«, fragte er Amaya. »Das, was dich heute Nacht wachgehalten hat. Schätze mal, das war nicht mein vernarbtes Herz.«

»Das hält mich seit zehn Jahren wach.« Amaya klang ernst, aber ihre Augen funkelten schelmisch. »Ich frage mich, wann mein Sohn endlich wieder lieben wird.«

»Amy«, brummte Maureen. »Lass ihn. Er will nicht über sein Herz reden.« Sie haute Jared freundschaftlich auf die Schulter. »Du erzählst uns davon, wenn du soweit bist.«

Das würde er nicht. »Amy.« Er sah Amaya auffordernd an.

»Ach, das.« Sie lächelte, als hätte sie im Lotto gewonnen. »Maureen und ich haben große Pläne.«

»Ach was. Bekomme ich ein Geschwisterchen?«

»Besser.« Maureen räusperte sich. »Wir expandieren.«

»Wir werden einen zweiten Park aufmachen.« Amaya strahlte. »Na ja, wenn alles gut geht zumindest. Und wir haben schon ein Grundstück in Aussicht.«

»Was, echt?« Jared sah sie an. Er hatte gewusst, dass es gut lief, schließlich half er Amaya bei der Steuer. Aber dass es so gut lief … »Gratuliere!« Er stand auf und umarmte beide.

Maureen haute ihm so fest auf den Rücken, dass er fast seine Lunge ausspuckte.

»Danke, Junge«, sagte sie. Ihre Augen funkelten. »Und du kannst uns auch gleich helfen.«

»Womit?«

»Wir suchen schon ewig nach dem richtigen Ort für das zweite Resort, und jetzt haben wir ihn. Vielleicht. Der Hang wirkt auf den Fotos ziemlich nett, und er liegt in der Nähe von so einer süßen Kleinstadt. Amy, wie heißt die noch mal?«

»Two Rivers Kissing.« Amaya schnappte sich ihre Kaffeetasse. »Auf Google Maps sieht sie wahnsinnig niedlich aus.«

Jared verhinderte mit aller Kraft, dass ihm das Brot in den Schoß fiel. Er verbannte jegliches Gefühl aus seinem Gesicht, aber wie immer sah Maureen durch die Fassade.

»Ach was. Kennst du die etwa?« Sie blinzelte.

»Ja. Ein wenig.«

Maureen legte den Kopf schief. »Ist das der Ort, von dem du geflüchtet bist?«

Alte Bilder rauschten durch Jareds Kopf. Die idyllische Innenstadt, in der sie ihn gemustert hatten wie einen Schwerverbrecher. Weil er das Gegenteil von idyllisch war, weil er so überhaupt nicht her passte, nicht auf die sauberen Gehwege, nicht in die hellen Cafés. Nicht in die Vorstädte, wo Typen wie Tyler Myers wohnten.

Jared war nur in die Innenstadt gefahren, um in den Restaurantküchen dort zu arbeiten. Okay, ab und zu hatte er Tim begleitet. Weil der dauernd in die Bücherei wollte. Und dann in den Buchladen vom alten Jennings, obwohl er sich kaum ein Buch im Monat leisten konnte und erst recht keine Neuerscheinung.

»Ja.« Er betrachtete sein Sandwich. »Ja, das ist der Ort.«

Als er aufsah, warfen die beiden anderen sich gerade einen Blick zu.

»Oh«, sagte Amaya. »Wir wollten dich eigentlich bitten, dorthin zu fahren, um dir das Grundstück anzusehen. Aber wenn das böse Erinnerungen wachruft … von denen du uns nur erzählen musst, wenn du es wirklich willst …«

»Da ist nicht viel zu erzählen.« Er räusperte sich. Lächerlich. Es war zehn Jahre her und Two Rivers Kissing hatte längst keine Macht mehr über ihn. Inzwischen war er immun gegen die misstrauischen Blicke, die ihn als Teenager verunsichert hatten. »Ihr könnt es wissen, wenn ihr wollt.«

Die Atmosphäre veränderte sich. Beide beugten sich über den Tisch, gierig wie Wachhunde, in deren Territorium eine Katze geschlendert war.

»Nur, wenn du dich wirklich bereit fühlst«, sagte Amaya.

»Ihr habt doch längst eine Wette am Laufen, was passiert ist«, sagte Jared.

»Aber nein.« Amaya hüstelte.

»Um ganze zwanzig Dollar.« Maureen verschränkte die Arme und klemmte ihren Busen unterm Kinn ein. »Ich habe gewettet, dass du den Sohn des Bürgermeisters gepimpert hast und knapp dem Gefängnis entkommen bist.«

»Dafür kommt man nicht ins Gefängnis«, sagte Amaya, vermutlich nicht zum ersten Mal.

»Der Bürgermeister hat ihm natürlich Drogen untergeschoben, damit er ins Gefängnis kommt.« Maureen verdrehte die Augen. »Du verstehst nichts von Politik, Schatz.«

Jared lachte, auch, wenn es ihn anstrengte. »So dramatisch war das nicht. Ihr werdet enttäuscht sein.« Er fuhr sich durch die Haare. »Nur mal aus Interesse: Was hast du gewettet, Amy?«

»Dass ein Hänfling mit Brille dir das Herz gebrochen hat.«

Die Worte durchbohrten seine Brust, aber er gab sich Mühe, lässig mit den Achseln zu zucken und zu lachen.

»Maureen«, sagte er. »Gib deiner Frau zwanzig Dollar.«

Und dann erzählte er ihnen die verdammte Geschichte.

 

***

 

Zwei Wochen später war er unterwegs.

---ENDE DER LESEPROBE---