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Auf der Suche nach Informationen geht die Putztruppe durch die Hölle. Weder kreischende Kinder, peinliche Kostüme noch Lilifloras Hippie-Familie können sie aufhalten. Werden sie Adina endlich finden? Oder war die ganze Arbeit umsonst? Außerdem: Jeans und Nats Romanze gestaltet sich noch komplizierter als erwartet. Enthält: geheime Gänge und grausames Grünzeug!
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Impressum
Die Wächter von Magow 10: Grün ist die Hölle
Text Copyright © 2021, 2023 Regina Mars
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Regina Mars
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Schwert: © shaineast/Adobe Stock
Die Handlung und alle handelnden Personen sind frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeit mit lebenden oder realen Personen wäre rein zufällig.
Sofie entdeckt den geheimen Bezirk Berlins: Magow, wo die magischen Wesen hausen. Und sie ist eins von ihnen! Als frisch entdeckte Hexe tritt sie ihren Dienst bei den Wächtern an, der magischen Polizeieinheit Magows. Zusammen mit dem Rest ihres Teams schützt sie die Einwohner vor Rattenkönigen, Kelpies und Werwölfen bei Vollmond.
Ihr Team besteht aus:
Nat, einem blondgelockten Vampir, der an Liebe, Frieden und Teamwork glaubt,
Isa, einer entspannten bis faulen Werwölfin, die umkippt, wenn sie ihr eigenes Blut sieht,
Vivi, einer schüchternen Meerjungfrau, Informatikgenie und Fan von allem was glitzert und
Jean, einem schlecht gelaunten Incubus, der keiner sein will. Vor kurzem besorgten die anderen ihm ein Amulett, das seine Kräfte unterdrückt.
Nach einigen Umwegen findet Sofie ihre totgeglaubte Mutter. Leider ist Adina nicht das, was sie zu sein vorgibt. Ein Ritual, mit dem sie sich ewiges Leben verschaffen will, geht schief und das Team zahlt einen schrecklichen Preis: Isa stirbt.
Sofie, Vivi, Jean und Nat schwören Rache. Unerwartete Hilfe kommt von General Stein, der sie in die geheime Spezialeinheit der Zentrale holt, die Abteilung zur Bekämpfung illegaler magischer Aktivität.
Was gut ist, denn die Gefahr ist nah: Adina und Aeron verstecken sich mitten in Magow und bereiten das nächste Ritual vor. Und sie haben einen mächtigen Verbündeten: Nacht-Bürgermeister Ricky Scholle.
»Mein Beileid, alter Junge«, sagte Ricky und prostete Aeron zu. Die Schadenfreude mundete noch besser als der dreißigjährige Whisky, der sich durch seine Geschmacksknospen brannte. »Sieht aus, als wärst du nicht länger der Schönste im ganzen Land.«
Zufrieden ließ er sich in die weichen Polster sinken. Sein geschundener Rücken protestierte. Leider gab es im ganzen Bunker keine ergonomischen Möbel. Nur diese Sitzgruppe, die aussah, als wäre sie nach einem Tatort-Dreh aus den Siebzigern übriggeblieben.
Aeron, der ihm gegenübersaß, beugte sich vor und schnappte sich die Flasche. Schnell wie ein zubeißender Kampfhund. Eine Zornesfalte zerschnitt seine Stirn.
»Das werden wir ja sehen«, knurrte er. »Es gab eine Menge Incubi, die dachten, sie könnten es mit mir aufnehmen. Frag die doch mal, wie es ihnen ergangen ist.« Er lächelte grimmig. »Nicht, dass du ihre Gräber finden würdest.«
»Aeron.« Etwas Warnendes lag in Adinas Stimme. Sie richtete sich auf und stellte ihr Whiskyglas ab. »Wir sind fast am Ziel. Halt dich nicht mit Nebensächlichkeiten auf.«
Die Luft veränderte sich. Spannung floss durch den Raum wie Stromwellen. Aeron und Adina musterten sich und Ricky dachte mal wieder, dass sie wie ein uraltes Ehepaar wirkten, das seine guten Zeiten längst hinter sich hatte.
»Adina, meine Liebe.« Aerons Lächeln war so falsch wie strahlend. »Einen Incubus, der so mächtig ist, dass er mir fast das Wasser reichen kann, würde ich nicht als Kleinigkeit bezeichnen.«
Sie lächelte nicht. Eine rote Locke fiel ihr in die Stirn. »Natürlich ist er das. Wenn wir das Ritual durchführen, wird er genauso sterben wie alle anderen in Magow. Lass das Problem ruhen und es erledigt sich von selbst.«
»Du unterschätzt meinen Tatendrang, meine Liebe. Um Probleme kümmere ich mich gern selbst.« Er hob die Flasche und goss sein Glas voll. »Wenn ich darauf vertrauen würde, dass sich alles schon fügt, wäre ich nicht da, wo ich heute bin.«
Sie seufzte. »Bitte, Aeron.«
Er hob eine Augenbraue. »Bitte? Du erstaunst mich. Wann hast du mich je um etwas gebeten?«
Dieser Umstand schien sie auch enorm zu stören, dem harten Zug um ihre Mundwinkel nach. »Wir sind fast am Ziel, Aeron. Wir haben beinahe erreicht, was wir seit über zwanzig Jahren vorbereiten. Ruiniere es nicht.«
Der Incubus schwieg. Er nippte an seinem Glas. Schließlich nickte er. »Nur noch wenige Tage, richtig?«
»Ja.«
»Na gut. Aber ich stelle eine Bedingung.« Sein Blick glich dem einer Kobra, die sich aufrichtet. »Ich bekomme Paris.«
Sie schaute fragend und ähnelte dabei selbst einer Giftschlange. Nicht äußerlich. Es war in all ihren Bewegungen, in den Blicken, die immer etwas Lauerndes hatten. Ricky unterdrückte den Impuls, aufzuspringen und zu flüchten.
Er traute den beiden nicht. Natürlich nicht. Man musste schon ziemlich dumm sein, um Aeron von Thrane und Adina Caligari zu trauen. Und Ricky war sehr viel klüger, als alle dachten.
Aber ein Risiko blieb. Immer. Egal, wie viel sie ihm schuldeten, er musste nützlich bleiben. Immer etwas in der Hand haben, das sie brauchten. Im richtigen Moment da sein. Er wusste, dass er als Erster unsterblich werden musste, damit sie keine Zeit hatten, ihn zu verraten. Sobald die beiden das Ritual vollendet hatten, brauchten sie ihn nicht mehr.
»Paris?«, fragte Adina, als wüsste sie nicht, was Aeron meinte.
»Für das Ritual. Wenn Ricky sich mit Berlin zufriedengibt, meinetwegen. Mit drei Millionen Leben kann man schon relative Unsterblichkeit erreichen. Aber ich will mehr.«
Sie zuckte mit den Achseln. »Sicher. Ich hänge nicht an Paris.«
»Natürlich nicht.« Er verzog das Gesicht. »Also ist es abgemacht?«
Adina hielt ihm die Hand hin. Er schlug ein. Sie logen beide.
Ricky war Boxer gewesen, bevor er zum Bürgermeister aufgestiegen war. Oder abgestiegen, je nachdem. Er vermisste den Boxring, obwohl der ihm zahlreiche Beschwerden eingebracht hatte. Er spürte seine Knie selbst im Sitzen.
Im Ring hatte er gelernt, den nächsten Schlag vorauszusehen. Seine Gegner einzuschätzen. Und er vermutete, dass Adina nicht vorhatte, Aeron unsterblich werden zu lassen. Sie war entnervt genug von ihm, da würde sie seine Anwesenheit nicht noch um tausend Jahre verlängern. Oder? Sie war schwerer zu lesen als der Incubus.
Bei dem war Ricky nämlich sicher, dass er log. Er hatte nicht vor, seinen Sohn in Ruhe zu lassen.
Armer Kerl, dachte Ricky und leerte sein Glas genüsslich.
Alles ging schief. Zumindest lief es so schnell aus dem Ruder, dass Jean nicht mehr hinterherkam.
Jahrelang hatte er nur einen Wunsch gehabt: Aeron von Thrane zu töten. Rache zu üben für das, was er Maman angetan hatte. Die Welt von einem Monster zu befreien.
Was Jean dagegen auf keinen Fall gewollt hatte, war, wieder jemanden in Gefahr zu bringen. Wieder jemanden so nahe an sich heranzulassen, dass seine Kräfte zur Bedrohung wurden.
Und jetzt das.
Er stand auf einem Baugerüst, der eisige Wind strich um seine Wangen und er küsste Nat. Und er hatte schon seit einer halben Stunde nicht mehr daran gedacht, Aeron von Thrane zu köpfen.
Dabei dachte er ständig daran, diese eklige Drecksau zu köpfen. Ihm alles heimzuzahlen, endlich.
Endlich.
Es war schwer, sich darauf zu konzentrieren, wenn Nats Finger sich in seinem Nacken verschränkten. Er spürte ihre Wärme und die rauen Stellen, die das Schwertkampftraining ihm eingebracht hatte. Noch viel mehr spürte er Nats Lippen auf seinen. Weich. Sicher.
Jean löste sich von ihm. »Geht es dir gut?«
»Ja.« Nat lächelte. Er hatte sich die Brille in die wirren Locken geschoben, weil sie ständig beschlug. »Zum hundertsten Mal. Es geht mir gut. Ich fühle mich gut. Du saugst mir keine Lebensenergie ab.« Das Lächeln wurde noch strahlender. »Wirklich.«
»Und …«
»Du bist kein Monster, Jean. Überhaupt nicht.« Nat packte ihn am Kragen, als wäre er sein Coach. »Du bist ungefährlich.«
Jean hörte die Worte, aber er schaffte es nicht, sie zu glauben. Er machte sich los und ging ein paar Schritte zurück. Wandte sich ab. Packte die Umrandung des Baugerüsts. Sie war eisig, genau wie der Wind hier oben.
Er holte tief Luft und stieß sie wieder aus.
»Sicher?«, fragte er.
»Ja.«
Nat blieb, wo er war. Er war so geduldig. Irgendwie war alles, was Jean an ihm genervt hatte, in einem anderen Licht … anders. Eine Stärke statt einer Schwäche. Na, das meiste.
Es wäre so leicht gewesen, ihm zu glauben.
»Danke«, sagte Jean und blickte auf die Straße hinunter. Leer und grau. »Also. Ja.«
Er lehnte die Unterarme auf die Umrandung und schloss die Augen. Es roch nach Staub und Mörtel, aber auf seinen Lippen schmeckte er nur Nat. Lecker. Köstlich geradezu. Er versuchte, Luft zu holen, doch es fiel ihm schwer.
»Nichts zu danken.« Nat klang nahe. Er musste genau neben ihm stehen. Das Metall unter Jeans Armen bewegte sich, als der Vampir sich dagegen lehnte. »Ich weiß nicht, ob es dir aufgefallen ist, aber ich hatte Spaß an unserem Experiment.«
»Ah.«
»Also. Ja.«
Das Schweigen zwischen ihnen war gespannt wie eine Bogensehne, kurz, bevor der Pfeil flog.
Was jetzt?
Das Problem war, dass Jean keine Ahnung hatte, was zu tun war. Er wusste weder, wie er Nats Verhalten einschätzen sollte, noch sein eigenes. Bisher war er erst einmal in einer ähnlichen Situation gewesen und das war lange her. Sehr lange.
»Also«, sagte Nat erneut. »Ich schätze, wir können das Experiment als vollen Erfolg betrachten.«
Jean nickte.
»Also.«
»Also«, sagte Jean und öffnete die Augen. Er betrachtete Nat, der neben ihm stand, die Hände um das Geländer gelegt, weit zurückgelehnt. Die Brille saß wieder auf seiner Nase und er sah zu den Sternen auf. Jean räusperte sich. »Was jetzt?«
»Das musst du wissen.« Nat sah ihn verwundert an. »Ich meine, ich schätze, du solltest die Information sacken lassen und dir überlegen, ob du dich traust, es zu probieren. Also. Dir eine neue Freundin zu suchen.«
»Ich will keine neue Freundin«, knurrte Jean.
»Was willst du dann?« Etwas lauerte hinter den runden Brillengläsern. Hinter der unschuldigen Miene.
Jeans Blick wanderte zurück auf die Straße. Aber die war langweilig, also schloss er erneut die Lider.
Was willst du dann?
Er war nicht sicher, wann er begonnen hatte, Nat mit anderen Augen zu sehen. Direkt nachdem der ihm das Amulett besorgt hatte? Nach der Sache in Brandenburg? Als Jean Aeron direkt vor der Nase gehabt hatte … und prompt nicht mehr an ihn gedacht hatte, sobald Nat fast von Steinen begraben worden war?
Es wurde zum Problem, wirklich. Jean, der geschworen hatte, seine Fähigkeiten nie einzusetzen, becircte links und rechts Leute, sobald der Vampir in Gefahr war. Er wurde immer noch wütend, wenn er daran dachte, dass Nat sich vor die anderen Wächter gestellt hatte. Okay, Jean selbst hatte sich vor ein Pack Höllenhunde geworfen und war nur entkommen, weil Nat ihn aus dem Weg gezerrt hatte und …
Er seufzte leise. »Kannst du aufhören, dich vor andere zu stellen?«
Nat blinzelte. »Ich, also. Ich glaube nicht. Es ist das Richtige, meinst du nicht?«
Jean musterte ihn. Er dachte an etwas, das er irgendwo gehört hatte. Einen Moment vor dem Tod zeigte man sein wahres Gesicht. Er hatte Nat oft einen Moment vor seinem Tod gesehen. Weil dieser Klappspaten sich ständig in Gefahr brachte.
»Warum der Themenwechsel?« Nat schaute auf das Haus gegenüber, als würde es ihn nicht interessieren. Dabei saß seine alte Familie da drüben und veranstaltete einen Spieleabend. Sie lachten und jubelten, als wäre so ein Spieleabend nicht das Langweiligste auf der Welt.
»Nur so.« Jean war verstimmt. Er war nicht sicher, warum. »Wärst du gern da drüben?«
»Ich bin lieber hier mit dir.« Nat zuckte zusammen. »Ich meine, also … Das hier ist doch auch fast wie ein Spieleabend, oder?«
»Was?«
»Ich meine … nichts. Was machst du heute noch? Genießt du den freien Tag? Die freie Nacht?«
»Ich gehe trainieren. Hab viel zu viel verpasst, als ich in der blöden Zelle saß.«
»Ah ja.«
»Und du?«
»Ich weiß nicht. Vielleicht komme ich einfach mit zum Training. Oder zocke ein bisschen.« Nat neigte den Kopf. »Um ehrlich zu sein, kann ich nichts mit mir anfangen, seit … also.«
»Sag nicht immer also, wenn du was anderes meinst«, murrte Jean.
Nat schnaubte. »Was meinst du denn, was ich meine?«
Er wusste es nicht. Aber das würde er ganz bestimmt nicht zugeben. Lieber ließ er sich endlich ein paar Eier wachsen, sah Nat direkt in die Augen und holte tief Luft.
»Ich meine«, sagte er und musste die Fäuste ballen, damit seine Hände nicht zitterten. »Dass wir uns gerade geküsst haben. Und dass das … Dass es dir gefallen hat. Und mir auch.«
Nat sah ihn abwartend an. »Ja?«
»Also sollten wir … also.«
»Du hast also gesagt.«
Jean gab das Reden auf. Stattdessen legte er eine Hand an Nats Wange und sah ihn fragend an. Der blinzelte, nickte dann aber.
Sie küssten sich, bis Nats Brille wieder beschlagen war und sie beide halb erfroren waren.
»Also«, sagte Nat erneut. Seine Stimme klang so rau, als hätte er zwei Stunden lang gebrüllt. Die Wangen waren gerötet, vielleicht vom Wind, vielleicht vom Küssen. »Es wird langsam kalt. Was hältst du davon, wenn wir zu mir fahren und einen teambildenden Spieleabend veranstalten? Nur wir zwei?«
Jean war zutiefst schockiert, aber das ließ er sich nicht anmerken. Er war nämlich auch zutiefst dafür.
»Klar«, sagte er und merkte, dass er selbst klang, als hätte er ein Fußballspiel lang durchgegrölt. »Ich mag Spieleabende.«
»Also«, sagte Sofie und drehte ihre Bierflasche hin und her. Melancholische Gitarrenklänge schwallten durch den Raum bis an den winzigen Tisch, an dem sie mit Cassa saß. Die Bar war fast leer. War wohl zu ungemütlich draußen, hinter den beschlagenen Scheiben. Draußen war es dunkel, aber die Bar war erfüllt von Lampen. Die himbeerroten an der Bar, die alle Flaschen dort einfärbten, sowie unzählige kleine Kugelleuchten an den Wänden und an der Decke.
»Ja?« Cassa legte den Kopf schief. Sie experimentierte mit einem neuen Stil und hatte sich in etwas gehüllt, das aussah wie ein fünf Nummern zu großer lachsfarbener Pyjama. Dazu trug sie Kampfstiefel, die Sofie stark an ihre Wächteruniform erinnerten. »Sorry, ich hab dich ja gar nicht zu Wort kommen lassen. Was ist?«
»Nicht schlimm.« Sofie selbst trug Schwarz. Wie immer. »War schön, alles zu hören, was letzte Woche passiert ist. Ich … puh.« Unauffällig sah sie sich um. Niemand lauschte. Die Theke war weit genug entfernt. Die zwei Tische in der Nähe leer. »Also.«
»Ja?« Cassas Augen leuchteten auf. »Was ist? Hast du endlich jemanden kennengelernt?«
Das übliche Thema. Sofie schüttelte den Kopf. »Nein. Es ist … etwas schwierig zu erklären. Erinnerst du dich an meine Freunde?«
»Die von deiner neuen Arbeit? Klar. Die scheinen nett zu sein.« Cassa griff nun selbst zu ihrem Bier. Sie drehte es hin und her. »Stellst du sie mir irgendwann richtig vor? Ich meine … es ist lange her. Dein Kumpel mit der Sonnenallergie hat mich zu einem Spieleabend eingeladen. Ich meine … Ich weiß, dass die dir viel bedeuten. Deshalb würde ich sie ja gern kennenlernen. Ich weiß gerade nichts über dich. Nur, dass du dauernd verletzt nach Hause kommst. Soffie, ich glaube, deine Arbeit ist echt …« Sie hob die Hände, bevor Sofie protestieren konnte. »Ich weiß. Du willst nichts anderes machen. Ich mache mir nur Sorgen um dich.«
»Ich weiß. Ich … Meine Arbeit ist wichtiger als du denkst.« Sofie musterte die Decke, die mattschwarz gestrichen war und versuchte, sich die richtigen Worte zurechtzulegen. Als sie sie nicht fand, begnügte sie sich mit der Wahrheit. »Ich bin eine Hexe, Cassa.«
»Sag das nicht.« Cassa verzog das Gesicht. »Du bist toll. Du …« Ihre Augen wurden schmal. Sie musterte Sofie und etwas in ihrem Gesicht brachte sie wohl dazu, innezuhalten. »Sprich weiter.«
Sofie sah sich noch einmal um, dann holte sie tief Luft. »Ich bin eine Hexe und damit bin ich Teil der magischen Welt. In Wahrheit arbeite ich nicht für eine Securityfirma. Ich beschütze die magischen Wesen von Berlin, meistens vor anderen magischen Wesen. Meine neuen Freunde sind mein Team.« Es tat gut, es auszusprechen. Alles.
Cassa blinzelte. »Was?«
»Ich … schau mal.« Sofie griff nach dem winzigen Kaktus, der auf ihrem Tisch stand. Sie hielt die Hände darüber, sah sich noch einmal um und ließ dann eine Blüte wachsen.
»He, das sah aus, als wäre die Blüte gerade gewachsen«, sagte Cassa. »Wie hast du das gemacht?«
»Magie.« Sofie strich über das violette Blütenblatt. »Ich kann Pflanzen wuchern lassen. Ich kann noch ein paar andere Sachen, aber damit lassen sie mich kaum rumprobieren, weil ich beim letzten Mal alles verdampft habe. Das lag aber nur daran, dass Onkel Lars reingewalzt ist wie ein Nashornbulle … Alles gut soweit?«
Cassa blinzelte. Sehr langsam streckte sie die Hand nach ihrem Bier aus. Umschloss den Hals. Schluckte. »Moment. Ich brauche einen Moment.«
Sofie nickte. Sie schwiegen, immer wieder an ihrem Bären-Bräu nippend. Bis die Flaschen leer waren. Die Kellnerin fragte, ob sie neue wollten. Cassa bestellte Starkbier.
»Ja dann«, sagte sie, als die Kellnerin weg war. »Dann weiß ich das jetzt auch. Warum hast du mir nie davon erzählt?«
»Ich wusste es nicht. Ich habe es erst im Sommer herausgekriegt. Bei der Sache mit den Ratten.«
»Igitt. Die, wegen denen du nicht mehr im Koval arbeitest?« Cassa schüttelte sich. »Gut, dass du da gekündigt hast.«
»Ja.« Sofie zögerte. »Du erinnerst dich nicht daran, oder? An die Sache mit dem Rattenkönig?«
Cassas Gesichtsausdruck war Antwort genug.
»Denk nicht darüber nach«, sagte Sofie. »Es ist besser so.«
»Aber ich will darüber nachdenken. Was war da los?« Cassa runzelte die Stirn. »Ich weiß nur noch, dass wir nach Dennis gesucht haben. Die arme Sau. Aber das war doch alles. Wir haben ihn nicht gefunden, du hast gekündigt und jetzt bist du Securitymitarbeiterin … Magische Securitymitarbeiterin?«
»Wächterin.« Sofie legte ihre Hand auf den Tisch, mit der Innenseite nach oben. »Cassa, ich weiß, das ist viel zu verdauen. Und ich bin echt nicht die Beste darin, dir das schonend beizubringen. Aber ich wollte es dir endlich sagen. Es fühlt sich falsch an, dir ständig etwas vorzulügen.«
»Das ist lieb. Ah!« Die Kellnerin tauchte auf und Cassa nahm das Starkbier entgegen, als könnte es ihr Leben retten. »Danke!«
Erneut wartete Sofie, bis die Kellnerin verschwunden war. Dann lehnte sie sich vor. »Cassa, ich will dir echt keine Angst machen.