Lucas fängt Feuer - Regina Mars - E-Book

Lucas fängt Feuer E-Book

Regina Mars

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Beschreibung

Lucas Granger hätte mich fast geküsst. Das ist wirklich passiert. Er wollte mich küssen. Und ich wollte es auch. Seit der Highschool ist Lucas Ashs Rivale, auf dem Spielfeld und außerhalb. Nicht, dass Ash einen Rivalen gewollt hätte. Nicht, dass er Lucas irgendwie provoziert hätte, aber der reiche Angeber kann es nicht lassen ihn zu triezen. Und Ash Summers ist niemand, der einfach klein beigibt, sonniges Gemüt hin oder her. Wenn es nach Ash ginge, würden sie sich nie wiedersehen, bis auf das gelegentliche Footballspiel ihrer Colleges. Aber das Schicksal hat andere Pläne. Erst müssen sie ihre Geschwister auf ein Date begleiten, dann auf ein Konzert und schließlich werden Ash und Lucas in einer Blockhütte eingeschneit. Zu zweit. Und mitten im Schneesturm macht Lucas Ash ein Geständnis, das alles verändert ... Begleite Lucas und Ash auf ihrem chaotischen Weg zur ganz großen Liebe. Enthalten sind: gemütliche Blockhütten, Küsse vorm Kaminfeuer und Herzklopfen wie ein Schlagzeugsolo!

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»Gibt es ein Problem?«, fragte Ash.

Offensichtlich gab es ein Problem. Seit er Miles von der Highschool abgeholt hatte, starrte sein jüngerer Bruder vor sich hin. Er schwieg, saß vollkommen still und hatte nicht einmal die karierte Jacke ausgezogen. Okay, das war vermutlich auch klüger so. Die Heizung von Ashs altem Jeep kam nicht gegen die Kälte da draußen an. Schwach blies sie abgestandene Luft ins Innere des Wagens, die kaum lauwarm war.

Schneeflocken wirbelten über die Straße und die breiten Reifen kämpften sich die Straße zum Wohnwagenpark hoch. Die Äste der Tannen links und rechts bogen sich unter den weißen Massen. Mal wieder ein typischer Winter in Oregon.

»Miles.« Ash wandte den Kopf. Er verputzte den letzten Rest seines Schoko-Proteinriegels und warf die leere Packung hinter seinen Sitz zu all den anderen. »Ich hab gefragt, ob alles in Ordnung ist. Hat jemand … Ist irgendwas passiert?«

Er machte sich seit Jahren Sorgen, dass irgendwas passieren würde. Miles war … Nun, er war ein wenig seltsam. Ein wunderbarer, lieber Kerl, aber ernsthaft und ruhig für einen Sechzehnjährigen. Er liebte Matherätsel, Chemieexperimente und spielte Querflöte. Nicht die Eigenschaften, die einem die Highschool-Zeit leichter machten.

Ash selbst hatte das Glück gehabt, dass er groß war und Football spielte. Seine Highschoolzeit war einfach gewesen, na ja, bis auf einen einzigen Stolperstein. Über den er gerade nicht nachdenken wollte. Miles dagegen segelte seit Jahren auf einem schmalen Grat und seine ganze Familie fürchtete sich davor, dass er irgendwann runterkippen würde.

Schien, als wäre er heute zu nahe an die Kante gesegelt. Oder?

»Es ist etwas passiert«, sagte Miles schließlich. Er blickte nicht einmal in Ashs Richtung. Er sah so schmal aus, so verdammt schützenswert mit seiner gigantischen Jacke und der dicken Brille auf der Nase.

»Und was?« Ash hasste Gewalt, wirklich. In seinem Leben war er nur zweimal in Schlägereien geraten. Aber er fürchtete, dass er bald die dritte erleben würde, und diesmal würde er sie anzetteln. Mit dem Arschloch oder den Arschlöchern, die seinem kleinen Bruder wehgetan hatten.

Miles räusperte sich. »Ich habe ein Date.«

Ash wäre fast aus der Kurve geflogen. Im letzten Moment riss er das Steuer herum.

»Du solltest langsamer fahren.« Miles schüttelte den Kopf. »Die Straße ist geräumt, aber es gibt immer noch vereiste Stellen.«

»Du hast ein Date? Du?«

»Ja.« Miles verkroch sich im Kragen seiner Jacke wie eine Schildkröte. »Es war ein Versehen.«

»Was für ein Versehen? Hat dich jemand um ein Date gebeten und du hast versehentlich Ja gesagt?«

»Nein. Ich habe versehentlich jemanden um ein Date gebeten.« Miles klang vollkommen verzweifelt. »Ich wollte das nicht, wirklich. Es war ein Ausrutscher.«

»Also …« Ash versuchte, die vielen Informationen zu verdauen, die auf ihn einprasselten. Er war nicht dumm, wirklich nicht. Okay, er war auch nicht besonders klug. Aber Miles Summers, der jemanden um ein Date bat, hätte selbst den klügsten Mann aus dem Tritt gebracht.

Miles hatte nie angedeutet, dass er für irgendjemanden Gefühle hegte. Weder für Männer noch Frauen noch irgendwen dazwischen. Ash, ihr großer Bruder Tim und ihre Mom waren alle davon ausgegangen, dass Miles überhaupt kein Interesse an Dates hatte. Bisher zumindest.

»Okay. Von vorne bitte.« Ash blickte Miles an.

»Schau auf die Straße.«

»Erzähl mir von deinem Date.« Ash schaute auf die Straße. Was gut war: Weiter hinten überquerten zwei Rehe den verschneiten Asphalt. Ash bremste, bis sie weitergehüpft waren. »Wer ist es?«

»Ein Mädchen aus meinem Musikkurs.«

Gut, das machte Sinn. Die engsten Freunde, die Miles hatte, kamen entweder aus dem Musikkurs oder aus seinem Matheclub.

»Sie, also.« Miles räusperte sich. »Wir reden oft miteinander, also vor dem Kurs. Und danach.«

»Das ist schon mal gut.«

»Ja.« Etwas Leben kehrte in Miles zurück. »Sie ist wirklich klug, weißt du? Und geschickt. Wir spielen beide Querflöte, aber sie ist auf einem ganz anderen Level. Nach den Sommerferien konnte sie ‚Battle of Aughrim‘ spielen, das ist ein wirklich schweres Stück, also habe ich sie gefragt, wie sie es gelernt hat, und sie hat es mir gezeigt und seitdem, also. Reden wir.« Miles’ Wangen waren so rosa, als wäre es total versaut, mit einem Mädchen zu reden.

»Du magst sie, hm?« Ash grinste.

Miles sagte nichts, aber seine Wangen wechselten von Rosa zu Feuerwehrrot.

»Das ist doch toll.« Ash verstrubbelte ihm die Haare. »Du magst ein Mädchen und ihr habt ein Date.«

»Ich wollte sie nicht fragen, wirklich.« Miles wirkte vollkommen panisch. »Wir haben nur darüber geredet, wie wir das Wochenende verbracht haben, und ich habe von unserem Familienausflug ins ‚Lances Lanes‘ erzählt und sie meinte, da würde sie auch gern mal hin und ich meinte, wir sollten auf jeden Fall mal hingehen, aber ich meinte doch mit dem ganzen Musikkurs und nicht …« Er schluckte. »Aber sie hat gesagt …« Er starrte aus dem Fenster, als hätte er einen Geist gesehen. »Klar. Ich würde gerne mit dir dahingehen.«

Ash haute ihm auf die Schulter. »Gut gemacht.«

»Ich wollte sie nicht um ein Date bitten!«

»Aber wieso? Du magst sie doch, oder?«

»Ja natürlich mag ich sie!« Miles’ Stimme hallte im Inneren des Jeeps wider, ungewohnt laut. »Aber das … ich … Das kann gar nicht gutgehen! Ich werde mich total blamieren und dann wird sie nie wieder mit mir reden! Außerdem ist da ihr Bruder und … und ich brauche deine Hilfe. Also.«

»Was hat ihr Bruder denn damit zu tun?«

»Sie hat sehr strenge Eltern.« Miles kratzte seinen Nasenflügel. »Sie darf nicht auf Dates ohne eine Aufsichtsperson. Und das ist ihr Bruder. Er wird mich zusammenschlagen, das weiß ich.«

Was war das denn für eine Familie? »Bitte was? Sicher nicht.«

»I-ich bin nicht der Einzige, der gern mit ihr ausgehen möchte.« Miles verkroch sich weiter. »Sie ist wirklich toll und wahnsinnig begabt und … Aber es gibt halt diese Regel, dass sie nicht alleine auf Dates darf. Sie war schon auf Dates. Ihr Bruder hat immer dazwischengefunkt. Sie sagt, er hätte einen starken Beschützerinstinkt.«

Als ob man jemanden vor dem armen Miles beschützen müsste. »Miles. Wenn dieser Typ dir irgendwas tut, ruf mich an, ja? Oder … Bist du sicher, dass du zu diesem Date willst?«

»Ich …« Miles straffte sich plötzlich. »Ja. Ich will. Aber ich brauche deine Hilfe.«

»Meine?«

»Als sie gesagt hat, dass ihr Bruder mitkommt, weil sie sehr strenge Eltern hat, bin ich nervös geworden und habe … also. Ich habe behauptet, dass Mom auch sehr streng ist und dass ich auch bei jedem Date eine Aufsichtsperson dabei habe.«

Ash lachte. »Was?« Mom würde überglücklich sein, dass Miles mit jemandem ausging. Wahrscheinlich würde sie ihm die Haare machen, ihn mit Eau de Toilette einsprühen und ihm Kondome mitgeben.

»Ich wusste nicht, was ich sagen soll! Und ich dachte, dass du ihren Bruder ablenken könntest, damit wir in Ruhe reden können und dass du ihn davon abhalten könntest, mich zusammenzuschlagen!«

»Das mache ich auf jeden Fall«, knurrte Ash. »Wer ist das Arschloch?«

»Lucas Granger.«

Zum zweiten Mal hätte Ash den Wagen fast in den Straßengraben gesteuert. In letzter Sekunde riss er das Steuer herum.

»Was?!«

»Lucas Granger«, wiederholte Miles, lauter, als hätte Ash den Namen nicht gehört. Dabei hätte er den noch verstanden, wenn Miles ihn geflüstert hätte. Dieser Name war ein rotes Tuch für ihn. Seit Jahren.

Lucas Granger war ein Arschloch. Ein totales Arschloch. Ash musste es wissen, denn sie waren gemeinsam zur High School gegangen und leider auch beide im Football-Team gewesen. Lucas Granger war der Einzige, mit dem er überhaupt nicht klargekommen war.

Er war nicht nur ein Arschloch, er war ein reiches, arrogantes Arschloch, der Sohn des Bürgermeisters und … na ja. Ein verdammt guter Spieler. Obwohl er Ash mehr blaue Flecken eingebrockt hatte, weil er sich nie zurückhalten konnte, musste man zugeben, dass Lucas Granger sehr gut war. Er war der ganze Stolz seines Vaters, der die Wahl zum Bürgermeister von Two Rivers mit erzkonservativen Slogans gewonnen hatte. Klar freute der sich, dass er einen solchen Sohn hatte: laut, sportlich und ein totales Arschloch. Wie der Vater, so der Sohn.

Und richtig, Lucas hatte eine Schwester. Ash hatte sie erst im Herbst gesehen, als die Schulband beim großen Kürbisfest aufgetreten war.

Jetzt verstand er, warum Miles so eingeschüchtert war.

»Du hast ein Date mit Olivia Granger?«

Miles nickte. Inzwischen war er nicht mehr rot, sondern sehr blass.

»Olivia Granger will mit dir ausgehen?«, fragte er ungläubig.

Miles hätte jedes Recht gehabt, beleidigt zu sein, aber er nickte nur erneut. »Ja. Ich weiß auch nicht, warum.«

»Äh. Ich meine, du bist toll, Miles. Wahrscheinlich hat sie das erkannt und …«

»Ich bin ein Nerd, Ash.« Miles sah ihn ernst an. »Ein armer Nerd aus dem Wohnwagenpark. Weißt du, mit wem Olivia schon ausgegangen ist? Mit William Chandler und Ethan Kumari.«

Den Söhnen von zwei der reichsten Familien der Stadt. Natürlich. Leute mit Geld blieben unter sich. Normalerweise.

»Na und?«, sagte Ash. »Die können ja nicht so toll gewesen sein, wenn aus den Dates nicht mehr geworden ist.«

»Vielleicht wäre mehr daraus geworden, aber … also. Ihr Bruder ist dazwischengegangen.« Miles nahm seine Brille ab und betrachtete sie, als hätte er Angst, dass Lucas Granger sie zerbrechen könnte. »Ethan meint, er hätte einfach erkannt, dass Olivia nicht so toll ist, wie sie glaubt. Aber alle wissen, dass Lucas gesagt hat, dass er ihm die Eier abreißt, wenn er irgendwas bei ihr versucht.«

»Das kann ich mir vorstellen.« Ash packte das Steuer fester. Sie waren fast bei der Tankstelle. »Keine Angst, Miles. Ich komme mit, und wenn diese Arschkrampe auch nur versucht, dir was zu tun, ziehe ich ihm einen Bowlingball durch die Fresse.«

»Bitte nicht.« Miles wirkte schockiert.

Ash war selbst schockiert von der Wut, die in ihm hochgekocht war. »War nur ein Witz.«

»Sicher?«

»Na klar.« Er entspannte sich. »Lucas tut bestimmt nur so. Und ich meine, wenn Olivia wirklich mit dir ausgehen will, kann er nicht viel machen. Das ist ihre Entscheidung, richtig?«

»Ja, schon. Wenn sie das will. Warum auch immer.«

»Hey, sie hat Ja gesagt. Auch, wenn du sie nur aus Versehen gefragt hast.«

»Ja.« Miles konnte es offenbar immer noch nicht glauben.

Und so sehr Ash seinen Bruder liebte, er wusste, warum.

Olivia war ihm früher kaum aufgefallen. Sie war halt Lucas’ kleine Schwester gewesen und wenn er die gesamte Familie Granger bei einem der zahlreichen Feste in Two Rivers gesehen hatten, hatte ihre Nervensäge von Bruder immer alle Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Und ihr Vater. Selbst die Mutter, eine ehemalige Schönheitskönigin, war laut und zugegeben, charismatisch waren sie alle irgendwie.

Olivia dagegen wirkte brav und ruhig. In dieser Hinsicht war sie Miles wohl ähnlich. Sie hatte stets ausgesehen, als würde sie gerade aus dem Bibelunterricht kommen, mit ihren karierten Röcken und tadellos sauberen Blusen. Lange war sie neben ihrer lauten Familie kaum aufgefallen. Bis letztes Jahr.

‚Scheiße, wer ist das denn?‘, hatte Ashs Kumpel Mason gefragt, als die Schulband beim Kürbisfest aufgetreten war. ‚Das ist nicht Grangers Schwester, oder?‘

Olivia hatten sie ganz nach vorne gestellt, und es war klar, warum: Über Nacht war sie zur Schönheit geworden. Glänzende blonde Haare, hellgrüne Katzenaugen und ein Körper, an dem der karierte Rock nicht mehr nach Bibelunterricht, sondern nach sexy Schulmädchen-Verkleidung aussah. Selbst Ash, der nicht viel mit Frauen anfangen konnte, war beeindruckt gewesen.

‚Du bist zu alt für sie‘, hatte er Mason entgegnet.

‚Meinst du?‘ Mason hatte geseufzt. ‚Na ja, Granger würde mir eh die Fresse einschlagen, wenn ich was mit seiner Schwester anfange. Aber Mann, das wär es wert.‘

Und mit dieser Schwester hatte Miles ein Date. Ash betrachtete ihn nachdenklich. Das war kein mieser Trick, oder? Diese Olivia wollte ihn hoffentlich nicht irgendwie hinters Licht führen.

»Klar komme ich mit«, sagte er. »Ich passe auf dich auf.«

»Danke.« Miles zeigte ein seltenes Lächeln. »Ich wusste, dass ich mich auf dich verlassen kann, Ash. Gut, dass du zurück bist.«

»Ja.« Gut, dass er zurück war. Ein schweres Gewicht senkte sich auf Ash.

Niedergeschlagen setzte er den Blinker und bog auf die Tankstelle ein. Der Wagen rüttelte über geflickten Asphalt. Benzingeruch drang durch die Lüftungsschlitze. Mom wartete neben den Toiletten des flachen Backsteingebäudes und unterhielt sich mit einer Kollegin, die ebenfalls die graurote Uniform der Tankstelle trug.

»Sorry«, sagte Miles. »Ich meinte nicht …«

»Schon gut.« Ash lächelte und öffnete die Tür. Kälte schlug ihm entgegen. »Sammeln wir Mom ein und fahren heim. Ich verhungere.«

»Summers! Fährt die Schrottkarre immer noch?«

Ash fuhr zusammen. Er kannte diese Stimme. Er hasste diese Stimme. Leise knurrend drehte er sich um.

Lucas Granger lehnte an seiner schwarzglänzenden Corvette und grinste, als würde ihm die Welt gehören. Die massiven Arme vor der Brust verschränkt, in eine Ralph Lauren-Winterjacke gehüllt und in beigefarbene Hosen, die er mit seinen Oberschenkelmuskeln halb sprengte, sah er aus wie so ein richtig reicher Bubi. Einer, der auf ein arschteures und arschaltes College ging, das schon sein Großvater besucht hatte. Und genau das war er.

Arschloch.

»Wie du siehst.« Ash grinste ebenfalls. Bloß keine Schwäche zeigen. Er atmete die benzingeschwängerte Luft ein und straffte sich. Ob Lucas schon gehört hatte, dass Ash sein Stipendium verloren hatte?

Oder noch schlimmer, dass seine Schwester und Ashs Bruder ein Date hatten?

»Wie läuft’s in der SOU, Summers?«, brüllte Lucas über die halbe Tankstelle. »Bist du schon aus dem Team geflogen, du Versager?«

Hm, klang eigentlich nicht so, als wüsste er von irgendwas. Wie üblich.

»Hab gehört, sie hätten dich rausgeschmissen, weil du den Plunge beim letzten Spiel vergeigt hast!«, rief Ash zurück.

Lucas’ Gesicht verfinsterte sich. »Bullshit! Das war Michael Belstaffs Schuld, der hat den Run Block verkackt!«

»Das kannst du deiner Mutter erzählen, Granger.« Ash schnalzte mit der Zunge.

»Ich erzähl deiner Mutter gleich was, Summers.« Lucas packte sich in den Schritt.

Totales Arschloch. Ash knallte die Autotür zu und machte sich auf den Weg an den Tanksäulen vorbei.

Er war in seinem Leben in zwei Schlägereien geraten. Und zwar mit Lucas Granger.

Einmal hatte der ihn so lange provoziert, bis Ash ihn geschubst hatte, woraufhin Lucas ihn natürlich stärker geschubst hatte, was dazu geführt hatte, dass sie sich am Spielfeldrand geprügelt hatten und der Trainer sie zur Strafe je 200 Burpees hatte machen lassen. Natürlich hatten sie auch daraus einen Wettbewerb gemacht und am Ende beide ihr Mittagessen ausgekotzt.

Ash war wirklich nicht der beste Mensch, wenn Lucas Granger in der Nähe war.

Richtig. Er stoppte. Kurz vor Lucas, der so nahe war, dass Ash seine Bartstoppeln erkennen konnte. Es waren deutlich mehr Bartstoppeln als früher. Lucas Granger war ein richtiger Mann geworden. Ash hasste es, das zuzugeben aber mit dem kantigen Kinn und den hellgrünen Luchsaugen sah Lucas Granger halt echt verdammt gut aus.

»Fick dich doch, Granger.« Er drehte um.

»Nein, danke.« Lucas schnaubte. »Mach dir keine falschen Hoffnungen, Summers. Alle wissen, dass du nur zur SOU gegangen bist, weil da so viele Hinterlader sind.«

Ash zuckte zusammen. Lucas Granger hatte keine Ahnung. Er laberte nur irgendeinen Scheiß und hoffte, dass er ihn damit ärgern konnte. Aber leider hatte er ins Schwarze getroffen. In kaum einer anderen Uni gab es so viele offen queere Sportler wie in der Southern Oregon und das war exakt der Grund gewesen, aus dem Ash sich für das Stipendium dort entschieden hatte.

Er wusste, dass Lucas ihn nur ärgern wollte, und trotzdem wandte er sich ihm wieder zu.

»Alle wissen, dass du nur nach Reed gegangen bist, weil dich sonst keiner haben wollte. Was hat dein Dad bezahlt, damit sie dich nehmen? Musste er ein paar neue Gebäude sponsern?«

»Was, bist du neidisch?« Lucas lachte. »Klar, deine Sozialfall-Familie konnte dich ja nicht auf eine vernünftige Uni schicken. War richtig lustig, wie wir euer drittklassiges Team gebügelt haben.«

»War richtig lustig, wie ich dir in der 47. den Ball abgenommen habe.« Ash lockerte seine Schultern.

Lucas’ Augen wurden schmal. »Nächstes Jahr läuft das ganz anders, Summers.«

Ja, das würde es wohl. Aber das wusste Lucas noch nicht und Ash war viel zu stolz, um es ihm zu sagen.

Er schnaubte. »Nächstes Jahr mache ich dich genau so platt wie jedes Mal, Granger. Wie bei jedem Übungsmatch.«

Lucas lachte. »Sicher. Weißt du noch, wie du fast geheult hast, als wir zusammengestoßen sind?«

Ash ballte die Fäuste. Warum ließ er sich provozieren? Warum? Er wollte es nicht, er wollte nichts lieber als ein friedliches Leben, in dem alle sich gern hatten und füreinander da waren und …

Er seufzte.

»Können wir nicht erwachsen werden, Granger?«

»Was laberst du?«

»Wie sind jetzt über zwanzig. Können wir nicht aufhören, uns zu benehmen wie zwei kleine Jungs, die sich streiten, wer das bessere Lego hat?«

Lucas’ dunkle Augenbrauen zogen sich zusammen. Wirkte nicht, als wäre er clever genug, um das Konzept zu verstehen.

»Nö«, sagte er schließlich und zeigte Ash all seine weißen, von den teuersten Zahnärzten behandelten Zähne. »Erst mal habe ich eh das bessere Lego, weil ich mehr Geld habe. Und außerdem habe ich keine Lust.«

Ash wollte gerade etwas erwidern, als eine schmale Hand sich auf seinen Oberarm legte.

»Ash«, sagte Mom bestimmt. »Ich bin fertig. Wir können gehen.«

»Hallo Mrs. Summers.« Lucas’ Lächeln war so anzüglich, dass Ash ihm am liebsten in die Fresse geschlagen hätte. »Hübsch sehen Sie aus.«

»Danke.« Sie zog an Ashs Ärmel und er ließ sich mitziehen. »Komm.«

Erst, als sie wieder eingestiegen waren, löste sich die Wut in Ash.

»Sorry«, murmelte er, startete den Wagen und rumpelte von der Tankstelle. Miles sah ihn verwundert an.

»Du musst aufpassen«, sagte Mom. Sie sah klein und schmal aus, aber in ihren Mundwinkeln war eine Härte, die nie ganz verschwand. »Wenn du ihm die Nase brichst, verklagt sein Dad dich.«

»Nee.« Ash schüttelte den Kopf. »Falls wir uns prügeln und er verliert, würde er seinem Dad nie davon erzählen. Wäre ihm zu peinlich.« Und das war wohl das Netteste, was man über Lucas Granger sagen konnte. »Hast du schon gehört? Miles hat ein Date.«

»Haha.« Mom musterte Miles vom Rücksitz aus. Als niemand sonst lachte, blinzelte sie. »Was, echt?«

»Ja.« Miles nickte ernst. »Leider ist es nicht ganz unkompliziert.«

»Du hast ein Date?« Mom packte die Rücklehne. »Mit wem? Wann? Was ziehst du an?«

Ash überließ Miles das Erklären und konzentrierte sich darauf, seinen Atem unter Kontrolle zu bringen. Er schaute in den Rückspiegel und erstarrte. Lucas’ Corvette war direkt hinter ihm. Er sah das breite Grinsen hinter der Windschutzscheibe. Lucas winkte, dann ließ er den Motor aufheulen und jagte auf die Gegenspur.

»Lahmarsch!«, brüllte er durch die offene Scheibe.

»Verpiss dich, Granger!«, brüllte Ash zurück. »Und schau auf die Straße.«

Lucas dachte nicht daran. Er hielt den Wagen direkt neben der alten Schrottkarre und lehnte sich über den Beifahrersitz.

»Kleines Wettrennen?«, rief er.

»Nein!« Ash sah stur geradeaus.

»Was, hast du Angst? Ich lass dir einen Vorsprung.«

»Überhol endlich«, rief Ash. »Da hinten kommt ’ne Kurve.«

»Was, hast du Angst um mich?« Lucas lachte. »Wusste gar nicht, dass ich dir so viel bedeute!«

»Tust du nicht!«

»Das klingt aber anders!«

Sie rasten auf die Kurve zu. Bäume zischten an ihnen vorbei und beide Autos hatten Probleme, auf der halb verschneiten Straße auf der Spur zu bleiben. Ein Schwarm Dohlen flog auf, als sie Seite an Seite die Kurve nahmen. Die Bahn war frei. Der schattige, herrlich weite Weg erstreckte sich vor ihnen.

»Glück gehabt.« Lucas grinste und hupte zweimal.

»Mann!« Ash sah ihn an. »Wenn da wer entgegengekommen wäre, wärst du Matsch! Überhol endlich!«

»Was ist mit unserem Wettrennen?«

»Gibt es nicht!«

»Und warum, Summers?«

»Das weißt du ganz genau, Granger.«

»Weil du Angst hast?«

»Weil du mit deiner Angeberkarre eh gewinnst.«

»Genau das wollte ich hören.« Lucas grinste. Die nächste Kurve näherte sich. Er drückte das Gaspedal durch.

Ein Truck raste auf ihn zu. Plötzlich war er da, der silberne Grill ragte schneebedeckt vor ihm auf und Lucas trat gleichzeitig auf die Bremse und riss das Steuer herum. Ein ohrenbetäubendes Hupen. Die Welt wurde klein und langsam.

Dann donnerte der Truck links an ihm vorbei, während er hinter der Schrottkarre von Ash Summers hinterher schlingerte.

»Fuck«, murmelte Lucas. Irres Lachen stieg in ihm auf. Das Blut rauschte durch seine Adern, sein Herz pumpte und er war lebendig, so verfickt lebendig.

Kaum war der Truck vorbei, überholte er Summers’ Schrottkarre, winkte ihm ein letztes Mal zu und beschleunigte dann.

Das war zu knapp, flüsterte eine Stimme in seinem Hinterkopf.

»Bullshit.« Er lachte, obwohl niemand ihn hören konnte. »Nicht für mich.«

Lucas Granger hatte schon ganz andere Manöver überlebt. Und jedes Mal fühlte er sich danach wie nun: am Leben.

Das Gefühl kribbelte durch seinen Körper, den ganzen Weg nach Hause über. Raus aus dem verschneiten Wald, durch die Vorstadt, wo die Wege geräumt und die Hecken getrimmt waren und den Hügel hoch zum Anwesen seiner Familie.

Er fegte unter dem goldenen Torbogen hindurch, der mit dem Granger-Wappen geschmückt war, welches ihm stets ein Augenrollen entlockte. Mom hatte das Ding gestalten lassen, als er im Kindergarten gewesen war. Inzwischen tat sie so, als sei es schon immer ihr Wappen gewesen und wurde stinksauer, wenn man das Gegenteil behauptete. Lucas war nicht sicher, ob sie es ernst meinte oder nicht. Wusste sie noch, dass sie mal ein armes Mädchen aus Idaho gewesen war? Wusste Dad noch, dass sein eigener Vater sein Vermögen verzockt hatte und Grandpa erst wieder auf die Füße gekommen war, als er seine reiche Jugendliebe geheiratet hatte? Das hatte Grandma erzählt, die nach Olivia Lucas’ liebstes Familienmitglied gewesen war.

Sie redeten nie darüber. Sie redeten viel, aber nur über die guten Sachen. War vermutlich besser so. Die Grangers waren Gewinner. Und Gewinner hielten sich nicht mit schlechten Erinnerungen auf.

Die Garage erkannte seine Corvette und öffnete sich. Sie war leer. Na ja, bis auf den Ferrari, die Harley und den Dodge, den sie während Dads Wahlkampf benutzt hatten, um volksnäher zu wirken. Aber da, wo sonst die Porsches seiner Eltern und Olivias Tesla standen, sah er nur glänzenden, leeren Boden.

Das Garagentor senkte sich. Es wurde schattig, und ohne das Dröhnen des Motors war es so still, dass er sein wild hämmerndes Herz spürte. Immer noch. Stöhnend lehnte er sich im Sitz zurück.

Ash Summers. Die dämliche Arschkrampe. Lucas lächelte. Nichts machte ihn glücklicher, als diesem verkackten Summers zu zeigen, wer der bessere Mann war.

Er nämlich.

Nächstes Jahr würde er es Summers richtig besorgen. Sein Herz beschleunigte erneut, als er sich vorstellte, wie er ihm wieder gegenüber stehen würde, auf dem Spielfeld, am besten im Regen, damit er den Trottel so richtig in den Schlamm rammen konnte, dass es spritzte und seine ganze verkackte Uniform sich vollsog … Lucas’ Hand wanderte wie von selbst zwischen seine Beine und knetete die Ausrüstung durch. Weil es seine Vorstellung war und man sich in seiner Vorstellung nicht an Spielregeln halten musste, stellte er sich vor, dass er Summers zu Boden rang, spürte, wie er unter ihm kämpfte, wie er versuchte, ihn abzuschütteln, und wie er ihn mit seiner überlegenen Kraft unten hielt …

»Fuck.« Lucas schluckte. Er war so hart, dass es in der Hose schmerzhaft eng wurde. Na ja, war ja eh keiner da. Und früher hatte er das hier ständig gemacht. Er wusste auch nicht, warum der Gedanke, Summers so gründlich zu besiegen, dass er Lucas’ Überlegenheit nie wieder anzweifelte, ihn geil machte. Aber das tat es.

Er holte tief Luft und sah sich um. Die Garage war leer und geschlossen. Sein Gürtel klickte leise beim Öffnen.

»Ich besorg’s dir richtig, Summers«, murmelte er und legte Hand an. Heißes Kribbeln rann durch seinen Unterleib. »Ich ramm dich unangespitzt in den Boden.« Er stellte sich Summers’ Unterarme in seinen Händen vor, dessen Körper zwischen seinen Schenkeln, während er über ihm kniete …

»Fuuuck …« Er bockte aufwärts. Verkrampfte. Sein Saft pladderte über das Lenkrad und die Hose und er vibrierte, bis der Drang zu einem Summen verglühte und dann zu gar nichts. Er fühlte sich vollkommen leer. Kein Denken, keine Spannung, keine Sorgen. Nur herrliche, absolute Leere. Einen Moment lang war es immer so.

Er seufzte leise. Seine Wange drückte sich in das kühle Leder und obwohl das Innere des Wagens langsam abkühlte, war ihm knallheiß. Immer noch kribbelte es in seinen Lenden.

»Fuck«, murmelte er. »Das tat gut.«

Das Garagentor ging auf. Licht drang in einer immer breiteren Schneise auf den hellen Boden und Lucas griff hastig ins Handschuhfach, holte Taschentücher heraus und machte sich sauber. Und das Lenkrad.

Olivias Tesla glitt neben seine Corvette. Er schaffte es gerade, die Hose wieder zuzumachen, bevor sie bemerkte, dass er im Auto saß.

War es seltsam, dass er allein in der Garage war? Er öffnete die Tür und stieg so breitbeinig aus, wie er konnte.

»Hey, Liv«, sagte er. »Wie war die Schule?«

»Gut.« Sie schloss die Tür, elegant wie immer, dank der Ballettstunden, zu denen Mom sie gezwungen hatte. Sie lächelte und sah aus wie ein Engel. »Wir hatten Musik, das ist immer gut.« Grazil schulterte sie ihren komischen Flötenkoffer und Lucas verzog das Gesicht. »Was?«

»Du hättest Cheerleader werden können, weißt du? Mom wäre überglücklich gewesen.«

Liv schüttelte den Kopf. Ihr liebes Gesicht verschloss sich. »Das ist nichts für mich.«

»Ich weiß, Liv.« Er grinste. »Ich find’s gut, dass du nicht alles machst, was wir sagen.«

Ihre Mundwinkel zuckten. Doch bevor daraus ein richtiges Lächeln werden konnte, sah sie zu Boden.

Er hatte Angst um sie gehabt, seit er denken konnte. Sie war schon als Baby zu winzig gewesen und viel zu schmal, und bis letztes Jahr war sie immer die Kleinste in der Klasse gewesen. Er hätte gedacht, dass er sich weniger Sorgen machen würde, wenn sie endlich kräftiger würde, aber seltsamerweise war es schlimmer geworden. Liv war nicht auf die Art kräftiger geworden, die er sich erhofft hätte. Mom sagte, dass sie an all den richtigen Stellen gewachsen war, aber Lucas fand, dass es die komplett falschen waren. Sie hätte breite Schultern und kräftige Arme bekommen sollen, um jedem Jungen was auf die Fresse zu geben, der sie nervte. Stattdessen war sie … also. Da oben und da unten voller geworden und leider so sehr, dass es allen auffiel. Lucas hatte seinem besten Freund eine mitgeben müssen, weil der etwas Falsches über Liv gesagt hatte.

»Was ist, Liv?« Er spürte es. Sein Großer Bruder-Radar piepte so laut, dass er seinen eigenen Herzschlag nicht mehr spürte. Etwas war passiert. Etwas Schreckliches.

»Gehen wir rein«, sagte sie, ohne ihn anzuschauen. »Ich mache einen Tee.«

»Ich mag keinen Tee«, sagte er. »Was ist los?«

»Das erzähle ich dir dann …«

Er packte ihren Oberarm, vorsichtig, als wäre sie immer noch das zerbrechliche kleine Mädchen von damals und nicht … das hier. Jemand, der Ärger anzog, obwohl sie absolut rein und unschuldig war und das gefälligst auch bleiben sollte. Mom und Dad hatten ihm aufgetragen, über Liv zu wachen, aber das hätte er auch selbst getan.

»Liv«, sagte er so sanft, wie er konnte. »Was ist los?«

Sie biss sich auf die Lippe. »Ich habe ein Date.«

Er atmete aus. Okay. Kein Problem. Er wusste, was zu tun war.

»Hat dich wieder einer gefragt und du warst zu nett, um Nein zu sagen? Kein Problem. Ich kümmere mich darum. Der wird sich wünschen, dass er dich nie genervt hätte.«

»Nein. So ist das nicht.« Sie schluckte sichtlich und sah so nervös aus wie damals, als sie versehentlich Moms alte Tiara kaputt gemacht hatte. Lucas hatte die Schuld auf sich genommen und nicht kapiert, warum seine Eltern ihn so besorgt anschauten. Erst, als er behauptet hatte, er hätte sie als Ninja-Wurfstern benutzt, hatten sie aufgeatmet. Und ihm eine Woche Serienverbot aufgebrummt, was relativ mild war. Mom liebte ihre alte Tiara. Sie war Miss Teen Idaho gewesen und im Flur hing ein Gemälde von ihr in ihrer Schärpe.

»Wie ist es denn dann?« Das ungute Gefühl war zurück. Warum schaute Liv so schuldig?

»Ähm.« Sie sah sich in der Garage um, als wollte sie sichergehen, dass niemand sie hörte. »Er hat mich … Ich wollte …« Sie kratzte sich an der Wange, was ihr stets einen Klaps auf die Finger einbrachte, wenn Mom in der Nähe war. Livs Stimme kam leise und gehetzt. »Ich wollte ihn schon lange fragen, ob wir mal was zusammen machen, aber ich habe mich nicht getraut. Und heute hat er … Er hat mich gefragt … Ich glaube, er hat mich gefragt, ob ich mit ihm bowlen gehen will, aber ich bin nicht sicher, aber das habe ich erst später kapiert. Vielleicht hat er auch den ganzen Kurs gemeint und nicht nur uns und ich habe ihn in voll die peinliche Lage gebracht, weil ich gleich damit rausgeplatzt bin, dass ich unbedingt mit ihm da hin will und …« Sie bedeckte das Gesicht mit den Händen. »Er hat bestimmt nur aus Nettigkeit Ja gesagt.« Das, was zwischen den schmalen Fingern hinausschaute, war knallrot.

Lucas ballte die Fäuste. Wer immer dieser Kerl war, er würde ihn ermorden. Niemand gab seiner Schwester das Gefühl, blöd zu sein. Und niemand ging mit ihr aus, vor allem nicht, wenn sie das tatsächlich wollte!

»So. Du bist also interessiert an diesem …« Er ließ das Ende in der Luft hängen.

»Miles«, flüsterte sie. »Ich mache uns einen Tee.«

»Einen Teufel machst du … he!«

Sie war entwischt. Er holte sie auf dem Weg zum Wohnzimmer ein, aber Liv bestand darauf, erst einen verkackten Tee zu machen. Während das Zeug durchzog, saß sie stumm auf dem gigantischen cremefarbenen Sofa im Wohnzimmer, das so neu war, dass es immer noch wie eine Mischung aus Papier und Waschmittel duftete, faltete die Hände und hielt die Klappe.

Auf dem goldgerahmten Tisch dampfte die Teekanne vor sich hin. Zwei Tassen standen vor ihnen. Die Wanduhr tickte. Draußen, hinter den bodentiefen Fenstern, die zum Garten hinausgingen, wurde das Licht blauer und verschwand langsam. Liv schwieg.

»Liv. Verdammte Kacke.«

»So sollst du nicht reden«, murmelte sie. »Das sage ich Mom.«

»Einen Scheiß machst du.«

Sie lächelte zaghaft. »Sag mir nicht, was ich verkackt noch mal zu tun habe.«

Er lachte unwillkürlich und wurde sofort wieder ernst. »Wer ist der Kerl, Liv? Dieser … Milo?«

»Miles.« Ihre Wangen nahmen eine sehr gesunde Farbe an.

Ich bring den Kerl um, dachte Lucas. Mom und Dad helfen mir bestimmt, die Leiche wegzuschaffen.

»Er ist sehr nett.« Sie sah auf und ihr Blick war ungewohnt hart. »Du lässt ihn in Ruhe, klar? Dass du William und Ethan gedroht hast, war … nun, nicht okay aber wirklich gestört hat es mich nicht. Sie waren echt anstrengend. Aber Miles lässt du in Ruhe. Wehe, du versaust das.«

Lucas’ Alarmglocken schrillten, aber er zwang sich, vollkommen ruhig zu bleiben. »Ich musste William und Ethan nur sagen, dass ich ihnen die Eier abschneide wenn sie dich anfassen weil du dich nicht getraut hast.«

»Ich will ihnen nicht die Eier abschneiden.« Sie sah zu Boden. »Und ich weiß, dass du es für mich getan hast. Sie haben mich einfach nicht in Ruhe gelassen und …«

»Und du hast Ja gesagt.«

»Sie haben mich ständig gefragt.«

»Natürlich haben sie das!« Lucas lehnte sich vor und sah sie warnend an. »Du hast dich verändert, Liv. Du siehst jetzt … anders aus. Du musst lernen, Nein zu sagen, sonst … also.«

»Was?«

»Nichts.« War wohl besser, ihr keine Ideen einzupflanzen. »Wer ist dieser Miles?«

»Er ist sehr nett.«

»Ja, ja. Bestimmt ist er das. Bis ihr alleine seid.«

Sie blinzelte. »So ist er nicht. Echt nicht.«

»Der tut nur so.«

»Dann tut er das schon ziemlich lange.« Sie knetete ihre Unterlippe und wirkte nicht ausreichend angewidert davon, dass dieser Miles ihr ganz offensichtlich an die Wäsche wollte. »Er ist wirklich lieb. Er interessiert sich echt für mich.«

»Das glaub ich«, knurrte Lucas.

»Nein, nicht so. Er hat mein Flötenspiel gelobt.«

Der will doch nur, dass du auf seiner Flöte spielst, hätte Lucas fast gesagt. Aber nicht zu seiner engelsgleichen Schwester. Mom, Dad und er hatten sich äußerste Mühe gegeben, um ihre Unschuld zu bewahren. Und das würden sie auch weiterhin.

»Liv, manchmal lügen Jungs, damit Mädchen sie mögen …«

»Er nicht. Und ich spiele wirklich gut.« Sie nickte, als müsste sie sich selbst davon überzeugen. »Ich weiß, dass ihr alle nicht glaubt, dass ich in der Schulband richtig bin, aber das bin ich. Ich fühle mich dort sehr wohl.«

»Schön, schön.« Er würde sie eh nicht umstimmen können und es gab Wichtigeres. »Bei diesem Date bin ich dabei, ist das klar?«

»Klar.« Sie zuckte mit den Achseln. »Davon bin ich ohnehin ausgegangen. Ich wollte dich nur vorwarnen, dass du ihn nicht bedrohen sollst. Ich mag ihn wirklich.«

»Ein Grund mehr, ihm zu drohen.«

»Lucas!«

Er verschränkte die Arme und lehnte sich zurück. »Nur, wenn er dich irgendwie komisch ansieht, natürlich. Und er ist auch in der Band, ja?«

»Ja. Er spielt wunderbar.« Sie lächelte. »Und du wirst dich auf unserem Date nicht langweilen. Er bringt seinen Bruder mit.«

Na super. »Wenn du denkst, ich lasse mich von seinem Bruder ablenken, dann hast du dich geschnitten. Ich hab ein Auge auf euch, ist das klar?«

Sie lächelte. »Klar. Danke, dass du auf mich aufpasst.«

»Und wer ist dieser Miles jetzt? Ist er mit irgendwem verwandt, den ich kenne?«

»Ja, natürlich. Es ist Miles Summers.«

»Miles … Summers.« Ein verschwommenes Bild tauchte auf, ein ernsthaftes Gesicht mit Brille oder so, neben dem Gesicht, das stets all seine Sinne kaperte. »Miles Summers? Der Bruder von Arschkrampe Summers?«

»Ja, genau.« Sie strich sich die Haare hinter das Ohr und errötete.

»Aber der ist ein Nerd. Ein … Querflöten-Nerd.«

»Na und? Ich doch auch.«

Lucas stöhnte. »Du kapierst das nicht. Du bist … Du könntest was ganz anderes sein. Der nicht. Der ist … Moment.« Das letzte Puzzlestück rastete ein. »Kommt dann Ash mit auf das Date oder der andere Bruder?«

»Ash. Miles meinte, in seiner Familie achten sie sehr auf Anstand.« Sie runzelte die Stirn. »Das ist doch gut, oder? Dann müsst ihr euch weniger Sorgen machen.«

Lucas starrte vor sich hin. Ash Summers. Würde auch auf dem Date sein. Pure Elektrizität huschte durch seine Adern. Ash Summers. Der Name verfehlte seine Wirkung nicht: Er grinste.

»Und wir gehen bowlen?«

Sie nickte.

»Den Wichser mach ich fertig.«

»Bestimmt.« Wenn er es nicht besser gewusst hätte, hätte er gedacht, dass seine engelhafte Schwester ein wenig verschlagen schaute.

»Mach dir keine Hoffnungen«, sagte er streng. »Ich lass mich bestimmt nicht ablenken.«

»Bestimmt nicht.« Sie nickte erneut. »Dafür bist du viel zu gewissenhaft.«

»Sag mal, verarschst du mich?« Er warf ein Sofakissen nach ihr. Sie fing es und kicherte. »Warte mal lieber, was Mom und Dad dazu sagen, dass du mit einem Sozialfall-Nerd ausgehen willst. Die verbieten dir das eh.«

»Werden sie nicht.«

»Werden sie wohl.«

Liv sah auf den immer noch dampfenden Tee und wirkte mit einem Mal erwachsener als sonst. »Wenn sie mir das verbieten, trete ich nicht auf ihrer Weihnachtsgala auf.«

Lucas blinzelte. Liv weigerte sich selten, etwas zu tun, um das Mom sie bat. Fast nie.

»Du magst diesen komischen Nerd wirklich, hm?«

»Ja.«

Alles klar. Sobald sich eine Gelegenheit bot, würde er den Kleinen beiseitenehmen und ihm erklären, dass er die Pfoten von seiner Schwester zu lassen hatte.

 

***

 

Zu seinem Leidwesen verboten Mom und Dad nicht, dass Liv mit dem Sozialfall-Nerd ausging.

»Lucas, du passt auf, richtig?« Mom lächelte.

»Klar, aber ich müsste nicht aufpassen, wenn sie gar nicht geht.« Lucas säbelte an seinem Steak herum. »Ich finde, Liv ist eh zu jung, um auf Dates zu gehen. Warten wir doch ab, bis sie achtzehn ist.«

»Gute Idee.« Dad nickte. Obwohl sie inzwischen gleich groß waren, kam er Lucas immer noch riesig vor. Sportlich und gebräunt in seinem Jackett und den graudurchsetzten Haaren. Obwohl Dad so ein alter Knacker war, hatte Lucas es immer noch nicht geschafft, ihn im Tennis zu schlagen. Er war oft kurz davor gewesen, aber immer, wenn der Punktestand auf seiner Seite war, warf Dad ihm einen einzigen Blick zu und Lucas versemmelte den nächsten Aufschlag. Immer.

»Danke, Dad.« Auffordernd sah Lucas Mom an und ignorierte Livs wütende Miene. »Mom?«

»Lass sie doch üben.« Mom lachte glockenhell. »Ich habe auch geübt, als ich in ihrem Alter war. Bis ich euren Dad getroffen habe.« Sie legte eine Hand auf Dads und der führte sie zum Mund und küsste sie. Die beiden waren immer noch so verliebt, dass es scheißpeinlich war.

»Liv ist viel zu nett, um zu üben«, knurrte Lucas. »Was, wenn sie sich auf irgendwas einlässt, nur, weil sie sich nicht traut, Nein zu sagen?«

»Dafür bist du ja da.« Mom wirkte ziemlich unbesorgt, aber zwischen Dads Augenbrauen erschien eine Falte.

---ENDE DER LESEPROBE---