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Die Praxis der Supervision lernt man am besten von der Praxis. Heidi Neumann-Wirsig stellt in diesem Buch 50 Fallvignetten vor, die einen Querschnitt durch die typische Supervisionspraxis geben. Die Kurzbeschreibungen zeigen Einzel-, Gruppen-, Teamsupervisions- und Coachingszenen zu einem bestimmten Zeitpunkt im Beratungsprozess. Zu jeder Vignette werden systemisch-lösungsorientierte Interventionen und Tools angeboten, die sich in der Praxis bewährt haben. Den theoretischen Unterbau liefert der erste Teil des Buches. Hier beschreibt die Autorin systemisch-konstruktivistische Supervision auf der Basis der drei Säulen von Professionalität – Theorie, Rolle und Interventionen. Einzelne Themen wie Fallsupervision, Teamsupervision, Team werden vor diesem Hintergrund reflektiert und neu konzipiert Der übersichtliche Aufbau und der direkte Zugang zu den einzelnen Fallvignetten macht dieses Buch zu einem verlässlichen Begleiter in der täglichen Supervisionspraxis.
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Seitenzahl: 342
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Heidi Neumann-Wirsig
50 Supervisionsgeschichten und viele Möglichkeiten
Mit einem Vorwort von Gunther SchmidtVierte Auflage, 2022
Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats des Carl-Auer Verlags:
Prof. Dr. Rolf Arnold (Kaiserslautern)
Prof. Dr. Dirk Baecker (Witten/Herdecke)
Prof. Dr. Ulrich Clement (Heidelberg)
Prof. Dr. Jörg Fengler (Köln)
Dr. Barbara Heitger (Wien)
Prof. Dr. Johannes Herwig-Lempp (Merseburg)
Prof. Dr. Bruno Hildenbrand (Jena)
Prof. Dr. Karl L. Holtz (Heidelberg)
Prof. Dr. Heiko Kleve (Witten/Herdecke)
Dr. Roswita Königswieser (Wien)
Prof. Dr. Jürgen Kriz (Osnabrück)
Prof. Dr. Friedebert Kröger (Heidelberg)
Tom Levold (Köln)
Dr. Kurt Ludewig (Münster)
Dr. Burkhard Peter (München)
Prof. Dr. Bernhard Pörksen (Tübingen)
Prof. Dr. Kersten Reich (Köln)
Dr. Rüdiger Retzlaff (Heidelberg)
Prof. Dr. Wolf Ritscher (Esslingen)
Dr. Wilhelm Rotthaus (Bergheim bei Köln)
Prof. Dr. Arist von Schlippe (Witten/Herdecke)
Dr. Gunther Schmidt (Heidelberg)
Prof. Dr. Siegfried J. Schmidt (Münster)
Jakob R. Schneider (München)
Prof. Dr. Jochen Schweitzer (Heidelberg)
Prof. Dr. Fritz B. Simon (Berlin)
Dr. Therese Steiner (Embrach)
Prof. Dr. Dr. Helm Stierlin † (Heidelberg)
Karsten Trebesch (Berlin)
Bernhard Trenkle (Rottweil)
Prof. Dr. Sigrid Tschöpe-Scheffler (Köln)
Prof. Dr. Reinhard Voß (Koblenz)
Dr. Gunthard Weber (Wiesloch)
Prof. Dr. Rudolf Wimmer (Wien)
Prof. Dr. Michael Wirsching (Freiburg)
Prof. Dr. Jan V. Wirth (Meerbusch)
Reihengestaltung: Uwe Göbel
Umschlagfoto: © Uwe Göbel
Satz: Verlagsservice Hegele, Heiligkreuzsteinach
Printed in Germany
Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck
Vierte Auflage, 2022
ISBN 978-3-89670-735-2 (Printausgabe)
ISBN 978-3-8497-8389-1 (ePub)
© 2011, 2022 Carl-Auer-Systeme Verlag
und Verlagsbuchhandlung GmbH, Heidelberg
Alle Rechte vorbehalten
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Vangerowstraße 14 • 69115 Heidelberg
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Dank
Vorwort
Einleitung
Die Fallvignetten
Struktur der Beispiele
Teil 1Supervision – Grundlagen, Mythen und systemische Besonderheiten
1 Beratungsformat Supervision
Was ist Supervision?
Geschichtliches
Systemische Supervision
2 Drei Säulen der Professionalität in der systemischen Supervision
Theoriekonzept
Instrumente der Intervention
Was kennzeichnet Tools?
Haltung und Rolle
3 Grundlagen der Supervision
Heimat- und Supervisionssystem
Probleme und Restriktionen
Die Organisation ist immer dabei
Wohin mit dem organisationsbezogenen Wissen? – Beraterkonferenz und Gespräche mit der Geschäftsleitung
Beratungsformate Coaching, Supervision, Teamberatung/Teamsupervision
Organisationsberatung
Auftragsklärung und Auftragsmuster
4 Mythen der Supervision
Mythos der Freiwilligkeit
Mythos der (reinen) »Fallsupervision«
Mythos Team
Mythos Teamsupervision und Teamentwicklung
5 Systemische Supervision ist einfach, aber nicht leicht
Teil 250 Supervisionsgeschichten und viele Möglichkeiten
6 Rund um den Auftrag
Geschichte 1: Das Gegenteil von »gut« ist »gut gemeint«
Geschichte 2: Dem ersten Gefühl vertrauen
Geschichte 3: Der Chef gehört dazu
Geschichte 4: Insolvenz der Altersheim GmbH
Geschichte 5: Jammern gehört zum Handwerk
Geschichte 6: Sind 29 ein Team?
Geschichte 7: Supervision im zweiten Anlauf
Geschichte 8: Verordnete Supervision
Geschichte 9: Zwischen die Fronten geraten
7 Den Anfang gestalten
Geschichte 10: Neuland betreten
Geschichte 11: Supervision wider Willen
Geschichte 12: Vom schwarzen Loch in der Supervision
8 Die Themen im Zentrum
Geschichte 13: Wer hat ein Anliegen?
Geschichte 14: Zu viel des Guten
Geschichte 15: Wer sieht ein Problem?
Geschichte 16: Presseerklärung
Geschichte 17: Wenn der Schwung fehlt
Geschichte 18: Reden wie ein Wasserfall
Geschichte 19: Und immer wieder der Alltag
Geschichte 20: Jedes Mal das gleiche Lied
Geschichte 21: Ein anderer trage die Last
Geschichte 22: Pendeln zwischen den Systemen
Geschichte 23: Des einen Freud, des anderen Leid
Geschichte 24: Was soll ich machen?
Geschichte 25: »Bitte hilf mir, anders zu werden«
Geschichte 26: Wer beendet die Supervision?
9 Konflikte im Teamalltag
Geschichte 27: Wenn zwei sich streiten
Geschichte 28: Einer für alle, alle für einen
Geschichte 29: An der Grenze angekommen
Geschichte 30: Wessen Weg ist der richtige?
10 Coaching statt Supervision
Geschichte 31: Am Rande des Burn-out?
Geschichte 32: Doppelt genäht hält besser
Geschichte 33: Für Leitung nicht geeignet?
Geschichte 34: Spieglein, Spieglein an der Wand
Geschichte 35: Wehe, ihr leitet uns!
11 Überraschungen kurz vor Schluss
Geschichte 36: Angriff auf die Kompetenz der Supervisorin
Geschichte 37: Der Griff in die Kasse
Geschichte 38: Die letzten fünf Minuten
Geschichte 39: Einladung zum Essen
Geschichte 40: Jedes Mal ein anderes Team
Geschichte 41: Wenn einer sich verliebt
Geschichte 42: Wo bleibt er denn?
12 Beratungsformate, maßgeschneidert
Geschichte 43: Fusion – aus zwei mach eins
Geschichte 44: Das Team kann zu keinen Entscheidungen kommen
Geschichte 45: Folgen einer Supervision mit Lehrern
Geschichte 46: Leben in unterschiedlichen Zeiten
Geschichte 47: Viele Wege führen nach Rom
Geschichte 48: Welches Format ist geeignet?
Geschichte 49: Wenn die Schule sich entwickeln soll
Geschichte 50: Zweierlei aus einer Hand
Literatur
Über die Autorin
Ganz besonders möchte ich mich bei meinem Mann, Gerhard Neumann, und meiner Freundin und Kollegin, Christine Lampert, bedanken, die mir ihre Zeit, Zuneigung, Geduld, Zuversicht, Beharrlichkeit und ihr Zutrauen schenkten und mit ihrer Fachlichkeit und Unterstützung immer für mich da waren, wenn ich sie brauchte.
Bedanken möchte ich mich auch bei allen Kolleginnen, Kollegen, Freundinnen und Freunden für ihre Anregungen und Ideen, ihre kollegiale Unterstützung und ihre Antworten auf meine Fragen und nicht zuletzt für ihr Interesse an diesem Buch.
Supervision als eine Form der Beratung ist nicht nur ein immer häufiger nachgefragtes Phänomen geworden, sondern hat auch sehr unterschiedliche Formen der Ausgestaltung erfahren – je nachdem, aus welchen Grundkonzepten sie abgeleitet wurde oder wird. Entsprechend hat die Zahl der Veröffentlichungen zum Thema Supervision in kaum noch überschaubarer Weise zugenommen. Da wird es für Interessierte immer schwerer, ein Werk mit optimalem Nutzen für ihren Praxisbedarf zu finden.
Sowohl die Theorie als auch die Praxis der Supervision spiegelt die Prämissen ihrer Grundkonzepte wider. Als quasi selbstverständliche »Naturgesetze« wirken sie nicht selten so verdeckt, dass sie schwer auf ihre Stimmigkeit zu prüfen sind. Sowohl für Menschen, die Supervisionsprozesse nachfragen, wie für diejenigen, die sie anbieten, ist es schwer Wahlmöglichkeiten für sich aufzubauen, wenn sie die impliziten Annahmen nicht prüfen und mit anderen vergleichen können. Das immer komplexer werdende Angebotsfeld »Supervision« kann dann leicht zu einer Art Konfusions-Induktion für Interessierte werden – nicht zuletzt, weil sich viele Veröffentlichungen in beeindruckend wirkende Theoriehöhen schwingen, aber die transparente Schilderung eines Schritt-für-Schritt-Vorgehens in der Praxis schuldig bleiben.
So überrascht es nicht, wenn man von Supervisionsteilnehmern mit Stöhnen vorgetragene Schilderungen zu hören bekommt, die darauf hindeuten, dass die Supervision eher mehr Verwirrung, Erwartungsdruck und damit verbundene Schwächung bewirkte. Auch hier könnte also der Satz gelten: »Der Unterschied zwischen Theorie und Praxis ist in der Praxis größer als in der Theorie …«
In dieser Situation kommt Heidi Neumann-Wirsigs Buch sehr willkommen, weil es erfrischend hilfreiche und praxiswirksame Hilfe bietet. In wohltuend klarer und übersichtlicher Weise bietet sie prägnant einen systematischen und gut strukturierten Überblick über die Grundprämissen ihres Supervisionskonzepts. Auch jemand, der mit systemischer Arbeit noch nicht intensiv vertraut ist, kann dies schnell und gründlich nachvollziehen und einordnen. Schon das kann für die praktische Umsetzung ermutigend und sehr hilfreich wirken.
Was mir besonders gut gefällt, ist, dass die Autorin den Aspekt der Kybernetik zweiter Ordnung in nützliche, handfeste Schritte der Praxis umsetzt und dabei die unterschiedlichen, wichtigen Ebenen von Systemen gut geordnet berücksichtigt. Als ich vor vielen Jahren für genau diese Aufgabe einmal den Begriff des Heimatsystems von Klienten vorschlug –um es deutlich von dem unbedingt zu berücksichtigenden Beratungssystem zu unterscheiden, in dem sich Beratersystem und Klienten(-»Heimat«)-System begegnen, um zu einer Kooperation zu gelangen –, habe ich mir genau eine solche Umsetzung dieser Überlegungen gewünscht. Denn gerade die praktische Erfahrung zeigt, dass alle noch so gut gedachten Interventionen erst konstruktiv wirken, wenn man nicht gleich viele Fragen und sonstige Interventionen in dieses Heimatsystem der KlientInnen »abschickt« (was in vielen systemisch orientierten Therapien und Beratungen gemacht wird). Zuerst müssen die Bedingungen ausgehandelt und dann auch beachtet werden, die sowohl für die Klienten als auch für den Berater gewährleistet sein müssen, um zu einer optimal Kraft gebenden und zieldienlichen Kooperation zu kommen, d. h., es muss systematisch das Beratungssystem als zweite Systemebene beachtet werden. Will man Supervision unter diesen Gesichtspunkten differenziert und konstruktiv gestalten, ist noch mindestens eine dritte Systemebene zu beachten und aufzubauen, nämlich das Supervisionssystem. Heidi Neumann-Wirsig zeigt in diesem Buch auf sehr anschauliche Weise, wie man das erfolgreich und gut strukturiert machen kann.
Völlig kongruent in dieses Konzept passt ihre durchgehend erlebbare Haltung, dass Supervisoren nicht die »Wissenden« sein können und sollten, sondern als ermutigende und sehr achtungsvolle Unterstützer der autonomen Werthaltungen und der Selbstorganisation derer wirken sollten, die Supervision nachfragen. In den wunderschön anschaulichen Fallbeispielen wird auch deutlich, wie völlig authentisch die Autorin das nicht nur sagt, sondern auch stimmig in ihrer Rolle lebt. In manchen persönlichen Begegnungen konnte ich ihre offene, neugierige und sehr achtungsvolle Art Menschen gegenüber selbst genießen und weiß, wie sehr dies auch von ihren Kunden explizit wertgeschätzt wird.
Zu dieser Haltung gehört auch – was mich als Hypnosystemiker natürlich besonders erfreut –, dass Heidi Neumann-Wirsig Einblick in kreative und flexible Aktionen und Reaktionen gibt, die das hypnosystemische Utilisationsprinzip in nützlicher Weise berücksichtigen – so z. B., wenn sie vorschlägt, sogenannte Widerstände in der Supervision als »Kooperation in Form von Widerstand« zu beschreiben, zu bewerten und zu nutzen. Erst so können auch die Bedürfnisse der Menschen, die – oft abwertend – als »widerständig« etikettiert werden, differenziert übersetzt, in achtungsvoller Weise berücksichtigt und in die Kooperation integriert werden. Dafür bieten die Fallschilderungen in diesem Buch viele ergötzliche Beispiele.
Überhaupt finde ich, dass die Autorin uns mit ihren zahlreichen Fallbeispielen einen enormen Schatz von vielfältigen und sehr hilfreichen Praxismodellen liefert. In meinen Augen stellt dies einen herausragenden positiven Unterschied zu vielen anderen Veröffentlichungen zur Supervision dar. Ich bin sicher, dass sich fast jede, der im weitesten Sinne im psychosozialen Feld arbeitet, in einem oder mehreren dieser Beispiele wiederfinden und nützliche Anregungen für die eigenen Themen, Aufgaben und Bedürfnisse entdecken wird.
Dass ein Autor seine Methode und seine Arbeit so offen und anschaulich darlegt, ist ja keineswegs selbstverständlich in dieser Profession. Ich finde Heidi Neumann-Wirsig in dieser Hinsicht mutig und sehr ehrlich, und es gebührt ihr besonderer Dank dafür, dass sie sich so »in die Karten schauen lässt« – womit man sich ja auch exponiert. Aber ihre Arbeit zeigt auch, dass sie sich ganz und gar nicht verstecken muss, sondern diese Offenheit ein wahres Geschenk für alle Leser werden kann. Deshalb fällt es mir sehr leicht, diesem Buch eine sehr große Leserschaft und viel Erfolg zu wünschen. Ich tue dies durchaus auch mit dem Blick auf einen gewissen Eigennutz für unser Image in diesem Beruf, denn Menschen in unserer Profession, die die hier vorgestellten Konzepte nutzen, werden sicher in effektiverer und dabei würdigender Weise mit ihren Klienten arbeiten. Ich wünsche Ihnen viel Spaß dabei!
Dr. Gunther Schmidt
Leiter des Milton-Erickson-Instituts Heidelberg
Ärztlicher Direktor der SysTelios-Klinik Siedelsbrunn für
psychosomatische Gesundheitsentwicklung
In der Supervision ist es normalerweise unüblich, andere bei ihrem supervisorischen Tun zu beobachten. Während systemische Berater jedweder Art gewohnt sind, mit Videoaufnahmen, Einwegspiegeln, Demonstrationen und der direkten Beobachtung anwesender Kollegen zu arbeiten und zu lernen, gilt es in der klassischen Supervision – ausgenommen in Ausbildungskontexten – eher als ungewöhnlich, während der Arbeit beobachtet zu werden. Man lässt sich nicht so gerne in die Karten schauen.
Dieses Buch ist deshalb für diejenigen geschrieben, die gerne doch einmal bei Supervisionen hinter dem Spiegel sitzen würden, sei es, weil sie schauen wollen, wie die Autorin vorgeht, weil sie ihre Supervisionskarriere erst begonnen haben, weil sie als erfahrene Kollegen immer auf der Suche nach Anregungen sind, weil sie sich besonders für die systemische Arbeitsweise interessieren oder einfach aus Neugierde und Interesse.
Mit diesem Buch möchte ich Sie einladen, mich beim Supervidieren zu beobachten, mir sozusagen über die Schulter zu schauen. Die in Teil 2 dargestellten 50 Supervisionssituationen bzw. »Supervisionsgeschichten« spiegeln eine normale Supervisionspraxis wider, so wie sie jeder von uns erleben könnte oder schon erlebt hat. Die Bedeutungsgebungen und Interventionen in den Beispielen speisen sich aus meinem systemisch-lösungsorientierten Verständnis und Repertoire und sind als Möglichkeiten und Ideen für supervisorisches Handeln zu verstehen. Ich stelle die Supervisionsgeschichte in den Mittelpunkt und nicht das Tool und entwickle dann Ideen für das weitere Vorgehen. Sie sind also eingeladen, in den Geschichten ihre eigene Praxis wiederzuerkennen und – wenn es gut läuft – Anregungen für Ihren Supervisionsalltag zu finden.
Sollten Sie bei der Lektüre des Buches denken: »Ah, das sind ja wir!« oder »Genau, das bin ja ich!«, so kann ich Sie enttäuschen. Alle Beispiele wurden in einen anderen organisatorischen Zusammenhang gestellt, Branchen und Arbeitsfelder ausgetauscht, Profitorganisationen in Nonprofit-Organisationen umgewandelt und umgekehrt, aus manchen männlichen Supervisanden wurden weibliche und umgekehrt. Sie können also sicher sein, dass ich nicht Sie beschrieben habe. Ähnlichkeiten mit wirklichen »Fällen« sind rein zufällig und eher Konstruktionen von Wirklichkeit denn Realitäten.
Trotzdem könnten Sie aus der Perspektive des Supervisanden eine Art Wiedererkennen erleben, Ähnlichkeiten entdecken, das Gefühl haben, »das kenne ich, so war oder ist es auch bei uns«. Vermutlich sind es dann eigene innere Erlebnisbilder, die aktiviert werden und den Eindruck erwecken, in der jeweiligen Situation sei es wirklich so gewesen. Man »lebt« sich gewissermaßen in die Situation hinein. Aus der Perspektive eines Supervisors würde ich diesen Wiedererkennungseffekt sehr begrüßen, will ich doch die ganz normalen Geschichten der Supervision erzählen und herausfordernde, interessante Szenen unserer Profession wiedergeben.
Anliegen dieses Buches ist es also, Alltagssituationen der Supervision zu beschreiben, die je nach Bedeutungsgebung und Bewertung durch den Supervisor von ihm als unterschiedlich schwer oder leicht erlebt werden. Die Situationen an sich sind weder schwer noch leicht oder problematisch. Erst durch die Erlebniswelt und Bewertung des Supervisors werden sie dazu.
Meine Interventionsideen und die Tools geben meine Praxis und meine Art, Supervisionsprozesse zu gestalten, wieder. Aus meiner Sicht sind sie weder besonders originell, einmalig oder bedeutungsschwer, aber sie sind praxistauglich und erprobt. Vielleicht können sie Anregungen für Kolleginnen und Kollegen sein – das ist die zweite Zielrichtung dieses Buches. Auf jeden Fall sind sie Ausdruck meiner Haltung gegenüber Menschen und Veränderung und offenbaren meine handlungsleitenden Ideen in der Supervision.
Die 50 Fallvignetten in Teil 2 des Buches stellen eine Auswahl von Situationsbeschreibungen aus meiner Praxis dar. In einem Teil der Beispiele habe ich selbst als Supervisorin gearbeitet. Ein anderer Teil repräsentiert Erzählungen von Kolleginnen und Kollegen aus der Kontrollsupervision und der eigenen Intervision. Ein weiterer Teil rekrutiert sich aus den vielen Praxisbeispielen, die Teilnehmer verschiedener Fort- und Weiterbildungen als Ausbildungsmaterial zur Verfügung gestellt haben. Die Fallvignetten sind somit Geschichten, die ich mir selbst erzählt habe oder die andere mir innerhalb unserer jeweiligen Zusammenarbeit berichteten. In den Rollen Supervisorin, Kontrollsupervisorin, Kollegin oder Ausbilderin habe ich jeweils an der Bearbeitung und Entwicklung von Interventionsideen mitgewirkt.
Mit der Auswahl versuche ich ein möglichst breites Spektrum supervisionsrelevanter Situationen zu präsentieren in der Hoffnung, bekannte Supervisionsszenen zusammenzustellen und interessante Anregungen abzuleiten. Alle Beispiele sind das Ergebnis meiner Wahrnehmungsfokussierungen als Supervisorin und Autorin und unabhängig davon, ob ich die Supervisionssituationen selbst so erlebt habe oder ob sie mir im Rahmen von Supervision beschrieben wurden. Andere Supervisoren hätten anderes beobachtet und damit anderes erlebt.
Eine weitere Verdichtung entstand bei der Fokussierung der Fallvignetten auf ihre jeweilige Überschrift. Damit einher ging eine Reduktion der Kontextbedingungen auf die aus meiner Sicht für die Erzählung wichtigen Komponenten. Den Organisationshintergrund, der einen bedeutenden Kontext für Supervision bildet, habe ich vereinfachend dargestellt. Werden andere Komponenten und der Organisationshintergrund stärker fokussiert, können Kolleginnen und Kollegen zu anderen Bedeutungsgebungen und damit anderen Interventionen gelangen.
Auch die Aufzählung der Annahmen und Erklärungsmöglichkeiten (Hypothesen) stellt nur eine Auswahl dar. Je nach Selbst- und Rollenverständnis, theoretischer und methodischer Ausrichtung sowie bevorzugten Wahrnehmungsgewohnheiten sind viele andere Hypothesen denkbar.
Einige Hypothesen sind eher linear. Die systemischen sind daran erkennbar, dass sie alle oder viele Beteiligte einschließen und Zusammenhänge oder Muster in den Blick nehmen. Mindestens eine Erklärungsmöglichkeit jeder Fallvignette bezieht sich auf die Interaktion zwischen der Supervisorin und den Supervisanden.
Bei den Interventionen und Tools war es meine Absicht, eine Mischung aus möglichst vielen kleinen, unterschiedlichen zu präsentieren. Dabei werden Tools immer von Interventionen begleitet. Tools einzusetzen stellt noch keine Supervision dar. Erst der Umgang mit ihnen und die Reflexionsfragen helfen dabei, aus einer Problemsituation eine Lösungssituation werden zu lassen.
Alle Fallvignetten und die anschließenden Interventionsideen weisen die gleiche Struktur auf: Zunächst beschreibe ich einen Ausschnitt der Supervisionssituation zu einem bestimmten Zeitpunkt des Supervisionsprozesses. Dem schließt sich eine kleine Aufzählung möglicher Hypothesen an. Die Interventionen sind dann wie folgt gegliedert:
Interventionen, die mindestens schon einmal geholfen haben
Wenn das alles nicht hilft
Und wenn auch das nicht hilft
Was möglicherweise wenig nützlich wäre
Bei dieser Kategorisierung der Interventionen hat mich ein Bild geleitet – das Bild eines Handwerkskoffers, den ich in Supervisionen bei mir habe und in dem sich ein großer Teil meines supervisorischen Werkzeugs befindet: Obenauf liegen die Dinge, die ich ständig benutze. Sie sind bewährt und gut, haben Gebrauchsspuren. Etwas darunter finden sich die Instrumente, die ich immer wieder einsetze. Auch sie sind bewährt, vertraut und leicht abrufbar. Noch weiter unten sind die Werkzeuge, nach denen ich gezielt Ausschau halte: Sie sind ebenfalls in der Supervision erprobt, aber nicht ständig in Gebrauch. Die Vermeidungsideen sind in einem gesonderten Fach untergebracht, ihr Inhalt ist mir jederzeit präsent.
Grundsätzlich sollte nach jeder Fallvignette die Frage des Supervisors an sich selbst stehen: Wie habe ich es geschafft, dass meine Supervisanden sich gerade so verhalten, wie sie sich verhalten? Die Reflexion der Interaktionsmuster zwischen Supervisanden und Supervisoren als gemeinsame Wirklichkeitskonstruktion ist ein unverzichtbarer Bestandteil systemisch-konstruktivistischer Supervision. Diese Reflexion ist die praktische Anwendung der Theorie der Kybernetik zweiter Ordnung und damit eines der wesentlichsten Unterscheidungsmerkmale zwischen systemischer und anderer Supervision.
Systemische Supervisoren müssen in der Lage sein, sich selbst und das Supervisandensystem von außen zu betrachten, eine Außenperspektive zu sich selbst und auf das Geschehen einzunehmen. Das bedeutet: Wenn man glaubt, die Situation (des Supervisanden) erfasst zu haben, lohnt es sich, noch mal eine andere Perspektive einzunehmen.
Wie Supervisoren das tun können, habe ich in einigen Beispielen (u. a. in Geschichte 9 »Zwischen die Fronten geraten«) unter dem Stichwort »Selbstsupervision« beschrieben.
Bei den Interventionsbeispielen tue ich so, als seien Interventionen eine einseitige Sache, ausgehend von der Supervisorin. Interventionen sind aber immer in ein Interaktionsgeschehen eingebettet; obliegen der Zirkularität menschlicher Kommunikation und verfolgen darüber hinaus die Absicht, Unterschiede einzuführen.
Unter der Überschrift »Interventionen, die mindesten schon einmal geholfen haben« stelle ich zum Teil mehrere Interventionen verschiedenen Umfangs dar. Das Spektrum reicht von systemischen Fragen, wertschätzenden Kommentaren und Umdeutungen bis zu Tools, die in mehreren Schritten aufeinanderfolgen. Manche lassen sich in der gezeigten Abfolge einsetzen, andere bilden eher eine Ansammlung verschiedener Möglichkeiten.
Gelegentlich habe ich meinem Tun einfach einen Begriff zugeordnet, einen Namen gegeben, ohne zu berücksichtigen, ob er so in den systemischen Kanon gehört oder nicht. Das kann dazu führen, dass Leser die Intervention unter einem anderen Namen kennen und einsetzen.
Relativ selten habe ich sogenannte kreative Interventionen oder Tools genannt. Das Einbeziehen von Materialen aller Art und andere stimulierende Möglichkeiten – das ist üblicherweise mit »kreativ« gemeint – bewirkt an sich noch keine Supervision. Entscheidend ist immer der Umgang mit dem Material, die Fragen, die gestellt, und die Bedeutungen und Bewertungen, die abgegeben werden.
Obwohl nicht ausdrücklich beschrieben, setze ich in jeder Supervisionssitzung Visualisierungen ein. Das Mindeste dabei ist das Notieren der Zielvision bzw. der Zielbeschreibung der Supervisanden.
Die Frage, wem die Interventionen geholfen haben, bleibt offen. Zunächst unterstützen sie die Supervisorin dabei, ein zieldienliches Supervisionssystem aufzubauen und zu erhalten, Zugang zu den eigenen Kompetenzen zu erlangen sowie Problemmuster zu unterbrechen und Lösungsmuster zu etablieren. Sie sollten nicht zuletzt den Supervisanden nützlich sein als Anregungen zur Unterschiedsbildung mit nicht berechenbaren Auswirkungen.
»Hilfe« lässt sich auch so deuten, dass die Interventionen zu den von der Supervisorin beabsichtigen Wirkungen geführt haben. Ob und wie die Interventionen geholfen haben, geht nur aus den Rückmeldungen der Supervisanden hervor. So gesehen, müsste die Überschrift eigentlich lauten: »Interventionen, von denen die Supervisanden berichteten, dass sie als hilfreich erlebt wurden«.
Unter dieser Überschrift beschreibe ich weitere Interventionsideen, die manchmal eine andere Interventionsrichtung verfolgen oder denen eine andere Hypothese zugrunde liegt.
Auch diese Überschrift habe ich eher aus stilistischen Gründen eingeführt, da sie weder zwingend ist noch einen tatsächlichen Unterschied beschreibt, auch keinen qualitativen.
Aus den Ideen zur Vermeidung lassen sich durchaus weitere Interventionen ableiten. Gelegentlich sind sie die Kehrseite der Medaille, die bereits unter den nützlichen Interventionen dargestellt wurde. Manchmal beruhen die Empfehlungen zur Vermeidung auf Erfahrungen, von denen Kolleginnen und Kollegen berichten oder die ich selbst erlebt habe.
Am Ende jeder Fallvignette findet sich die Aufzählung der Interventionen in diesem Beispiel, sodass die Leser auch auf diesem Weg herausfinden können, was das Kapitel an für sie Interessantem enthält.
Supervision – Grundlagen, Mythen und systemische Besonderheiten
Eine allgemeine Auffassung definiert Supervision als Beratung von Menschen in ihrer Arbeit. Supervision setzt an der Schnittstelle Profession, Organisation, Person an (Abb. 1).
Abb. 1: Die Schnittmenge ist der Fokus von Supervision
Supervision zielt explizit auf höhere Professionalität. Sie unterstützt die Entfaltung, Entwicklung und Verbesserung beruflichen Handels. Supervision lässt sich auch als Beratung von Arbeitszusammenhängen beschreiben. Ihr wichtigstes Instrument ist die Reflexion von Arbeitssituationen im Kontext der Person, der Profession und der Organisation.
Im Mittelpunkt der Supervision steht der Berufsrollenträger in seiner Berufspersönlichkeit. Seine konkreten Interventionen, seine Gefühle, Werte und seine Haltung gegenüber seinen Klienten, Kunden, Kollegen, Vorgesetzten, die in seinen Handlungen zum Ausdruck kommen, sind Gegenstand der Supervision. Im Zentrum der Supervision steht der Supervisand und nicht sein »Fall«.
Ende des 19. Jahrhunderts stellte man in den USA ehrenamtlichen Helfern, den »friendly visitors« hauptamtliche Mitarbeiter der Charity Organization Society zur Seite, die sie bei der Vergabe von Hilfsgütern an Bedürftige kontrollieren sollten. Das waren – nach amerikanischen Verständnis – die ersten Supervisoren. Bald schon wurde das Spektrum der Unterstützung für die »friendly visitors« auf die psychosozialen Aspekte der Hilfe erweitert, um einerseits die Helfer zu stärken und zu begleiten und andererseits deren Arbeit zu verbessern. Die Beziehungsdynamik zwischen Klienten und Helfern kam verstärkt in den Blick. Hilfe und Kontrolle bildeten die Hauptmerkmale von Supervision. Damit war Supervision sehr früh ein Qualitätssicherungs- und Qualitätsentwicklungsinstrument in der sozialen Arbeit.
Während in den USA noch heute der Kontrollaspekt neben der Unterstützung in der Supervision von großer Bedeutung ist, haben die Supervisoren in Deutschland sehr früh den Beratungsaspekt ins Zentrum ihres Handelns gestellt. Dass das so ist, hat viel mit der deutschen Geschichte während der Nazizeit, den Entwicklungen im Nachkriegsdeutschland, den USA als Siegermacht und mit den sogenannten 68igern zu tun.
1950 taucht in der deutschen Fachliteratur zur sozialen Arbeit erstmals der Begriff »Supervision« auf (Kraus 1950). Der erste Artikel zur Supervision erscheint 1952 von Erna Marun in Zeitschrift der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie unter dem Titel »Casework und Supervision in der amerikanischen Jugendfürsorge«.
Von Anfang an ist Supervision eng mit der Entwicklung sozialer Arbeit verbunden. Die Methoden der Sozialen Arbeit (Casework) wurden in die Supervision übernommen. Casework wird in Deutschland mit »Einzelfallhilfe« übersetzt. Analog zur Sozialarbeit findet Supervision im Face-to-Face-Setting der Einzelsupervision statt. Einzelsupervision entsprach damals auch dem klassischen Tutor-Student-Modell der angelsächsischen Hochschultradition.
In den letzten Jahren erlebt Casework in der Sozialarbeit in sozialen Organisationen unter dem Aspekt der Ressourcenorientierung und -nutzung eine Renaissance (Kleve, Haye u. Hampe-Grosser 2003).
In den 1970er Jahren und darüber hinaus dominiert der psychoanalytische Rahmen in der Supervision (Belardi 1992, S. 96). Tiefenpsychologische Konzepte und eine aus der Psychotherapie stammende Gesprächsführung herrschen darin vor. Es entsteht der Eindruck, Supervision entspringe der Psychoanalyse. Erst Weigand (1989) rückt mit seinem Aufsatz »Sozialarbeit – das Ursprungsland der Supervision« die historischen Bezüge wieder zurecht.
Anfang der 1950er Jahre hat die Gruppenpädagogik, die sich als neue demokratische Lebensform in Beruf und Alltag verstand, Auswirkungen auf Sozialarbeit und Supervision. Ende der 1960er Jahre hält die Gruppendynamik Einzug in Deutschland und erfreut sich schnell in vielen Bereichen einer hohen Akzeptanz. Sie wird neben der Psychoanalyse zu einem wichtigen Verfahren in der Supervision. Zur Einzelsupervision kommt nun die Gruppensupervision hinzu und gewinnt rasch an Bedeutung. 1973 nimmt die Autorin das erste Mal an einer Gruppensupervision teil.
Gleichzeitig sind in der Übernahme von Erklärungsmodellen und den dazugehörigen Methoden andere Entwicklungstendenzen zu beobachten. So bringt Heinz J. Kersting (1975) sein Buch: »Kommunikationssystem Gruppensupervision« heraus, in dem er die Kommunikations- und Systemtheorie von Watzlawick auf Gruppensupervision bezieht.
In den 1980er Jahren ergänzen organisationssoziologische Tendenzen in der Supervision die gruppendynamischen Einflüsse. Teamsupervision etabliert sich und wird stark nachgefragt. Belardi (1992) hält die Teamsupervision für die häufigste Anwendungsform von Supervision. Mit steigender Nachfrage nach Teamsupervision werden zunehmend systemische Konzepte attraktiv und halten Einzug in die Supervision. Darüber hinaus gewinnt der Konstruktivismus als Erkenntnistheorie an Einfluss und prägt weite Bereiche der Supervision entscheidend mit. Kersting und Neumann-Wirsig (1992) bringen mit »Supervision – Konstruktion von Wirklichkeiten« das erste Buch zur systemischen Supervision in Deutschland heraus, das bereits konstruktivistische Ideen auf Supervision bezieht.
Heute ist das Label »systemisch« für Supervision unverzichtbar. In der Zeitschrift managerseminare erscheint 2003 (managerseminar Heft 65 April 2003) eine Umfrage zu den Anforderungen an Supervisoren. 90 % der Befragten halten es für unabdingbar, dass Supervisoren systemisch arbeiten können. Inzwischen haben viele Kollegen Fragetechniken und Tools aus dem systemischen Kontext in ihre Supervisionen übernommen.
1964 führt der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. die erste Weiterbildung in Supervision in Deutschland durch (vgl. Belardi 1992, S. 49). Andere Ausbildungsstätten kommen in den 1970er Jahren hinzu. Eine Ausbildung in Supervision ermöglicht damals wie heute den Auf- und Ausstieg für Sozialarbeiter und Sozialpädagogen aus einem anstrengenden und belastenden Berufsfeld. Trotzdem arbeiten etwa 48 % der in der Deutsche Gesellschaft für Supervision e. V. (DGSv) organisierten Kollegen weiterhin nebenberuflich als Supervisoren, während ca. 43 % den Weg der Selbstständigkeit gewählt haben (persönl. Mitteilung der DGSv am 12.10.2010).
Die in den 1980er Jahren einsetzende Trennung von Supervision und Sozialarbeit, die Erschließung anderer Bereiche wie Wirtschaftsund Dienstleistungsunternehmen sowie die Definitionen von Supervision als Beratungsform für Menschen in Arbeit und des Supervisors als feldfremdem Berater bahnen den Weg zu einer eigenständigen Profession. Diese Entwicklung betreiben in dieser Zeit vor allem die Ausbildungsstätten. Sie sind bis heute der Ort der konzeptionellen und marktorientierten Weiterentwicklung.
Die Gründung der DGSv 1989 als Berufsverband (an der die Autorin als Gründungsvorstand beteiligt war) und die Festlegung von Standards für die Ausbildung von Supervisoren ist ein weiterer Meilenstein in der Entwicklung und Professionalisierung der Supervision. Damit wird die Supervision »hoffähig« und erschließt sich nun viele Bereiche der Arbeitswelt.
Wenn Supervision die Anleitung zur Reflexion bedeutet, so ist sie immer Beobachtung 2. Ordnung, die Beobachtung der Beobachtung. Sie ist eine Metaperspektive. In der Supervision schildert der Supervisand als Falleinbringer seine Problembeschreibung, seine Sicht der Dinge. Der Supervisor richtet sein Augenmerk darauf, wie und was der Supervisand berichtet und was er nicht erzählt, welche Beobachtungskriterien der Schilderung zugrunde liegen, und was in seiner Erzählung nicht vorkommt, wie die Geschichte noch erzählt werden könnte. In der Anleitung zur Reflexion unter Zuhilfenahme unterschiedlichster Strukturierungsmuster schauen Supervisand und Supervisor gemeinsam sozusagen von oben auf die erlebte Geschichte. Aus dieser Perspektive erscheint die Geschichte anders, ihre Struktur wird erkennbar, andere Zusammenhänge werden deutlich, neue Zugänge ermöglicht.
Eine Geschichte der Kölschen Originale Tünnes und Schäl verdeutlicht das Prinzip der Beobachtung 2. Ordnung. Tünnes sagt zu Schäl: »Ich wäre so gern ein Vogel.« Schäl fragt nach dem Warum. Tünnes erklärt: »Dann könnte ich fliegen und von oben beobachten, was wir hier unten tun.« Worauf Tünnes meint: »Dann wäre ich gerne zwei Vögel.« Nun fragt Tünnes: »Warum?« »Dann könnte ich mich beobachten, wie ich fliege.« antwortet Schäl. Tünnes steigert das Ganze und sagt: »Dann wäre ich gern drei Vögel.« »Warum drei Vögel?«, will Tünnes nun wissen. Schäl antwortet: »Dann könnte ich hinter mir herfliegen und beobachten, wie ich beobachte, wie ich fliege!«.
Folgt man weiter systemisch-konstruktivistischen Ideen, kommt der Aspekt der Systeme in den Blick, und hier vor allem die sozialen Systeme. Sie bestehen aus Kommunikation, genauer aus Interaktion, über die die Systemmitglieder – die Menschen – das System erschaffen. Das soziale System entsteht durch kommunikative Prozesse, die bestimmte Kommunikationsabläufe wahrscheinlicher machen als andere. Systemiker stellen sich vor, dass es Systeme gibt, dass die Dinge zusammenhängen und man ein System nur erkennen kann, wenn man es von seiner Umwelt abgrenzt, unterscheidet.
In der Supervision haben wir es mit mehreren Systemen zu tun. Neben dem sozialen System ist da das Supervisandensystem, also die Person, ein biologisch-psychisches System. Das biologische System verwirklicht sich durch chemisch-physikalische Prozesse und sichert das biologische Überleben, das psychische System entwickelt kognitiv-emotionale Erlebnis- und Sinnstrukturen, die der Person Orientierung geben.
Alle drei Systeme, das biologische, das psychische und das soziale System arbeiten (operieren) entsprechend ihrer eigenen inneren Struktur. Sie können ohne die beiden anderen nicht existieren. Sie sind füreinander höchst relevante Umwelten. Trotzdem kann kein System die Auswirkungen seiner Operationen auf die anderen bestimmen, d. h. obwohl sie hochgradig, ja existenziell voneinander abhängig sind, sind sie autonom und können die Reaktionen der anderen nicht vorher festlegen. Sie können sich untereinander nicht steuern.
Für die systemische Supervision ist eine weitere Unterscheidung nach Beobachtungssystemen erster und zweiter Ordnung wichtig, da wir mit mindestens zwei sozialen Systemen, zwei Beratungssystemen, arbeiten, die zueinander in einem bestimmten Beobachtungsverhältnis stehen (Abb. 2):
Das aus der Kommunikation von Klient und Supervisand bestehende System ist ein Beratungssystem und im Kontext von Supervision das Beobachtungssystem erster Ordnung.
Das Supervisionssystem, bestehend aus der Kommunikation zwischen Supervisand und Supervisor, ist ein Beobachtungssystem zweiter Ordnung.
Abb. 2: Unterscheidung von Beratungs- und Supervisionssystem
Willke (1991, S. 38 ff, zit. nach Belardi 1992, S. 75) schreibt: »Vielmehr soll Supervision verstanden werden als ein Reflexionsprozess, in welchem die notwendigen Paradoxien und blinden Flecken des Grundprozesses, etwa der Therapie, deutlich gemacht und probeweise als kontingent behandelt werden. Voraussetzung für Supervision ist damit die gezielte Verwendung von Beobachtung zweiter Stufe – also die Arbeit mit der Beobachtung von Beobachtung«.
Supervision lässt sich auch, in Anlehnung an die Differenztheorie Spencer Browns, als Einblendung des Ausgeblendeten, als den Blick auf die andere Seite der Unterscheidung beschreiben. Die Problemschilderung des Falleinbringers umfasst (nur) ganz bestimmte Aspekte, Gefühle, Wahrnehmungen, so wie er sie erlebt inklusive seiner Deutungsmuster und Bewertungen. Alles andere wird »ausgeblendet«, d. h. scheinbar nicht wahrgenommen. Das ist ein unausweichlicher Prozess menschlicher Wahrnehmung, dem wir alle unterliegen. In der Supervision wird das Ausgeblendete mit oder ohne Tools zur Sprache gebracht und so zugänglich gemacht. So gesehen ist Supervision die hohe Kunst der Unterscheidung.
Jede professionell gestaltete Supervisionsarbeit stützt sich auf drei wesentliche Säulen (Abb. 3): ein Theoriekonzept, Instrumente der Intervention und die Klarheit der Rolle und Haltung.
Abb. 3: Säulen der Professionalität
In der systemischen-konstruktivistischen Supervision kann es nur das systemische und konstruktivistische Theoriekonzept sein, auf das sich der Supervisor bezieht, d. h. er leitet die Erklärungen seines supervisorischen Handelns aus der Systemtheorie und den angrenzenden Theorien ab.
Systemtheorie, Konstruktivismus, Theorie lebender Systeme und Kommunikationstheorie als Bausteine des Konzepts geben keine Anhaltspunkte, wie Menschen sind, sie enthalten kein Persönlichkeitsmodell, sondern helfen zu verstehen, wie Veränderung geschehen kann. In der Supervision brauchen wir Ansätze, Theorien und Modelle zum Geschehen von Veränderung. Wir müssen nicht zwingend wissen, wie Menschen sind, sondern wie wir Kommunikationssysteme, die wir Supervision nennen, so gestalten, dass Veränderung wahrscheinlich wird.
Wichtige Begriffe des systemisch-konstruktivistischen Konzepts sind: Zirkularität, Kontext, Autopoiese, Beobachtung zweiter Ordnung, Wirkungen und Wechselwirkungen, konstruierte Wirklichkeit, Muster und Regeln, Selbstorganisation von Systemen, lebende Systeme, operationale Geschlossenheit. Sie werden im Folgenden näher definiert.
Wirklichkeitskonstruktion bezeichnet alle affektiven und kognitiven Prozesse, die das Wahrnehmen, Erleben, Denken, Fühlen und Handeln eines Menschen bestimmen. Diese Prozesse leiten das Verhalten, und umgekehrt leitet das Verhalten in der Interaktion mit anderen die Entwicklung der Wirklichkeitskonstruktionen. Beschreiben, Erklären bzw. Deuten und Bewerten sind die Elemente jeder Wirklichkeitskonstruktion. Unsere Supervisanden kommen mit ihren Wirklichkeitskonstruktionen in die Supervision. Nicht die Sache an sich ist das Problem, sondern die (Be-)Deutung.
Zirkularität beschreibt das Wesen menschlicher Kommunikation. Alles, was z. B. in einer Gruppensupervision von einer Person verbal und/oder nonverbal geäußert und ausgedrückt wird, ist gleichzeitig die Ursache und die Wirkung der Kommunikation aller anderen. Es ist unmöglich, den Anfang einer Interaktion zu bestimmen, weil alles gleichzeitig aufeinander einwirkt, auch wenn nur einer spricht und die anderen zuhören. Es sind die Wechselwirkungen, die das Erleben ausmachen. Deshalb verzichtet der systemische Supervisor auf die Definition von Charaktereigenschaften, er sieht das Verhalten der Supervisanden und sein eigenes als Ergebnis und Auslöser der permanenten Wechselwirkungen.
Unter Muster und Regeln versteht man die wiederkehrende Vernetzung von Wirklichkeitskonstruktionen und kommunikativen Beiträgen in einem sozialen System. Machen wir eine Interpunktion und setzen bewusst einen Anfang: In der Supervision erzählt ein Supervisand jeweils in der gleichen Art und Weise seine Fallgeschichten. Die anderen hören seinem ausführlichen Bericht zu, deuten die Situation – »Er kommt nicht auf den Punkt.« – und versuchen nun wie immer, diesen »Punkt« zu bestimmen. Darauf reagiert der Falleinbringer mit weiteren Ausführungen, weil er die Reaktionsweise der anderen so deutet, dass sie ihn offenbar nicht verstanden haben. Das ruft, nach Deutung des Falleinbringers, Ärger bei den anderen hervor und so weiter. Zum Muster kann auch gehören, dass jemand die jeweils beginnende Eskalation immer an der gleichen Stelle stoppt.
In sozialen Systemen werden ganz überwiegend unausgesprochen Regelungen getroffen, wie zum Beispiel, was erlaubt ist und was nicht. Strukturierungselemente wie Tools sind Regelwerke mit denen der Supervisor definiert, wer was wann sagen darf.
Supervisionssysteme sind im Unterschied zu Maschinen lebende Systeme und verhalten sich wie solche. Sie entstehen und erhalten sich über Kommunikation. Supervisanden und Supervisor spinnen mit ihrer Kommunikation ein Netz von Interaktion, Wechselwirkungen, Bedeutungsgebungen und Wirklichkeitskonstruktionen. Jedes Supervisionssystem ist einmalig. Es hört auf zu bestehen, wenn der Sinn erfüllt ist und nicht mehr kommuniziert wird. Meistens wird in der Supervision über Probleme und Veränderungswünsche kommuniziert.
Das Konzept der Autopoiese wurde von Biologen entwickelt und versucht, das charakteristische Organisationsmerkmal von lebenden Systemen systemtheoretisch zu definieren (Maturana u. Varela 1987): Lebende Systeme produzieren die Elemente, aus denen sie bestehen, selbst, und organisieren darüber hinaus ihre Elemente zu eigenen internen Strukturen. Man könnte sagen, sie erschaffen einen inneren Bauplan, nach dem sie sich erhalten und verändern. Dieser innere Plan reguliert auch den Austausch mit der Umwelt. Das nennt man operationale Geschlossenheit. In der Supervision kann man Folgendes beobachten: Der Supervisor überlegt sich eine – aus seiner Sicht – perfekte, wirksame Intervention, die dann allerdings nicht die erwartete Wirkung bei den Supervisanden auslöst. Das bedeutet, Menschen und auch Supervisionssysteme sind nicht vorhersagbar instruierbar. Sie sind autonom und verarbeiten Inputs von außen und innen ihrem internen Plan entsprechend.
Systemische Supervision unterscheidet sich von anderen Supervisionen durch die besondere Berücksichtigung des Kontexts. Kontext meint nicht nur die Bedingungen der Organisation und deren Einfluss auf die Supervision, wie es manchmal verstanden wird. Unter Kontext sind die Kennzeichen zu verstehen, die zeigen, wie eine Aussage zu verstehen ist. Der Witz mit den beiden Berufskollegen, die sich treffen, verdeutlicht, was gemeint ist. Auf die Frage »Wie geht‘s?« des einen antwortet der andere: »Schlecht! Ich kann nicht klagen.« Nur mit dem Kontextwissen, dass es sich bei den Gesprächspartnern um Rechtsanwälte handelt, lässt sich die Bedeutung des Satzes verstehen.
Dass alles seinen Sinn, seine Bedeutung erst durch den Situationszusammenhang erhält, ist für systemische Supervision grundlegend. Ob etwas als Versagen (z. B. das Verhalten des Leiters) oder als Kompetenz (das gleiche Verhalten des Leiters, der als besonders befähigt gilt) definiert wird, hängt ausschließlich vom Kontext ab, in dem man das Verhalten sieht.
Systemische Supervisoren versuchen in der Supervision einen Kontext herzustellen, der von Wertschätzung, Achtung der Wirklichkeitskonstruktionen der Supervisanden, einer Haltung des Nicht-Wissens und von Empathie geprägt ist. Was die Gestaltung des Kontexts bewirken kann, sei kurz am Beispiel der sogenannten Gruppenphasen beschrieben.
In systemischen Supervisionen wird häufig das Fehlen eines Konzepts mit sogenannten Gruppenphasen vermisst. Diesem Mangel wird dann die Bedeutung beigemessen, systemische Gruppensupervisionen seien mangelhaft und verdrängen und vermeiden Konflikte. Dem Supervisor wird eine Verantwortung dafür zugeschrieben, da er das Durchleben der Gruppenphasen nicht erlaube. In gewisser Weise kann man dem zustimmen. Gruppenphasen laufen nur unter bestimmten Kontextbedingungen, z. B. bei Orientierungslosigkeit, ab. Schafft der Supervisor aber einen Kontext, in dem die Bedürfnisse der Supervisanden und ihre Beiträge gewürdigt und anerkannt werden, Unterschiede nicht aufgelöst, sondern geschätzt werden, dann ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass die Gruppenphasen nicht erkennbar sind.
Gruppenphasen zu beobachten bedeutet, bestimmten Kommunikationsphänomenen eine bestimmte Bedeutung zu geben. Dabei sind die Beobachtungen und Benennungen des Supervisors wichtig. Belegt er bestimmte Phänomene mit dem Begriff Gruppenphase und handelt danach, werden sich Gruppenphase auch »zeigen«. Das heißt, der Supervisor ist verantwortlich für seine eigene Beobachtung und die Bedeutung, die er ihr gibt. Salopp ausgedrückt: Der Supervisor findet die Ostereier, die er selbst versteckt hat.
Supervision ist Metakommunikation und damit Beobachtung zweiter Ordnung. Der Supervisand erzählt seine Geschichte, das, was er in der Arbeit mit Klienten, Kollegen, Vorgesetzten erlebt. Er stellt seine Sicht der Dinge, seine Beobachtungen dar. In der Supervision beobachten wir gemeinsam mit dem Supervisanden, wie er beobachtet, wir blicken auf die Geschichte: Was blendet er aus? Was erzählt er nicht? Welche Gefühle empfindet er nicht? Welche Bedeutungen gibt er den Phänomenen? Wie interpunktiert er, d. h., wo definiert er Ursachen und Wirkungen?
Die zweite Säule der Professionalität zeigt sich im bewussten Umgang mit Interventionen und Tools. Diese müssen nicht systemischen Ursprungs sein. Aber sie müssen systemisch benutzt werden, d. h., ihr Einsatz muss systemisch begründbar und mit systemischen Fragen verbunden sein, auf Hypothesen gründen, auf Zukunft und Zielvision fokussieren, Denken, Fühlen und Handeln als untrennbar ansehen, stärkend und aufbauend wirken, kreativ sein, anschlussfähig und angemessen ungewohnt sein.
Dagegen sind die immer wieder für systemische Supervision reklamierten Begriffe wie wertschätzend, lösungs- und ressourcenorientiert längst keine Alleinstellungsmerkmale systemischer Supervision mehr und greifen zu kurz. Auch Supervisoren mit anderen Beratungsansätzen beanspruchen zu Recht diese Merkmale.
Eine Intervention bezeichnet eine zielgerichtete Kommunikation, die eine bestimmte Wirkung beim Kommunikationspartner intendiert.
Da Kommunikationsprozesse zirkulär verlaufen und die Systemwirklichkeit gemeinsam erschaffen wird, sind Interventionen Steuerungsimpulse in einem von allen Systemmitgliedern gemeinsam gestalteten Prozess. Welche Bedeutung eine Intervention erlangt, hängt vom Empfänger ab, denn grundsätzlich gilt: Der Empfänger einer Botschaft gibt ihr die Bedeutung, nicht der Sender.
Intervenieren im Supervisionskontext heißt so mit dem Kommunikationspartner zu kommunizieren, dass die Wahrscheinlichkeit der Problemlösung steigt. Interventionen sind Anregungen zur Unterschiedsbildung, in Bezug auf den Inhalt der Beschreibung eines Phänomens, seine Benennung, Erklärung, Bewertung usw. Wird statt von einem »Konflikt« von »berechtigten Bedürfnissen mehrerer Personen« gesprochen, ergibt sich eine völlig andere Erlebnissituation, verbunden mit anderen Gefühlen und Optionen.
Zwei Interventionsrichtungen lassen sich unterscheiden:
Interventionen
für
das Supervisionssystem dienen der Einrichtung und Aufrechterhaltung des Supervisionssystems. Einerseits bilden sie das Setting, andererseits gestalten sie den Kontext: wertschätzend, interessiert, würdigend, lösungsorientiert.
Ein wesentliches Kennzeichen von Professionalität jeglicher Beratungsarbeit ist die Kenntnis der Bedingungen für die eigene Arbeit und die Fähigkeit, diese herzustellen. Das gilt auch für das Supervisionssystem. Supervisoren verantworten das Setting, sorgen für einen förderlichen Kontext und gestalten den Prozess. Die Supervisanden verantworten den Inhalt der Supervision.
Interventionen
in
das Supervisionssystem zielen innerhalb der Struktur des Prozesses auf die Problembearbeitung und/oder Lösungsentwicklung des Klientensystems (Supervisanden). Im Rahmen dieser Interventionsrichtung sind nun wiederum zwei Arten von Interventionen differenzierbar: Eine Interventionsart zielt darauf ab, problemerhaltende Muster zu beseitigen, die andere versucht, lösungsfördernde Muster zu initiieren.
Tools sind Strukturierungsangebote, Strukturhilfen. Ihre Strukturelemente ermöglichen auf der einen Seite Reflexion und leiten Denkprozesse an, fokussieren, verdichten, reduzieren oder erhöhen die Komplexität, steuern, geben Sicherheit, machen Verhalten in sozialen Kontexten erwartbar, sind Ermöglichungen.
Auf der anderen Seite engen sie ein, verhindern die Beobachtung außerhalb des Rahmens, der Struktur, bringen nur bestimmte Ergebnisse hervor, andere nicht, verhindern die Kreativität des Chaos und der Unbegrenztheit, sind Begrenzungen.
Sie determinieren Kommunikationsabläufe und strukturieren Entscheidungsprozesse.
Tools sind ein Arrangement von gleichen und/oder verschiedenen Einzelinterventionen, in eine bestimmte Abfolge und definierte Zusammenhänge gebrachte Einzelinterventionen. Sie beinhalten zeitliche, räumliche, inhaltliche und soziale Dimensionen. Sie sind Interventionsdesigns für Beratungsprojekte wie Supervision. Tools basieren auf Hypothesen oder Diagnosen, je nach Selbstverständnis des Supervisors, und lassen bestimmt Wirkungen erwarten (vgl. Königswieser u. Hillebrand 2008, S. 54).
Tools müssen die Wirkungen ermöglichen, eingefahrene Wahrnehmungs-, Deutungs- und Handlungsabläufe so zu unterbrechen, dass die Komplexität menschlicher Erfahrungsmöglichkeiten wieder zugänglich wird. Bei geringer Komplexität in der Supervision erlauben sie deren Erhöhung und bei Überkomplexität fördern sie die Reduktion und Fokussierung. Supervision ist die ständige Abfolge von Reduktion und Erhöhung der Komplexität.
Auch in der Supervision gilt der Spruch: Wer nur einen Hammer hat, sieht nur Nägel. Schon deshalb hat der erfahrene Supervisor sehr viele unterschiedliche Werkzeuge und Materialen in seinem Koffer.
Unter den vielen in der systemischen Supervision eingesetzten Interventionen gibt es einige typische, die in keinem Supervisionsprozess fehlen sollten.
Allen voran sind es die systemischen Fragen, die systemische Supervision als solche auszeichnen. Alle Fragen, auch nicht systemische, enthalten Botschaften. Denn es lässt sich keine Frage formulieren ohne implizite Vorannahme(n). Und wenn Vorannahmen unausweichlich enthalten sind, so sollten sie grundsätzlich Positives unterstellen. Darüber hinaus sind systemische Fragen Einladungen, alternative Deutungen zu erwägen, sie erhöhen die Wahlfreiheit und eröffnen andere Perspektiven.