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Warum sind wir auf der Welt? Was ist der Sinn des Lebens und was kommt nach dem Tod? Gibt es Gott und ein Jenseits wirklich? Derartige Fragen beschäftigen die Menschheit praktisch von Beginn an. Die Antworten, die die verschiedenen Religionen darauf bieten, stellen viele jedoch nicht zufrieden und werfen weitere Fragen auf, nicht zuletzt weil unmenschliche und grausame Glaubenskriege, nicht nur in der Vergangenheit, eine erschreckend hohe Zahl von Opfern gefordert haben und nicht wenige an der Existenz eines Gottes und seiner Gerechtigkeit zweifeln lassen. Andererseits berichten viele Menschen über sogenannte Nahtoderfahrungen, in denen sie Kontakt mit Gott und verstorbenen Verwandten oder mit ehemaligen Freunden und Bekannten hatten und dabei eindrucksvolle Blicke ins Jenseits werfen durften. Sind das alles tatsächlich nur „Hirn-gespinste“, die alleine in Deutschland bereits über 3 Millionen Menschen erlebt haben? Der Autor beschäftigt sich schon seit vielen Jahren mit dieser Thematik. Umfangreiche Informationen hierzu dienten als Grundlage für einen Roman, dessen Handlung sich überwiegend im Jenseits abspielt und so weitreichende Einblicke und Erkenntnisse aus einer übernatürlichen Welt vermittelt.
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Seitenzahl: 141
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Raimund Eich, Jahrgang 1950, lebt in Neunkirchen/Saar. Der Autor veröffentlichte im Jahr 2004 mit „Angst um Melanie“ sein Erstlingswerk. Informationen über weitere Veröffentlichungen am Ende dieses Buches sowie auf http://raimunds-schmoekerkiste.jimdo.com/.
Prolog
Kapitel 1: Der Unfall
Kapitel 2: Zwischen den Welten
Kapitel 3: Gespräche mit Daniel
Kapitel 4: Zwiesprache mit Gott
Kapitel 5: Der Großvater
Kapitel 6: Unterwegs mit Daniel
Kapitel 7: Ausflug zur Erde
Kapitel 8: Charlotte
Kapitel 9: Der Wasserfall
Kapitel 10: Vorleben
Kapitel 11: Aussprachen
Kapitel 12: Spaziergang am See
Kapitel 13: Letzte Ratschläge
Kapitel 14: Abschied
Epilog
Es muss irgendwann Mitte der Siebziger Jahre gewesen sein, als ich die öffentliche Bücherei in meiner Heimatstadt auf der Suche nach Literatur aus dem Bereich der Elektrotechnik durchstöberte, weil mir als Student einfach das nötige Geld fehlte, um mir teure Fachbücher selbst kaufen zu können. Da die Semesterferien bevorstanden, wollte ich mir aber auch noch etwas Unterhaltsames zum Lesen zwischendurch gönnen. So schlenderte ich planlos an den Bücherregalen vorbei, bis mir zufällig ein Buch von Elisabeth Kübler-Ross ins Auge fiel, das den Titel „Interviews mit Sterbenden“ trug. Nichts für einen jungen Mann, der das Leben noch vor sich hat und ganz auf seine Ausbildung konzentriert ist, sollte man meinen, aber der Titel ließ mich einfach nicht mehr los. Mag sein, dass es damit zusammenhing, dass mein Vater vor nicht allzu langer Zeit im Krankenhaus plötzlich verstorben war und niemand aus unserer Familie in seiner letzten Stunde bei ihm war, vielleicht aber auch, weil ich mich schon früh damit auseinanderzusetzen begann, ob es Gott oder den Himmel und die Hölle tatsächlich gibt, und was nach dem Tod eigentlich mit einem passiert. Die Geschichten aus der Bibel, die wir Schüler im Religionsunterricht oder in der Kirche zu Gehör bekamen, wie etwa die Verwandlung von Wasser in Wein bei der Hochzeit von Kanaan oder die wundersame Brotvermehrung, fand ich zwar sehr interessant, aber irgendwie vermochte ich es einfach nicht zu glauben, dass sich das alles tatsächlich so ereignet haben sollte. Auch der Institution Kirche konnte ich nicht besonders viel abgewinnen, sie war mir mit ihren finsteren Beichtstühlen, mit den bedrohlich wirkenden Sonntagspredigten des Pastors, um imaginären Sündern ins Gewissen zu reden, und mit ihren befremdlich erscheinenden Zeremonien eher suspekt. Ohnehin wurde ich zu einer Zeit groß, in der der christliche Glaube zulasten des Zeitgeistes mehr und mehr an Bedeutung zu verlieren schien. Atheist zu sein oder zu werden, lag dagegen im Trend, besonders unter Wissenschaftlern und Ingenieuren, und damit natürlich auch unter uns Studenten. Aber eine innere Stimme, so schien es mir jedenfalls, riet mir immer wieder dazu, meinen Glauben an den lieben Gott nicht abzulegen. Das tat ich auch nicht, aber ich beschäftigte mich nicht mehr weiter mit diesem Thema. Nachdem ich das besagte Buch von Elisabeth Kübler-Ross fast in einem Zug durchgelesen hatte, war ich fasziniert, was darin über den Sterbeprozess und vor allem über Nahtoderlebnisse berichtet wurde. Nur zu gerne hätte ich mich mit Freunden, Verwandten und Bekannten darüber unterhalten, aber die einen schienen sich nicht dafür zu interessieren und die anderen versuchten es als Humbug oder als Halluzinationen abzutun. So blieb ich letztlich nach wie vor im Zweifel, bis ich etwa zwei Jahre später, wiederum in der heimischen Stadtbücherei, das Buch „Leben nach dem Tod“ von Dr. Raymond Moody entdeckte und in gleicher Weise davon begeistert war. Gerne hätte ich noch viel mehr darüber erfahren, aber es gab damals, im Gegensatz zu heute, nur wenig für mich erreichbare Informationsquellen, zumal mir andere Aufgaben und Probleme wenig Zeit für vertiefte Studien zu diesem Thema ließen. Rainer Holbes Sendereihen „Unglaubliche Geschichten“ Mitte der achtziger Jahre sowie „Phantastische Phänomene“ Anfang der Neunziger und seine Bücher zu diesem Thema ließen mein Interesse zwar erneut für eine Weile wieder aufflammen, doch die Realität ließ mir weder Zeit noch Muße, mich damit intensiver auseinanderzusetzen.
Als ich schließlich mit über fünfzig Jahren selbst zu schreiben begann, hatte ich ursprünglich ganz andere Themen im Sinn, bis ich nach einiger Zeit mit Erstaunen feststellte, dass ich mich in allen meinen Büchern offenbar unbewusst in irgendeiner Weise mit dem Thema Gott auseinanderzusetzen versuchte. Es interessierte mich offensichtlich mehr als alles andere und meine diesbezügliche Wissbegier wurde von Tag zu Tag größer. So entstanden im Laufe der Zeit auch einige Geschichten, in denen ich mich nunmehr ganz bewusst entsprechenden Themen gewidmet habe, mal in heiterer und mal in eher nachdenklich stimmender Form, nur geleitet von meinen eigenen Gedanken und Gefühlen.
Das vorliegende Buch unterscheidet sich davon jedoch grundlegend, weil ihm zuvor ein umfangreiches Sammeln von Informationen und Erkenntnissen vorausging, unter anderem inspiriert durch Berichte über spirituelle Begegnungen von Medien mit Gott und Verstorbenen sowie durch die zunehmende Zahl von Biografien über Nahtoderlebnisse auf dem Büchermarkt. So interessant Bücher über Nahtoderlebnisse für mich zweifellos sind, meinen Wissensbedarf konnten sie dennoch nicht umfassend befriedigen. Viele Bücher sind zwar einige Hundert Seiten dick, wobei jedoch die Darstellung des eigentlichen Nahtoderlebnisses oft nur auf wenige Seiten beschränkt ist. Natürlich ist es in einem Buch über ein Nahtoderlebnis nicht minder wichtig, auch grundsätzliche Informationen über Herkunft, Erziehung, Ausbildung sowie über Berufs- und Privatleben des Betroffenen zu erhalten, aber das Kernthema gerät nach meiner Ansicht dabei leider oft viel zu kurz.
Mein Roman „Jenseits in Eden“ basiert daher auf einer fiktiven Geschichte über ein Nahtoderlebnis, in die all das eingeflossen ist, was mir an interessanten und wichtig erscheinenden Informationen zu diesem Thema, zu Gott, über das Leben auf der Erde, aber auch was davor war und was danach sein wird, zugänglich geworden ist. Natürlich vermag niemand Beweise dafür zu erbringen, dass es tatsächlich so ist, auch ich nicht. Ich möchte Sie jedoch zumindest zum Nachdenken darüber anregen, ob es nicht vielleicht doch etwas nach und möglicherweise auch vor dem irdischen Dasein gibt. Warum? Weil ich darin eine elementare Lebensfrage für jeden von uns sehe, ohne Ausnahme.
Nervös trommelte er mit den Fingern im Takt aufs Lenkrad. Immer wieder fiel sein Blick auf die Leuchtziffern der Uhr am Armaturenbrett. Irgendwie schien es ihm, als würde die Zeit überhaupt nicht vergehen. Noch eine gute Viertelstunde würde er wohl hier warten müssen, doch dann würde auch das ein Ende haben. Noch verdrängte er jeden Gedanken daran, was dann passieren würde, obwohl er übers Wochenende alles minutiös geplant und den Ablauf immer wieder durchgespielt hatte. Es würde schon nichts schiefgehen, weil er es von Berufs wegen gewohnt war, sich akribisch auf eine Aufgabe vorzubereiten und diese planmäßig umzusetzen. Trotzdem stand er jetzt vor dem größten Scherbenhaufen seines Lebens. Alles erschien ihm ausweglos, und dabei hatte doch alles so gut angefangen. Er hatte einen gut bezahlten Job als Montageingenieur für Industrieanlagen, in seinem Heimatort ein schönes Haus in bester Wohnlage gekauft und war mit Christina glücklich verheiratet. Nur eigene Kinder vermissten sie beide noch, weil sie Kinder sehr liebten und mindestens zwei eigene haben wollten. Doch irgendwie funktionierte es einfach nicht damit. In den ersten Jahren machten sie sich darüber noch keine großen Gedanken. Wir sind ja noch jung und wollen uns einfach noch etwas Zeit damit lassen, pflegten sie auf entsprechende Nachfragen von Freunden und Bekannten zu reagieren. Doch eines Tages rief ihn Christina am frühen Nachmittag auf der Baustelle an. An das Gespräch erinnerte er sich noch heute in allen Einzelheiten.
„Du, ich will dich nicht lange stören, aber ich war heute Morgen beim Frauenarzt“, hatte sie gesagt. „Du weiß ja, dass ich schon länger Probleme mit dem Unterleib habe. Mit den chronischen Eierstockentzündungen habe ich mich zwar im Laufe der Zeit abgefunden, aber in letzter Zeit war mir immer speiübel, wenn ich morgens aufgestanden bin.“
„Aber davon hast du mir am Wochenende ja überhaupt nichts erzählt“, hatte er sie unterbrochen.
„Nein, das habe ich nicht, weil ich uns beiden das bisschen Zeit, das wir zusammen verbringen können, damit nicht verderben wollte. Ich weiß ja, wie empfindlich du darauf reagierst, wenn es mir mal nicht so gut geht. Da wir nur an den Wochenenden oder im Urlaub zusammen sein können, will ich mit dir jede freie Minute genießen, und das haben wir doch beide vorgestern und gestern ausgiebig getan.“
„Das schon, aber spann mich jetzt bitte nicht auf die Folter und erzähle endlich, was er gesagt hat, der Arzt meine ich. Es ist doch hoffentlich nichts Schlimmes?“ Vom anderen Ende der Leitung war ihm nur ein albernes Kichern entgegengekommen, worauf er spontan erwidert hatte: „Sag jetzt bitte nichts, Christina, ich glaube, ich weiß, was dir fehlt.“
„Und was glaubst du?“, gab sie ihm zur Antwort, begleitet von einem schallenden Lachen.
Lukas konnte sich zwar keinen Reim auf Christinas merkwürdiges Verhalten machen, was ihn aber nicht davon abhielt, sie wenigstens ein bisschen zu provozieren. „Ganz einfach, dass du übergeschnappt bist und in die Klapsmühle eingeliefert werden musst“, erwiderte er.
„Nein, keine Angst, nicht in die Klapsmühle, aber ins Krankenhaus schon, jedenfalls in ein paar Monaten.“
„Ins Krankenhaus, um Gottes Willen, was fehlt dir denn?“
Wieder ein unterdrücktes Kichern, und dann: „Fehlen, tja, fehlen tut mir eigentlich überhaupt nichts. Nein, im Gegenteil, bei mir muss bald etwas entfernt werden.“
Schreckliche Gedanken waren ihm damals durch den Kopf geschossen. Eine Operation, ob sie etwa…. Nur mühsam war es ihm gelungen, die spontanen Gedanken an schlimme Krankheiten wie Krebs zu verdrängen. Schließlich hatte er sie inständig gebeten, ihm doch endlich reinen Wein einzuschenken.
„Entschuldige bitte, Lukas, du brauchst wirklich keine Angst zu haben, denn ich habe eine gute Nachricht für dich“, hatte sie daraufhin erwidert.
„Sag jetzt bloß nicht, dass du schwanger bist“, war ihm damals spontan über die Lippen gekommen, obwohl er schon lange nicht mehr ernsthaft daran geglaubt hatte, dass dieser Herzenswunsch doch noch in Erfüllung gehen könnte. Umso erstaunter war er, als sie es tatsächlich bestätigte.
In seiner Erinnerung empfand er noch einmal für ein paar Sekunden die spontanen Glücksgefühle nach, die diese Nachricht damals bei ihm ausgelöst hatte. Er hatte sich gleich für ein paar Tage freigenommen, um sich mit ihr gemeinsam auf das freudige Ereignis einzustimmen und Pläne für die Zukunft zu schmieden. Doch die Freude währte nicht allzu lange, denn bei Christina traten bereits kurze Zeit später Komplikationen auf, die zu einer Fehlgeburt führten. Aber sie ließen sich von diesem Rückschlag nicht entmutigen und versuchten es erneut. Knapp ein Jahr später war es wieder soweit, doch auch diese Schwangerschaft musste vorzeitig unterbunden werden.
Lichtkegel von Scheinwerfen eines entgegenkommenden Fahrzeugs rissen ihn plötzlich aus seinen Gedanken heraus. Instinktiv rutschte er im Fahrersitz nach unten, damit man ihn nicht sehen konnte, obwohl das doch eigentlich nicht notwendig war, weil er sich ganz bewusst einen unauffalligen dunklen Mietwagen ausgeliehen hatte. Mit dem fremden Kennzeichen wusste hier sicherlich keiner etwas anzufangen. Zudem hatte er sich noch eine Baseball-Kappe tief ins Gesicht gezogen, damit ihn selbst ein vorbeigehender Fußgänger aus unmittelbarer Nähe nicht hätte erkennen können. Obwohl, hinterher kommt ja doch alles heraus, schoss ihm spontan durch den Kopf. „Aber hinterher spielt es keine Rolle mehr, nur vorher darf mir keiner den Plan durchkreuzen“, murmelte er und versuchte sich wieder seinen Gedanken zu widmen.
Der Frauenarzt hatte ihr nach den beiden Fehlgeburten von weiteren Schwangerschaften abgeraten, weil das Risiko eines erneuten Scheiterns bei ihr einfach zu hoch sei. Ein herber Schlag für sie beide. Christina litt sehr darunter und fühlte sich als Versagerin. Obwohl er es ihr immer wieder auszureden versuchte, machte auch er sie insgeheim dafür verantwortlich. Christina hatte das wohl instinktiv gespürt und zog sich im Laufe der Zeit mehr und mehr vor ihm zurück. Zuerst waren die täglichen Anrufe von ihr ausgeblieben. Auch an den Wochenenden ließ sie sich kaum noch zu gemeinsamen Aktivitäten überreden, schob andere wichtige Termine vor oder traf sich angeblich mit Freundinnen, während er frustriert zu Hause auf sie wartete. Irgendwann hatte ihn ein ehemaliger Schulkamerad aus der Nachbarschaft zur Seite genommen und ihm hinter vorgehaltener Hand verraten, dass sie während seiner Abwesenheit häufig auf Tour sei und auch fremde Männer zu Hause empfangen würde, die manchmal sogar über Nacht bleiben würden. Er fühlte sich wie vor den Kopf gestoßen und wollte es zuerst überhaupt nicht glauben. Doch als er sie zur Rede stellte, gab sie es nach anfänglichem Leugnen schließlich zu.
„Warum… warum tust du mir so etwas an, Christina, liebst du mich denn nicht mehr?“, hatte er sie wachzurütteln versucht, worauf sie ihn mit unglaublich traurigen Augen angesehen und fast unmerklich den Kopf dabei geschüttelt hatte.
„Ich weiß es nicht, Lukas. Ich weiß es wirklich nicht. In mir ist alles so leer, seit dem…“ Sie stockte kurz und fuhr schließlich fort: „Ich glaube einfach, dass wir uns im Laufe der Zeit auseinandergelebt haben. Kein Wunder, wir sehen uns seit Jahren nur am Wochenende, und das noch nicht mal jede Woche. Vielleicht sollten wir uns endgültig trennen“, hatte sie gesagt, worauf er sie an den Schultern gepackt und gerüttelt hatte.
Nur mühsam hatte er sich zu beherrschen versucht. „Willst du das wirklich, Christina? Willst du tatsächlich, dass es aus zwischen uns ist, endgültig aus?“, hatte er sie wutentbrannt angeschrien.
Sie hatte daraufhin nur mit den Schultern gezuckt, wortlos ihren Mantel geschnappt und das Haus verlassen.
„Dann geh doch, du verdammte Hure“, hatte er ihr damals nachgerufen. Er konnte auch jetzt noch immer nicht fassen, dass sie ihn so stehen ließ, ganz ohne Versuch, sich mit ihm auszusprechen. Mechanisch war er damals ins Schlafzimmer gegangen und hatte seine Sachen aus dem Schrank achtlos wieder in die Reisetasche geworfen. Dann hatte er sich ins Auto gesetzt, und war die knapp vierhundert Kilometer von seinem Appartement in der Nähe der Baustelle, die er in der Hoffnung auf ein schönes Wochenende so gerne zurückgelegt hatte, an einem Stück gleich wieder zurückgefahren. Immer öfter hatte er daraufhin am Wochenende die Heimfahrt ausfallen lassen und anfangs in seiner Einzimmerwohnung Frust und Enttäuschung mit Alkohol zu betäuben versucht. Doch dann zog auch er nach Feierabend durch die Kneipen und ließ keine Gelegenheit mehr aus, sich mit anderen Frauen zu amüsieren. Auf die Baustelle war er schließlich immer öfter zu spät gekommen, wurde im Ganzen unzuverlässiger und machte immer häufiger Fehler. So war er schließlich immer weiter abwärts geschlittert. Eines Tages erreichte ihn ein Brief einer seiner flüchtigen Bekanntschaften. Ein Foto von ihr war beigefügt, das sie mit einem Säugling auf dem Arm zeigte. Sie verkündete ihm, dass er der leibliche Vater des Kindes sei, und forderte Unterhaltszahlungen von ihm, ansonsten werde sie seine Frau über alles informieren und Vaterschaftsklage gegen ihn erheben. Nur ungern erinnerte er sich an die kurze Beziehung mit ihr gleich zu Beginn seiner Krise. Sie hatte ihn in einer Disco angesprochen und noch in der gleichen Nacht war er mit ihr im Bett gelandet. Doch diese Affäre währte nur ein paar Wochen, weil er schon sehr bald feststellen musste, dass sie an ihm nicht wirklich interessiert war. Sie wollte sich eigentlich damals schon von ihm einfach nur aushalten lassen und auf seine Kosten amüsieren, weil sie gleich gemerkt hatte, dass er gut bei Kasse und sehr großzügig war. Er hatte die Beziehung daraufhin gleich wieder beendet. Doch nun holten ihn die Folgen wieder ein. Ohne auf einem Vaterschaftstest zu bestehen, hatte er schließlich in Zahlungen eingewilligt in der Hoffnung, damit alles vor Christina und seinem Arbeitgeber vertuschen zu können. So kamen auch noch ständige Geldsorgen hinzu, die ihn dazu verleiteten, so manchen Unterauftrag an den Baustellen an diejenigen zu vergeben, die ihm dafür klammheimlich Schmiergelder in die Hand drückten. Anfangs lief alles problemlos, doch irgendwann war er damit aufgeflogen, was für ihn nicht nur eine fristlose Kündigung, sondern auch eine Anklage wegen Korruption zur Folge hatte. In drei Tagen sollte der Gerichtstermin stattfinden, aber dazu würde es nicht mehr kommen. Sein Leben war völlig ruiniert, privat und beruflich, und er sah auch keine Perspektiven mehr für sich. Daher würde er diese Angelegenheit auf seine Art zu Ende bringen, jetzt gleich.
Ein leichtes Quietschen des Gartentores vor seinem Haus ließ ihn schlagartig aus seinen Gedanken aufschrecken. Christina betrat den spärlich beleuchteten Bürgersteig, stellte den Mantelkragen hoch und ging nach links, die abschüssige Straße hinunter, die über den Mühlenbach zur Bushaltestelle am Eingang des Neubaugebietes führte. Er hatte erfahren, dass sie, nachdem Zahlungseingänge von ihm auf ihr gemeinsames Konto immer spärlicher wurden und schließlich ganz ausgeblieben waren, wieder eine Stelle in der Arztpraxis angenommen hatte, in der er sie damals kennengelernt hatte, als er nach dem Unfall auf der Baustelle regelmäßig zur ambulanten Behandlung musste. Es war noch dunkel draußen und das Licht der Straßenlaternen konnte die Nebelschwaden kaum durchdringen. Eine gespenstische Kulisse wie in einem schlechten Krimi