Jenseits von Tod und Geburt - Karl König - E-Book

Jenseits von Tod und Geburt E-Book

Karl König

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Beschreibung

Die ewige Entelechie des Menschen Die Realität der ewigen Entelechie des Menschen war das leitende Prinzip schlechthin für Karl Königs Leben und Werk. Dieser schmale, aber gehaltvolle Sammelband mit einer Auswahl von Vorträgen, Gedichten, Aufsätzen, Briefen und Tagebuchaufzeichnungen beleuchtet seinen tiefen und unmittelbaren Bezug zu dem Leben zwischen Tod und neuer Geburt. Das Buch stellt überdies eine gute Hinführung zu den einschlägigen Äußerungen Rudolf Steiners dar.

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Karl König

Jenseits von Tod und Geburt

Karl König

Jenseits von Tod und Geburt

Die Verwandlung des Menschen

Herausgegeben von Richard Steel und Michael Bruhn

Verlag Freies Geistesleben

Inhalt

Die Welt der Verstorbenen

Einleitung von Michael Bruhn

Karl König – Vorträge, Gedichte und Aufsätze

I. Über die Verstorbenen – 3 Vorträge in Newton Dee, 1958

1. Das Tor der Geburt und das Tor des Todes

2. Brücken zu den Verstorbenens

3. Der Pfad jenseits des Todes

II. Gedichte

Die Verwandlungen des Menschen

Im Sterben

Der Tod Adalbert Stifters

III. Geburt und Tod – 2 Aufsätze

Des Kindes Erleben von Tod und Geburt

Über den Eintritt des Todes im Tages- und Jahresrhythmus

Anhang

I. Der Todestag Gustav Mahlers (Anne Weise)

II. Ein Tagebucheintrag Karl Königs, 1953

III. Nachruf für Wolfgang Beverley (Karl König)

IV. Ein Brief Karl Königs an Tilla Frahm

V. Die Todesschwelle im Jahreskreislauf – Aus Karl Königs Arbeit mit dem Anthroposophischen Seelenkalender (Richard Steel)

VI. Königs Notizen zu einem Vortrag 1963 in Wien: Selbstmord als Schicksal und die Frage der Wiederverkörperung

VII. Königs Vortragsnotizen 1966: Das Tor der Sonne und das Tor des Mondes

VIII. Die Planung für die Reisen Karl Königs 1966

Anmerkungen

Die Welt der Verstorbenen

Einleitung

von Michael Bruhn1

Das Tor der Geburt und das Tor des Todes – die Fragen, woher wir vor der Empfängnis gekommen sind und wo wir nach dem Tode hingehen, waren schon immer die Grundlagen für jede Art von religiösem Nachdenken. Die östlichen Religionen haben beiden Fragerichtungen gleiches Gewicht gegeben und sind von einem nie endenden Kreislauf von Leben, Tod und Wiedergeburt ausgegangen. Zum Teil trat auch noch die Frage hinzu, wie es möglich sei, diesen Kreislauf zu überwinden oder ihm zu entfliehen. Die westlichen monotheistischen Religionen, vor allem Judentum und Christentum, aber auch der Islam, haben sich in steigendem Maße auf das Leben nach dem Tode konzentriert und die erste Frage dabei entweder ganz vergessen oder die Vorstellung entwickelt, dass die Menschenseele aus dem Nichts bei der Empfängnis oder der Geburt erschaffen wird.

Auf diese Weise rücken Natur und Erdenleben viel mehr in den Mittelpunkt. Letztlich wird auch die materialistisch geprägte Naturwissenschaft auf diese Weise vorbereitet, die vorherrschende «Religion» unserer Zeit.

Wenn es nur ein Erdenleben gibt, dann gibt es keine zweite Chance, dann hängt alles von unserem moralischen Verhalten oder unserem äußeren Erfolg in diesem Leben ab. Himmel oder Hölle, ewige Seligkeit oder ewige Verdammnis erwarten uns, oder es kommt nach dem Tode gar nichts und wir sind nichts anderes als komplizierte Maschinen, geschaffen durch Evolution und Zufall und weder die Existenz des Lebens noch die des Bewusstseins lassen sich erklären.

Das «Tor der Geburt» war auch das Tor, das Karl König zur Anthroposophie geführt hat. Am Tage seiner Einschreibung als Medizinstudent an der Wiener Universität hatte er in sein Tagebuch geschrieben:

Das materialistische Meer wird auf mich einstürzen. Aber ich will Stand halten. Die Welt und das All sind voll von Gott und voll von Engeln und Wundern.

Es war einer seiner Professoren, der die tieferen Fragen des jungen Studenten erkannte und wie unzureichend diese durch die konventionelle Wissenschaft beantwortet werden konnten. Er gab ihm die ersten Hinweise, die ihn zur Entdeckung der Anthroposophie führten. Als notwendige Ergänzung der Wissenschaft würde sie ihm helfen, eigene Antworten zu finden. Sein lebenslanges Interesse für die Embryologie und seine Forschungen auf diesem Felde haben hier begonnen.

Anthroposophie bemüht sich darum, den Begriff der Evolution zu erweitern und auch die Evolution des menschlichen Denkens, die Evolution des Bewusstseins mit einzubeziehen. Ebenso die Evolution unseres Verhältnisses als Menschen zu einer geistigen Welt, die zwar jenseits unserer Sinneserfahrung, aber keineswegs jenseits unseres Erlebens zu finden ist. In diesem Zusammenhang wird der alte Gedanke der Reinkarnation individualisiert, nicht mehr als ein Kreislauf ewiger Wiederholungen, sondern als individuelle Entwicklungsmöglichkeit einer ewigen Individualität im Rahmen der größeren Evolution menschlichen Bewusstseins.

Später sprach Karl König manchmal von «Embryosophie», tatsächlich ein Thema voll geistiger Wesenheiten und wundersamer Fragen, denn im Rahmen des Reinkarnationsgedankens stellt sich dann auch die Frage, wie wir als Menschenwesen uns auf ein Erdenleben vorbereiten und unseren zukünftigen Erdenleib in seiner Entstehung schon anlegen und vorbereiten und wer uns dabei behilflich ist.

Im Laufe der Zeit aber wurde das andere Tor, das «Tor des Todes» für Karl König ebenso wichtig und diese Betrachtungsweise ist auch der Ausgangspunkt für die drei Vorträge über die Verstorbenen, die den Kern dieses Buches ausmachen: Von diesem Gesichtspunkt aus befindet sich zu jeder Zeit nur eine kleine, wenn auch wachsende Zahl von Menschen auf dieser Erde. Die allermeisten sind mit ihren verschiedenen Entwicklungsphasen in der geistigen Welt beschäftigt. Von uns Erdenmenschen sind sie nur dadurch getrennt, dass wir nicht fähig sind, sie physisch wahrzunehmen und vielleicht auch gar nicht an ihre Existenz glauben. In älteren Kulturen war der trennende Schleier zwischen dem physischen und dem geistigen Bereich unserer Welt dünner. In unserer Zeit, so beschreibt es der Vortragende, ist er zu einer immer dichter werdenden Hecke geworden, die nur noch schwer zu durchdringen ist.

Warum war das so wichtig für Karl König und die, die ihm zuhörten? Solche Vorträge waren Teil eines fortwährenden Fortbildungsprogramms in Anthroposophie für die Mitarbeitenden verschiedener Camphill-Gemeinschaften, und da diese Vorträge in Newton Dee gehalten wurden, einer Gemeinschaft, die gerade begonnen hatte, auch die Inklusion von Erwachsenen mit Behinderungen in ihr Leben und Arbeiten aufzunehmen, könnten auch von ihnen einige dabei gewesen sein.

Der dritte Vortrag enthält auch interessante Details über das Zusammenwirken von Redner und Zuhörenden, das Karl König erhoffte und geradezu forderte: Er erwähnt ein neues Thema, das er schon in der vorigen Woche habe einbringen wollen, das aber «abgelehnt» worden sei. Er sagt nicht dazu, von wem und auf welche Weise, aber in der Nachschrift des zweiten Vortrags findet sich keine Spur von einem solchen Versuch, dieses Thema, die Entwicklung der «höheren Wesensglieder» des Menschen nach dem Tode, schon einzubringen. Er muss wohl entweder einen Widerstand oder eine mangelnde Offenheit für dieses Thema empfunden haben oder eine Art Widerstand in seiner eigenen Gedankenbildung, die ihn das Thema auf die folgende Woche verschieben ließ.

Wer einen Vortrag hält und dabei nicht einfach ein schon geschriebenes Manuskript «abspult», sondern den Kontakt mit dem Publikum sucht, kennt die intensive non-verbale Kommunikation, die dabei stattfindet und beide Seiten beeinflussen kann. Karl König fühlte sich dafür verantwortlich, Anthroposophie als geistige Grundlage für Heilpädagogik und Sozialtherapie in den Camphill-Gemeinschaften durch Vorträge und andere Formen der Fortbildung zu entwickeln und zu verankern. Dabei war er auch von der Notwendigkeit überzeugt, mit den bereits Verstorbenen zusammenzuarbeiten. Die meisten Mitglieder der Gründungsgruppe von Camphill waren jüdischer Herkunft und hatten Freunde und Familienmitglieder in den deutschen Vernichtungslagern verloren. Einige der betreuten Kinder waren bereits seit dem Beginn der Arbeit in Schottland gestorben, ebenso einzelne Mitarbeitende oder der Arbeit freundschaftlich verbundene Menschen. Jeder dieser Todesfälle wurde in Camphill sehr ernstgenommen, es wurden Nachrufe veröffentlicht, man gedachte der Todestage, entdeckte historische Zeitrhythmen und beachtete dabei auch die astronomischen und astrologischen Sternkonstellationen. Ein Beispiel dafür, von Karl König für Wolfgang Beverley geschrieben, findet sich in diesem Buch, ebenso Tagebuchaufzeichnungen, Notizen für Vorträge, ein Brief an die Witwe eines Freundes, Gedanken zum Thema des Todes in Rudolf Steiners Seelenkalender, ein Artikel zum Thema aus einer medizinischen Fachzeitschrift und ein weiterer Artikel darüber, wie Kinder Geburts- und Todesereignisse erleben.

Viel später, Karl König war längst gestorben, kam ich selbst im Alter von 25 Jahren als Mitarbeiter in eine kleine Camphill-Gemeinschaft in Schottland. Ich wusste wenig von Anthroposophie und war beeindruckt, wie ernsthaft und gleichzeitig unbeschwert Sterben und Tod in diesen Gemeinschaften begleitet wurden. Es gab zwar keine Todesfälle in meiner unmittelbaren Umgebung, aber über einen weltweiten Telefonring wurden wir über Todesfälle in anderen Gemeinschaften informiert. Ich erfuhr, dass der Leib der Verstorbenen in ihrem Zimmer blieb oder in eine Aufbahrungskapelle gebracht wurde, dass für drei Tage Totenwache gehalten wurde, wobei man sich mit dem Lesen des Evangeliums rund um die Uhr abwechselte. Um dies aus der Ferne zu begleiten, fanden auch wir uns zumindest einmal am Tag zu einer Evangelien-Lesung zusammen. Ich war sehr beeindruckt von dieser positiven Haltung zum Sterben und noch mehr von der dahinterstehenden Überzeugung, dass die Verstorbenen gegenwärtig sein und sich mit den Gedanken der Lebenden, die an sie denken, verbinden könnten.

Nach und nach lernte ich, wie in der Anthroposophie der Weg der Individualität nach dem Tode beschrieben wird: Für die ersten Tage als «Lebenspanorama» im Einklang mit dem, was auch sonst von Schockoder Nahtoderlebnissen berichtet wird, dann als individuelle Verarbeitung des vergangenen Erdenlebens und der Erlebnisse, die andere an uns gehabt haben. Dann folgt die Vorbereitung, möglicherweise jahrhundertelang, auf ein neues Erdenleben in ganz anderen Lebensumständen.

Als ein Freund von mir weit entfernt unter ungeklärten Umständen starb, sodass nicht ganz deutlich war, ob er sich das Leben genommen hatte, stand mir ein erfahrener Mitarbeiter beratend zur Seite mit Ideen, wie ich versuchen könnte, meinen Freund innerlich auf seinen ersten Schritten in der geistigen Welt zu begleiten, wie ich mit ihm in Verbindung bleiben und mich für Ideen und Denkanstöße öffnen könnte, die er mir möglicherweise würde mitteilen wollen.

All dies geschah in einer ganz offenen und sachlichen Art und Weise, im Einklang mit einer der Zukunftsideen der Anthroposophie: dass die typische Verdrängung von Tod und Sterben in unseren westlichen Kulturen überwunden und immer mehr ersetzt werden sollte durch eine neue, imaginative Art der Kommunikation über die Schwelle zur geistigen Welt hinweg, nicht nur mit den geistigen Wesen, die das Menschenleben begleiten, sondern vor allem auch mit den sogenannten «Toten».

In einem der hier veröffentlichten Vorträge geht Karl König sogar so weit, dass er meint, die Kommunikation mit den Verstorbenen werde in Zukunft ein ganz normales Universitätsfach werden!

Bisher kann ich keine große Wahrscheinlichkeit dafür entdecken, dass dies in näherer Zukunft geschehen könnte. Karl König hat sich aber ganz klar bemüht, diesen Lehrinhalt aus der Anthroposophie seinen Mitarbeitenden in Camphill zu vermitteln. Es kam auch vor, dass er Aufgaben an Einzelne oder an eine Gruppe innerhalb der Gemeinschaft verteilte, sich mit bestimmten verstorbenen Persönlichkeiten näher zu befassen. Manchmal waren das historische Figuren, deren Impulse seiner Meinung nach besser verstanden werden sollten, um in der Entwicklung der eigenen Gemeinschaft fruchtbar zu werden. Vor allem aber bestand er darauf, dass diese Beschäftigung nicht hauptsächlich der Frage dienen sollte «was können die Verstorbenen für uns tun?» – sondern viel eher der Frage «was können wir für sie tun?». Für ihn war es offensichtlich, dass es den Menschen in der geistigen Welt helfen würde, wenn sich jemand im Erdenleben mit ihren Ideen und Impulsen beschäftigen würde, versuchen würde sie zu verstehen, um sie im eigenen Leben und Arbeiten fruchtbar zu machen. Nur bei so einer selbstlosen Haltung könnten dann auch in der anderen Richtung hilfreiche Ideen und Gedanken ins Erdenleben zurückfließen.

Seiner Jugendgruppe in Wien hatte er einmal die Aufgabe gegeben, sich mit dem Leben jung verstorbener Weltkriegssoldaten zu befassen und sich mit ihren unerfüllten Zielen und Intentionen zu verbinden. Das Datum des letzten Treffens dieser Gruppe am 11. März 1938, als die Nazitruppen bereits in Österreich einmarschierten, wurde für König besonders bedeutsam, einerseits für sein «historisches Gewissen» und seine ständige Aufmerksamkeit für die Weisheit historischer Rhythmen, andererseits auch in seinem persönlichen Leben. Am 11. März 1314 war Jacques de Molay, letzter Großmeister des Templerordens, in Paris auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden. Später stellte sich dann heraus, dass gerade in der Umgebung von Camphill House, dem ersten dauerhaften Wohnort der entstehenden Camphill-Gemeinschaft, die Tempelritter nach 1314 ihre Arbeit hatten fortsetzen können, wie auch an einigen anderen Orten in Schottland. Seitdem erwähnte König oft den 11. März. Eine bekannte Weihnachtsgeschichte, die er seiner Frau Tilla gewidmet hatte, überreichte er ihr mit dieser Widmung am 11. März 1947. Es war für die beiden aber auch ein persönlicher Gedenktag, denn fünf Jahre vorher, am 11. März 1942, war das fünfte Kind des Ehepaares König tot geboren worden.

Es gibt noch andere Gründe, warum das Nachdenken über Geburt und Tod, Wiederverkörperung, Schicksal und Karma für die anthroposophische Heilpädagogik besonders bedeutsam ist. Von diesem Gesichtspunkt aus kann die Individualität, das ewige Selbst nicht krank werden und von keiner Behinderung betroffen sein. Die Seele aber, die Lebensprozesse und der physische Leib können, aus welchen Gründen auch immer, unvollständige Werkzeuge für diese Individualität darstellen, die sie dann an der vollen Selbstverwirklichung hindern. In der erwähnten Weihnachtsgeschichte, geschrieben nach dem Tode mehrerer Kinder, die in der Obhut der Gemeinschaft waren, geht Karl König der Frage nach, wie es wohl dem ewigen Wesen dieser Kinder ergehen mag, nun, da es sich von seinen unvollkommenen Werkzeugen befreien konnte. Er stellt sich vor, dass diese verstorbenen Kinder sich zu einer gemeinsamen Zukunftsaufgabe zusammenfinden. Jeder ewigen Individualität zur Entwicklung zu helfen, egal wie verhüllt sie sein mag durch ihre irdischen Schwierigkeiten und Probleme, ihr gelegentliches Durch-Scheinen durch diese irdische Hülle wahrzunehmen und ihr immer mehr zu helfen, sich in diesem mehr oder weniger schwierigen Erdenleben zurechtzufinden und auszudrücken, das war für ihn das zentrale Anliegen als Arzt und Heilpädagoge. Wir können nie wissen, ob der Grund für eine Einseitigkeit, eine Krankheit oder Behinderung in der Vergangenheit liegt oder eher auf eine zukünftige Aufgabe vorbereitet. Aber die Möglichkeit, wiederholte Erdenleben, Wiederverkörperung und Karma auch nur in Betracht zu ziehen, ist die allergrößte Hilfe für die Arbeit mit Menschen, deren Leben von einem materialistischen Standpunkt aus nur noch viel sinnloser erscheinen kann als unser eigenes. Was immer uns im Leben begegnet, wir könnten es uns bei der Vorbereitung unseres Erdenlebens selber ausgesucht haben als notwendige Herausforderung. Es mag auch andere Gründe geben, und Reinkarnation darf niemals als billige Entschuldigung für mangelnde Eigenaktivität herhalten. Aber die Offenheit und Beweglichkeit dem fremden Schicksal gegenüber, die durch Anthroposophie in die Heilpädagogik und Sozialtherapie hineingebracht wird, kann lebensverändernd sein. So war es jedenfalls für mich!

Karl König war einer der Pioniere dieser vorausschauenden Haltung gegenüber Menschen mit Behinderungen. Er bestand darauf, dass jedes Kind, völlig unabhängig von seinen äußeren Möglichkeiten, ein Recht auf Schulbesuch und Bildung habe. Und dies zu einer Zeit, wo diese heute selbstverständliche Forderung völlig unerhört und neu war. Für die Schulbildung legte er Wert auf tägliche Beschäftigung mit altersgemäßen Lehrinhalten, wiederum unabhängig von intellektuellen Einschränkungen oder anderen Behinderungen.

Für die später gegründeten sozialtherapeutischen Lebensgemeinschaften mit Erwachsenen beanspruchte er, dass hier keine pädagogische Haltung den Betreuten gegenüber herrschen dürfte, sondern in gegenseitiger Akzeptanz der verschiedenen Fähigkeiten eine gleichberechtigte gemeinsame Arbeitsatmosphäre zu schaffen sei. Für jede Altersstufe aber war er überzeugt, dass es keinen echten Fortschritt geben könnte, wenn diejenigen, die bereits die Schwelle zur geistigen Welt überschritten haben, nicht einbezogen würden.

Dass es für dieses Einbeziehen keine einfachen Rezepte gibt, wird in den hier veröffentlichten Texten deutlich. Ebenso deutlich wird, dass es mit Offenherzigkeit, Imagination und der Bereitschaft, die gewohnten Denkwege zu verlassen, dennoch gelingen kann.

In seinen letzten Lebensmonaten, in einer letzten Vortragsreihe kehrte Karl König noch einmal zu dem Thema «Das Tor der Geburt und das Tor des Todes» zurück. In der Zeit davor hatte er eher allgemein über Karma und Reinkarnation gesprochen. Seine Notizen für einen dieser Vorträge sind erhalten und finden sich als Faksimile im Anhang. Hier nennt er, basierend auf Aussagen von Rudolf Steiner, das Tor, durch das wir aus der Vergangenheit gekommen sind, mit allem, was wir gelernt haben und geworden sind, das «Tor des Mondes». Das Tor, durch das wir in die Zukunft schreiten in Richtung auf unsere zukünftigen Impulse und neuen Fähigkeiten, einschließlich der Fähigkeit, den Christus in seiner Wiederkunft erkennen zu können, nennt er das «Tor der Sonne». Entsprechend hat Hans Müller-Wiedemann in seiner König-Biographie das letzte Kapitel mit «Das Tor der Sonne» überschrieben. Dieses Tor in die Zukunft hat Karl König am 27. März 1966 durchschritten und im Rückblick wird deutlich, dass er diesen Schritt recht bewusst vorbereitet hat. Schon Ende 1965 hatte er erneut mit Herzproblemen zu kämpfen, und um die Weihnachtszeit notierte er in seinem Tagebuch eine Erfahrung beim Anhören von Mahlers zweiter Symphonie:

Und wieder ist es so, als würde vom 2. Satz an das Erlebnis nach dem Tode in allen Stufen erzählt werden.

Ungefähr zur selben Zeit dürfte sein letztes, undatiertes Gedicht entstanden sein,2 voller Vorahnungen dessen, was vor ihm lag, vor allem in den folgenden, mittleren Versen:

So wenden wir unseren Sinn

Suchend den Engeln zu,

Die einstmals den Hirten gesungen

In der stillen Nacht.

Jetzt aber lärmt der Tag durch die Nacht;

Es blenden die Lichter den suchenden Blick;

Es gellen Geräusche ins lauschende Ohr,

Es schrillt die menschliche Sprache

In das Ruhe fordernde Herz.

Dort sitzt ein einsames Weh.

Wie ein deutender Finger drückt es

Auf den Schlag und macht ihn bemerkbar,

Bewusst, als den Quell des Daseins,

Aus dem unser Leben sprießt.

Ist es der Finger des Engels,

Der den kommenden Tod verkündet?

Ist es der deutende Ernst

Des Erzengels, der dich ruft?

Der Gründer der Camphill-Gemeinschaften, der die Inspiration für sein Werk so oft bei denen gefunden hatte, die die Schwelle vor ihm überschritten hatten, wurde so selbst zu einem ihrer Inspiratoren für die Zukunft.

Vorträge, Gedichte und Aufsätze

von Karl König

Über die Verstorbenen

3 Vorträge in Newton Dee, Schottland, März 19583

1. Das Tor der Geburt und das Tor des Todes

Sonntag, 16. März 1958

Heute Abend stellt eine Art Einführung zu den kommenden beiden Vorträgen dar, die uns in die Osterwoche begleiten werden. Ich habe das Gefühl, dass ich in dieser Einführung das, was ich in den Vorträgen mitzuteilen habe, mit dem verbinden sollte, was ich vergangenen Sonntag zu sagen hatte – ganz speziell den jungen Menschen, die jetzt in Thornbury arbeiten und mich gebeten hatten, zu ihnen über die Zeit zu sprechen, in der wir leben.4 Ich habe den Eindruck, dass es heute nicht möglich ist, über irgendetwas zu sprechen, ohne an die Ereignisse und Erscheinungen unserer Zeit anzuknüpfen, obwohl ich nicht glaube, dass sehr viele Menschen wirklich bemerken, was vor sich geht oder was tatsächlich auf uns zukommt.5 Natürlich fällt es einem schwer, immerzu das ins Auge zu fassen, mit dem man ständig konfrontiert wird, jedoch sollte man sich ab und zu die außergewöhnliche Situation, in der wir leben, vergegenwärtigen. Rudolf Steiner wies schon vor einigen Jahren auf diese Notwendigkeit hin. Immer wieder versuchte er, die Aufmerksamkeit seiner Zuhörer auf die schicksalshaften Jahre zu lenken, die ihnen bevorstanden, doch gab es weder Ohren, die hörten, noch Augen, die sahen. Deshalb haben sich die Dinge in einer Weise entwickelt, die wahrscheinlich die Erwartungen von Rudolf Steiner selbst weit übertrafen.

Man hat den Eindruck, dass die Ereignisse schneller vorangeschritten sind, als aus einer geistigen Perspektive erwartet, und dass jetzt schon Dinge geschehen, die vielleicht in zehn, zwanzig oder dreißig Jahren hätten geschehen sollen. Je mehr wir über die Schwelle unseres eigenen begrenzten Daseins hinausschauen, desto mehr erstaunt und überwältigt sind wir.

Glauben Sie nicht, dass ich versuche, Ihnen Angst zu machen. Die, die nicht willens sind zu sehen, werden nie sehen; die, die nicht willens sind zu hören, werden nie hören. Wenn ich all diese Dinge sage, dann tue ich dies nur, um sie mir selbst deutlich zu machen und nicht, um andere zu überzeugen. Denn man muss die Tatsache akzeptieren, dass die menschliche Natur heute für die Wahrheit tauber ist als jemals zuvor, und dass es natürlich ist (natürlich, aber nicht menschlich), dass jeder versucht, seinen eigenen Angelegenheiten hinterherzukommen, anstatt seine Kraft in diese scheinbar schon verlorene geistige Schlacht zu stecken.

Als ich den jungen Freunden in Thornbury bestimmte Ereignisse unserer Zeit verdeutlichen wollte, empfand ich es notwendig zu sagen, dass unsere Zeit mit anderen Epochen verglichen werden kann. Unsere Zeit ist von der Perspektive aus, die uns jetzt beschäftigt, nicht die allererste. Wenn wir in der menschlichen Entwicklung zurückschauen, gab es andere Zeiten in der Geschichte, Zeiten menschlichen Daseins, in denen die Menschheit mit mehr oder weniger ähnlichen Situationen konfrontiert war. Zum Beispiel war in der vierten atlantischen Epoche – zu der Zeit, als das turanische Volk die Menschheit anführte – ein ganzer Kontinent in Gefahr, zerstört zu werden, da wurden sozusagen gewisse Kräfte freigesetzt, die bis dahin nur einer kleinen Gruppe von Eingeweihten bekannt waren. Anstatt dass diese Kräfte jedoch zu einem guten Zweck eingesetzt wurden, wurden sie missbraucht. Wir müssen uns vorstellen, dass zu dieser Zeit die Kräfte, die in lebendigen Pflanzensamen verborgen sind, für Menschen verfügbar waren und dass die atlantischen Völker (die zweite, dritte und dann auch die vierte atlantische Epoche) durch ihre Einweihung imstande waren, solche Samen zu nutzen, vor allem solche Samen, die wir heute als Leguminosen bezeichnen: Bohnen und Erbsen; sie sahen nicht aus wie heutzutage, aber sie stammten aus derselben Familie. Die Lebenskräfte dieser Samen konnten extrahiert und zum Beispiel zum Antrieb von Flugmaschinen oder anderen für diese Menschen nützlichen Maschinen genutzt werden.