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Das Christentum – ein Glaube aus dem Nichts?
Die Wirklichkeit hinter den Texten der Bibel
Der Dokumentarfilmer und Schriftsteller Leo G. Linder liefert mit seinem Buch eine überzeugende Darstellung des frühen Christentums und ein lebendiges Panorama der antiken Welt, in der es allmählich Fuß fasst. Die Geschichte des frühen Christentums wird von ihm als »Unternehmen Jesus« geschildert, das bestimmte Ziele verfolgte und in einer Zeit entstanden ist, die dafür reif war. Glänzend erzählt und faszinierend bebildert, öffnet es die Augen für die Wirklichkeit hinter den Texten der Bibel – und ermöglicht so einen neuen Zugang zu dem dramatischen Urstoff unserer christlichen Kultur.
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Seitenzahl: 421
Leo G. Linder, geboren 1948, studierte ab 1970 Film und Philosophie an der Kunstakademie Düsseldorf sowie Geschichte und Spanisch an der Universität Düsseldorf. Von 1977 an arbeitete er als Kameramann, wechselte 1985 zur Regie und drehte zahlreiche Dokumentarfilme. 1990 erschien sein erstes Buch, dem weitere zu theologischen, historischen und politischen Themen folgten, dazu etliche Reise- und Jugendbücher. Nicht zuletzt sein Mitwirken an dem Buch »Jesus: Ein Leben« von Notker Wolf (2012) machte ihn bekannt. Leo G. Linder lebt als Regisseur und Autor in Düsseldorf.
www.leo-linder.de
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Hier beginnt sie, die Geschichte des Christentums, am Nordufer des Sees Gennesaret. Und sie beginnt damit, dass ein Mann namens Jesus von Nazaret als Prediger auftritt und die Leute aufhorchen lässt. »Denn er lehrte sie wie einer, der Vollmacht hat, und nicht wie ihre Schriftgelehrten«, schreibt Matthäus. (Mt 7,29)
Jesus von Nazaret fasziniert die Menschen bis zum heutigen Tag. Weit über zwei Milliarden Menschen glauben an ihn und finden durch ihn Orientierung und Lebenssinn. Andere folgen seinem Beispiel und widmen ihm ihr ganzes Leben. Nicht selten greifen Theologen nach vielen Jahren wissenschaftlicher Forschung und Lehre noch einmal zur Feder und schreiben ein Buch über Jesus. Er war der Grund dafür, dass sie ihr Leben lang Theologie betrieben haben, und nun wollen sie ihre Erfahrungen mit ihm zusammenfassen. In meinem Bücherregal steht eine Reihe von Jesusbüchern großer Theologen. Zuletzt hat Papst Benedikt XVI. ein Werk über Jesus veröffentlicht, dessen erster Band weltweit eine Auflagenhöhe von zweieinhalb Millionen erreicht hat.
Jesus ist nach dem christlichen Glauben ganz Gott und ganz Mensch. Er ist der Mensch gewordene Gottessohn, das sichtbare Antlitz Gottes. Die Evangelisten wollten mit ihren Schriften den Gemeinden die theologische Bedeutung Jesu vermitteln und keine Biografien im heutigen, chronistischen Stil schreiben. Ihr Ehrgeiz galt nicht der Genauigkeit von Daten und Fakten – sie wollten uns das Geheimnis Jesu nahebringen. Zeiten und Orte, die Wanderungen und Begegnungen Jesu haben immer eine theologische Bedeutung, aber nur, weil sie auch eine geschichtliche Wirklichkeit sind. Die Überlieferung geschah anfangs mündlich, und dabei mag sich zunächst manches überlagert haben, einiges mag ohne Rücksicht auf die Chronologie wiedergegeben worden sein. Dennoch geht es den Evangelisten auch um den historischen Jesus. Der Lukasevangelist ist den Überlieferungen sehr kritisch nachgegangen, wie er zu Beginn seines Evangeliums schreibt. Jesus nur als Mensch zu verstehen wäre allerdings genauso verfehlt und würde seine Wirklichkeit nicht erfassen. Diese beiden Dimensionen, die menschliche wie die göttliche, wenn wir so sagen dürfen, machen das Geheimnis der Person Jesu aus. Genau das fasziniert an ihm. In ihm rühren wir an den barmherzigen und liebenden Gott selbst.
Leo Linder ist in den Orient gereist und hat die historischen Orte aufgesucht, an denen Jesus und seine Nachfolger gewirkt und gelebt haben, er ist den Wegen gefolgt, auf denen sie gegangen sind. Er klammert sich nicht an diese Fakten, doch das Umfeld ist nun einmal bedeutsam. Es ist ein Unterschied, ob man die Stellen über Jesus am See Gennesaret zu Hause im Zimmer liest oder am See selbst. Dort sagen die Texte mehr. Wir lesen dann nicht einfach mit unserem Verstand, sondern nehmen vieles andere mit auf und gelangen zu einem tieferen Verständnis. Der Horizont weitet sich buchstäblich. Das gilt ebenso im Profanen. Einen Brief Senecas zu lesen, in dem er einen Ausflug in einer Sänfte über die Via Appia schildert, klingt anders, wenn man dabei auf der Via Appia Antica steht, als wenn man in der Studierstube sitzt.
Zur Faszination Jesu gehört auch das Fortwirken seiner Gegenwart und seiner Botschaft nach seinem Tod und seiner Auferstehung. Wie konnte es sein, dass die bei seiner Kreuzigung empfundene Verzweiflung auf einmal in solch eine unerschütterliche Hoffnung umschlägt, dass dieser Glaube über die Grenzen Jerusalems hinaus bis nach Europa getragen wird? Was erfahren wir über die Jünger und ihr Wirken? Wie ist Paulus aus Tarsus vorgegangen, wie ist aus diesem Christenverfolger der Verkünder des Christentums schlechthin geworden? Wir kennen die Briefe des heiligen Paulus sowie die, die unter seinem und anderer Apostel Namen liefen. Es gilt, diesen Briefen auch ihren irdischen Ort zu geben, zu sehen, an welche Gemeinden er sich in seiner pastoralen Sorge gewandt hat, und deutlich zu machen, was Paulus überhaupt veranlasste, die von ihm gegründeten Gemeinden durch seine eifrige Korrespondenz zusammenzuhalten und zu fördern.
Es lohnt sich, über Paulus nachzudenken. Denn wir sind heute in einer ähnlichen Situation. Auch wir sind sozusagen Nachgeborene des Christentums. Auch wir haben Jesus von Nazaret nicht persönlich erlebt wie seine Jünger, sondern sind auf deren Zeugnisse angewiesen. Auch wenn wir kein solches Christuserlebnis wie Paulus hatten, so beruht unser heutiger Glaube wie der seine auf der Tradition der Apostel. Paulus hat einige theologische Schwerpunkte in seinen Briefen herausgehoben, wie Rechtfertigung und Freiheit oder das neue, christliche Leben in einer heidnischen Umwelt. Paulus stellte sich den Fragen, die er als gebildeter Pharisäer selbst hatte und die unterwegs auf ihn zukamen. In ihm wird das ehrliche Ringen eines Christen mit seinem Leben und seinem Glauben deutlich. Leo Linder ist auch diesen Spuren nachgegangen, um eine Vorstellung zu vermitteln, in welchem Umfeld Paulus gelebt und gepredigt hat.
Doch auch das wäre noch nicht genug, wenn wir dem Geheimnis Jesu nachgehen wollen. Gemeinden wurden gebildet, die Kirche wurde größer. Immer stärker wurde das Bewusstsein, dass die Botschaft von den Gemeinden verkündet und bezeugt wird und dass Jesus in den gemeinsamen Feiern und durch seinen Geist in ihnen gegenwärtig ist. Waren schon die Evangelisten und Paulus Theologen, so wuchsen nun, als die christliche Botschaft im griechischen und römischen Reich aufgenommen wurde, neue Theologen heran, man möchte sagen: Fachtheologen, die sich mit der Person Jesu erneut von ihrem Standpunkt aus auseinandersetzten. Es war der langsame Vorgang der Inkulturation. Immer wieder aber sollten wir das konkrete Umfeld, Land und Leute in Augenschein nehmen, wenn wir das Geheimnis des Entstehens und Wachsens der frühen Kirche beobachten.
Leo Linder geht bis zu denen, die »Väter« der Kirche geworden sind: Kirchenväter, Wüstenväter. Denn die Begeisterung für Jesus lässt nicht nach, viele Menschen folgen seinem Beispiel. Mit dem Tod Jesu schien das ganze »Unternehmen Jesus« zusammengebrochen zu sein. Doch entgegen aller Wahrscheinlichkeit lebte es weiter, die Botschaft seiner Person und seiner Taten beflügelte die Apostel, andere folgten ihnen, sie scheuten keine Unbilden und Qualen. Das Christentum breitete sich aus und »siegte«. Nein, nach christlichem Verständnis müssen wir sagen: Er siegte.
Es ist spannend, bei Leo Linder diese Geschichte zu verfolgen. Er fördert Überraschendes zutage und lässt dem Leser genügend Raum, sich seine eigene Meinung zu bilden. Ob man ihm zustimmen oder widersprechen möchte – anregend ist seine Darstellung allemal. Es ist ein Jesusbuch eigener Art, fasziniert nicht nur von der Gestalt Jesu, sondern auch von seinem Weiterwirken in der Geschichte, ein Buch, das seinerseits fasziniert.
Notker Wolf,Abtprimas des Benediktinerordens
»Was ist Wahrheit?«, fragt der Römer Pontius Pilatus im Johannesevangelium den verhafteten Juden Jesus, erhält allerdings keine Antwort und erwartet vielleicht auch keine – auf eine Verständigung in dieser Frage bestand ohnehin wenig Aussicht.
Was ist Wahrheit?, fragen heute viele, wenn es um Jesus und die historische Substanz der Evangelien geht, erhalten aber von denen, die sich einstmals als Hüter der Wahrheit verstanden, allenfalls ausweichende Antworten. Theologen sprechen dann vielleicht von der »historischen Würde« der Bibeltexte, die doch gar nicht so entscheidend sei, oder von dem Kern der Botschaft, auf den es viel stärker ankomme. Gemeint ist damit: Wahr sind die Evangelien auch dann, wenn sie als gleichnishafte, in bewegenden Bildern redende Texte gelten müssen, mit anderen Worten reine Glaubenspropaganda sind. Wahr sind sie schon deshalb, weil dieser Glaube die – oder wenigstens eine – Wahrheit über Gott enthalte, gleichgültig, wie vertrauenswürdig oder dubios die Nachrichten sind, die wir über den Anstifter zu solchem Glauben haben. So wird oftmals als einfältige Neugier beiseitegewischt, was Gläubige wie Ungläubige eigentlich interessiert: in welcher Wirklichkeit denn die Wahrheit dieses Glaubens verankert ist. Auf welche Tatsachen sich die Glaubwürdigkeit dieses Glaubens gründet. Oder ob dieser Glaube den Köpfen euphorisierter Wanderprediger entsprungen ist wie Athene dem Haupt des Zeus, ohne nachvollziehbaren Zeugungsvorgang. Ob er sich spurlos im Nebel frommer Spekulationen verliert, angestellt von Schwarmgeistern, die ihre religiöse Fantasie nicht zu zügeln wussten – und am Ende Auferstandene sahen?
Die Theologie scheint nicht mehr die beste Adresse für solche Fragen zu sein. Und in der Tat stößt hier ja alle Wissenschaft an ihre Grenzen, denn Jesus hat keine Städte oder Paläste gebaut und keine zerstört, hat selbst nichts geschrieben, hat keine Zeile hinterlassen und zu Lebzeiten auch nicht das Aufsehen anderer Autoren erregt – in seinem Jahrhundert findet sich allenfalls ein leises Echo auf seinen Tod bei dem großen jüdischen Historiker Josephus Flavius. Über die Gründergestalt des Christentums sowie die ganze Generation der ersten Christen kann uns allein das Neue Testament Aufschluss geben. Und das gilt längst als trügerisches Terrain, sobald es um die Frage der Echtheit von Jesusworten oder um Anhaltspunkte für die historische Wahrheit seines Schicksals geht. Denn die Evangelien wie auch die Apostelgeschichte stehen in dem Verdacht, zu verklären, wo sie zu berichten vorgeben, zu verkünden, wo sie vermeintlich Tatsachen schildern, Theologie zu betreiben, wo sie zu erzählen scheinen, in Gleichnissen zu reden, wo sie angeblich Ereignisse bezeugen. Die Evangelien wären dann reine Glaubenszeugnisse, verfasst von Leuten, denen ohnehin nichts an historisch wahren Aussagen lag. Und die Apostelgeschichte müsste als ein Fall polemischer Abspaltungsliteratur ohne größeren dokumentarischen Wert betrachtet werden. Wer dies alles für bare Münze nimmt, hätte demnach nichts verstanden.
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