Job-Demand-Control-Support-Modell und Burnout - Agnessa Kozak - E-Book

Job-Demand-Control-Support-Modell und Burnout E-Book

Agnessa Kozak

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Beschreibung

Psychische Belastungen am Arbeitsplatz sind mit vielfältigen Gesundheitsrisiken assoziiert. Ein häufig beobachtetes Phänomen bei Beschäftigten in emotional fordernden Berufen ist das Erschöpfungssyndrom Burnout. Kenntnisse über die Einflussfaktoren und Ansatzpunkte zur Prävention in der Behindertenhilfe in Deutschland sind bislang wenig erforscht. Dieses Buch stellt im Einzelnen dar, welche psychosozialen Faktoren das Burnout-Syndrom bei Beschäftigten in der Behindertenhilfe beeinflussen und welche daraus folgenden Handlungsansätze für die Praxis und Forschung möglich wären.

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Agnessa Kozak

Job-Demand-Control-Support-Modell und Burnout

Agnessa Kozak

Job-Demand-Control-Support-Modell und Burnout

Darstellung der Ergebnisse unter Verwendung

des COPSOQ-Instruments bei Beschäftigten in

Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen

© 2013

Edition Gesundheit und Arbeit,

Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE),

Martinistraße 52, 20246 Hamburg

www.uke.de

Herausgeber

Prof. Dr. med. Albert Nienhaus

[email protected]

Autor

Agnessa Kozak

Redaktion

Daniela Delfs

Lektorat

Angelika Buchholz, Frankfurt

Gestaltung

Ethel Knop, Essen

Verlag

tredition GmbH, Hamburg

ISBN: 978-3-8495-3833-0

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Abstract

1 Einleitung

2 Theoretischer Hintergrund

2.1 Psychosoziale Belastungen und Beanspruchungen im Erwerbsleben

2.2 Das Burnout-Syndrom in helfenden Berufen

2.2.1 Definition und Erklärungsansatz

2.2.2 Prävalenz von Burnout

2.2.3 Ursachen von Burnout

2.2.4 Folgen von Burnout

2.3 Rahmenbedingungen und Entwicklungen in der Behindertenhilfe

2.3.1 Situation und Rahmenbedingungen

2.3.2 Entwicklungen und Perspektivenwandel

2.4 Darstellung des Job-Demand-Control-Support-Modells

2.5 Hypothesenbildung

3 Methodisches Vorgehen

3.1 Durchführung der Befragung

3.2 Erhebungsinstrument

3.3 Statistische Analyseverfahren

4 Ergebnisse

4.1 Deskriptive Ergebnisse

4.2 Bivariate Analysen

4.3 Multivariate Analysen

5 Diskussion

5.1 Methodendiskussion

5.2 Ergebnisdiskussion

5.2.1 Studienkollektiv

5.2.2 Spezifische Aspekte in der Behindertenhilfe

5.2.3 Burnout in der Behindertenhilfe

6 Schlussfolgerungen

6.1 Implikationen für die Praxis

6.2 Implikationen für die Forschung

Literaturverzeichnis

Anhang

Abbildungsverzeichnis

1 Das Anforderungs-Kontroll-Modell von Karasek und Theorell

2 Deutsche Standardversion des COPSOQ-Fragebogens

3 Aussage zum Belastungsempfinden: „Ich fühle mich durch verbale oder körperliche Aggressionen von Klienten belastet“

4 Histogramm der Skala „personal burnout“ aus dem CBI

5 Prozentuale Verteilung der soziodemografischen und berufsspezifischen Merkmale in Bezug auf hohe Burnout Symptomatik

6 Prozentuale Verteilung der speziellen Dienste in Bezug auf eine hohe Burnout-Symptomatik

Tabellenverzeichnis

1 Kurz-, mittel- und langfristige Stressreaktionen

2 Beschreibung der Stichprobe

3 Anzahl spezieller Dienste im vorangegangenen Monat

4 Reliabilitätsanalyse

5 Tests auf Normalverteilung, Mittelwerte und Standardabweichungen

6 Verteilung von Einzelitems der Variable Burnout

7 Regression: Quantitative Anforderungen und Burnout

8 Regression: emotionale Anforderungen und Burnout

9 Regression: Anforderungen, Emotionen zu verbergen und Burnout

10 Regression: Work-Privacy-Conflict und Burnout

11 Regression: Dimension Anforderungen und Burnout

12 Regression: Einfluss bei der Arbeit und Burnout

13 Regression: Entscheidungsspielraum und Burnout

14 Regression: Dimension Handlungsspielraum und Burnout

15 Regression: soziale Unterstützung und Burnout

16 Regression des Gesamtmodells

Vorwort des Herausgebers

Die Edition Gesundheit und Arbeit (ega) ist eine Schriftenreihe des Competenzzentrums für Epidemiologie und Versorgungsforschung bei Pflegeberufen (CVcare) am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE). Herausgeber dieser Schriftenreihe ist Prof. Dr. med. Albert Nienhaus, der das CVcare leitet.

In der ega werden die Arbeitsergebnisse des CVcare publiziert. Sie steht aber auch allen anderen Wissenschaftlern, die zu dem Thema Gesundheit und Arbeit forschen und ihre Arbeitsergebnisse einem deutschsprachigen Publikum zur Kenntnis bringen wollen, zur Verfügung. In der ega werden unter anderem ausgewählte Diplom-, Master- und Bachelorarbeiten sowie Dissertationen und Habilitationen publiziert.

Mit ihr soll die Diskussion im deutschsprachigen Raum über effektive und effiziente Wege zur Verbesserung des Gesundheitsschutzes, der betrieblichen Gesundheitsförderung sowie des betrieblichen Gesundheitsmanagements unter besonderer Berücksichtigung der betrieblichen Wiedereingliederung gefördert werden. Die ega ist eine Plattform für interdisziplinäre Beiträge aus der arbeitsweltbezogenen Gesundheitsforschung. Die Disziplinen Psychologie, Arbeitsmedizin, Gesundheitswissenschaften, Gesundheitsökonomie, Rehabilitations- und Versorgungsforschung sollen damit näher zusammengeführt und zum gegenseitigen Austausch angeregt werden.

Das Competenzzentrum für Versorgungsforschung bei Pflegeberufen (CVcare) ist eine universitäre Forschungseinrichtung am UKE, deren Grundfinanzierung durch eine Stiftung der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) sichergestellt wird. Das CVcare kooperiert daher eng mit der BGW und hier insbesondere mit deren Forschungsabteilung Grundlagen der Prävention und Rehabilitation (GPR).

Schwerpunktthemen des CVcare sind die Arbeitssituation älterer Beschäftigter in der Pflege, arbeitsbedingte Beschwerden des Bewegungsapparates (MSB), Infektionsrisiken mit den Schwerpunkten Tuberkulose und multiresistente Erreger (MRE), psychosoziale Belastungen am Arbeitsplatz mit dem besonderen Schwerpunkt Gewalt am Arbeitsplatz sowie die Evaluation der Rehabilitationsleistungen der BGW und anderer Träger der gesetzlichen Unfallversicherung (GUV).

Die Edition Gesundheit und Arbeit wird eröffnet mit einer Masterarbeit zu psychosozialen Arbeitsbelastungen von Beschäftigten in Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen, die von Agnessa Kozak unter Betreuung von Prof. Dr. Zita Schillmöller an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW) erstellt wurde. Die Erhebung von Frau Kozak wurde in Vorbereitung auf das BGW-Forum 2011 Gesundheitsschutz in der Behindertenhilfe durchgeführt.

Hamburg, im Februar 2013

Prof. Dr. med. Albert Nienhaus

Abstract

Hintergrund: Die Tätigkeit in der Behindertenhilfe ist geprägt durch emotionale Interaktion mit Menschen mit schwierigen und komplexen Verhaltensmustern. Das kann zu hohen psychischen Belastungen für die Beschäftigten führen. Empirische Untersuchungen über die psychosoziale Arbeitssituation der Mitarbeiter in der Behindertenhilfe in Deutschland gibt es jedoch nur wenige. Das Ziel der vorliegenden Untersuchung ist es, auf der Grundlage des Job-Demand-Control-Support-Modells mögliche Zusammenhänge zwischen arbeitsbedingten Belastungen, Schutzfaktoren und Burnout zu untersuchen.

Methoden: Von Januar bis März 2011 wurde eine Querschnittstudie in Wohneinrichtungen der Behindertenhilfe im norddeutschen Raum durchgeführt. Insgesamt wurden 409 Beschäftigte aus zehn Sozialeinrichtungsträgern befragt. Die Responserate betrug 45%. Psychosoziale Belastungen und Beanspruchungen wurden mit dem Copenhagen Psychosocial Questionnaire (COPSOQ) erfasst. Mittels logistischer Regression wurden adjustierte Odds Ratios und 95%-Konfidenzintervalle für mögliche Prädiktoren von hohen Burnout-Werten berechnet.

Ergebnisse: Das untersuchte Studienkollektiv bestand zu 73% aus Frauen und das Durchschnittsalter betrug 41 Jahre (SD, 12 Jahre). Moderate bis hohe Burnout-Werte hatten rund 40% der Befragten. Diese Untersuchung zeigt, dass Zeitdruck, hohes Arbeitsaufkommen, Verbergen der eigenen Emotionen und der Konflikt hinsichtlich der Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben als Prädiktoren für Burnout betrachtet werden können. Als Schutzfaktor vor Burnout fungiert ein großer Einfluss bei der Arbeit. Des Weiteren wirkt sich eine hohe Unterstützung von Vorgesetzten protektiv auf Burnout aus. Zusammen erklärt das Job-Demand-Control-Support-Modell einen Varianzanteil von 47% in der Zielvariable Burnout.

Schlussfolgerung: Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen den Arbeitsanforderungen in der Behindertenhilfe und der Gefahr der Entwicklung von Burnout-Symptomen. Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung und dem Fachkräftemangel in den Sozial- und Gesundheitsberufen gilt es, Maßnahmen umzusetzen, die die psychische Gesundheit der Mitarbeiter langfristig erhalten.

1Einleitung

„I’ve done too much, for too many, for too long, with too little regard for myself“

(Sotile, 2003 zit. nach Berger, 2004, S. 2232)

Der Anteil psychischer Erkrankungen hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Seit 1997 haben die durch psychische Erkrankungen bedingten Arbeitsunfähigkeitsfälle in Deutschland um 93% zugenommen (Macco & Stallauke, 2010). Psychische Probleme stellen einen der häufigsten Gründe für krankheitsbedingte Fehlzeiten und Frühverrentung in der Europäischen Union dar (WHO, 2010). Psychosoziale Faktoren am Arbeitsplatz, wie etwa hohe Arbeitsanforderungen, geringe Handlungsspielräume oder mangelnde soziale Unterstützung, werden als signifikant schädigende Effekte auf die Gesundheit und das Wohlbefinden von Beschäftigten betrachtet.

Mit der Zeit verlieren viele engagierte und qualifizierte Mitarbeiter aufgrund hoher psychosozialer Arbeitsbelastung die Begeisterungsfähigkeit und das Engagement für ihren Beruf: Sie brennen aus. Dieses Phänomen wird mit dem Begriff Burnout umschrieben; damit ist ein Zustand emotionaler Erschöpfung gemeint (Maslach, Schaufeli & Leiter, 2001). Bis zu einem gewissen Grad sind viele Beschäftigungen mit Stress verbunden. Diese Problematik verschärft sich insbesondere bei Menschen in emotional fordernden Berufen. Die Arbeit in der Behindertenhilfe ist durch die starke Nähe zu Menschen geprägt, die zum Teil schwierige und komplexe Verhaltensmuster aufweisen (Rose & Rose, 2005). Die Erfahrung zeigt, dass Beschäftigte in helfenden Berufen ihre Tätigkeit nicht völlig losgelöst von ihren Empfindungen, Werten und Überzeugungen ausüben können (Marquard, Runde & Westphal, 1993). In Anbetracht der emotional beanspruchenden Interaktion mit den Klienten, der Diskrepanz zwischen dem Helferideal und der Wirklichkeit des Arbeitsalltags sowie der zum Teil schwierigen institutionellen und sozialen Arbeitsbedingungen können bei Beschäftigten in der Behindertenhilfe psychische und körperliche Spannungszustände erzeugt werden. Als Konsequenz kann sich im Laufe der Zeit ein Zustand emotionaler Erschöpfung (Burnout) einstellen, der häufig von den Betroffenen zu spät erkannt wird. Das einleitende Zitat eines von Burnout Betroffenen verdeutlicht prägnant, wie es dazu kommen kann. Allerdings betrifft Burnout keineswegs nur das psychomentale und körperliche Wohlbefinden der Beschäftigten, sondern hat auch einen indirekten Einfluss auf die Qualität der Betreuung und Versorgung der Klienten (Robertson et al., 2002).

Daher ist es wichtig, das Verständnis für die Ursachen, Wirkungen und Konsequenzen von Burnout bei Beschäftigten in der Behindertenhilfe zu vertiefen. Bisher wurden jedoch nur wenige empirische Studien für den deutschsprachigen Raum durchgeführt, die den Zusammenhang zwischen Stressoren, Ressourcen und Burnout bei Beschäftigten in der Behindertenhilfe untersuchen.

Im Rahmen eines von der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) geförderten Forschungsprojekts in Kooperation mit dem Institut für Versorgungsforschung in Dermatologie und bei Pflegeberufen (IVDP) des Universitätsklinikums Hamburg (UKE) und der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW) wurde eine Querschnittsuntersuchung in Einrichtungen der Behindertenhilfe durchgeführt. Befragt wurden Beschäftigte, die in bei der BGW versicherten Einrichtungen tätig sind. Zum Einsatz kam der Copenhagen Psychosocial Questionnaire (COPSOQ), ein umfassendes Screening-Instrument zur Messung psychischer Belastungen und Beanspruchungen bei der Arbeit.

Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die Arbeitssituation in der Behindertenhilfe im Ansatz zu beschreiben und am Beispiel der Beschäftigten in der Behindertenhilfe mögliche Zusammenhänge zwischen arbeitsbedingten Belastungen, Ressourcen und Burnout zu analysieren. Dabei werden die Zusammenhänge anhand des medizinsoziologischen Job-Demand-Control-Support-Modells beruflicher Belastungen von Karasek und Theorell (1990) geprüft.

Zu Beginn der vorliegenden Arbeit werden Konzepte zum Thema Stress und Burnout vorgestellt. Anschließend werden die strukturellen Rahmenbedingungen und die Arbeitssituation der Beschäftigten in der Behindertenhilfe aufgezeigt. Auf den theoretischen Hintergrund aufbauend werden die Untersuchungshypothesen gebildet. Der darauffolgende Abschnitt schildert das methodische Vorgehen der Studie und stellt die statistischen Auswertungsverfahren vor. Im Anschluss daran werden die Ergebnisse dieser Studie erläutert und unter Berücksichtigung der aktuellen wissenschaftlichen Literatur und der verwendeten Methoden kritisch diskutiert. Abschließend werden die aus der Studie gewonnenen Erkenntnisse zusammenfassend dargestellt und mögliche Implikationen für Praxis und Forschung aufgezeigt.

2Theoretischer Hintergrund

2.1Psychosoziale Belastungen und Beanspruchungen im Erwerbsleben

Belastungen am Arbeitsplatz resultieren aus den für die Tätigkeit typischen körperlichen und geistigen Anforderungen sowie der Arbeitsorganisation, Arbeitsumgebung und den sozialen Beziehungen. Bei einer Überbelastung der individuellen Leistungsfähigkeit von Erwerbstätigen können Beanspruchungen und gesundheitliche Beeinträchtigungen auftreten. Ferner sind Fehlzeiten, Berufskrankheiten, Arbeitsunfähigkeit oder ein vorzeitiger Renteneintritt mögliche Folgen solcher Beanspruchungen (Kroll, Müters & Dragano, 2011).

Es ist naheliegend und vielfach belegt worden, dass Beschäftigte in helfenden Berufen hohen Belastungen und Stress ausgesetzt sind (Hatton et al., 1999a; Mutkins, Brown & Thorsteinsson, 2011; Schaufeli & Bakker, 2004). Um zu verstehen, wie arbeitsbezogener psychischer Stress entsteht, ist es hilfreich, die häufig in der Literatur verwendeten Konstrukte bzw. Begriffe wie Belastung, Beanspruchung und Stress näher zu beschreiben. Nachfolgend werden diese Begriffe dargestellt und erläutert. Ausgehend von dem arbeitswissenschaftlichen Belastungs- und Beanspruchungskonzept werden die beiden Begriffe in der Europäischen Norm DIN EN ISO 10075-1:2000 folgendermaßen definiert (Deutsches Institut für Normung, 2000):

Unter psychosozialen Belastungen wird die „Gesamtheit aller erfassbaren Einflüsse, die von außen auf den Menschen zukommen und psychisch aufihn einwirken und/oder belasten, verstanden“. Psychische Beanspruchungen werden der Norm zufolge als „die unmittelbare (nicht die langfristige) Auswirkung der psychischen Belastung im Individuum in Abhängigkeit von seinen jeweiligen (…) Voraussetzungen, einschließlich der individuellen Bewältigungsstrategien“ definiert.

Die beiden Begriffe werden hier weitestgehend wertneutral dargelegt. Belastungen sind folglich objektive, exogene Faktoren im Arbeitssystem, die auf das Individuum einwirken. Die unmittelbaren Folgen dieser Belastungen resultieren in den subjektiv wahrgenommenen Beanspruchungen. Obwohl Belastungen nicht zwingend negativ behaftet sind, können sie durch Fehl- und Überbelastung verschiedenartige kurzfristige (z. B. Ermüdung, Gereiztheit, Angst etc.) und langfristige (z. B. Depression, psychosomatische Beschwerden etc.) Beanspruchungen zur Folge haben.

In diesem Konzept wird das Zusammenwirken zwischen Belastung und Beanspruchung als eine linear verlaufende Ursache-Wirkungs-Beziehung beschrieben. Eine Einwirkung durch spezifische situations- und personenbezogene Ressourcen sowie die individuellen Bewertungs- und Bewältigungsprozesse werden in dieser Definition ausgeklammert (Bamberg, Busch & Ducki, 2003). In der Realität wird die Belastung von den Beschäftigten unterschiedlich stark wahrgenommen und bewältigt. Zudem können unterschiedliche intrinsische und extrinsische Ressourcen die Schwere der Belastung bzw. Beanspruchung abpuffern1.

In diesem Zusammenhang ist die Stressdefinition von Lazarus und Folkmann (1984) von Interesse. Stress wird von ihnen als eine aktive Interaktion zwischen Umwelt und Individuum beschrieben. Dabei berücksichtigen die Autoren die unterschiedlichen Auswirkungsmuster von Belastungen, indem sie den Blickwinkel auf die individuellen Bewertungs- bzw. Bewältigungsprozesse richten. Demnach wird Stress von ihnen definiert als die „Beziehung zwischen Person und Umwelt, die von der Person als ihre eigenen Ressourcen auslastend oder überschreitend und als ihr Wohlbefinden gefährdend bewertet wird“2. Drei Aspekte in dieser Definition sind bedeutend für das umfassende Verständnis von Stress:

(1) Stress ist ein Prozess, d. h. er entsteht aus der wechselseitigen Auseinandersetzung zwischen der Person und deren Umwelt. Lazarus (1999) beschreibt diese aktive Auseinandersetzung auch mit dem Begriff transaktional.

(2) Die Person hat die kognitive Fähigkeit, eine spezifische Situation oder ein spezifisches Ereignis hinsichtlich der Belastung, der eigenen Ressourcen und Fähigkeiten zu bewerten. Danach richtet sich die entsprechende Bewältigungsstrategie, die von dem stressauslösenden Ereignis und der dadurch hervorgerufenen Emotion (z. B. Angst) abhängt (Lazarus, 1995).

(3) Der Verlust des individuellen Wohlbefindens tritt ein, wenn die situativen Anforderungen die Bewältigungsressourcen überschreiten.

Zusammenfassend lässt sich der transaktionale Prozess folgendermaßen beschreiben: Besteht ein Ungleichgewicht in der Beziehung zwischen der Person und seiner Umwelt und übersteigen die Anforderungen die individuellen Bewältigungsressourcen, so kann Stress erzeugt werden und folglich zur Beeinträchtigung des Wohlbefindens und der Gesundheit führen.

Die in der Literatur verwendeten Begriffe wie Belastung bzw. Belastungsfaktor oder Stressor bzw. Stressfaktor beziehen sich auf die Umweltbedingungen einer Person. Begriffe wie Beanspruchung, Beanspruchungsfolgen, Fehlbeanspruchung, Stress oder Stressreaktion beziehen sich auf die betroffene Person selbst (Kirchler & Hölzel, 2008). Zu welchen Auswirkungen die psychischen Belastungen im Einzelfall tatsächlich führen, hängt letztlich von den persönlichen Voraussetzungen der betroffenen Personen (z. B. Problemlösungskompetenzen, Perfektionsdruck), den arbeits- und organisatorischen Bedingungen (z. B. Häufigkeit und Intensität der Arbeitsanforderungen, soziale Konflikte, mangelnde Unterstützung und Feedback) sowie den gesellschaftlichen Entwicklungen (z. B. Deregulierung von Arbeit) ab (Oppolzer, 2010). Immer wiederkehrende Stressreaktionen im Erwerbsleben können Spannungszustände hervorrufen, die den Organismus auf Dauer schädigen und das individuelle und soziale Verhalten negativ beeinträchtigen (Siegrist & Dragano, 2008; Oppolzer, 2010). Udris und Frese (1999) haben die kurz-, mittel- und langfristigen Stressfolgen unter Berücksichtigung der betroffenen Ebenen einer Person differenziert. Diese werden in Tabelle 1 vorgestellt.

Bezogen auf die Stressentstehung kann Burnout als das Resultat eines erfolglosen Bewältigungsprozesses von Stresssituationen beschrieben werden. Ferner kann Burnout auf die Diskrepanz zwischen den individuellen Werten, Motivationen und Erwartungen und den tatsächlichen persönlichen, sozialen und institutionellen Bewältigungsmöglichkeiten sowie die Arbeits- und Berufsanforderungen zurückgeführt werden (Bauer et al., 2003).

Gegenwärtig gibt es keinen Konsensus darüber, welche Herangehensweise sich am besten eignet, um Stress beim Betreuungspersonal in der Behindertenhilfe zu konzeptualisieren. Bislang hat sich weitestgehend die Burnout-Messung im Setting der Behindertenhilfe als Untersuchungsgegenstand etabliert (Hastings, Horne & Mitchell, 2004). Im nachfolgenden Kapitel werden das Burnout-Syndrom, dessen Ursachen und daraus resultierende Konsequenzen für Beschäftigte in helfenden Berufen ausführlicher vorgestellt. Dabei werden die Begriffe Burnout und emotionale Erschöpfung synonym verwendet.

Tabelle 1 Kurz-, mittel- und langfristige Stressreaktionen

Ebene

Kurzfristige, aktuelle Reaktionen

Mittel- bis langfristige chronische Reaktionen

physiologisch/ somatisch

- Erhöhte Herzfrequenz/Blutdruck

- Ausschüttung von Stresshormonen (Cortisol/Adrenalin)

- Psychosomatische Beschwerden/Erkrankungen Herz-Kreislauferkrankungen; Erkrankungen des Verdauungstraktes; Muskel-Skelett- Erkrankungen sowie

- Störungen des Immunsystems

- Depression

- Burnout

psychisch/ kognitiv/ emotional

- Anspannung/Nervosität

- Ermüdungs- Monotonie-Sättigungsgefühle

- Schlaf- und Essstörungen

- Frust /Ärger

individuelles Verhalten

- Leistungsschwankungen

- Konzentrationsschwäche

- Häufigkeit von Fehlhandlungen/ Unfällen

- Schlechte sensomotorische Koordination

- Ruhelosigkeit/Ungeduld

- Vermehrter Nikotin-, Alkohol-, Tablettenkonsum

- Fehlzeiten (Krankheitstage)

- Innere Kündigung

soziales Verhalten

- Erhöhte Reizbarkeit

- Konflikte/Streit

- Mobbing und Aggressionen

- Isolation/Rückzug

Quelle: (Udris & Frese, 1999), abgeändert durch die Verfasserin.

2.2Das Burnout-Syndrom in helfenden Berufen

2.2.1Definition und Erklärungsansatz

Im Folgenden wird das Burnout-Konstrukt unter besonderer Berücksichtigung der helfenden Berufe skizziert. Allgemein betrachtet wird Burnout als ein psychisches Syndrom bezeichnet. Es entsteht als Reaktion auf chronisch andauernden Arbeitsstress (Felton, 1998). Am häufigsten wird in der Literatur der mehrdimensionale Erklärungsansatz von Maslach und Jackson (1981) verwendet. Demnach wird Burnout als ein Syndrom emotionaler Erschöpfung, Depersonalisation und reduzierter persönlicher Leistungsfähigkeit verstanden3. Der zentrale Aspekt des Burnout-Syndroms bezieht sich auf die gesteigerte emotionale Erschöpfung der Betroffenen. Bedingt durch Empfindungen wie Hoffnungslosigkeit oder körperlicher Verausgabung sind sie nicht mehr in der Lage anderen Menschen zu helfen. Depersonalisation beschreibt ein Gefühl, bei dem die Betroffenen sich innerlich von den zu betreuenden Leistungsempfängern (Klienten oder Patienten) distanzieren und sie teilweise wie Objekte behandeln. Schließlich beschreibt die dritte Dimension eine reduzierte Leistungsfähigkeit der Betroffenen, d. h. sie erleben einen zunehmenden Mangel an wahrgenommener Kompetenz und Erfolg ihrer Arbeit. Sie fühlen sich nicht mehr in der Lage, den gestellten Ansprüchen zu genügen (Maslach, Schaufeli & Leiter, 2001). Hierbei wird deutlich, dass die Entwicklung von Burnout mit seinen vielfältigen körperlichen, kognitiven, verhaltensorientierten und emotionalen Symptomen als ein schleichender Prozess im arbeitsbezogenen Kontext zu verstehen ist (Korczak, Kister & Huber, 2010).

Faktisch jedoch existiert keine allgemeingültige Definition von Burnout, da hier die Trennschärfe zu anderen Phänomenen (z. B. Depression) fehlt. Aufgrund von vielfältigen und teilweise auch widersprüchlichen Definitionen aus der 30-jährigen Burnout-Forschung kann keine treffende Formulierung des Burnout Begriffs und dessen Konstrukt vorgenommen werden. Burisch (2006) spricht von einem ‚begrifflichen Morast‘. Zudem wird Burnout weder in der ICD 10 noch in dem diagnostischen Handbuch psychischer Störungen (DSM IV) als eigenständige Krankheit geführt (Korczak, Kister & Huber, 2010).

2.2.2Prävalenz von Burnout