Johann Heinrich Voß - Luise. Ein ländliches Gedicht in drei Idyllen. - Thomas F. Rohwer - E-Book

Johann Heinrich Voß - Luise. Ein ländliches Gedicht in drei Idyllen. E-Book

Thomas F. Rohwer

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Beschreibung

Johann Heinrich Voß' Versepos »Luise. Ein ländliches Gedicht in drei Idyllen.« erschien zum ersten Mal in den Jahren 1783 und 1784. Voß (1751-1826), Dichter, Übersetzer und Hochschullehrer Hochschullehrer in Göttingen, Hamburg, Eutin, Jena und Heidelberg, verfasste das Werk in ungereimten Hexametern. Die erste Buchausgabe aller drei Teile erfolgte 1795. Die Ausgabe letzter Hand von 1807, die dieser Neuausgabe zugrunde liegt, beginnt mit einer Widmung an Peter Friedrich Ludwig, den Regenten des Herzogtums Oldenburg, der darin als »Vater Eutins« angesprochen wird, wo Voß lebte, als er »Luise« verfasste. Im ersten Teil wird der 18.Geburtstag von Luise, der Tochter des Dorfpfarrers von Grünau, beschrieben, auf dem sie den Theologiestudenten Walter kennen lernt. Im zweiten Teil ist Walter inzwischen Pfarrer in Seldorf und mit Luise verlobt. Im dritten Teil findet die Hochzeit derbeiden statt. »Luise« ist eine detailreiche Beschreibung des Lebens einer bürgerlichen Familie im Holsteinischen des späten 18.Jahrhunderts. Vollständige, editierte und neu gesetzte Neuausgabe.

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DIE MARITIME BIBLIOTHEK

Selbstverlag T.Rohwer

Unterjörn 77

D-24536 Neumünster

www.maritime-bibliothek.de

© 2024 T.Rohwer

Alle Rechte vorbehalten.

Umschlaggestaltung unter Verwendung einer zeitgenössischen Illustration von

Arthur von Ramberg: T.Rohwer 

Luise.

Ein ländliches Gedicht in drei Idyllen

von Johann Heinrich Voß.

Ausgabe letzter Hand.

Leipzig,

Verlag von Immanuel Müller. 1861

Editiert und mit einer Einführung neu herausgegeben von Thomas F.Rohwer

DIE MARITIME BIBLIOTHEK 

Vorwort des Herausgebers

Zugegeben: bei Johann Heinrich Voß’ »Luise« handelt es sich nicht um ein Werk, das sich in irgendeiner Weise mit der Seefahrt, der Marine, oder der Marine- oder Kriegsgeschichte befasst. Immerhin spielt die Geschichte aber in Holstein, im »Eutinischen« genauer gesagt, und damit im »Land zwischen den Meeren«, und der Erfolg der Neuausgaben der »Lübischen Geschichten und Sagen« und der »Hamburgischen Geschichten und Sagen« zeigt, daß es ein gewisses Interesse an allgemein »altmodischer Literatur« gibt.

Erstaunlicherweise gibt es bis heute keine echte Neuausgabe eines der wichtigsten lyrischen Werke von Voß. Lediglich Reprints uralter Frakturschrift-Ausgaben stehen zur Verfügung, mit all ihren Einschränkungen hinsichtlich Druckqualität und Lesegenuss für den heutigen Leser.

Die Maritime Bibliothek hat sich daher entschlossen, diesem Mangel abzuhelfen. Auch wer nicht ein expliziter Freund altertümlicher Lyrik ist, kann dabei mit einigem Vergnügen »Luise. Ein ländliches Gedicht in drei Idyllen« als detailreiche Schilderung des Lebens und Heiratens in einem kleinbürgerlichen Haushalt des späten 18.Jahrhunderts im Holsteinischen lesen.

Dabei soll nicht unangemerkt bleiben, daß Eutin bis zur Vereinigung der diversen Landesteile Schleswig-Holsteins nach dem siegreichen Krieg der Preußen und Österreicher gegen Dänemark im Jahre 1864 gar kein Teil des Herzogtums Holstein war, sondern zum Großherzogtum Oldenburg (in Oldenburg) gehörte.

Im späten 18. und frühen 19.Jahrhundert war Eutin so etwas wie ein »Weimar des Nordens«, neben Johann Heinrich Voß ist die Stadt mit Namen wie Herder, Mathias Claudius, Klopstock, Wilhelm von Humbold, Carl Maria von Weber oder Johann Heinrich Wilhelm Tischbein (»Goethes Maler«) verbunden. Dieses kulturelle Erbe prägt die kleine Stadt (mit ihren heute ca. 17.000 Einwohnern) durchaus bis heute. »Klein« muss dabei als relative Einstufung gesehen werden - im Jahr 1801hatte Eutin gerade einmal 2.341 Einwohner, wie eine Volkszählung ergab.

T.F.R.

Hinweise zur Editierung

Dieser Neuausgabe liegt die »Ausgabe letzter Hand« in der vom Verlag Immanuel Müller, Leipzig, im Jahr 1861 veröffentlichten Ausgabe zugrunde. Es ist dies die letzte vom Autor selbst redigierte und autorisierte Fassung des Buches »Louise. Ein ländliches Gedicht in drei Idyllen.«

Erstmals erschienen sind die drei Idyllen in den Jahren 1783 und 1784, und zwar im »Göttinger Musenalmanach« (Die erste Idylle im Jahrgang 1783, die zweite Idylle im Jahrgang 1784) und in der Novemberausgabe 1784 des »Teutschen Merkur«.

Die erste Buchausgabe erschien 1795 im Verlag von Friedrich Nicolovius in Königsberg.

Johann Heinrich Voß hat danach das Werk nochmals überarbeitet, die »Ausgabe letzter Hand« erschien erstmals 1807 und ist unter anderem um eine Widmung für den Regenten des Herzogtums Oldenburg* (zu dem auch Eutin zu jener Zeit gehörte), Herzog Peter Friedrich Ludwig, ergänzt.

Das verwendete Original ist, wie in jener Zeit im deutschen Sprachgebiet üblich, in Fraktur-Schrift gesetzt. Für die Neuausgabe in der Maritimen Bibliothek wurde das Buch in moderne Druckschrift übertragen, da die Fraktur-Schrift den Lesegenuss für den heutigen Leser doch nicht unerheblich stören kann.

Die seinerzeitige Rechtschreibung wurde unverändert übernommen. Der Leser wird dabei recht bald amüsiert feststellen, daß heutige Debatten über »korrekte Rechtschreibung«, »moderne Rechtschreibung« und »Rechtschreibreform« nur noch begrenzt ernstgenommen werden können, wenn man erkennt, daß vieles, das in der letzten »Rechtschreibreform« als »Modernisierung« verkauft wurde, exakt den Gepflogenheiten aus der Mitte des 19.Jahrhunderts entspricht.

Erste Anregungen zu einer einheitlichen Rechtschreibung stammen aus den Jahren nach 1861; 1879 und 1880 erfolgte die Veröffentlichung der bayerischen und preußischen offiziellen Regelbücher, die dann mit geringen Veränderungen auch im übrigen Deutschland angenommen wurden. Auf der »II.Orthographischen Konferenz« von 1901 wurde die deutsche Schriftsprache erstmals einheitlich geregelt, dies manifestierte sich schließlich im »Duden«.

Vorher gab es eine bunte Vielfalt von Schreibweisen. Und das, was in der letzten Rechtschreibreform »wegreformiert« wurde, ist selbst das Ergebnis einer großen Reform, die 120 Jahre vor ihrer Nachfolge-Reform als altmodisch und unlogisch angesehene Schreibweisen modernisieren sollte. Und so möchten die »Rechtschreibreformer« in manchen Fällen, daß wir heute »ganz modern« wieder so schreiben, wie es zu Kaiser Wilhelms I. Zeiten als korrekt galt und von den damaligen »Rechtschreibreformern« als zu altmodisch verworfen wurde.

Auch der heute so gern verspottete »Deppen-Apostroph« des Genitivs ist mitnichten eine »Anglizismen-Mode« aus der jüngsten Zeit – die Genitiv-Form mit »‘s« war schon einmal , im 18. und 19.Jahrhundert, üblich und galt damals als richtig...

* Oldenburg in Oldenburg. Das »Herzogtum Oldenburg« umfasste die Gebiete um die Stadt Oldenburg herum, nordwestlich von Bremen, sowie zwei kleine Gebiete, die vom dänischen Herzogtum Holstein eingeschlossen waren; einmal das Gebiet von Eutin und Umgebung, zum anderen ein kleines Gebiet nördlich der Hansestadt Lübeck.

Johann Heinrich Voß – eine Biographie

Johann Heinrich Voß wurde am 20.Februar 1751 im mecklenburgischen Sommersdorf, in der Nähe von Waren an der Müritz, als unehelicher Sohn des ehemaligen Kammerdieners, Zolleinnehmers, Gastwirts und Schulhalters Johann Heinrich Voß (1714-1778) geboren, der sich in Penzlin (Mecklenburg) niedergelassen hatte. Seine Mutter war die Organistentochter Katharina Dorothea Karsten (1718-1798); nach der Geburt des Sohnes heirateten die beiden. 

Ein Großvater von Voß war ein aus der Leibeigenschaft entlassener Handwerker, was dazu geführt haben dürfte, daß Voß zeitlebens einen sehr kritischen Blick auf den Adel hatte und mit bürgerlich-revolutionären Bestrebungen wie in den Vereinigten Staaten von Amerika (in »Luise« wird am Rande Bezug auf das Wirken von George Washington und Benjamin Franklin genommen) und der Französischen Revolution sympathisierte.

Voß wuchs zusammen mit vier Geschwistern in Penzlin auf und ging dort von 1759 bis 1765 auf die Stadtschule. Die Familie verarmte durch den »Siebenjährigen Krieg« (1754-63), dank finanzieller Unterstützung konnte Voß aber von 1766 bis 1769 die »Gelehrtenschule« in Neubrandenburg besuchen. Danach war er in einer schlecht bezahlten Hauslehrerstelle in Ankershagen (Mecklenburg) tätig, da ihm das Geld für ein Studium fehlte. 

Der Ortspastor Ernst Theodor Johann Brückner ermutigte ihn, 1771 zum ersten Mal selbstverfasste Gedichte an den »Göttinger Musenalmanach« einzusenden, eine 1770 von Heinrich Christian Boie und Friedrich Wilhelm Gotter gegründete Literaturzeitschrift. In der Folge begann ein Briefwechsel zwischen Voß und Boie. Ab 1772 besuchte Voß dann auf Einladung von Boie die »Georg-August-Universität« in Göttingen und studierte dort trotz bescheidenster finanzieller Mittel evangelische Theologie und Philologie (insbesondere Graezistik). Voß wurde einer der Gründer des ersten deutschen Dichterbundes, des »Göttinger Hainbundes«.

1774 wurde Voß Mitglied der Hamburger Freimaurerloge »Zu den drei Rosen« und ein Jahr später zum Meister erhoben. 1786 verließ er aber die Freimaurerei im Streit mit der Großen Landesloge der Freimaurer von Deutschland. Er begründete das in zwei Briefen damit, daß die »Geheimbündelei« eine Täuschung sei; er glaube nicht an deren vorgebliche Ziele und die Freimaurer seien offensichtlich von Jesuiten beherrscht, was eine seinerzeit verbreitete Verschwörungstheorie war.

Im selben Jahr übernahm Voß von Boie die alleinige Redaktion des »Göttinger Musenalmanachs«, den er bis 1800 herausgab, von 1780 bis 1788 zusammen mit Leopold Friedrich Günther von Goeckingk. Das Studium brach er ohne Abschluss ab. Ebenfalls im Jahr 1774 trat Voß mit Boies jüngster Schwester Ernestine (1756–1834) zuerst brieflich in Kontakt und reiste dann im Frühling 1774 nach Hamburg und Flensburg, um sie zu besuchen und den Dichter Friedrich Gottlieb Klopstock kennenzulernen und auch andere Kontakte zu knüpfen. 

Voß zog nach Wandsbek (damals unabhängige Stadt im dänischen Herzogtum Holstein vor den Toren Hamburgs), in die Nachbarschaft von Klopstock und Matthias Claudius. 1777 heiratete er Ernestine. In dieser Zeit arbeitete Voß vor allem an der Übersetzung der »Odyssee« (Odysseus-Sage) ins Deutsche.

1778 erhielt Voß durch Vermittlung des Hamburger Pädagogen und Publizisten (und Freimaurers) Johann Georg Büsch die Stelle als Rektor der Lateinschule in Otterndorf im »Land Hadeln« an der Elbmündung, östlich von Cuxhaven. Er schätzte die für jene Zeit ungewöhnlich freie und liberale Region Hadeln, die weitgehend selbstverwaltet innerhalb Kurhannovers war, und wo es schon im Mittelalter eine Lateinschule für die Bürger der Stadt und Bauern der Umgebung gegeben hatten.

Im Spätsommer 1781 erkrankten Voß und die gesamte Familie heftig am sogenannten »Marschenfieber«, einer damals in Deutschland und besonders in den Marschen (Tiefland an den Nordseeküsten) verbreitete Malaria-Art. 1782 verließ er mit seiner Familie den Ort. 

Durch Vermittlung seines Hainbund-Freundes Friedrich von Stolberg (dem zweiten Sohn des Grafen Christian Günther zu Stolberg-Stolberg) erhielt Voß 1782 die Stellung als Rektor des Gymnasiums in Eutin. Er wohnte dort seit Mai 1784 im sogenannten »Voß-Haus«. 1786 wurde er Hofrat. Voß unternahm während der Zeit in Eutin zahlreiche Reisen und knüpfte Kontakte mit Gleim, Goethe, Wieland und Herder. In seinem Haus in Eutin empfing er unter anderem Friedrich Klopstock, Matthias Claudius, Jens Baggesen, Wilhelm von Humboldt und Friedrich Heinrich Jacobi als Besucher. Die Jahre in Eutin sollten seine produktivste Zeit werden: beendet wurde sie durch das Zerwürfnis mit Friedrich von Stolberg. Um die beiden Freunde herum bildete sich der sogenannte »Eutiner Kreis«. 1802 ersuchte Voß um seine Versetzung in den Ruhestand.

Von 1802 bis 1805 lebte er als »Privatier« in Jena. Sein Sohn Heinrich war 1804-1806 Professor am dortigen »Wilhelminum Ernestinum« (Wilhelm-Ernst-Gymnasium). Obwohl Goethe ihn gern in Jena gehalten hätte, folgte er der Berufung durch die Regierung des neu entstandenen Großherzogtums Baden zur Übernahme einer hochdotierten Professur an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. Diese »Sinekure« (eine gut bezahlte Stellung ohne jegliche Leistungsverpflichtung, also eine Art Ehrensold) erlaubte es ihm, sich bis zu seinem Tod 1826 völlig seinen literarischen Arbeiten, Übersetzungen und antiquarischen Forschungen zu widmen.

In dieser Zeit wirkte er auch bereits als Vertreter einer aufgeklärten, freiheitlichen Einstellung. Als Gäste konnte er unter anderem Goethe, Baggesen, Jean Paul und Barthold Georg Niebuhr begrüßen. Kontakte pflegte er auch auf ausgedehnten Reisen. 1808 wurde Voß als »auswärtiges Mitglied« in die Bayerische und 1814 in die Preußische Akademie der Wissenschaften aufgenommen.

Johann Heinrich Voß starb am 29.März 1826 und wurde in Heidelberg beigesetzt. Aus seiner Ehe mit Ernestine stammten fünf Söhne, von denen jedoch der älteste, Fritz, bereits als Kind starb. Hans Voß wurde ein bekannter Architekt, Heinrich und Abraham wurden wie ihr Vater ebenfalls Philologen und führten sein Werk fort. Wilhelm wurde Arzt in Eutin.

Die berühmtesten Übersetzungen von Voß sind Homers Epen »Ilias« und »Odyssee«. 1793 erschien der ganze Homer, die »Ilias« und die »Odyssee« in überarbeiteter Form. Durch die Übersetzung der Ilias wurde Goethe zu dem unvollendeten Werk »Achilleis« inspiriert. Voß übersetzte auch Hesiod, Theokrit, Bion und Moschos, Vergil, Ovid, Horaz, Tibull, Properz und andere klassische Dichter. 

Außerdem übersetzte er Antoine Gallands französische Übertragung der »Erzählungen aus Tausendundeiner Nacht« (1782–1785); es war die erste deutsche Fassung überhaupt. 1818 bis 1829 veröffentlichte er in neun Bänden eine Übersetzung der Dramen William Shakespeares, die er mit Hilfe seiner Söhne Heinrich und Abraham angefertigt. 

Voß schrieb neben Idyllen, Elegien, Oden und Lieder auch satirische Gedichte und Epigramme. In den Jahren 1785 bis 1795 veröffentlichte er in zwei Ausgaben eine Sammlung eigener Gedichte, die er später erweiterte. Zu den besten seiner Arbeiten gehört sein »idyllisches Gedicht« »Luise«, das in den drei einzelnen Teilen zum ersten Mal 1783 und 1784 veröffentlicht worden ist, und als Gesamtwerk in Buchform dann 1795.

T.F.R.

»Luise« - eine kurze Darstellung 

Man tut Johann Heinrich Voß sicher nicht unrecht, wenn man feststellt, daß eine klare, gut strukturierte und einfach lesbare Erzählung über ein Ereignis zu verfassen nicht unbedingt zu seinen literarischen Kernkompetenzen gehört hat. Ein heutiger Leser tut sich ohnehin schwer mit Hexametern, einer Lyrikform, die schon lange aus der Mode gekommen ist. Viele Leser, zumal diejenigen, die zum ersten Mal mit »Luise« in Berührung kommen, werden sich insofern fragen: wer ist hier eigentlich wer? Und macht was, und warum? 
Dem Herausgeber ging es jedenfalls so, wie offen zugegeben sein soll. Eine kurze Inhaltsangabe (statt mühseliger Textexegese) ist daher für das Verständnis wie den Lesegenuss hilfreich.
Bei dem »ländliche Gedicht in drei Idyllen« handelt es sich eigentlich um ein Gedicht aus vier Teilen (um sie als »Strophen« zu bezeichnen, sind die einzelnen Teilen zu lang), denn die dritte »Idylle« besteht aus zwei etwa gleichlangen Teilen, »Gesänge« genannt.
Die »Erste Idylle«
Der erste Teil der Geschichte beschreibt den 18.Geburtstag von Luise, der Tochter des Dorfpfarrers von Grünau - einem fiktiven Dorf im Eutinischen. Dieses Alter darf man nicht aus heutiger Sicht irrtümlich als etwas wie das Erlangen der »Volljährigkeit« fehldeuten. In den meisten Ländern auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands begann die »Großjährigkeit« mit Vollendung des 25.Lebensjahres, und die allgemeine Rechtsfähigkeit war obendrein durch andere Kriterien beeinflusst. (Geschlecht, Eigentum, ...) Erst ab etwa 1806 sank dieses Alter sukzessive in den verschiedenen Königreichen und Fürstentümern auf 23 bzw. 21 ab. Heiratsfähig wäre Luise zum Beispiel nach »Allgemeinem Preußischen Landrecht« von 1794 ab dem 14.Geburtstag gewesen, grundsätzlich aber immer abhängig von der Erlaubnis ihres Vaters. (Da die Eutinischen Gebiete allerdings zum Herzogtum Holstein und dieses zu Dänemark gehörten, lässt sich nur vermuten, daß dort vergleichbare Vorschriften galten.) Die »Eheschließungsfreiheit« wurde im Norddeutschen Bund erst 1868 eingeführt, in den süddeutschen Ländern sogar erst 1871.
Zu den Gästen der kleinen Geburtstagsfeier Luises gehören natürlich ihre Eltern, außerdem ihr jüngerer Bruder Karl und auch Walter, der »Kandidat der Theologie« (Theologiestudent) und Karls Hauslehrer ist, außerdem der Hausknecht Hans. Ganz in der Nähe lebt auch die Patentante Luises, eine verwitwete Gräfin, deren Name nie genannt wird, mit ihrer Tochter Amalia, die die beste Freundin Luises ist. Die Gräfin und Amalia können aber nicht zur Geburtstagsfeier erscheinen.
Der Hauskecht Hans schippert Luises Eltern mit einem Ruderboot über einen See zu einem idyllischen Ort, an dem die Geburtstagsgesellschaft ein Picknick veranstalten will. Luise, Walter und Karl nehmen stattdessen den Weg zu Fuß durch die liebliche ostholsteinische Landschaft, und sammeln unterwegs wilde Erdbeeren. Während Karl vorauseilt, küssen sich Walter und Luise. Am Picknickplatz wird schließlich Kaffee über einem offenen Feuer gekocht, gegessen und die traute Familienseligkeit genossen, bis schließlich gegen Abend alle im Boot nach Hause zurückfahren.
Die »Zweite Idylle«
Es ist einige Zeit vergangen. Walter ist mittlerweile Pfarrer mit nahegelegenen Seldorf und mit Luise verlobt. Eines Morgens kommt Walter zu einem angekündigten Besuch, den Luise allerdings verschläft, da sie vor lauter Aufregung über den Besuch in der Nacht kaum Schlag gefunden hat. Auch Amalia besucht das Haus des Pfarrers von Grünau und hat als Überraschungsgeschenk für Walter einen selbstgenähten Talar und selbstgestickte Beffchen (Pfarrershalskrausen) mitgebracht. Die Mutter schafft es schließlich, Luise zu wecken, die ihrem Walter nur notdürftig zurechtgemacht in die Arme fliegt.
Die »Dritte Idylle«
Wiederum ist einige Zeit vergangen. Mit einem großen Fest findet im Garten der Gräfin die Hochzeit von Walter und Luise statt. Abends zuvor kommen die Gräfin und Amalia im Pfarrhaus zu Besuch; Luise nimmt Amalia mit in ihr Zimmer, um ihr das Brautkleid und den Brautschmuck zu zeigen. Amalia überredt Luise, Kleid und Schmuck schon einmal aus Spaß anzulegen und sich so ihren Eltern und ihrem Bräutigam zu präsentieren. (Dabei fällt dem heutigen Leser auf, daß man zu Zeiten von Johann Heinrich Voß anscheinend noch nicht den Mythos pflegte, daß der Bräutigam seine Braut erst direkt bei der Trauung im Brautkleid sehen dürfe, weil anderenfalls Unglück für die Ehe drohe.)
Luise und Amalia sind freudig aufgeregt und gleichzeitig auch traurig, weil die Hochzeit Luises für die beiden jungen Frauen eine Trennung bedeutet, denn Luise wird zu Walter nach Seldorf ziehen.
Als ihr Vater Luise im Brautkleid sieht, gerät die Hochzeitsplanung etwas aus dem Ruder. Von der Schönheit seiner Tochter überwältigt schlägt ihr Vater vor, nicht bis zum nächsten Tag zu warten, sondern das Paar sofort zu trauen. Etwas überrumpelt stimmen Walter und Luise zu. In der Folge davon wird nun schon am Polterabend Hochzeit gefeiert. Hastig müssen die Mägde Susanna und Hedewig das Festmahl zubereiten. Dazu wird reichlich »Bischof« getrunken, ein roter Punsch aus Rotwein, Pommeranzenschale (Bitterorangen), Zucker, Zimt und Nelken. Auch der Hausknecht Hans und die beiden Mägde kommen in den Genuss, an der Hochzeitsfeier teilnehmen und mitessen und mittrinken zu dürfen.
Hans schleicht sich aus dem Haus und informiert die für die Hochzeit bestellten Musikanten, die gerade bei der Probe für den großen (nächsten) Tag sind. Sie bringen dem Brautpaar ein improvisiertes Ständchen, nicht unbedingt glücklich darüber, ohne ordentliche Probe vorab musizieren zu müssen. Die Feier geht dann feuchtfröhlich bis in die Nacht weiter.
Luises Mutter und Susanna richten dem Hochzeitspaar das Brautbett, das sich unter dem Jubel und Gelächter der Gäste zurückziehen kann.
Auch die Beschreibung des Pfarrhaushaltes am Ende des 18.Jahrhunderts ist eine wahrliche Idylle. Es herrschen allseits Harmonie und auch starke Gefühle. Tochter und Mutter sind Sinnbilder der frommen, rechtschaffenen und »biederen« Frau. (Wobei der Begriff »bieder« zu jener Zeit eine uneingeschränkt positive Konnotation hatte, er steht für Rechtschaffenheit, Fleiß, Eifer und Zuverlässigkeit.)
Bemerkenswert für die damalige Zeit ist die Beschreibung der Gespräche zwischen Walter und Luises Vater. Hier scheint immer wieder eine durch die Aufklärung beeinflusste Vorstellung der Theologie durch, Luises Vater nimmt mehrfach Bezug auf George Washington und Benjamin Franklin, zwei der herausragenden Köpfe der amerikanischen Revolution gegen die britische Kolonialherrschaft, die genau zu jener Zeit stattgefunden hatte (1775 bis 1783), in der Voß »Luise« verfasste. Die ausdrückliche Ablehnung eines Alleinvertretungsanspruchs einer christlichen Konfession kann für die damalige Zeit als äußerst fortschrittlich angesehen werden. Es weht insofern durchaus ein wenig weite, vergleichsweise tolerante Welt durch das provinzielle Eutinische.
T.F.R.

Dem Herzog Peter Friedrich Ludewig. 

Vater Eutins, Dir baut’ ich der Pflanzungen eine für Menschheit,

Daß, aus dem Keime von Gott, menschlich gediehe der Mensch;

Und Du lobtest den Fleiß, ein Ermunteren, auch wenn der Pflanzmann,

Ähnlich der Arbeitsbien’, heitere Töne sich sang.

Nimm der Gesäng’ Auswahl. Gern sängen sie künftigem Anwachs

Heiterkeit, Sinn der Natur, tapferes Streben für Recht:

Tugenden, die Dein Leben geübt. O lebe noch lang’ hier,

Unbiegsam dem Geschick, froh des erfreuenden Thuns!

Endlich, den Deinen zu früh, Hochaltriger, geh’ zur Verjüngung,

Wo, was menschlich erwuchs, göttlicher blühet und reift.

Luise. Erste Idylle.

Das Fest im Walde. 

Draußen in luftiger Kühle der zwo breitlaubigen Linden,
Die, von gelblicher Blüte verschönt, voll Bienengesurres,
Schattend der Mittagsstub’, hinsäuselten über das Moosbach,
Hielt der redliche Pfarrer von Grünau1 heiter ein Gastmahl,
Seiner Luise zur Lust, hausväterlich prangend im Schlafrock.
Sechs Schilfsessel umstanden den Steintisch, welche der Hausknecht
Heimlich geschnitzt, als Ehrengeschenk zu der Jungfer Geburtstag,
Gastliche; doch für den Herrn ein wohlansehnlicher Lehnstuhl.
Sorglos daß nach dem Mahle der Greis fort, sich und die andern
Mit lehrreichem Gespräch zu erfreuen, und mancher Erzählung.
Küchlein, zahm wie die Mutter, das Perlhuhn pickten der Jungfrau
Brot aus der Hand; weil ferne der trotzige Hahn mit den Weibern
Harrte des Wurfs, und die Taube vom Dach, und der kollernde Puter2.
Nachbarlich dort im Schatten des blütenbodigen Flieders3
Nagte des Festmahls Knochen Packan, und murrete seitwärts
Gegen die lauernde Kaz’, und schnappte sich sumsende Fliegen.
Aber Mama, sanftlächelnd der wohlbekannten Erzählung,
Zupfte geheim Luisen, die neben ihr saß, an dem Ermel,
Neigt’ ihr nahe das Haupt, und begann mit leisem Geflister:
Gehn wir noch in den Wald, mein Töchterchen? Oder gefällt dirs,
Weil die Sonne so brennt, in der Geißblattlaub’ an dem Bache
Deine Geburt zu feiern? Du blickst ja so scheu und erröthest.
Hold erstaunte der Red’, und sprach, das rosige Mägdelein:
Nicht in der Laube, Mama! Das Geißblatt duftet des Abends
Viel zu streng’, und zumal mit den Linien und der Reseda4
Dufte vermischt; auch schwärmen so wild an dem Bache die Mücken.
Lieblich scheint ja die Sonn’, und am waldigen Ufer ist Kühlung.
Beifall nickte die Mutter. Da war die Erzählung geendigt;
Rasch nun wandte zum Manne das Wort die verständige Hausfrau:
Väterchen, danken wir Gott? Luise begehrt den Geburtstag
Lieber im Wald’, als unten am Bach in der Laube zu feiern.
Lieblich scheint ja die Sonn’, und am waldigen Ufer ist Kühlung.
Jezo mein Rath. Herr Walter, der mutige Karl und Luise
Gehn voran, und wählen den Ort, und suchen uns Brennholz. –
O daß der steife Besuch abhält auf dem Schlosse die Herrschaft,