Julia Best of Band 254 - Kate Walker - E-Book

Julia Best of Band 254 E-Book

KATE WALKER

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Beschreibung

GRIECHISCHES FEUER Eine einzige Begegnung genügt, um nach Jahren das Feuer zwischen Grace und dem stolzen Griechen Constantine neu zu entfachen! Nur eins wirft tiefe Schatten auf ihr Glück: Früher sprach Constantine von Heirat – jetzt will er nichts mehr davon wissen! PALAZZO DER HEIMLICHEN SEHNSUCHT Vor vier Jahren erfuhr Amy in der Hochzeitsnacht, dass Vincenzo sie nur wegen einer Wette geheiratet hat! Tief verletzt floh sie – doch nun ist sie zurück in Venedig, um die Scheidung zu verlangen. Aber der italienische Unternehmer verweigert seine Unterschrift. Warum? DAS SCHLOSS DER TRÄUME Der adlige Spanier Raul umwirbt die junge Alannah, lädt sie auf sein Schloss ein, macht ihr dort einen Heiratsantrag – doch vergeblich wartet sie auf seine Liebeserklärung. Soll sie ihm etwa nur einen Erben schenken?

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Kate Walker

JULIA BEST OF BAND 254

IMPRESSUM

JULIA BEST OF erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Katja Berger, Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Christina SeegerGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

Neuauflage in der Reihe JULIA BEST OF, Band 254 07/2022

© 1999 by Kate Walker Originaltitel: „Constantine’s Revenge“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Susanne Oppermann Deutsche Erstausgabe 2001 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe ROMANA, Band 1352

© 2000 by Kate Walker Originaltitel: „Her Secret Bridegroom“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Dorothea Ghasemi Deutsche Erstausgabe 2010 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe ROMANA, Band 1872

© 2008 by Kate Walker Originaltitel: „Spanish Billionaire, Innocent Wife“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Tanja Krasny Deutsche Erstausgabe 2009 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe JULIA, Band 1867

Abbildungen: Harlequin Books S. A., Getty Images / Maglara, alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 07/2022 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783751511704

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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Griechisches Feuer

1. KAPITEL

Alles hatte mit einem Klingeln begonnen.

Eigentlich etwas ganz Alltägliches, aber dennoch hatte sich Grace’ Leben danach für immer verändert. Ihr Glück und all ihre Zukunftsträume waren auf einen Schlag zerstört worden. Sogar jetzt noch, obwohl schon zwei Jahre seit diesem Tag vergangen waren, zuckte sie jedes Mal von Neuem zusammen, wenn es an der Haustür klingelte.

„Gracie, Schatz“, rief Ivan aus der Küche, wo er gerade seinen für Autofahrer ungeeigneten Spezialfruchtpunsch zubereitete. „Willst du nicht endlich aufmachen, oder bist du zur Salzsäule erstarrt?“

„Sehr witzig.“

Grace war noch nicht einmal aufgefallen, dass sie so lange gezögert hatte. Sie riss sich zusammen und ging zur Tür, als ein zweites, gebieterisches Klingeln ertönte. Eigentlich gab es ja keinen Grund, so zu reagieren. Schließlich lag dieser furchtbare Tag schon volle zwei Jahre zurück, und sie befand sich auch nicht im Haus ihres Vaters, sondern in Ivans Erdgeschosswohnung in einem eleganten, im viktorianischen Stil erbauten Wohnblock. Und die lockere, laute Party, die ihr Freund anlässlich seines dreißigsten Geburtstags gab, hatte überhaupt keine Ähnlichkeit mit der bis ins Letzte geplanten High-Society-Hochzeit vor zwei Jahren.

„Ich wusste nicht, dass wir noch jemanden erwarten!“ Mit einem gequälten Lachen versuchte Grace, das flaue Gefühl im Magen zu vertreiben. „Wie viele Leute hast du eigentlich eingeladen? Wenn noch mehr Gäste kommen, müssen wir draußen weiterfeiern!“

„Eine Party ist erst dann ein Erfolg, wenn vor lauter Gedränge keiner mehr umfallen kann!“

Aber Grace hörte kaum hin. Das Gefühl der bösen Vorahnung war noch stärker geworden. Ein Blitz kann nicht zweimal einschlagen, beruhigte sie sich. Auf jeden Fall nicht der Blitz, an den sie gerade dachte.

Schließlich gab sie sich einen Ruck, atmete tief durch und öffnete die Tür – allerdings mit sehr viel mehr Schwung, als sie eigentlich geplant hatte. Grace taumelte und hatte Schwierigkeiten, das Gleichgewicht zu halten.

„Immer mit der Ruhe …“

Sie hatte das Gefühl, jemand hätte ihr einen Faustschlag in den Magen versetzt. Diese tiefe, sinnliche Stimme und dieser ausländische Akzent … Alles war ihr so vertraut und rief erschreckend lebendige Erinnerungen hervor. Ihre Gedanken rasten, und ihr wurde schwindlig. Mühsam blickte Grace auf und sah in das Gesicht des Mannes.

Tiefschwarze Augen, in denen sie zu ertrinken glaubte. Augen, die sich vor langer Zeit in ihr Gedächtnis eingebrannt hatten und die sie nie wieder vergessen konnte.

Aber das war nicht alles. Sonnengebräunte Haut, ausgeprägte Gesichtszüge, ein schöner Mund mit sanften Lippen. Sein Haar war so dunkel wie die Schwingen eines Raben und sehr kurz.

Es war, als wäre Grace durch eine Laune des Schicksals in die Vergangenheit versetzt worden und von Neuem ihren Gefühlen hilflos ausgeliefert.

„Alles in Ordnung?“

Erst jetzt merkte sie, dass er hilfreich ihren Arm ergriffen hatte. Als er sicher war, dass sie ihr Gleichgewicht wiedergefunden hatte, sah er sie prüfend an.

„Du!“ Seine Stimme war eiskalt, und die Besorgnis in seinem Blick wich einer so tiefen Verachtung, dass Grace zusammenzuckte. „In dieser Verkleidung bist du kaum wiederzuerkennen.“

Grace fühlte sich durch den Schock des Wiedersehens wie gelähmt. So wie es schien, konnte ein Blitz doch zweimal einschlagen – jedenfalls war es bei diesem griechischen Blitz so. Die Wirkung, die dieser Mann auf sie hatte, war nur mit einer Naturkatastrophe zu vergleichen.

„Constantine!“

Es war ihr fast nicht möglich, diesen Namen auszusprechen, denn sie hatte ihn so lange nicht über die Lippen gebracht. Damals hatte sie sich geschworen, ihn nie wieder zu nennen. Aber sein plötzliches Auftauchen brachte sie völlig aus der Fassung.

„Was … was machst du denn hier?“

Sein spöttischer Blick zeigte Grace, was er von ihr hielt. Nur ein Dummkopf würde eine solche Frage stellen. Und wenn es etwas gab, was Constantine Kiriazis hasste, dann war es der Umgang mit dummen Leuten.

„Ich bin eingeladen worden“, erklärte er kurz angebunden und nahm so unvermittelt seine gepflegte, sonnengebräunte Hand von ihrem Arm, als hätte er sich verbrannt. Diese Reaktion zeigte ihr nur zu deutlich, dass ihm jeder Kontakt mit ihr zuwider und die Kluft zwischen ihnen größer war, als die wenigen Zentimeter, die sie jetzt voneinander trennten.

„Hier findet doch die Party statt, oder?“

Grace nickte. Das Lachen, die laute Musik und das Stimmengewirr machten die Frage überflüssig.

„Aber Ivan hat dich gar nicht eingeladen!“

Doch Constantines verächtlicher Gesichtsausdruck belehrte sie eines Besseren.

„Glaubst du wirklich, liebe Grace, dass ich hier einfach so auftauche und mich dann auch noch so anziehe?“ Bedeutungsvoll blickte er an sich herunter, und Grace konnte nicht anders, sie musste seinem Blick folgen. „Das hier ist doch ein Kostümfest, oder etwa nicht?“

Grace ärgerte sich über sich selbst. Wie konnte sie nur so dumm sein! Sie hatte nicht vorgehabt, ihn auch nur anzusehen, aber jetzt konnte sie den Blick nicht mehr von ihm abwenden.

Sie wollte nicht an Constantines muskulösen, geschmeidigen Körper erinnert werden und auch nicht an die Tatsache, dass sie beide einmal sehr vertraut miteinander gewesen waren. Allein die Erinnerung daran, in seinen Armen zu liegen, den Kopf an seine starke Brust zu lehnen und seine sinnlichen Lippen auf ihren zu spüren, ließ sie erschauern.

„Ich glaube nicht, dass du das Motto dieser Party richtig verstanden hast.“ Irgendwie gelang es Grace, ihrer Stimme etwas Bissiges zu geben. Ihre Augen blickten eiskalt, und der Ausdruck der Verachtung in ihnen war genauso verletzend wie zuvor bei Constantine.

„Das Motto dieser Party lautet: ‚Vor zehn Jahren‘. Ivan ist sich schmerzlich bewusst, dass er um Mitternacht dreißig und keine zwanzig wird. Deshalb soll sich jeder so anziehen wie vor zehn Jahren. Dann hat er wenigstens heute Nacht noch die Illusion …“

„Das weiß ich doch alles“, unterbrach Constantine sie ärgerlich, und sein Akzent verstärkte sich – wie immer, wenn er aufgebracht war. „Und wenn ich noch Zweifel gehabt hätte, hättest du sie jetzt mit diesen wenig schmeichelhaften Sachen, die du da anhast, zerstreut.“

„Im Gegensatz zu dir habe ich mir wenigstens Mühe gegeben“, fuhr Grace ihn an, denn sie hatte nicht vor, sich noch weiter von ihm beleidigen zu lassen.

Ihr war klar, dass sich ihre Kleidung heute Abend grundsätzlich von dem unterschied, was sie normalerweise anhatte. Aber vor zehn Jahren war sie gerade vierzehn Jahre alt gewesen, und ihre Lieblingskleidung hatte damals aus hautengen Jeans, weißem T-Shirt und einer Lederjacke bestanden. Und genau das hatte sie für den heutigen Abend ausgewählt.

Eigentlich war sie ja von ihrer Idee begeistert gewesen. Die für sie untypische Art der Aufmachung – die langen blonden Haarsträhnen wild durcheinander, mehr Make-up als sonst, ganz besonders um ihre grauen Augen herum – machte sie jünger und ließ sie gelöst aussehen. Sie hatte keine Ähnlichkeit mehr mit der immer eleganten und beherrschten Grace Vernon, und der Gedanke daran, was ihre Kollegen aus der Werbeagentur wohl zu ihrem Aussehen gesagt hätten, hatte sie zum Lachen gebracht.

Aber Constantines offensichtliches Missfallen holte Grace erbarmungslos wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Was sie für eine gute Idee gehalten hatte, schien auf einmal naiv und unpassend zu sein. Verlegen trat sie von einem Fuß auf den anderen, während Constantine sie auf eine Art und Weise musterte, die ihr die Röte ins Gesicht trieb.

Wenn sie geahnt hätte, dass Constantine heute Abend ebenfalls kommen würde, dann hätte sie etwas so Raffiniertes angezogen, dass ihm glatt die Luft weggeblieben wäre. Etwas, das ihm gezeigt hätte, was für einen großen Fehler er damals begangen hatte, als er sie so grausam im Stich ließ, weil sie seiner Meinung nach nicht die passende Ehefrau für ihn war …

Warum musste er gerade heute Abend hier erscheinen?

Aber wen wollte sie eigentlich täuschen? Hätte sie nur die leiseste Ahnung gehabt, dass Constantine Kiriazis nicht nur in England, sondern zu allem Überfluss auch noch in London war, dann hätte sie die Flucht ergriffen vor dem Mann, den sie einmal so leidenschaftlich geliebt hatte.

„Ich habe mich wenigstens verkleidet, während du …“

„Und was genau gefällt dir an meiner Kleidung nicht?“, fragte Constantine mit samtweicher Stimme.

„Etwas Besonderes hast du dir ja nicht gerade einfallen lassen. Ich meine, du siehst aus wie …“ Das, was ihr auf der Zunge lag, wollte sie nicht aussprechen, und so presste sie die Lippen fest zusammen.

Sie musste sich die Wahrheit eingestehen. Seine Kleidung war unverwechselbar Constantine und spiegelte sein ganzes Wesen wider.

Der lange schwarze Kaschmirmantel, den er zum Schutz gegen den kalten Märzwind trug, war handgearbeitet und betonte seine athletische Figur. Sein Auftreten zeugte von Reichtum, und zwar von mehr Reichtum, als ein Normalverdiener jemals erwerben konnte, aber Constantine war nicht neureich. Die Familie besaß bereits seit sehr langer Zeit Geld, und er hatte es nicht nötig, damit anzugeben oder es zur Schau zu stellen.

Constantine Kiriazis war der Sohn eines sehr reichen Mannes und hatte sich ein zweites, fast genauso großes Vermögen selbst erarbeitet. Seine Kleidung zeugte von erlesenem Geschmack, war aber sehr schlicht. Das einzig Extravagante, was er sich leistete, war die schwere rechteckige Armbanduhr aus Gold.

Unter seinem eleganten Mantel trug er ein schlichtes weißes Hemd, eine Fliege, eine eng anliegende schwarze Hose und zu ihrer Überraschung eine maßgeschneiderte Weste, aber kein Jackett. Im Gegensatz zu der farbenfreudigen Kleidung der anderen Gäste wies Constantines gepflegtes Auftreten eher auf ein offizielles Galadiner und nicht auf eine Kostümparty hin.

„Wie sehe ich aus?“, wiederholte er gereizt.

Grace merkte selbst, wie ihre aufgewühlten Gefühle ihr einen Streich spielten und sie gegen etwas protestieren ließen, gegen das sie eigentlich gar nichts hatte. Sie wollte, nein, sie durfte nicht länger an diesen männlichen Körper unter der eleganten Kleidung denken, an den sinnlichen Mann, der – wie sie wusste – Constantine sein konnte.

„Du siehst aus wie ein Kellner.“

Das saß! Constantines zorniger Gesichtsausdruck sprach Bände, und Grace sah, dass er nur mit Mühe eine wütende Antwort unterdrückte. Sie hatte ihn empfindlich getroffen und etwas für ihn sehr Wichtiges verletzt: seinen Stolz.

„Der Stolz ist uns in die Wiege gelegt“, hatte er ihr einmal erklärt. „Schon die alten Griechen waren damit verflucht – mit hybris, was oft genug ihren Untergang besiegelt hat. Heute nennen wir es periphania, aber geändert hat sich nichts.“

„Vielleicht interessiert es dich ja, meine liebe Grace“, mit diesen Worten holte er sie in die Gegenwart zurück, „dass genau das meine Verkleidung ist.“

Seine Stimme war überraschend sanft, aber unterschwellig hörte Grace nur zu deutlich, dass es ihn Mühe kostete, sein hitziges Temperament unter Kontrolle zu halten.

„Vor zehn Jahren war ich nämlich einundzwanzig und kam gerade frisch von der Universität. Mein Großvater bestand darauf, dass ich unser Geschäftsimperium von Grund auf kennenlernte. Also habe ich sechs Monate als Kellner in einem der Hotels der Kiriazis Corporation gearbeitet.“

„Oh …“

Mehr brachte sie nicht heraus. Ihre Lippen waren plötzlich ganz trocken, und nervös benetzte Grace sie mit der Zunge. Aber sie erstarrte, als er seinen durchdringenden Blick direkt auf ihren Mund richtete und sie das Durcheinander ihrer Gedanken nicht länger verbergen konnte. Plötzlich wurde ihr mit Schrecken bewusst, was sie zuerst nicht hatte wahrhaben wollen.

„Dann hat Ivan dich also tatsächlich eingeladen?“

„So ist es.“ Endlich entschied sich Constantine, in den kleinen Flur einzutreten, und er schloss schwungvoll die Tür.

Der laute Knall der ins Schloss fallenden Tür klang so endgültig, dass Grace erschrocken zusammenzuckte.

„Sag bloß, das hast du nicht gewusst?“

Grace schüttelte nur den Kopf.

Wie hatte Ivan nur so etwas tun können! Warum hatte er ihr nichts gesagt? Er hätte sich doch denken können, was Constantines Erscheinen bei ihr auslösen und wie schmerzhaft es für sie sein würde. Gerade Ivan hätte wissen müssen, dass sie noch lange nicht über das Geschehene hinweggekommen war. Und trotzdem hatte er mit seinem Verhalten diese alte Wunde wieder aufgerissen.

„Glaub mir, wenn ich auch nur den leisesten Verdacht gehabt hätte, dass du hier bist, dann wäre ich nicht gekommen. Ich wollte dich nie wieder sehen. So, wie du dich benommen hast …“

Constantines Gesichtszüge verhärteten sich, und seine dunklen Augen funkelten zornig.

„So, wie du dich benommen hast“, wiederholte er eisig. „Ich kann dir versichern, das beruht ganz auf Gegenseitigkeit. Die Frage ist nur, was machen wir jetzt?“

„Du könntest wieder gehen.“ Grace hatte schon befürchtet, dass ihr Vorschlag auf wenig Gegenliebe treffen würde, und sie sah sich bestätigt, als er nachdrücklich den Kopf schüttelte. Constantine Kiriazis hatte gewusst, dass sie auch hier sein würde, und natürlich hatte er sich vorher genau überlegt, wie er sich verhalten würde. Er hatte noch nie in seinem Leben nachgegeben und würde es auch jetzt nicht tun.

„Gracie?“ Ivan war direkt hinter ihr aufgetaucht. „Was ist denn … Oh, Constantine! Du hast es doch noch geschafft! Wie geht es meinem Lieblingstycoon aus Griechenland?“

„Danke, gut.“

Geduldig ließ Constantine Ivans überschwängliche Umarmung über sich ergehen. Allerdings konnte er angesichts von Ivans Kostüm seine Überraschung nicht ganz verbergen. Ivan trug nämlich eine Schuluniform und eine zweifarbige Mütze.

„Ivan, mein Freund, bist du vor zehn Jahren wirklich noch zur Schule gegangen? Ich dachte, zu der Zeit warst du bereits auf der Uni.“

„Da hast du recht, mein Lieber“, erwiderte Ivan lachend. „Aber ich denke viel lieber an meine Schulzeit zurück, also habe ich mich dementsprechend angezogen. Und wenn ich mich damit nicht ganz an die Wahrheit halte, ist mir das auch egal. Es ist meine Party, also kann ich anziehen, was ich will.“

„Völlig richtig.“ Die Wärme in Constantines Stimme bewies, wie sehr er Ivan schätzte. Bedrückt erinnerte Grace sich, dass er für sie vorhin nur eisige Kälte übriggehabt hatte.

Sie wusste noch genau, wie sie Constantines Verhalten Ivan gegenüber damals überrascht hatte. Sie hätte nie damit gerechnet, dass ein Mann mit so einem Ego wie Constantine jemals ihre Freundschaft mit einem anderen, erklärtermaßen homosexuellen Mann akzeptieren würde. Aber Constantine hatte es nicht nur toleriert, nein, er hatte sich sogar mit Ivan angefreundet.

Wenigstens in dieser Beziehung war sie nicht enttäuscht worden. Aber ansonsten, dachte sie verbittert, ist er immer noch der durch und durch arrogante Grieche. Und als er sich in seinem Stolz verletzt fühlte, hatte er ohne Zögern ihr Leben und all ihre Träume zerstört.

„Ich war mir nicht sicher, Constantine, ob du Zeit haben würdest“, unterbrach Ivan Grace’ Erinnerungen. „Ich befürchtete schon, du wärst irgendwo am anderen Ende der Welt.“

Als hätte das Constantine vom Kommen abgehalten! Er besaß einen Privatjet und flog mit einer Selbstverständlichkeit von einem Land zum nächsten, wie Normalsterbliche den Bus oder die U-Bahn nahmen. Und überall, wo er sich aufhielt, hatte er einen Wagen mit Chauffeur zur Verfügung.

Sie war so in Gedanken versunken gewesen, dass sie nicht alles mitbekommen hatte, was Constantine eben gesagt hatte. Aber seine letzten Worte trafen sie wie ein Schock.

„… größere Probleme in unserer Londoner Firma. Ich befürchte, es wird mehr als drei Monate dauern, sie zu bewältigen.“

Nein! In letzter Sekunde konnte Grace verhindern, dass sie ihren Gedanken laut aussprach und somit ihre Gefühle verriet. Das Einzige, was sie in den letzten zwei Jahren aufrechterhalten hatte, war die Tatsache, dass Constantine mehrere Tausend Meilen entfernt von ihr war, in seinem Büro in Athen oder auf dem Familiensitz auf Skyros. Die Vorstellung, dass er sich die nächsten Monate ganz in ihrer Nähe aufhalten würde, erschreckte sie über alle Maßen.

„Dann sehen wir ja in Zukunft sicher mehr von dir!“, sagte Ivan erfreut und beachtete Grace’ entsetzten Blick überhaupt nicht. „Das wäre doch prima. Jetzt lass dir aber aus diesem prachtvollen Mantel helfen.“

Ivan hatte gerade das elegante Kleidungsstück entgegengenommen, als ein Klingeln aus der Küche ertönte.

„Das Essen! Es tut mir leid, meine Lieben, aber ich muss mich beeilen, sonst ist alles verdorben. Gracie, du kümmerst dich doch um unseren Gast, oder?“

Er drückte ihr Constantines Mantel in die Hand und verschwand in Richtung Küche. Grace hatte gar keine andere Möglichkeit, sie musste den Mantel festhalten, denn einfach fallen lassen konnte sie ihn ja auch nicht.

„Ivan hat sich kein bisschen verändert“, bemerkte Constantine trocken. „Chaotisch wie immer.“

„So ist er eben.“

Grace hoffte, dass ihre Stimme nicht zitterte. Constantine sollte nicht merken, dass allein der Mantel in ihrer Hand unerwartete Gefühle in ihr hervorrief. Es war alles so persönlich und schmerzlich vertraut.

Das weiche Kleidungsstück war noch warm, und sie atmete das ihr so wohlbekannte herbe Aftershave ein. Sie konnte nicht anders, sie musste einfach daran denken, wie es damals gewesen war, als er sie in die Arme genommen hatte und das Aftershave, vermischt mit seinem männlichen Duft, so betörend auf sie gewirkt hatte. Wenn sie die Augen schloss, meinte sie immer noch die Wärme seiner Haut unter ihren Fingern zu spüren …

„Hallo, Grace, bist du noch bei mir?“

Constantines spöttische Frage unterbrach jäh ihre sinnlichen Erinnerungen und holte sie erbarmungslos in die Gegenwart zurück. Sie machte schnell die Augen auf und begegnete seinem Blick.

„Natürlich.“

Sie hatte zu schnell geantwortet. Sofort merkte sie, dass Constantine ihr nicht glaubte, und sie hatte Angst, er könnte herausfinden, was wirklich mit ihr los war. Hastig bemühte Grace sich, ihn abzulenken.

„Ich … ich bin nur ein bisschen müde“, schwindelte sie. „Ich hatte eine ziemlich harte Woche im Büro. Es gab Probleme mit einer neuen Werbekampagne …“

„Arbeitest du immer noch bei Henderson & Cartwright?“

„Ja.“

Das war schon besser. Sie hatte ihre Stimme jetzt unter Kontrolle und war wenigstens nach außen hin ruhig und gelassen.

„Ich bin vor Kurzem befördert worden. Jetzt leite ich … Aber ich glaube nicht, dass dich das interessiert.“

Grace wollte nicht, dass es ihn interessierte. Er sollte nichts über ihr Leben oder das, was sie tat, erfahren. Er hatte dieses Recht verwirkt, als er sie verlassen hatte, und sie hatte nicht vor, ihr Leben wieder mit ihm zu teilen.

Constantines Schulterzucken bewies ihr, dass ihre Bemerkung zutreffend gewesen war.

„Ich dachte, wir betreiben hier nur höfliche Konversation“, sagte er gleichgültig. „Das könnt ihr hier in England doch so gut, vor allem in unangenehmen Situationen.“

„Das ist für mich keine unangenehme Situation“, verteidigte sich Grace scharf.

„Vielleicht habe ich das ja eher auf mich bezogen.“

„Das kann ich mir nun wirklich nicht vorstellen!“ Ungläubig schüttelte Grace den Kopf. „Ich habe noch nie erlebt, dass dich irgendetwas aus der Fassung gebracht hat. Du hast dir noch nie Gedanken über andere Menschen gemacht. Immerhin hattest du ja auch den besten aller Lehrmeister, deinen Großvater.“

Sie war zu weit gegangen. Das wusste sie in dem Augenblick, als Constantine zurückzuckte und seine Augen drohend zu funkeln begannen. Aber er ließ sich nicht anmerken, wie es in ihm aussah, als er ihr antwortete: „Trotzdem … Ich dachte, diese Situation könnte irgendwie …“ Er suchte nach dem passenden Wort. „Irgendwie peinlich für dich sein.“

„Das ist noch untertrieben!“

Sofort erkannte Grace, dass sie einen Fehler gemacht hatte, und biss sich auf die Lippe. Sie wünschte, sie hätte die unüberlegt geäußerten Worte zurücknehmen können, denn sie gaben ihm einen unschätzbaren Vorteil.

Constantine nutzte ihre Schwäche auch gleich aus und genoss ihre Verlegenheit sichtlich.

„Pech für dich. Ivan hat dir nicht gesagt, dass er mich eingeladen hat, und es gibt hier sicher einige Gäste, die genau wissen, was zwischen uns geschehen ist.“

Er war sich natürlich genau wie sie darüber im Klaren, dass fast jeder hier wusste, dass sie vor zwei Jahren kurz davor gewesen war, diesen Mann zu heiraten, die Hochzeit aber nie stattgefunden hat. Die Einzelheiten waren nur den wenigsten bekannt, aber nach der letzten, auch noch öffentlich in der Eingangshalle der Werbeagentur ausgetragenen Auseinandersetzung konnte es keinen Zweifel geben, dass Constantine sie verlassen und ihrer Bitte um eine zweite Chance keine Beachtung geschenkt hatte.

Die Tatsache, dass auch sie Fehler gemacht hatte, hatte ihr zusätzlich zu einem Gefühlschaos auch noch ein schlechtes Gewissen beschert. Sie ballte die Hände zu Fäusten und war froh, dass Constantines Mantel diese Bewegung verbarg.

„Das ist jetzt zwei Jahre her, Constantine“, antwortete sie und war selbst überrascht, wie ruhig ihre Stimme klang. „Ich habe seitdem mein Leben weitergelebt, und du sicher deines.“

„Ich bin darüber hinweg“, eröffnete er ihr gleichgültig.

„Ich auch.“ Grace wünschte, sie könnte genauso überzeugend wirken wie er, aber es wollte ihr nicht gelingen. „Die Leute haben uns schon längst vergessen. Wir waren vielleicht einmal das Topereignis, aber heute ist das Schnee von gestern. Wenn einer von uns jetzt geht, wäre Ivan enttäuscht. Also sollten wir einfach das Beste daraus machen.“

Abschätzend sah er sie an, und er kniff die Augen zusammen, während er über ihren Vorschlag nachdachte.

„Das ist einfach“, antwortete er schließlich ohne die kleinste Gefühlsregung. „Ich werde ganz so tun, als hätte es dich nie gegeben, als hätten wir uns nie getroffen. Das hat in den letzten zwei Jahren ja auch sehr gut funktioniert.“

„Warum bist du dann überhaupt hierhergekommen? Du hast doch gewusst …“

„Natürlich habe ich das gewusst, aber ich wollte Ivan an seinem Geburtstag nicht enttäuschen, und so habe ich – wenn auch mit Widerwillen, das kannst du mir glauben – das Risiko in Kauf genommen, dich hier zu treffen.“

Er wollte sie verletzen, und genau das war ihm mit der gleichen Rücksichtslosigkeit, die seinen Ruf in der Geschäftswelt begründet hatte, auch gelungen. Zum Glück hatte Grace noch immer seinen Mantel in der Hand, sodass ihre Reaktion auf diese Worte weitgehend verborgen blieb. Sie presste das Kleidungsstück fest an sich. Es war fast so, als wollte sie die tiefe Wunde, die er mit seinen unbarmherzigen Worten aufgerissen hatte, mit dem teuren Stoff verdecken.

„Und jetzt entschuldige mich bitte, es gibt hier weitaus interessantere Leute.“ Mit einer selbstherrlichen Handbewegung zeigte er auf die fröhlich feiernden Gäste. „Außerdem ist hier so viel Platz, dass wir uns nicht unbedingt begegnen müssen.“

„Da stimme ich dir voll und ganz zu.“ Nur mit Mühe brachte Grace die Worte heraus. „Wenn wir Glück haben, treffen wir uns heute Abend nicht mehr.“

Constantine nickte und blickte schon zum Wohnzimmer, wo ihn bereits offensichtlich angenehmere Gesellschaft erwartete.

„Vielleicht ist der Abend doch noch nicht ruiniert.“

„Dann lass dich nicht aufhalten.“

Grace’ scharfe Entgegnung hatte nur den Erfolg, dass er sie wieder verächtlich von oben bis unten musterte.

„Um ganz ehrlich zu sein, meine liebe Grace, das hatte ich auch nicht vor.“

Dann ließ er sie einfach stehen und ging davon, ohne sich noch einmal umzudrehen. Wie hat es nur so weit kommen können? fragte sich Grace entmutigt. Fühlte er überhaupt nichts mehr für sie, nicht einmal mehr Ärger? Einst hatte er ihr so wundervoll seine Liebe gestanden und seine Leidenschaft nicht verbergen können. Was war daraus geworden?

Es ist alles vorbei, aus und vorbei, gestand sie sich bedrückt ein. Aber wieso war dann heute Abend ein Sturm der Verzweiflung mit Urgewalt über sie hereingebrochen? Sie konnte nur hoffen, dass sie genug schauspielerisches Talent besaß, um Constantine für den Rest des Abends zu täuschen. Auf gar keinen Fall durfte er merken, wie unglücklich sie war.

2. KAPITEL

Es wollte Grace einfach nicht gelingen.

Sie konnte einfach nicht darüber hinwegsehen, dass sie und Constantine sich gemeinsam in einem Zimmer befanden. Seine Anwesenheit verfolgte sie wie ein dunkler Schatten und ließ ihr keine Ruhe.

Wann auch immer sie mit einem der Gäste sprach, schien Constantine an ihrer Seite zu sein, und es verwirrte sie so, dass sie vergaß, was sie gerade sagen wollte. Wenn sie eine der erlesenen Speisen vom Büfett kostete, die Ivan so liebevoll zubereitet hatte, bekam sie keinen Bissen herunter und hatte das Gefühl, ersticken zu müssen.

Aber das Schlimmste war, dass Constantine sich aus irgendeinem Grund nicht an das Versprechen hielt, sie nicht zu beachten. Jedes Mal, wenn Grace hochsah, blickte sie direkt in seine alles durchdringenden, wachsamen Augen, die jeder ihrer Bewegungen folgten.

Insgeheim ihre Feigheit verfluchend, trat Grace schließlich den Rückzug in die Küche an und nahm den Abwasch als Vorwand, um Constantine zu entfliehen. Sie ließ gerade zum zweiten Mal Wasser in das Spülbecken, als Ivan die Küche betrat.

„Ach, hier bist du! Ich habe mich schon gefragt, wo du abgeblieben bist. Bist du noch böse auf mich?“

„Weil du Constantine eingeladen hast?“ Vorwurfsvoll blickte Grace ihren Freund an. „Ivan, wie konntest du nur!“

„Also keine Chance für eine Versöhnung?“, fragte er betrübt.

„Deshalb hast du ihn also eingeladen? Da liegst du völlig falsch. Es ist vorbei, Ivan, und zwar schon seit Langem.“

„Bist du ganz sicher, Gracie? Er schien sich über meine Einladung sehr zu freuen. Ich dachte, vielleicht …“

„Da hast du falsch gedacht“, unterbrach Grace ihn hastig, um weder bei sich noch bei Ivan Hoffnung aufkommen zu lassen.

„Ich habe keine Ahnung, warum Constantine deine Einladung angenommen hat, aber eins weiß ich genau: Ich bin nicht der Grund.“

„Liebste Grace, da wäre ich mir nicht so sicher.“ Bedeutungsvoll blickte Ivan zu Constantine, der gerade in der Nähe der Küchentür stand.

Widerwillig folgte Grace seinem Blick. Constantine lehnte an der Wand, hatte ein Glas in der Hand und war in ein angeregtes Gespräch mit einer Frau vertieft. Seine Gesprächspartnerin war klein, hatte Rundungen an genau den richtigen Stellen und langes schwarzes Haar. Sie war als Krankenschwester verkleidet, und der Rock ihrer weißen Schwesterntracht war so kurz, dass sie in jedem Krankenhaus für helle Aufregung gesorgt hätte.

„Da siehst du es, er denkt schon gar nicht mehr an mich“, kommentierte Grace und konnte ihre Verbitterung nicht verhehlen.

Ihre Stiefschwester Paula war ebenfalls dunkelhaarig und klein, und Constantine hatte nie geleugnet, ein Faible für kleine, gut gebaute brünette Frauen zu haben. Grace hatte nie verstanden, was er eigentlich an ihr gefunden hatte.

„Bist du dir wirklich ganz sicher?“

„Ivan, hör auf!“ Grace hielt es nicht mehr aus.

Und gerade in diesem Moment sah Constantine zu ihr herüber, und ihre Blicke trafen sich. Grace überlief ein Schauer, als sie die tiefe Verachtung in seinen dunklen, kalten Augen sah. Dann war der Bann gebrochen, und Constantine hob mit einem höhnischen Lächeln sein Glas und toastete ihr zu. Nur mit äußerster Willensanstrengung schaffte es Grace, ihren Schmerz zu verbergen.

Brüsk drehte sie Constantine den Rücken zu und gab so energisch Spülmittel ins Wasser, dass es beinahe überschäumte.

„Constantine will sich nicht mit mir versöhnen, das siehst du doch!“, fuhr sie Ivan mit zusammengebissenen Zähnen an und bemühte sich, die Tränen zurückzuhalten. „Warum will das nicht in deinen Dickschädel?“

Weshalb machte sie sich eigentlich etwas vor? Hatte sie wirklich gedacht, dass es nach alldem, was geschehen war, noch ein Fünkchen Hoffnung geben würde?

Wie hatte sie nur jemals so dumm sein können? Hatte ihr Constantine nicht klar und deutlich zu verstehen gegeben, dass er keine Gefühle mehr für sie hegte? Hatte sie nicht Nacht für Nacht wach gelegen und immer wieder durchlebt, wie er sie damals so herzlos abgewiesen hatte? Reichte das denn immer noch nicht?

Für uns gibt es keine gemeinsame Zukunft mehr … Das waren die Worte gewesen, die er so verächtlich ausgesprochen hatte und die sie immer wieder zu hören glaubte und nicht vergessen konnte. Nein, damals hatte er seine Gefühle nur zu deutlich klargemacht.

Und zwar klar für alle, die es hörten, und auch für sie, die naiv genug gewesen war, ihn von ganzem Herzen zu lieben. Obwohl sie damals blind vor Liebe gewesen war, hatte Grace doch die Endgültigkeit dieser Worte nur zu schmerzlich erkannt.

„Wenn du weiter so schrubbst, hat Ivan morgen kein Geschirr mehr.“

Constantines belustigte Stimme riss Grace unsanft aus ihren Gedanken, und sie ließ den Teller, den sie gerade in die Hand genommen hatte, ins hoch aufspritzende Wasser fallen. Ihr war völlig entgangen, dass Ivan längst die Küche verlassen hatte und Constantine hereingekommen war.

„Du hast mich fast zu Tode erschreckt!“

„Tatsächlich? An wen hast du denn gerade gedacht, agape mou? An einen Mann vielleicht? Deinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, muss es jemand sein, der dir sehr nahesteht. Habe ich recht?“

„Ich habe an niemanden gedacht!“, protestierte Grace, denn sie befürchtete, dass er ihre wahren Gedanken erraten hatte. „Und hör auf, mich so zu nennen. Ich bin nicht dein Liebling.“

„Meine Griechischstunden waren also doch nicht umsonst. Du erinnerst dich noch.“

Natürlich erinnerte sie sich, besonders an diese Worte. Grace würde sie niemals im Leben vergessen. Sie wollte nicht mehr an die für sie so schmerzliche Vergangenheit denken – an die zärtlichen Umarmungen im Frühling auf Skyros, an seine starke Brust, an die sie ihren Kopf gelehnt hatte, und an die sanfte Stimme, die genau diese Worte voller sinnlicher Begierde geflüstert hatte.

„Natürlich erinnere ich mich. Und zwar nicht nur daran, sondern auch noch an alle anderen, sehr wertvollen Lektionen, die du mir erteilt hast. Und eins kannst du mir glauben, ich habe daraus gelernt. Ich … Was machst du da?“

Grace zuckte zurück, als Constantine plötzlich einen Schritt auf sie zukam und dabei die Hand hob.

Ihre Reaktion rief nur ein spöttisches Lächeln bei Constantine hervor. „Du hast Seifenblasen auf der Wange.“ Sanft wischte er den Schaum ab. „Und auch auf deiner Augenbraue. Das hätte im wahrsten Sinne des Wortes ins Auge gehen können!“

„Was du nicht sagst“, antwortete Grace ungnädig, denn sie kämpfte voller Panik gegen die Erinnerungen an, die er eben mit dieser Geste in ihr hervorgerufen hatte, Erinnerungen daran, welche Empfindungen auch nur die leiseste Berührung seiner Hände bei ihr ausgelöst hatte. Früher, als ihre Reaktion auf ihn so stark gewesen war, dass sie das Gefühl gehabt hatte, seine schlanken Finger würden sich ihr in die Haut einbrennen.

„Schon in Ordnung.“ Constantine schien ihre Unhöflichkeit gar nicht bemerkt zu haben. „Brauchst du Hilfe beim Abwasch?“

Das war das Letzte, was sie wollte. Er stand so nahe bei ihr, dass sie fast sicher war, er könne das heftige Pochen ihres Herzens und ihren unregelmäßigen Atem hören. Gerade jetzt, da sie entschlossen gewesen war, sich völlig gelassen und unbeteiligt zu geben, musste ihr Körper sie verraten.

„Dann könntest du aber nicht mehr so tun, als wäre ich gar nicht da. Das würde ja all deine Pläne über den Haufen werfen“, stichelte Grace und verbarg ihre aufgewühlten Gefühle hinter einer unbeteiligten Miene. „Ich komme auch ohne deine Hilfe aus. Ich bin nämlich gerade fertig.“

Grace nahm den fallen gelassenen Teller aus der Spüle und stellte ihn in den Trockenständer. Danach ließ sie das Wasser ablaufen.

„Soll ich dir etwas zu trinken holen?“

Gereizt fuhr Grace herum und funkelte ihn böse an. „Was genau hast du eigentlich vor, Constantine? Welches Spiel treibst du hier?“

„Kein Spiel, das versichere ich dir. Vielleicht will ich ja einen Kompromiss …“

„Einen Kompromiss!“, spottete Grace. „Solch ein Wort gibt es doch gar nicht in deinem Wortschatz. Du würdest einen Kompromiss ja noch nicht einmal erkennen, wenn man dich mit der Nase darauf stoßen würde!“

„Warum können wir nicht versuchen, miteinander auszukommen?“ Constantine schien mit seiner Geduld langsam am Ende zu sein, denn seine Antwort klang verärgert. „Ich fühle mich eben unwohl bei dem Gedanken, dass die beste Freundin des Gastgebers sich den ganzen Abend in der Küche versteckt, und das vielleicht nur wegen …“

„Wegen was?“, unterbrach Grace ihn aufgebracht. „Denkst du vielleicht, dass du der Grund dafür seist? Was bildest du dir eigentlich ein?“

„Grace, das Motto dieser Party lautet: ‚Vor zehn Jahren‘. Warum verhalten wir uns nicht wie zwei zivilisierte Menschen und stellen die Uhr auch für uns beide einfach zurück?“

„Und wie weit gedenkst du die Uhr zurückzustellen?“

Grace konnte es selbst nicht glauben, wie gern sie diesen Vorschlag angenommen hätte. Ihr Herz klopfte wild, wenn sie nur daran dachte.

Wie gern wäre sie in die Zeit zurückgekehrt, in der Constantine noch ihre große Liebe gewesen war und sie geglaubt hatte, dass auch er sie lieben würde. In die Zeit, in der sie beide in ihren Gedanken, Gefühlen und Handlungen völlig eins gewesen waren. Und vor dem fatalen Augenblick, an dem Paulas Lügen und ihre eigenen Ängste sie auseinandergerissen und eine Kluft zwischen ihnen geschaffen hatten, die keine Brücke mehr zu verbinden vermochte.

„Wenn wir uns an das Motto der Party halten, dann zehn Jahre. Allerdings muss ich gestehen, ich kann mir nicht vorstellen, wie du mit vierzehn ausgesehen hast.“

Der Anflug eines Lächelns auf Constantines Lippen traf Grace ins Mark. Sie konnte ein sehnsüchtiges Seufzen nicht unterdrücken, bereute es allerdings sofort, als Constantine sie abschätzend anblickte.

„Was hältst du davon, wenn wir uns auf fünf Jahre einigen? Vor fünf Jahren kannten wir uns noch nicht.“

Der kurze Hoffnungsschimmer, den Grace verspürt hatte, erlosch so schnell, wie er aufgeflackert war. Es war nur allzu klar, dass Constantine mit seinem Vorschlag etwas ganz anderes im Sinn gehabt hatte.

Die Uhr zurückstellen. Nur zu gern hätte sie die Gelegenheit genutzt und wäre wieder zum Beginn ihrer Freundschaft zurückgekehrt, zu der Zeit, als ihre Liebe noch neu, unwiderstehlich und wunderbar gewesen war. Aber das hatte Constantine nicht gemeint. Er wollte, dass sie sich wie völlig Fremde verhielten.

„In Ordnung“, brachte Grace mühsam heraus. „Ich denke, das lässt sich machen.“

Mit ernster Miene streckte sie die Hand aus und hoffte, dass kein Zittern sie verriet.

„Ich … ich heiße Grace Vernon.“

Constantine ließ sich auf ihr Spiel mit einer Leichtigkeit ein, die ihr in der Seele wehtat.

„Constantine Kiriazis“, stellte er sich vor, nahm Grace’ Hand und verbeugte sich formvollendet. „Kann ich dir etwas zu trinken holen?“

„Ein … ein Glas Weißwein bitte.“

Eigentlich hatte sie nicht vorgehabt, etwas Alkoholisches zu trinken, denn sie hatte auch so das Gefühl, dass ihre Sinne als Reaktion auf Constantines verwirrende Nähe schon total überreizt waren.

Aber Grace brauchte etwas Zeit, um mit sich ins Reine zu kommen. Sie musste einfach einmal tief durchatmen und hoffen, dass ihr Puls aufhörte zu rasen. Constantines Berührung hatte wie ein Stromschlag auf sie gewirkt, und es kam ihr so vor, als würde sie auch jetzt noch in Flammen stehen.

Grace hätte zu gern gewusst, was er eigentlich im Sinn hatte. Vor noch nicht einmal einer Stunde hatte er verkündet, sie völlig ignorieren zu wollen, und jetzt schien er ihre Gesellschaft direkt zu suchen.

„Hier, bitte, dein Weißwein.“

Viel schneller noch als gedacht und für sie auch viel zu früh stand Constantine wieder vor ihr und hielt zwei Gläser in den Händen.

„Ein trockener Weißwein natürlich“, fügte er hinzu, „obwohl ich das nach den Regeln unseres Spiels eigentlich nicht wissen dürfte und dich hätte fragen müssen, welchen Wein du bevorzugst. Aber man muss sich ja nicht immer streng an die Regeln halten. Nach deiner Arbeit habe ich mich bereits erkundigt, also kann ich mir die ‚Und-was-machst-du-beruflich-Frage‘ sparen. Allerdings würde mich eins interessieren …“

„Und das wäre?“, fragte Grace und trank etwas von dem kühlen, trockenen Wein. Sofort spürte sie, wie der Alkohol zu wirken begann und ihr half, das seelische Gleichgewicht wiederzufinden.

Sie war doch viel nervöser gewesen, als sie sich hatte eingestehen wollen. Vorsicht mit dem Wein, ermahnte sie sich. Aber vielleicht war es ja auch eine Reaktion auf Constantines strahlendes Lächeln, mit dem er sie gerade ansah. Wenn das der Fall war, dann musste sie doppelt vorsichtig sein.

Grace wusste, wie es war, wenn Constantine begann, seinen Charme auszuspielen, denn sie hatte es schon so oft miterlebt. Weitaus selbstbewusstere Leute hatten Constantine zu Füßen gelegen, ohne zu merken, dass er sie allein Kraft seiner Persönlichkeit völlig in den Bann geschlagen hatte.

„Hast du wirklich das da getragen, als du vierzehn warst? Ich kann mir nicht vorstellen, dass die immer so elegante Grace Vernon jemals solche …“

„… solche Sachen anhatte?“, half Grace ihm auf die Sprünge. „Aber sicher doch. Ich habe mich genau an das Motto des heutigen Abends gehalten.“

Die Erinnerung entlockte ihr wider Willen ein Lächeln.

„Ich habe ganz einfach rebelliert. Mich gegen alles gewehrt, was meine Mutter von mir gewollt hat. Ich sollte mich genauso schick anziehen wie sie. Sie hasste es, wenn ich eine Hose anhatte, und besonders Jeans waren ihr ein Gräuel. Also habe ich jede Gelegenheit genutzt, um sie auf die Palme zu bringen.“

„Deine Eltern waren damals noch verheiratet?“

„Ja, aber die Ehe bestand eigentlich nur noch auf dem Papier. Meine Mutter hatte bereits mehrere Liebhaber gehabt, und mein Vater hatte gerade Diana kennengelernt. Bald darauf haben meine Eltern sich dann auch getrennt.“

„Und du bist zu deinem Vater gezogen. Warum eigentlich nicht zu deiner Mutter? Normalerweise machen Kinder das doch so, oder nicht?“

„Mit vierzehn ist man kein Kind mehr, Constantine.“

Sie hatten dieses Thema vorher noch nie angeschnitten. Vielleicht war genau das der Fehler gewesen. Vielleicht hätte er dann die Sache mit Paula besser verstanden. Aber nein, sie wollte nicht daran denken, es tat zu weh.

„Ich war alt genug, um selbst zu entscheiden. Also ging ich zu meinem Vater, und ich glaube, dass es meiner Mutter sogar recht war. Sie wollte in Amerika ein neues Leben anfangen, und da hätte ich nur gestört. Ich ging in London zur Schule, alle meine Freunde waren hier, da war es doch nur ganz natürlich, dass auch ich hierbleiben wollte.“

„Sogar dann noch, als dein Vater Diana heiratete?“

„Ja.“

Mit versteinerter Miene stellte Grace ihr Weinglas auf die Arbeitsfläche. Sie musste aufpassen, denn sie befanden sich auf dünnem Eis. Die Erwähnung von Dianas Namen führte direkt zu Paula, der Tochter ihrer Stiefmutter.

„Ich habe mich sehr für meinen Vater gefreut, als er wieder geheiratet hat. Ich dachte schon, dass …“

Aber sie hatte keine Gelegenheit mehr, den Satz zu Ende zu bringen, denn plötzlich kamen lachende Partygäste in die Küche gestürmt.

„Nun kommt schon, ihr Partymuffel! Ihr könnt euch doch nicht den ganzen Abend hier verstecken! Ivan will gleich die Torte anschneiden und hat uns versprochen, dass nicht nur er einen Wunsch frei hat, sondern wir alle!“

Hilflos musste Grace zulassen, dass Constantine und sie aus der Küche gedrängt wurden. Es war, als wäre sie in einer Traumwelt gefangen, weit weg von all den gut gelaunten Gästen. Grace konnte sie zwar sehen und ihre Stimmen hören, aber alles war wie durch einen Nebel verschleiert.

Einen Wunsch. Wenn eine gute Fee ihr noch vor einigen Stunden einen Wunsch gewährt hätte, dann hätte sie sich ohne langes Nachdenken gewünscht, mit Constantine einen Kompromiss zu schließen, sodass sie beide wie zivilisierte Menschen miteinander umgehen konnten. Damit wäre sie vor kurzer Zeit noch völlig zufrieden gewesen – das hatte sie jedenfalls gedacht.

Aber jetzt hatte Grace ihren Kompromiss, und sie musste zu ihrem Leidwesen feststellen, dass er ihr nicht ausreichte. Sie wollte keinen Kompromiss, sie wollte auch nicht zivilisiert sein. Sie wollte mehr. Viel mehr.

„Happy Birthday to you …“

Um sie herum sangen Ivans Gäste lautstark das traditionelle Geburtstagslied, und Grace wollte mitsingen, aber die Worte kamen ihr nicht über die Lippen. Sie war wie versteinert.

Sie konnte es nicht länger leugnen, und die Erkenntnis erschreckte sie zutiefst. Die letzten zwei Jahre waren wie weggewischt. Ihre Gefühle für Constantine waren immer noch genauso stark wie früher.

„Grace?“

„W… was?“

Irgendwie gelang es ihr, die Benommenheit abzuschütteln und sich auf den Mann zu konzentrieren, der vor ihr stand.

Constantine. Sie atmete tief durch und hoffte, ihre aufgewühlten Gefühle so besser unter Kontrolle zu bekommen. Ihr Puls raste bei dem Gedanken, dass er vielleicht erraten hatte, was gerade in ihr vorgegangen war. Ivan hatte den Kuchen ganz aufgeschnitten, die Musik spielte wieder, und die Party ging weiter.

„Wollen wir tanzen?“

Sag Nein! Ihre Nerven waren plötzlich zum Zerreißen gespannt, und Panik überkam sie. Sie musste Nein sagen, ihn stehen lassen, einfach weglaufen … Egal was sie tat, sie durfte sich auf gar keinen Fall von ihm in seinen Bann ziehen lassen! Wenn das geschah, hatte sie keine Chance mehr. Sie hatte ja eben selbst erlebt, wie sie auf den Klang seiner Stimme, seinen Duft und seine Berührungen reagierte! Sie durfte es einfach nicht riskieren …

„Ja, lass uns tanzen.“

Was hatte sie eben gesagt? Grace traute ihren Ohren kaum. Das durfte doch wohl nicht wahr sein. Sie konnte sich nicht erklären, warum sie die Warnungen ihres Verstandes so außer Acht gelassen hatte. Aber sie war einfach nicht in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen, denn irgendetwas tief in ihr hatte die Kontrolle übernommen.

So erlaubte Grace, dass Constantine ihre Hand nahm und sie zu dem Teil des Wohnzimmers führte, den man zur Tanzfläche umfunktioniert hatte. Und sie wehrte sich auch nicht, als die Musik gerade in diesem Augenblick von einem schnellen Rhythmus in einen langsamen und verführerischen wechselte und Constantine sie an seinen warmen, starken Körper zog.

Es war, als hätten sie schon immer zusammen getanzt. Und es fühlte sich so gut an. Der Raum um sie herum verblasste, es gab nur noch zwei Menschen auf der Welt: sie und diesen Mann, dessen Stärke so überwältigend war und dessen Herzschlag sie an ihrer Wange spüren konnte.

„Grace …“, flüsterte er in ihr Haar.

„Sprich nicht. Halt mich nur fest.“

Später konnte Grace sich nicht mehr daran erinnern, ob es ein Tanz war, der ewig dauerte, oder unzählige Tänze, denn sie befand sich wie in einem Rausch. Sie kam erst wieder zu sich, als die Musik aufhörte zu spielen, der Raum um sie herum wieder Konturen annahm und sie zu ihrer Überraschung feststellte, dass sie sich nicht länger im Wohnzimmer befanden, sondern im Flur, wohin Constantine sie, ohne dass sie es bemerkte, geführt hatte.

„Wohin …“ Verwirrt blickte Grace sich um.

Sie standen unter einer großen Treppe, die sie vor den Blicken der anderen Gäste verbarg.

Die Wirklichkeit hatte Grace unsanft eingeholt, und ihre Traumwelt war nur noch eine schöne Erinnerung. Unwillkürlich erschauerte sie.

„Was soll das, Constantine?“

„Grace …“ Er legte ihr einen Finger auf die Lippen, und ihr Protest erstarb. „Ich will mit dir allein sein.“

„Wie kannst du es wagen!“

Grace wich zurück und funkelte ihn wütend an.

„Du willst! Du willst! Ich fasse es nicht. Das ist das Einzige, was du kennst. Du denkst immer nur an dich. ‚Ich will mit dir allein sein.‘ Bei dir klingt das wie ein Befehl! Hast du eigentlich schon einmal das Wort ‚bitte‘ gehört?“

„Ich dachte, dass auch du den Wunsch nach ein bisschen Zweisamkeit hättest“, verteidigte Constantine sich.

„Und wie kommst du auf diesen Gedanken?“

Constantine senkte den Kopf und flüsterte ihr mit samtweicher Stimme ins Ohr: „‚Sprich nicht … Halt mich nur fest …‘“

Die Wiederholung ihrer im Bann der Umarmung unbedacht geäußerten Worte ließ sie zusammenzucken. War sie wirklich so dumm gewesen? Hatte ihre Stimme tatsächlich diesen bittenden Ton gehabt? Wieso hatte sie ihre Gefühle nur so offen gezeigt?

„Ich … Mir hat das Tanzen einfach Spaß gemacht“, brachte sie schließlich heraus. „Das heißt aber nicht, dass ich mehr möchte.“

„Wirklich nicht?“ Constantines spöttischer Gesichtsausdruck zeigte ihr, dass er seine Zweifel hatte.

„Ob du mir nun glaubst oder nicht, ist mir ganz egal“, fuhr Grace ihn erbost an. „Ich weiß, was ich will, und eins kann ich dir versichern: Mit dir möchte ich nichts mehr zu tun haben! Und wenn du es genau wissen willst, ich habe keine Lust mehr, hierzubleiben. Ich gehe jetzt nach Hause.“

„Ich werde dich fahren.“

„Nein!“

Genau das hatte Grace befürchtet. Verzweifelt schüttelte sie den Kopf. Sie musste ihn irgendwie von seinem Plan abbringen.

„Ich brauche keine Begleitung. Es ist nicht sehr weit.“

„Du wohnst nicht mehr bei deinem Vater?“

„Nein.“

Bei ihrem Vater zu wohnen bedeutete gleichzeitig, Paula jeden Tag zu begegnen. Das wollte sie unter keinen Umständen.

„Ich habe meine eigene Wohnung. Zu Fuß sind es von hier nur zehn Minuten.“

„Dann werde ich dich begleiten.“

Grace stöhnte leise. Sie kannte Constantines unverbesserlichen Starrsinn nur zu gut. Wenn er erst einmal einen Entschluss gefasst hatte, war er nicht mehr davon abzubringen. Aber sie würde nicht nachgeben. Auf gar keinen Fall, denn sonst wäre er überzeugt, dass seine Version der Ereignisse des heutigen Abends stimmte.

Aber war es nicht auch so? meldete sich eine innere Stimme. Hatte sie nicht gewollt, dass …

Nein, sie durfte sich nicht hinreißen lassen. Es musste ein Traum bleiben, denn wenn sie Constantine wirklich gestehen würde, was sie für ihn empfand, würde er sie zugrunde richten.

Alle Gefühle, die er jemals für sie gehabt hatte, waren ganz offensichtlich erloschen. Bis auf eine Ausnahme: die körperliche Anziehungskraft, die wie ein Feuer auch nach zwei Jahren der Trennung immer noch lichterloh brannte. Sie war so schwach gewesen und hatte Constantine gezeigt, was sie immer noch für ihn empfand, und er hatte es mit der ihm eigenen Rücksichtslosigkeit sofort zu seinem Vorteil genutzt.

„Grace, ich habe noch nie in meinem Leben nachts eine Frau allein nach Hause gehen lassen und werde es auch jetzt nicht tun. Ich fahre dich. Keine Widerrede.“

„Anscheinend habe ich wohl kein Mitspracherecht.“ Entmutigt gab sie nach, denn sie wollte keinen Streit vom Zaun brechen, der dann für die nächsten Wochen das Gesprächsthema Nummer eins bei den Partygästen gewesen wäre.

„Hast du auch nicht.“ Constantine konnte seine Zufriedenheit nicht verbergen. „Wir haben uns zwar eben erst kennengelernt, trotzdem muss ich darauf bestehen, dass du nachgibst.“

Wir haben uns gerade erst kennengelernt. Wieso …?

Grace brauchte einen Augenblick, bis ihr bewusst wurde, was er damit gemeint hatte.

Grace, das Motto dieser Party lautet: „Vor zehn Jahren“. Sie glaubte, seine Worte noch einmal zu hören. Vor fünf Jahren kannten wir uns doch noch nicht …

Also hielt sich Constantine an die Regeln, die sie festgelegt hatten. Sie waren immer noch zwei Fremde, die sich an diesem Abend das erste Mal getroffen hatten.

Wenn sie sich an diesen Gedanken klammerte, dann würde sie es auch überstehen, dass er sie nach Hause brachte. Sie konnte nur hoffen, dass Constantine sich auch später noch an die Regeln hielt und nicht noch etwas anderes im Sinn hatte …

3. KAPITEL

„Dort drüben.“ Grace hob die Hand und wies Constantine den Weg. „Das letzte Haus auf der rechten Seite. Das mit der blauen Tür!“

Constantine nickte wortlos und lenkte seinen Wagen genau dorthin. Vielleicht bereute er ja schon, dass er vorgeschlagen hatte, sie nach Hause zu fahren. Wahrscheinlich fand er genau wie sie die steife, gezwungene Unterhaltung äußerst unerfreulich und war froh, dass ihr gemeinsamer Abend nun ein Ende gefunden hatte.

Das konnte Grace nur recht sein. Sie hatte nur eins im Sinn: sich so schnell wie möglich in die Sicherheit ihrer kleinen Wohnung zu flüchten. Hätte sie noch länger neben ihm sitzen und seine kurz angebundenen Antworten ertragen müssen, dann hätte sie wahrscheinlich laut geschrien.

„Genau hier.“

Noch bevor Constantine den PS-starken Wagen zum Stehen brachte, hatte sie schon ihren Sicherheitsgurt gelöst. Nur schnell weg, bevor er sie völlig aus dem Gleichgewicht brachte.

„Vielen Dank, dass du mich nach Hause gefahren hast … Was hast du gesagt?“

Constantine hatte etwas Unverständliches auf Griechisch gemurmelt, etwas, das böse und ungeduldig klang und sie erstarren ließ.

Aber zu Grace’ Überraschung besserte sich seine Laune schlagartig. Das Stirnrunzeln und der spöttische Gesichtsausdruck waren wie weggewischt.

„Ich bringe dich noch zur Tür.“ Sein Ton ließ keinen Widerspruch zu.

„Das brauchst du nicht“, versuchte es Grace trotzdem.

Sie hätte sich ihren Protest sparen können, denn er war bereits ausgestiegen, ging um das Auto herum und öffnete die Wagentür.

Es waren nur wenige Schritte bis zur Haustür, aber sie kamen Grace wie eine kleine Ewigkeit vor. Und neben ihr ging Constantine wie ein dunkler, schweigender Schatten mit so großen energischen Schritten, dass sie Mühe hatte, an seiner Seite zu bleiben.

Zu allem Überfluss hatte sich ihre Nervosität auch noch auf ihre Hände übertragen, denn es gelang ihr beim ersten Mal nicht, den Schlüssel ins Schloss zu stecken. Sie war sich nur allzu bewusst, dass Constantine hinter ihr stand und ihre ungeschickten Bewegungen mit Argusaugen beobachtete. Insgeheim ihre Schwäche verfluchend, versuchte sie ihr Glück noch einmal. Dieses Mal gelang es ihr, und sie wandte sich ihm erleichtert lächelnd wieder zu.

„Wie du siehst, ist alles in bester Ordnung. Ich bin gut zu Hause angekommen. Vielen Dank für deine Begleitung.“

Wenn dies wirklich ihr erster gemeinsamer Abend gewesen wäre, dann hätte sie noch hinzugefügt, wie gut sie sich amüsiert habe, und vielleicht vorgeschlagen, sich bald wieder zu sehen. Aber irgendwie schien ihr die „Stell-die-Uhr-zurück-Idee“ um Mitternacht vor ihrer Haustür nicht mehr passend zu sein. Verzweifelt suchte Grace nach den richtigen Worten, doch es wollte ihr nichts einfallen.

„Gute Nacht“, sagte sie schließlich.

„Ist das alles?“

„Alles? Was meinst du? Was denn noch?“ Grace konnte nicht verhindern, dass ihre Stimme schrill wurde. „Wir haben uns doch heute erst kennengelernt!“

„Einen kleinen Gutenachtkuss wirst du mir doch nicht verwehren!“

Constantines Frage brachte ihre Entschlossenheit ins Wanken. Ein Gutenachtkuss, mehr nicht. Was war schon dabei?

Aber tief verborgen in ihr gab es etwas, das nur darauf wartete, an die Oberfläche zu kommen. Etwas, das verhinderte, dass sie auf ihren gesunden Menschenverstand hörte, und sie zwang, einzugestehen, dass sie Constantines Kuss über alle Maßen ersehnte.

„Also gut“, gab Grace schließlich nach. „Aber nur ein einziger Gutenachtkuss.“

Constantine senkte den Kopf, und unwillkürlich öffnete Grace die Lippen.

Doch er berührte nicht ihre Lippen, sondern ihre Wange. Sein Kuss war sanft und so schmerzlich vertraut. Und schon vorbei.

„Gute Nacht.“

Bevor sie überhaupt Zeit hatte zu reagieren und voller Vorfreude noch auf den Kuss wartete, dem sie so entgegengefiebert hatte, hatte Constantine den Kopf schon wieder gehoben und war einen Schritt zurückgetreten.

„Gute Nacht“, sagte er ruhig. „Vielleicht sehen wir uns ja noch.“

Grace konnte es einfach nicht glauben. Der Schmerz, den sie empfand, war unerträglich. Tränen der Enttäuschung brannten ihr in den Augen.

„Gute Nacht.“

Unter Aufbietung all ihrer Kräfte gelang es Grace, diese Worte hervorzubringen. Mit mechanischen Bewegungen schloss sie die Tür auf und zog den Schlüssel ab.

Aber sie schaffte es nicht, über die Schwelle zu treten. Sie wollte es so nicht enden lassen.

Es konnte doch nicht einfach vorbei sein. Sie wollte mehr, so viel mehr. Dieser eine Kuss hatte ihre Leidenschaft und ihr Verlangen nur noch mehr angefacht. Sie brauchte diesen Mann – und nichts, was geschehen war, konnte an dieser Tatsache etwas ändern.

Aber Constantine schien ganz anders darüber zu denken. „Ich bin darüber hinweg“, hatte er ihr an diesem Abend völlig ungerührt eröffnet.

Lauf davon! dachte Grace entsetzt, bevor alles außer Kontrolle gerät!

Nein! flehte ihr Herz. Nur noch ein bisschen länger. Nur noch einen kurzen Augenblick mit Constantine zusammen sein. Nach diesen zwei langen, trostlosen Jahren endlich wieder seine Stimme hören und ihn vielleicht auch wieder lächeln sehen!

Und bevor sie überhaupt wusste, was sie tat, presste sie die Lippen auf seine Wange. Sie atmete sein herbes Aftershave und den männlichen Duft seines Körpers ein, und alles begann zu verschwimmen.

„Gute Nacht. Und vielen Dank …“, flüsterte sie.

Und genau diese instinktive Handlung wurde Grace zum Verhängnis.

Blitzschnell drehte Constantine den Kopf, bis sein sanfter Mund ihrem gefährlich nah war.

„Grace …“ Constantine flüsterte mit rauer Stimme etwas auf Griechisch, beugte sich vor und presste die Lippen fordernd auf ihre.

„Du hättest gehen sollen … weit weg … solange du noch konntest. Jetzt ist es zu spät.“

Zu spät! dachte auch Grace erschrocken. Es war eigentlich schon zu spät gewesen, als er ihr den Kuss auf die Wange gegeben hatte.

Nein, das stimmte nicht. Es war bereits zu spät gewesen, als sie die Tür von Ivans Wohnung geöffnet und in diese dunklen Augen geblickt hatte. Bereits da hätte ihr klar sein müssen, dass es nur einen Mann gab, den sie über alles liebte: Constantine.

„Liebste Grace …“, Constantines Atem ging genauso schnell wie ihrer, und seine Stimme war heiser, „wir wollen es doch beide. Agape mou, bitte mich herein!“

Das war mehr ein Befehl als eine Bitte. Sie wusste genau, was er im Sinn hatte.

Warum schickte sie ihn nicht weg? Warum verbannte sie ihn nicht für immer aus ihrem Leben? Aber dieser Gedanke war so schnell wieder verschwunden, wie er gekommen war.

„Möchtest …“ Ihr versagte die Stimme, und sie musste schlucken, bevor sie weitersprechen konnte. „Möchtest du hereinkommen?“

„Ob ich möchte? Grace, ich schwöre dir, wenn du mich jetzt wegschickst, dann werde ich …“

„Dazu hast du keinen Grund“, unterbrach Grace ihn hastig, denn sie fürchtete sich vor dem, was er vielleicht sagen wollte. „Komm!“

Das Zuschlagen der Tür kam Grace vor wie etwas Endgültiges, das ihr Leben für immer verändern würde. Jetzt waren sie allein, der Rest der Welt war ausgeschlossen. Es war zu spät. Sie konnte nicht mehr zurück, auch wenn sie ihre Meinung geändert hätte.

Aber das wollte sie gar nicht. Nach seiner Nähe hatte sie sich schließlich die ganze Zeit über gesehnt. Constantine nahm sie in die Arme, und zum ersten Mal seit zwei Jahren war sie wieder glücklich.

Plötzlich ließ Constantine sie so unvermittelt los, dass Grace fast das Gleichgewicht verlor. Sie hatte das Gefühl, in einen Abgrund zu stürzen. Wie betäubt beobachtete sie, wie er mit großen Schritten in die Mitte des Raumes trat und sich mit hochgezogenen Augenbrauen umsah.

Abschätzend betrachtete er das Wohnzimmer, das sie so liebevoll eingerichtet hatte. Cremefarbene Sessel – das Zimmer war zu klein für ein Sofa –, pfirsichfarbene Samtvorhänge, ein Kiefernholzschrank und ein Bücherregal. Gegenüber dem großen Erkerfenster befand sich ein gusseiserner, offener Kamin im viktorianischen Stil.

„Sehr groß ist es hier ja nicht“, sagte er schließlich leise, nachdem er alles genau unter die Lupe genommen hatte.

„Mehr kann ich mir eben nicht leisten“, verteidigte sich Grace empört. „Nicht jeder von uns hat mindestens ein Haus auf jedem Kontinent und dazu auch noch einen Privatjet vor der Haustür.“

„Mehr als die Hälfte dieser Häuser gehört meinen Eltern“, antwortete Constantine sachlich.

„Aber meine winzige Wohnung würdest du doch höchstens als Abstellkammer benutzen, stimmt’s?“

„Winzig? Habe ich gesagt, dass sie winzig ist?“

Das braucht er gar nicht, dachte Grace bedrückt. Allein seine Gegenwart in diesem Zimmer schien alles im Raum klein und unbedeutend werden zu lassen.

„Möchtest … Möchtest du einen Tee?“, fragte sie und besann sich – wenn auch reichlich spät – auf ihre Rolle als Gastgeberin.

„Nein.“ Constantine war inzwischen zu ihrem Bücherregal gegangen und studierte hingebungsvoll die Buchtitel.

„Kaffee?“

„Auch nicht.“

„Etwas Stärkeres? Wein vielleicht?“

Unwirsch winkte er ab, denn er beschäftigte sich immer noch mit den Büchern. Erst als er damit fertig war, drehte er sich um und sah Grace an.

„Vielleicht doch …“

„Um Himmels willen, Constantine“, fuhr Grace ihn an, „kannst du dich nicht endlich entscheiden? Nein, vielleicht doch … Was nun?“

„Ich versuche, mich wie ein zivilisierter Mensch zu benehmen, das ist alles. Aber ich fühle mich wie …“ Er verstummte.

„Du fühlst dich wie …?“, wiederholte Grace.

Zu Grace’ Überraschung wich er ihrem Blick aus. Diese Reaktion war so untypisch für den sonst immer so selbstbewussten Constantine Kiriazis, und Grace hatte nicht vor, diesen Vorteil ungenutzt zu lassen.

„Constantine, sag schon, wie fühlst du dich?“

Immer noch zögerte er. Als sie schon dachte, er würde sie einfach ignorieren oder sogar das Thema wechseln, entschloss er sich doch noch, ihre Frage zu beantworten.

„Ich fühle mich überhaupt nicht zivilisiert. Wenn du es genau wissen willst, ich fühle mich wie ein wildes, primitives Tier.“ Seine Stimme war rau.

Da hatte sie ihre Antwort!

„Warum …?“

„Du weißt, warum!“

Constantine spie die Worte förmlich aus, und seine Augen funkelten beinahe hasserfüllt. Die Kontrolle, die sein Stolz ihm bis jetzt auferlegt hatte, bekam Risse.

„Ganz allein deinetwegen! Ich will dich! Ich habe dich schon den ganzen Abend gewollt. Ich habe dich immer gewollt – und ich bezweifle, dass es jemals anders sein wird. Die letzten beiden Jahre waren die Hölle. Ich hatte dich verloren, das war wie ein immerwährender Schmerz, der mich jeden Tag von Neuem daran erinnerte, dass du nicht mehr da warst.“

Grace konnte nicht glauben, was sie eben gehört hatte. Es war nicht gerade eine Liebeserklärung gewesen, aber für den Augenblick war sie damit zufrieden. Er wollte sie. Er hatte sie vermisst. Er konnte ohne sie nicht leben.

„Grace, komm her.“ Constantines Stimme war rau und voller Verlangen.

Ihr gesunder Menschenverstand warnte sie, forderte sie auf, ihm nicht zu vertrauen und lieber noch einmal nachzudenken, aber ihr Herz schlug alle Warnungen in den Wind.

Schon lag sie in seinen Armen und fühlte, wie er sie fest an sich presste.

Seine Lippen fanden ihre, und sein fordernder Kuss zeigte ihr, wie sehr sie ihm gefehlt hatte. Grace antwortete mit der gleichen Intensität, und das in den letzten zwei Jahren so mühsam unterdrückte Verlangen gewann die Oberhand.

„Grace, pethi mou … wundervolle Grace“, flüsterte er. „Du gehörst mir. Für immer. Ich werde keinem anderen …“

„Es gibt keinen anderen“, versicherte Grace atemlos. „Nicht im Augenblick …“

Irgendetwas tief in ihr warnte sie davor, allzu aufrichtig zu sein. Constantine sollte wissen, dass es im Moment keinen anderen Mann in ihrem Leben gab. Dass es, seitdem er sie verlassen hatte, überhaupt keinen Mann mehr gegeben hatte, ging ihn nichts an.

Gelegenheiten hatte es bestimmt genug gegeben. Sie war sogar einige Male ausgegangen. Aber sie hatte an keinem der Männer Gefallen gefunden, und so waren die Abende nicht besonders gut verlaufen. Egal wie sehr sie sich auch bemüht hatte, sie war nicht in der Lage gewesen, ein Interesse zu heucheln, das sie gar nicht hatte.

Und jetzt wusste Grace auch, warum. In den letzten zwei Jahren hatte ihr nur eins gefehlt: Constantine. Sie war langsam, aber sicher ähnlich wie Dornröschen in einen Tiefschlaf versunken und hatte nur auf den Kuss des Prinzen gewartet, um wieder zum Leben erweckt zu werden.

Nie wieder wollte sie eine Zeit so ganz ohne Liebe erleben. Sie wollte nicht einmal daran denken. Besonders jetzt nicht, da sie in Constantines Armen lag, seine Hände zärtlich ihren Körper liebkosten und sein Mund eine heiße Spur von ihren Lippen über ihre Wange bis zur Kehle zog.

„Ich habe gelogen“, flüsterte er plötzlich.

„Was?“

Grace war so ihren Empfindungen ausgeliefert, dass seine Worte zuerst gar nicht in ihr Bewusstsein drangen. Aber dann traf sie das Wort gelogen wie ein Schlag.

„Du hast was?“ Bestürzt sah sie ihn an.

Zu ihrer Erleichterung lachte er.

„Ich habe gelogen, als ich sagte, dass mir die Sachen, die du heute Abend anhast, nicht gefallen.“

„Das ist untertrieben. Wenig schmeichelhaft hast du gesagt!“ Grace’ Stimme zitterte, denn seine schlanken, sonnengebräunten Finger waren in der Zwischenzeit nicht untätig gewesen. Sie strichen über ihren Körper, und Grace genoss es entzückt.

„Aufreizend wäre wohl das bessere Wort gewesen“, murmelte Constantine. „Hast du eigentlich eine Ahnung, wie dein Po in diesen hautengen Jeans wirkt und wie sich deine Brüste unter dem T-Shirt abzeichnen?“

„Mit vierzehn trug ich eben noch keinen …“

Grace verstummte, als Constantine mit kundigen Fingern ihre nackte Haut berührte, die das kurze T-Shirt, das gerade über dem Bauchnabel endete, nicht bedeckte. Seine Berührung entflammte sie, und sie biss sich auf die Lippe, um ein Stöhnen zu unterdrücken.

„Und jedes Mal, wenn du dich bewegt hast, habe ich genau dieses bisschen Haut gesehen – es war wie eine Folter für mich, so verführerisch. Ich dachte, ich werde verrückt, wenn ich dich nicht sofort berühre.“