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IM BANN DES PRINZEN Ihr Tony ist der verschollene Prinz von San Rinaldo? Für Shannon zerplatzen ihre Träume von einer glücklichen Zukunft mit ihm. Sie will sich nicht in die Palast-Etikette zwängen lassen. Allerdings ist es gar nicht so leicht, zu einem sexy und höchst hartnäckigen Royal immer wieder Nein zu sagen … DIE VERLOBTE DES PRINZEN Prinz Duarte Medina ist fasziniert, als er die Journalistin Kate zum ersten Mal erblickt. Sie sieht aus wie ein Engel - aber sie hat die Medinas verraten. Ist sie jetzt auf einen Artikel über Duarte aus? Er muss sie im Auge behalten - und hat eine glänzende Idee: Sie soll seine Verlobte spielen! PRINZESSIN AUF PROBE? Prinz Carlos Medina ist fassungslos, als Lilah behauptet, von ihm schwanger zu sein! Er weiß, dass das vollkommen ausgeschlossen ist. Doch während er in ihre grünen Augen sieht, ist er hin- und hergerissen. Lilah verzaubert ihn … aber sie lügt und ist nur hinter seinem Geld her. Oder?
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Seitenzahl: 600
Catherine Mann
JULIA COLLECTION BAND 139
IMPRESSUM
JULIA COLLECTION erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
Zweite Neuauflage in der Reihe JULIA COLLECTIONBand 139 - 2019 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg
© 2010 by Catherine Mann Originaltitel: „The Maverick Prince“ erschienen bei: Silhouette Books, Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Gabriele Ramm Deutsche Erstausgabe 2011 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe BACCARA, Band 1678
© 2011 by Catherine Mann Originaltitel: „His Thirty-Day Fiancée“ erschienen bei: Silhouette Books, Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Gabriele Ramm Deutsche Erstausgabe 2011 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe BACCARA, Band 1680
© 2011 by Catherine Mann Originaltitel: „His Heir, Her Honor“ erschienen bei: Silhouette Books, Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Gabriele Ramm Deutsche Erstausgabe 2011 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe BACCARA, Band 1682
Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 11/2019 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733713423
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY
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Exklusivmeldung:
Verschollene königliche Familie entdeckt!
Leben Sie Tür an Tür mit einem Prinzen? Gut möglich!
Dank der zweifelsfreien Identifizierung durch eine Global-Intruder-Fotojournalistin ist uns der Coup des Jahres gelungen. Das abgesetzte Königshaus der Medinas hat sich nicht, wie man bisher vermutet hatte, in einer Hochsicherheitsfestung in Argentinien verschanzt. Die drei Medina-Erben – samt ihren Milliarden – leben seit Jahrzehnten mitten unter uns hier in Amerika, natürlich unter falschem Namen.
Wie wir hörten, ist der Jüngste der Familie, sexy Antonio, leider schon in festen Händen. Die Glückliche, Shannon Crawford, ist Kellnerin in Texas. Jetzt sollte sie lieber auf ihren Prinzen, einen erfolgreichen Reeder, aufpassen!
Doch keine Angst, meine Damen. Zwei der Medinas sind noch zu haben. Aus gut informierter Quelle erfuhren wir, dass Duarte in seinem exklusiven Resort in Martha’s Vineyard lebt, während sein Bruder Carlos – ein Chirurg – seine Zelte in Tacoma aufgeschlagen hat. Ob er wohl auch Hausbesuche macht?
Einzig der Aufenthaltsort des Vaters, König Enrique Medina, bleibt weiterhin ein Geheimnis. Er war der ehemalige Herrscher von San Rinaldo, einem Inselstaat in der Nähe der spanischen Küste. Aber unsere besten Reporter sind ihm bereits auf der Spur.
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Galveston Bay, Texas
„Der König besiegt die Dame.“ Zufrieden verkündete Antonio Medina seinen Sieg und sammelte die Chips ein, nachdem er mit einer einfachen hohen Karte beim Poker gewonnen hatte.
Ohne den Anruf auf seinem iPhone zu beachten, stapelte er seinen Gewinn. Er hatte nicht allzu oft Zeit für eine Partie Poker, seit seine Reederei weltweit agierte. Aber seit Kurzen kam er häufiger ins Hinterzimmer des Restaurants, das sein Freund Vernon betrieb. Genau genommen, seit Shannon hier arbeitete. Instinktiv schweifte sein Blick zu den schmalen Fenstern rechts und links neben der Tür, die in das Restaurant führte.
Von Shannon war jedoch leider nichts zu sehen. Trotz seines Gewinns war Antonio enttäuscht.
Wieder klingelte ein Handy, und Sekunden später schon das nächste. Doch auch die anderen Mitspieler, zwei von Vernon Wolfes alten Freunden, drückten die Anrufe weg. Vernon und seine Pokerfreunde waren alle ungefähr vierzig Jahre älter als Antonio. Aber der alte Shrimpskutter-Kapitän, der jetzt dieses Restaurant betrieb, hatte Antonio, als dieser noch ein Teenager gewesen war, sozusagen gerettet. Daher war Antonio zur Stelle, wenn Vernon ihn zum Poker rief. Und die Tatsache, dass Shannon hier arbeitete, verlieh dem Ganzen einen zusätzlichen Reiz.
Vernon lehnte sich in seinem Ledersessel zurück, ohne auf das Handy an seinem Gürtel zu achten, das mit einem alten Seemannslied einen Anruf anzeigte. „Ganz schön mutig, mit nur einem König so hoch zu pokern, Tony“, meinte er. „Ich dachte, Glenn hat mit seiner Dame und dem Buben einen Royal Flush.“
„Das Bluffen habe ich bei Profis gelernt.“ Antonio – oder Tony Castillo, wie er hier genannt wurde – lächelte.
Ein Lächeln war entwaffnender als ein Stirnrunzeln. Antonio lächelte immer, damit niemand erriet, was er dachte. Allerdings hatte ihm nicht einmal sein bestes Lächeln etwas genützt, um Shannon nach ihrem Streit am letzten Wochenende dazu zu bringen, ihm zu verzeihen.
„Dein Freund Glenn kann nicht so gut bluffen“, meinte er und stapelte seine Chips.
Glenn – süchtig nach Koffein – kippte seinen Kaffee schneller hinunter, wenn er bluffte. Zum Glück hatte das außer Tony noch niemand mitbekommen. Er nahm Tonys Seitenhieb sportlich und zuckte nur mit den Schultern.
Vernon drehte den Herzkönig um und schob die ausgespielten Karten zusammen, bis sein Handy Ruhe gab. „Wenn du weiter so oft gewinnst, darf ich dich bald nicht mehr zum Mitspielen einladen.“
Tony lachte mit den anderen, wusste aber genau, dass er sich nicht von hier vertreiben lassen würde. Dies hier war jetzt seine Welt. Er hatte sich ein Leben aufgebaut und wollte nichts mehr mit dem Namen Medina zu tun haben. Inzwischen war er Tony Castillo geworden. Sein Vater hatte das respektiert. Bis vor Kurzem.
Seit sechs Monaten hatte der entmachtete König, sein Dad, ihn immer wieder aufgefordert, auf die abgeschiedene Insel vor der Küste Floridas zu kommen. Tony hatte noch am Tag, als er endlich achtzehn geworden war, den goldenen Käfig verlassen und nie zurückgeschaut. Wenn sein Vater Enrique so krank war, wie er vorgab, dann würden sie ihre Probleme im Himmel lösen müssen … oder – eher wahrscheinlich – irgendwo, wo es noch heißer war als in Texas.
Er mochte den ausgedehnten Sommer in Galveston Bay. Die Klimaanlage surrte noch immer auf Hochtouren in dem Restaurant, das im historischen Viertel direkt am Hafen lag.
Die gedämpfte Musik eines Flamenco-Gitarristen drang zu ihnen herein, zusammen mit der typischen Geräuschkulisse eines gut besuchten Restaurants. Die Geschäfte liefen gut für Vernon. Dafür sorgte Tony. Vernon hatte Antonio einen Job gegeben, als niemand sonst dem Achtzehnjährigen mit dem lückenhaften Lebenslauf hatte trauen wollen. Vierzehn Jahre und viele Millionen Dollar später fand Tony es nur fair, dass ein Teil des Gewinns aus seiner Reederei in eine Altersversorgung für den Shrimpskutter-Kapitän flossen.
Vernon reichte Glenn den Kartenstapel, damit der abheben konnte, und verteilte die Karten neu.
Tony griff nach seinen Karten … und hielt inne, als er etwas von draußen hörte. Ein leises Lachen, das trotz des Klapperns des Geschirrs zu hören war. Ihr Lachen. Endlich. Ihm versetzte es einen Stich, nachdem er eine Woche lang ohne sie hatte auskommen müssen.
Wieder ging sein Blick zu den Fenstern neben der Tür. Shannon tauchte auf, als sie eine Bestellung in den Computer eingab. Dabei kniff sie die Augen hinter ihrer Brille zusammen. Die Brillenfassung im Retrostil ließ sie wie eine strenge, aber sehr aufregende Schulleiterin aussehen, was seine Libido immer wieder aufs Neue in Aufregung versetzte.
In dem gedämpften Licht schimmerte ihr hellblondes, locker hochgestecktes Haar. Die Frisur gehörte sozusagen zu ihrer Arbeitskleidung genau wie der knielange Rock und die eng sitzende Smokingweste. Wie immer sah sie unglaublich sexy aus – und erschöpft.
Verdammt, er würde ihr, ohne zu zögern, helfen. Genau das hatte er am letzten Wochenende vorgeschlagen, nachdem sie sich auf seinem Anwesen am Bay Shore geliebt hatten. Shannons Reaktion auf sein Angebot war so heftig gewesen, dass sie seitdem weder mit ihm gesprochen noch auf seine Anrufe reagiert hatte.
Diese Frau war nicht nur sexy, sondern auch stur. Es war doch nicht so, dass er sie wie eine Geliebte aushalten wollte, verflixt noch mal. Er hatte einfach nur versucht, ihr und ihrem dreijährigen Sohn zu helfen. Schließlich sagte sie immer, sie würde alles für Kolby tun.
Und als er das erwähnt hatte, hatten ihre Blicke ihm verraten, dass sie ihm sein Angebot am liebsten sonst wohin geschoben hätte. Die meisten Frauen, die er kannte, hätten begeistert zugegriffen, hätten sie Geld oder teure Geschenke offeriert bekommen. Shannon nicht. Ihr schien sein Reichtum eher unangenehm zu sein. Zwei Monate hatte es gedauert, bis sie endlich seine Einladung angenommen und mit ihm einen Kaffee trinken gegangen war. Weitere zwei Monate waren vergangen, bevor er sie in sein Bett hatte locken können. Und auch nach fast vier Wochen unglaublich gutem Sex war er weit davon entfernt, sie zu verstehen.
Okay, er hatte sich hier an der Galveston Bay ein Vermögen erarbeitet. Dabei war es reines Glück gewesen, das ihn anfangs hierher verschlagen hatte. Er war einfach nur auf der Suche nach einem Küstenstädtchen gewesen, das ihn an seine Heimat erinnerte.
Und zwar seine wahre Heimat in der Nähe der spanischen Küste. Nicht die Inselfestung, die sein Vater unweit der Küste von Florida errichtet hatte. Die, die Tony an seinem achtzehnten Geburtstag verlassen hatte, um fortan seine Zukunft nicht länger als Antonio Medina, sondern als Tony Castillo selbst in die Hand zu nehmen. Den neuen Nachnamen hatte er sich von einem der vielen Zweige seines königlichen Stammbaumes entliehen. Damals hatte er sich geschworen, niemals zurückzukehren, und daran hatte er sich gehalten.
Er mochte sich nicht einmal vorstellen, wie geschockt Shannon wäre, wenn sie vom gut gehüteten Geheimnis seiner königlichen Herkunft wüsste. Nicht dass er die Absicht hatte, dieses Geheimnis preiszugeben.
Vernon klopfte auf die hölzerne abgenutzte Tischplatte. „Hey, Tony, dein Telefon klingelt schon wieder. Nimm ab, wir warten solange.“
Tony drückte erneut einen Anruf weg, ohne auch nur auf das Display geschaut zu haben. „Es geht bestimmt um den Salinas-Deal. Die können ruhig noch eine Stunde schmoren. Dann einigen wir uns auf den niedrigsten Preis.“
Er steckte das iPhone in die Tasche zurück und fing an, sich nach der Ruhe zu sehnen, die Shannon ihm am Ende eines hektischen Tages vermittelte. Vernons Telefon klingelte schon wieder – du meine Güte, was war denn heute los? –, diesmal erklang jedoch eine andere Melodie.
Der ergraute Kapitän warf seine Karten auf den Tisch. „Das ist meine Frau. Da muss ich rangehen.“ Er sprang auf und marschierte in die hinterste Ecke des Raums, um ungestört reden zu können. „Ja, Liebling?“
Da Vernon erst vor sieben Monaten seiner Liebsten das Jawort gegeben hatte, verhielt er sich wie ein zwanzigjähriger, frisch verheirateter Mann. Tony verscheuchte aufkommende Gedanken an die Ehe seiner Eltern, was ihm nicht allzu schwerfiel, da es wenig gab, woran er sich erinnerte. Seine Mutter war gestorben, als er fünf gewesen war.
Vernon schnappte nach Luft, und Tony schaute auf. Sein alter Mentor war auf einmal kreidebleich geworden. Was, zum Teufel, war da los?
„Tony, ich glaube, du solltest lieber mal deine verpassten Anrufe checken.“
„Ist irgendwas nicht in Ordnung?“, fragte er und griff nach seinem iPhone.
„Das wirst du uns sagen müssen“, antwortete Vernon. „Genau genommen kannst du die Nachrichten auch überspringen und gleich direkt ins Internet gehen.“
„Wohin?“ Er tippte sich durch das Menü.
„Egal.“ Vernon setzte sich schwerfällig auf seinen Stuhl. „Die Schlagzeile ist überall. Du kannst sie gar nicht übersehen.“
Tonys iPhone stellte eine Verbindung mit dem Internet her, und die Schlagzeilen leuchteten auf …
Verschollene königliche Familie entdeckt!
Das Medina-Königshaus entlarvt!
Völlig entgeistert starrte Tony auf das, was er am wenigsten erwartet, was sein Vater jedoch immer am meisten gefürchtet hatte. Schlagzeile für Schlagzeile wurde die Tarnung der Familie aufgedeckt. Sein Blick fiel auf die letzte Zeile.
Treffen Sie die Geliebte des Prinzen!
Mit einer wahnsinnigen Geschwindigkeit verbreiteten sich Neuigkeiten im Netz … Voller Panik schoss sein Blick wieder zu den Fenstern zum Restaurant, wo er vor Sekunden noch Shannon gesehen hatte.
Da stand sie immer noch mit dem Rücken zu ihm. Ihm blieb nicht viel Zeit. Er musste sofort mit ihr sprechen.
Während Vernons Freunde alle ihre Nachrichten überflogen, sprang Tony auf und stieß die Tür auf, ohne den Blick von der Frau zu lösen, die ihm völlig den Kopf verdreht hatte. Wenn sie seine nackte Haut berührte oder mit ihrem Haar über seinen Oberkörper strich, vergaß er alles andere. Eine böse Vorahnung überkam ihn. Seine Instinkte hatten ihn bisher gut durchs Leben geleitet – unter anderem durch millionenschwere Geschäftsentscheidungen.
Außerdem hatte sein sechster Sinn ihm zusätzliche Kräfte verliehen, als er durch die Wälder gerannt war, um den Rebellen zu entkommen, die San Rinaldos Monarchie gestürzt hatten. Rebellen, die weder davor zurückgeschreckt waren, auf Kinder zu schießen, noch davor, seine Mutter zu ermorden.
Bei der Tarnung der Medinas ging es nicht nur um die Wahrung von Privatsphäre. Es ging um Sicherheit. Die Familie hatte sich damals auf die abgelegene amerikanische Insel zurückgezogen und alles daran gesetzt, unerkannt zu bleiben. Und jetzt, verdammt, hatte er egoistischerweise Shannon ins Visier der Paparazzi gebracht, nur weil er sie in sein Bett gelockt hatte.
Tony umschloss Shannons Schultern, drehte sie herum … und erstarrte.
Ihre entsetzt blickenden Augen sagten alles. Und selbst wenn er noch Zweifel gehabt hätte: Das Handy in Shannons Hand verriet, dass sie die Wahrheit bereits kannte.
Shannon wollte es nicht glauben.
Bei dem im Internet verbreiteten Gerücht, das die Babysitterin ihres Sohnes aufgeschnappt hatte, musste es sich um eine Falschmeldung handeln. Heutzutage konnte man innerhalb von Minuten aus der Luft gegriffene Geschichten im Netz verbreiten, oder? Da war es egal, ob etwas Wahres daran war. Tonys Berührung war so vertraut und erregend, dass er einfach kein Fremder sein konnte.
Aber hatte sie nicht den gleichen Fehler bei ihrem verstorbenen Ehemann gemacht und ihm alles geglaubt, einfach weil sie gewollt hatte, dass es wahr war?
Verdammt, Tony war nicht Nolan. Das alles ließ sich bestimmt erklären, und sie konnte ihre heiße Affäre mit ihm fortsetzen. Nur leider hatten sie sich heftig gestritten, weil er versucht hatte, ihr Geld zu geben – ein Angebot, das ihr einen Schauder über den Rücken gejagt hatte. Und wenn Tony nun tatsächlich ein Prinz war?
Sie unterdrückte ein hysterisches Lachen. Er hatte ihr gesagt, dass er in Geld schwamm, und es könnte ja durchaus sein, dass er das wirklich wortwörtlich gemeint hatte.
„Tief durchatmen“, befahl er ihr.
„Okay, okay, okay“, murmelte sie bei jedem tiefen Atemzug, während sie ihre Brille hochschob, in der Hoffnung, dass die Sternchen vor ihren Augen dann verschwanden. „Alles in Ordnung.“
Jetzt, da sie wieder klarer sehen konnte, merkte sie, dass sie im Mittelpunkt des Interesses stand. Und wann hatte Tony angefangen, sie in Richtung Tür zu drängen? Ihr schwante Böses, als ihr klar wurde, dass die örtliche Presse in Kürze da sein würde.
„Gut, ganz ruhig jetzt, ein und aus.“ Seine Stimme klang gar nicht so anders.
Aber Tony sprach auch weder texanisch, noch hatte er einen Südstaatenakzent. Genau genommen sprach er nicht einmal typisch nordamerikanisch, so als hätte er daran gearbeitet, jeglichen Akzent auszumerzen. „Tony, bitte sag mir, dass wir über dieses Missverständnis gleich herzhaft lachen werden.“
Er antwortete nicht. Sein kantiges Kinn wirkte angespannt, als er kurz über die Schulter schaute und den Blick hastig schweifen ließ. Nichts erinnerte mehr an ihren sorgenfreien Liebhaber, obwohl die Erinnerung an die heißen Nächte mit ihm noch so lebhaft war. Sein Reichtum und seine Macht waren von Anfang an unverkennbar gewesen, allein schon durch seine Kleidung und seinen Lebensstil, vor allem aber aufgrund seiner stolzen Haltung. Jetzt sah sie sein aristokratisches Kinn und die Wangenknochen in einem ganz anderen Licht. Ein verdammt gut aussehender und charmanter Mann. Sie hatte sich von ihm umwerben und von seinem Lächeln verführen lassen.
Es war schon schwierig genug gewesen, mit einem reichen Mann liiert zu sein, angesichts all des Ballasts, den ihr verstorbener Ehemann, ein korrupter Betrüger, hinterlassen hatte. Sie hatte sich von Nolans Glitzerwelt beeindrucken lassen und erst zu spät erfahren, dass er diese durch ein betrügerisches Schneeballsystem finanziert hatte.
Wieder einmal nahmen ihr die Schuldgefühle den Atem, wenn sie an all die zerstörten Lebensträume derjenigen dachte, die Nolan ruiniert hatte. Wäre ihr Sohn nicht gewesen, hätte sie sich wahrscheinlich völlig in sich zurückgezogen und aufgegeben, nachdem Nolan sich das Leben genommen hatte. Aber für Kolby musste sie stark bleiben.
„Antworte mir“, fuhr sie Tony an und hoffte noch immer, er würde es leugnen.
„Das ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt.“
Nicht sehr aufmunternd und, verflixt, warum hatte Tony noch immer so viel Macht über sie, dass er sie derart verletzen konnte? Wut verdrängte den Schmerz. „Wie lange braucht man, um zu sagen: Es ist nur ein verdammtes Gerücht?“
Er legte ihr einen Arm um die Schultern. „Lass uns einen Ort finden, wo wir in Ruhe reden können.“
„Ich will es jetzt wissen.“ Sie entzog sich der Versuchung, die sein vertrauter Duft – würziges Patchouli und Sandelholz – darstellte. Ein Duft exotischer Vergnügungen.
Tony – Antonio – Prinz Medina – wer auch immer er war – er beugte sich zu ihr. „Shannon, willst du wirklich hier, wo alle zuhören können, so etwas besprechen? Die Presse wird schon schnell genug über unsere kleine Stadt herfallen.“
Tränen brannten in Shannons Augen, und alles wirkte, trotz der Brille, auf einmal verschwommen. „Okay, dann suchen wir uns ein ruhiges Plätzchen.“
Er drängte sie in Richtung Küche, während die Gäste im Restaurant ihnen unverhohlene Blicke zuwarfen und miteinander flüsterten. Wusste es schon jeder? Handys klingelten und vibrierten auf den Tischen, als stünde Galveston ein Erdbeben bevor. Niemand sprach sie direkt an, doch Satzfetzen drangen gedämpft zu ihnen.
„Ist Tony Castillo etwa …“
„… Medina …“
„… mit der Kellnerin …“
Das Summen wurde lauter, so wie ein Heuschreckenschwarm, der über die texanische Landschaft herfiel. Über ihr Leben.
„Hier können wir nirgends ungestört reden. Ich muss dich aus dem Restaurant schaffen.“ Tony drängte sie durch die Schwingtür, an den Küchenchefs vorbei, die ihnen stumm und fassungslos hinterherstarrten. Mit der Schulter öffnete er eine Seitentür, und Shannon blieb nichts anderes übrig, als ihm zu folgen.
Die Abendsonne verlieh seinem gebräunten Gesicht einen goldenen Schimmer und brachte die scharf geschnittenen Züge besonders gut zur Geltung. Shannon hatte immer schon das Gefühl gehabt, dass er irgendwie fremdländisch wirkte. Doch sie hatte die Geschichte über seine toten Eltern – Buchhalter, die aus Südamerika eingewandert waren – geglaubt. Ihre Eltern waren bei einem Autounfall ums Leben gekommen, noch bevor sie das College beendet hatte. Zumindest, so hatte sie immer angenommen, hatten Tony und sie eine ähnliche Kindheit gehabt.
Und jetzt? Das Einzige, was sie sicher wusste, war, dass ihr Körper sie gewissermaßen verriet, denn sie sehnte sich danach, sich an Tony zu lehnen.
„Ich muss Bescheid sagen, dass ich gehe. Ich kann mir nicht leisten, diesen Job zu verlieren.“ Abends wurden die meisten Trinkgelder gezahlt, und sie brauchte jeden Cent. Leider fehlten ihr Zeit und Geld, um ihre Lehramtszulassung neu zu beantragen – ganz davon abgesehen, dass wegen all der staatlichen Kürzungen kaum noch Musiklehrer gesucht wurden.
Und hier gab es auch nicht allzu viele Leute, die privaten Oboeunterricht nehmen wollten.
„Vernon ist ein Freund von mir, schon vergessen?“
„Natürlich. Wie konnte ich das? Du hast Beziehungen.“ Erneut unterdrückte sie den Anflug hysterischen Gelächters.
Würde sie überhaupt je wieder arbeiten können, wenn dieses Gerücht über die Medinas stimmte? Schon vorher war es schwierig genug gewesen, da man sie unweigerlich mit ihrem verstorbenen Mann in Verbindung brachte. Sicher, sie war von jeglichem Verdacht freigesprochen worden, doch es waren nicht wenige, die glaubten, sie müsste von Nolans illegalen Machenschaften gewusst haben.
Nicht mal einen Prozess hatte es gegeben, in dem sie sich hätte rechtfertigen können. Ihr Mann war tot gewesen, wenige Stunden, nachdem er auf Kaution freigekommen war.
Tony fluchte leise, aber wie ein Seemann, was er in ihrer und Kolbys Gegenwart normalerweise vermied. Sie schaute sich um, sah nichts … Doch dann hörte sie Schritte, eine Sekunde, bevor eine kleine Gruppe von Leuten mit Kameras und Mikrofonen in der Hand um die Ecke stürzte.
Fluchend riss Tony die Beifahrertür seines Wagens auf und hob Shannon hinein.
Sekunden später glitt er hinter das Lenkrad und schlug die Tür gerade noch rechtzeitig zu, bevor die ersten Reporter bei ihnen waren. Fäuste trommelten gegen die getönten Scheiben, als das Türschloss sich automatisch verriegelte. Erleichtert sankt Shannon in den Ledersitz.
Der robuste Geländewagen wackelte unter dem Angriff des Mobs. Shannons Puls beschleunigte sich erneut. Wenn das hier das Leben der Reichen und Berühmten war, wollte sie damit nichts zu tun haben.
Tony fuhr langsam los. Die Leute machten widerstrebend Platz. Mindestens ein Reporter fiel auf seinen Allerwertesten, blieb aber wohl unverletzt.
Das passierte also, wenn man sich mit Tony anlegte. Merk dir das, ermahnte sie sich.
Tony steuerte den Wagen durch den historischen Stadtteil, nur wenig schneller als erlaubt, aber schnell genug, um Distanz zwischen ihnen und der Meute zu schaffen. Dabei wirkte er völlig ruhig, seine Hände lagen entspannt auf dem Lenkrad. Obwohl die Vorstellung, von Paparazzi verfolgt zu werden, sie bis ins Mark erschütterte, fühlte Shannon sich hier bei Tony im Wagen sicher.
So sicher, dass sie die Angst vergaß und stattdessen wieder unglaubliche Wut über Tonys Verrat empfand. Sein Angebot, ihr Geld zu geben, hatte sie schon wütend gemacht, aber das war nichts im Vergleich zu dem Zorn, der sich jetzt in ihr zusammenbraute. „Wir sind allein. Rede endlich mit mir.“
„Es ist kompliziert.“ Er blickte in den Rückspiegel. Der normale Abendverkehr drängte sich durch die enge Straße. „Was möchtest du wissen?“
Sie zwang sich, die Worte zu sagen, die einen dauerhaften Keil zwischen sie und den Mann treiben würden, den sie trotz aller Bedenken in ihr Leben gelassen hatte.
„Gehörst du zu dieser königlichen Familie, von der alle Welt geglaubt hat, sie hätte sich in Argentinien versteckt?“
Das leise Surren des Cadillacs war das Einzige, was die Stille durchbrach. Tonys Knöchel traten weiß hervor, als er jetzt das Lenkrad fester umklammerte, und ein Muskel zuckte. „Die Gerüchte im Internet entsprechen der Wahrheit.“
Und sie hatte geglaubt, niemand könne ihr mehr das Herz brechen.
Mit seinem Vorschlag, sie finanziell zu unterstützen, hatte Tony ihren Stolz verletzt, doch darüber wäre sie hinweggekommen. Natürlich hätte sie weiterhin darauf bestanden, den eigenen Lebensunterhalt zu bestreiten. Aber dies hier? Das war zu überwältigend – unfassbar. Sie hatte mit einem Prinzen geschlafen und sogar daran gedacht, ihn in ihr Herz zu lassen. Sein Verrat verletzte sie tief.
Wie hatte sie nur so blauäugig sein können, seinen Geschichten Glauben zu schenken, dass er als Jugendlicher auf einem Shrimpskutter gearbeitet hatte? Sie hatte angenommen, seine Tätowierung und das inzwischen wieder zugewachsene Loch in seinem Ohrläppchen, wären Teil einer normalen Vergangenheit, die sie genauso verführerisch gefunden hatte wie seine Zärtlichkeiten.
„Dein Name ist nicht einmal Tony Castillo.“ O nein! Sie presste eine Hand auf den Mund, weil ihr auf einmal ganz schlecht wurde, als sie erkannte, dass sie mit einem Mann geschlafen hatte, dessen Namen sie nicht einmal gekannt hatte.
„Technisch gesehen, könnte er es aber sein.“
Shannon schlug mit der Faust gegen den Ledersitz, statt Tony zu schlagen. „Das interessiert mich nicht. Genauso wenig wie mich Leute interessieren, die mich anlügen. Stimmt dein Alter wenigstens?“
„Aus Rücksicht auf andere Familienmitglieder durfte ich bestimmte Details nicht preisgeben. Aber wenn es dir ein Trost ist, ja, ich bin wirklich zweiunddreißig. Und, bist du denn neunundzwanzig?“
„Mir ist nicht nach Scherzen zumute.“ Zitternd strich sie über ihren Ringfinger, wo einst ein großer Diamant gefunkelt hatte. Nach Nolans Beerdigung hatte sie den Ring abgenommen und ihn zusammen mit all dem anderen Zeug verkauft, um den Schuldenberg abzutragen. „Ich hätte wissen müssen, dass du zu gut bist, um wahr zu sein.“
„Warum sagst du das?“
„Wer hat mit zweiunddreißig schon Millionen verdient?“
„Ich“, antwortete er. „Von meinem Erbe habe ich keinen Cent angerührt.“
„Oh, entschuldige, falls ich unhöflich war, aber ich bin leicht gereizt.“
Seine Armmuskeln spannten sich unter dem italienischen Maßanzug an. Ohne Kleidung sah Tony mit seinem gebräunten und durchtrainierten Körper allerdings noch fantastischer aus. Und das Lachen, das er in ihr Leben gebracht hatte, war genau das gewesen, was sie am meisten gebraucht hatte.
Wie still alles ohne ihn in der letzten Woche gewesen war. „Tut mir leid, wenn ich deine Gefühle verletzt habe, Tony. Oder sollte ich sagen, Eure Majestät? Da ich ja, einigen dieser Meldungen zufolge, ‚die Geliebte seiner Majestät‘ bin.“
„Genau genommen hieße es ‚Eure Hoheit‘.“ Er lächelte, allerdings wirkte es ein wenig gequält. „Majestät ist für den König reserviert.“
Wie konnte er nur so flapsig sein? „Meinetwegen kannst du deinen Titel nehmen und ihn dir …“
„Hab schon verstanden.“ Er fuhr über den Galveston-Inseldamm. „Wir brauchen Zeit, um uns zu beruhigen, damit wir dann überlegen können, wie wir am besten mit der Situation umgehen.“
„Du verstehst mich nicht. Hier gibt es nichts zu beruhigen. Du hast mich angelogen. Nachdem wir uns gelie…“, sie verschluckte den Rest des Wortes, als Bilder vor ihrem geistigen Auge auftauchten, wie Tony auf ihr gelegen, sich mit ihr vereinigt und ihr die Sinne geraubt hatte. „… nachdem wir zusammen im Bett waren, hättest du es mir sagen müssen. Es sei denn, es hat dir nichts bedeutet. Ich vermute, wenn du es jeder Frau, mit der du geschlafen hast, erzählt hättest, wäre es wohl kein Geheimnis mehr.“
„Hör auf!“, rief er und hob die Hand. Die glänzende Patek-Philippe-Uhr stand in krassem Gegensatz zu den vernarbten Händen, ein Andenken an seine Zeit auf See. „Das ist nicht wahr und steht auch nicht zur Debatte. Es war sicherer, dir nichts zu sagen.“
„Oh, es war nur zu meinem Besten.“ Sie schlang die Arme wie zum Schutz um sich.
„Was weißt du über meine Familie?“
Widerstrebend unterdrückte sie eine scharfe Erwiderung. Die Neugier gewann die Oberhand. „Nicht sehr viel. Nur, dass es da einen König in irgendeinem kleinen Land in der Nähe von Spanien gegeben hat. Ich glaube, bevor er durch einen Aufstand gestürzt wurde. Seine Familie hält sich versteckt, um dem Medienrummel zu entgehen.“
„Medienrummel? Schön wär’s. Die Presse ist meine geringste Sorge. Es gibt Leute, die versucht haben, meine Familie zu töten, und denen es gelungen ist, meine Mutter zu ermorden. Bestimmte Menschen würden viel erreichen, was Geld und Macht angeht, wenn die Medinas ausgelöscht würden.“
Ihr tat es zutiefst leid, was er alles verloren hatte. Selbst jetzt hätte sie ihn am liebsten geküsst und dieses ganze verrückte Durcheinander vergessen. Noch einmal wollte sie diese wunderbare Verbundenheit spüren, die sie beim ersten Mal empfunden hatte, als sie sich auf seinem Anwesen so leidenschaftlich geliebt hatten.
„Ob du es glaubst oder nicht, Shannon, aber außerhalb dieses kleinen Fleckchens in Texas gibt es ziemlich viele Bösewichte, von denen einige jetzt ihr Augenmerk auf mich, meine Familie und jeden, der uns nahesteht, richten. Auch wenn es dir nicht gefallen mag, aber ich werde dafür sorgen, dass du und Kolby in Sicherheit seid.“
Ihr Sohn schwebte in Gefahr? Ein kalter Schauer lief Shannon über den Rücken. Warum hatte sie nicht daran gedacht? Okay, sie hatte noch immer kaum begriffen, was es mit Tony … Antonio auf sich hatte. „Fahr schneller. Bring mich sofort nach Hause.“
„Ich habe bereits Bodyguards zu dir geschickt.“
Bodyguards?
„Wann?“ Sie war kaum in der Lage gewesen, nachzudenken, geschweige denn zu handeln. War sie eine Rabenmutter, weil sie die Folgen für Kolby nicht bedacht hatte? Und welcher Mann hatte Bodyguards auf Abruf zur Verfügung?
„Ich habe meinen Leuten eine Nachricht geschickt, als wir durch die Küche geflüchtet sind.“
Natürlich hatte er Leute. Der Mann war nicht nur der millionenschwere Reeder, für den sie ihn gehalten hatte, sondern er kam aus einer altehrwürdigen, königlichen Familie, mit Privilegien, die sie sich nicht einmal ausmalen konnte.
„Ich war so verwirrt, dass ich es nicht einmal mitbekommen habe“, flüsterte Shannon und sank noch tiefer auf ihrem Sitz zusammen. Nicht einmal in ihrer Nachbarschaft war sie jetzt noch sicher.
Sie konnte die Augen vor den Tatsachen nicht länger verschließen. „Du bist wirklich dieser Medina, der Spross einer gestürzten königlichen Familie.“
Er nickte mit unmissverständlicher majestätischer Würde. „Ich heiße Antonio Medina. Ich wurde in San Rinaldo als dritter Sohn von König Enrique und Königin Beatriz geboren.“
Das Rauschen in ihren Ohren nahm zu, als Panik von ihr Besitz ergriff. Wie hätte sie das vorhersehen können, als sie ihm vor fünf Monaten im Restaurant das erste Mal begegnet war? Als sie ihm das Essen im Hinterzimmer serviert hatte, wo er mit dem Restaurantbesitzer beim Poker gesessen hatte? „Das ist alles zu abgedreht.“ Und beängstigend.
Dieses ganze unwirkliche Chaos machte sie so benommen, dass sie nicht einmal mehr den Schmerz spürte. Der würde später bestimmt wiederkommen. Sie musste sich konzentrieren. „So was hat es nur vor hundert Jahren gegeben oder in Filmen.“
„Oder in meinem Leben. Und jetzt auch in deinem.“
„O nein! Du und ich? Das ist Vergangenheit.“
Er hielt an einem Stoppschild und drehte sich zu ihr herum, um sie zum ersten Mal, seit er sie vorhin im Restaurant bei den Schultern gepackt hatte, direkt anzuschauen. Er bedachte sie mit einem feurigen Blick aus seinen dunklen Augen. „So einfach gibst du uns auf, nach allem, was zwischen uns war?“
Ihr Herz schlug schneller angesichts des Blicks, der wie ein Streicheln wirkte, und sie daran erinnerte, wie sich Tonys Hände auf ihrem nackten Körper angefühlt hatten. Sie versuchte zu antworten, doch ihr Mund war wie ausgetrocknet.
Langsam ließ er die Hand über ihren Arm gleiten, bis seine Finger auf ihren lagen. Es war eine einfache, nicht sonderlich erotische Geste, doch ihr Körper stand sofort in Flammen.
Hier, mitten auf der Straße, mitten in einer völlig unmöglichen Situation, betrog ihr Körper sie genauso, wie Tony es getan hatte.
Das war alles so falsch. Sie musste hart bleiben. „Ich habe schon letztes Wochenende mit dir Schluss gemacht.“
„Das war ein Streit, kein Schlussmachen.“ Seine Hand schloss sich um ihre, und Shannon spürte seine Wärme.
„Das mag deine Sichtweise sein. Jetzt aber ist es ohnehin völlig unerheblich.“ Sie rutschte von ihm fort, bis sie mit dem Rücken gegen die Beifahrertür stieß. „Ich kann nicht mehr mit dir zusammen sein.“
„Das ist verdammt schade, denn wir werden ziemlich viel Zeit miteinander verbringen, sobald wir deinen Sohn abgeholt haben. Du kannst auf keinen Fall heute Nacht in deiner Wohnung bleiben.“
„Und auf keinen Fall komme ich mit zu dir.“
„Du kannst dich vor dem, was jetzt losgetreten wurde, nicht verstecken. Das, was heute passiert ist, sollte dir Beweis genug sein. Man wird dich und deinen Sohn finden. Mir tut es wirklich leid, dass ich es nicht vorhergesehen habe, aber es ist nun mal geschehen, und wir müssen damit leben.“
Die Angst um ihren Sohn ließ die Wut wieder aufkeimen. „Du hattest kein Recht“, zischte sie ihn an, „so mit unserem Leben zu spielen.“
„Stimmt.“ Seine Zustimmung überraschte sie. „Aber ich bin der Einzige, der euch beide zumindest teilweise vor den Konsequenzen schützen kann.“
Ein Bodyguard stand vor der Eingangstür des Hauses, in dem sich Shannons Wohnung befand. Ein Bodyguard, du lieber Himmel, dachte sie. Ein stämmiger Kerl in einem schwarzen Anzug, der auch als Geheimagent hätte durchgehen können.
Tonys Wagen war noch nicht einmal zum Stehen gekommen, da riss Shannon bereits die Tür auf und sprang heraus, weil sie schnell zu ihrem Sohn wollte. Sie wollte Schutz in ihrer kleinen Wohnung suchen, in der Hoffnung, ihr Leben könne irgendwie wieder in normale Bahnen gelenkt werden. Tony konnte es nicht ernst meinen, wenn er verlangte, dass sie die Sachen packte und mit ihm kam. Auf diese Weise versuchte er bestimmt nur, sich wieder mit ihr zu versöhnen.
Andererseits, was sollte ein Prinz schon von ihr wollen?
Zumindest waren weder Reporter noch irgendwelche anderen Leute auf dem Parkplatz zu sehen. Shannon hatte diese große Wohnanlage wegen der Anonymität ausgewählt. Die dreigeschossigen Häuser bildeten einen riesigen Komplex, und es war schwer, eine Wohnung von der anderen zu unterscheiden. Im Zentrum der Häuser befanden sich ein Pool sowie ein kleiner Spielplatz, der einzige Luxus, den sie sich erlaubt hatte. Auch wenn sie Kolby keinen großen Garten bieten konnte, bestand hier zumindest die Möglichkeit, dass er draußen spielen konnte.
Und nun musste sie erneut nach einem sicheren Hafen für Kolby und sich Ausschau halten.
„Hier“, sagte sie und hielt Tony ihre Handtasche entgegen, nachdem sie die Schlüssel herausgeholt hatte, „halt mal, damit ich aufschließen kann.“
Zögernd streckte er den Arm aus. „Äh, ja, sicher“, meinte er dann ein bisschen gereizt.
„Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, um auszuflippen, nur weil du eine Handtasche halten sollst.“ Sie fummelte an ihrem Schlüsselbund, um den richtigen Schlüssel zu finden.
„Shannon, ich bin für dich da. Für dich und deine Handtasche.“
Sie warf ihm einen bösen Blick zu. „Mach dich nicht über mich lustig.“
„Ich dachte, dir gefällt mein Sinn für Humor?“
Hatte sie das nicht auch mal gedacht? Wie sollte sie sich nur für immer von Tony – für sie würde er niemals Antonio sein – verabschieden? Ihre Schritte verlangsamten sich auf dem Weg zwischen den Hecken, die längst nicht so kunstvoll angelegt waren wie der Garten in ihrem alten Haus, das sie mit Nolan bewohnt hatte.
Aber die Anlage war gepflegt und sicher.
Dass Tony ihr Rückendeckung gab, verstärkte dieses Gefühl der Sicherheit, das wenigstens musste sie zugeben. Nachdem er eben doch tatsächlich von ihr verlangt hatte, sie solle packen, hatte er sich per Handy mit seinem Anwalt beraten. Aus dem, was sie von der Unterhaltung mitbekam, entnahm sie, dass sich die Neuigkeiten rasant schnell verbreiteten, ohne dass man bisher herausgefunden hatte, wie die Leute vom Global-Intruder der Familie auf die Spur gekommen waren. Tony blieb zwar ruhig, aber ihr sonst so unbekümmerter Liebhaber lächelte jetzt definitiv nicht.
Tony wechselte ein paar Worte mit dem Bodyguard, während Shannon den Schlüssel mit zitternden Fingern ins Schloss steckte. Sie schloss auf und stieß mit der Babysitterin zusammen, die ihr die Tür hatte öffnen wollen. Die Studentin der Erziehungswissenschaften lebte nebenan, und auch wenn Courtney nur sieben Jahre jünger war, kam es Shannon so vor, als wäre es Ewigkeiten her, seit sie selbst eine Ausbildung zur Lehrerin an der Universität gemacht hatte.
Shannon unterdrückte die aufkommende Panik. „Courtney, vielen Dank, dass du mich angerufen hast. Wo ist Kolby?“
Die Babysitterin musterte sie neugierig – wer konnte es ihr verdenken? – und zeigte den schmalen Flur entlang zum Wohnzimmer. „Er schläft auf dem Sofa. Ich dachte, es wäre vielleicht besser, ihn bei mir zu behalten, falls irgendwelche Reporter draußen auftauchen.“ Sie warf sich ihren Rucksack über die Schulter. „Ich glaube nicht, dass sie sein Fenster ausfindig machen können, aber man kann ja nie wissen, oder?“
„Danke, Courtney. Du hast es genau richtig gemacht.“ Shannon eilte den Flur entlang, um nach Kolby zu schauen.
Ihr dreijähriger Sohn schlief auf dem Ledersofa, eins der wenigen Besitztümer, das sie nicht verkauft hatte, um die Schulden zu bezahlen. Kurz vor dem Verkauf ihres Hauses hatte Kolby nämlich mit einem Kuli ein Loch in die Armlehne gebohrt. Shannon hatte das Loch verklebt, dankbar, ein Möbelstück weniger kaufen zu müssen.
Jeden Cent, den sie übrig hatte, musste sie für Notfälle beiseitelegen. Kolby zählte auf sie, ihr süßer kleiner Fratz in seinem Lieblingspyjama und der Kuscheldecke, die er bis zur Nase hochgezogen hatte.
Erleichtert lehnte sich Shannon gegen den Türrahmen und drehte sich dann zu Courtney um. „Ich muss dich noch bezahlen.“
Sie nahm Tony die Handtasche ab und wühlte darin herum, bis ihr Portemonnaie herausfiel, und die Münzen über den gefliesten Boden rollten.
Was würde ein Dreijähriger denken, wenn er das Gesicht seiner Mutter in einer Nachrichtensendung sah? Oder Tonys? Die beiden waren sich nur wenige Male kurz begegnet, aber Kolby wusste, dass er Moms Freund war. Die Gedanken wirbelten in ihrem Kopf herum, während sie mit zitternden Fingern die Münzen aufsammelte und wieder hochkam.
Tony legte ihr die Hände auf die Schultern. „Ich kümmere mich darum. Geh du zu deinem Sohn.“
Abrupt fuhr sie herum. Ihre Nerven lagen blank, und die Erinnerung, dass Tony ihr am letzten Wochenende, kurz, nachdem sie sich geliebt hatten, Geld angeboten hatte, ließ sie aufbrausen. „Ich kann meinen Babysitter selbst bezahlen.“
Tony hob die Hände und machte einen Schritt rückwärts.
„Ist ja gut, Shannon, ich setze mich zu Kolby.“
„Danke, dass du mich so schnell angerufen hast, Courtney.“ Sie zog einen zusätzlichen Zwanzig-Dollar-Schein aus dem Portemonnaie und bemühte sich, nicht zusammenzuzucken. Normalerweise halfen sie und eine andere alleinerziehende Mutter sich gegenseitig, was das Babysitten anging. Courtney war nur für Notfälle, die sie sich nicht häufig leisten konnte und wollte. „Ich weiß deine Hilfe zu schätzen.“
Kopfschüttelnd nahm Courtney das Geld, gab den Zwanziger aber zurück. „Sie müssen mir nichts extra bezahlen, Mrs. Crawford. Ich habe nur meinen Job gemacht. Und ich rede auch nicht mit den Reportern. Ich bin nicht jemand, der Ihre Geschichte verkaufen würde oder so.“
„Ist schon okay.“ Shannon drückte ihr das Geld in die Hand. „Ich möchte aber, dass du es nimmst.“
Tony erschien im Türrahmen. „Der Bodyguard vor der Tür wird dich nach Hause bringen, nur um sicherzugehen, dass niemand dich belästigt.“
„Danke, Mr. Castillo. Äh, ich meine …“ Courtney stopfte das Geld in ihre Hosentasche und betrachtete ihn neugierig. „Mr. Medina … Sir? Ich weiß nicht, wie ich Sie anreden soll.“
„Castillo ist in Ordnung.“
„Okay? Na, dann gute Nacht.“ Sie wurde rot und verschwand eilig.
Shannon schloss ab und hängte die Sicherheitskette vor. Erschöpft lehnte sie sich gegen die Wohnungstür und starrte den Flur entlang, der noch kleiner erschien durch Tonys kräftigen Körper, der den Türrahmen ausfüllte.
Kein Wunder, dass Courtney nervös geworden war. Er war nicht nur ein Prinz, er war ein Mann durch und durch und mit seinen schwarzen Locken noch dazu ein verdammt gut aussehender. Einer mit starken Händen, die trotzdem unglaublich zärtlich den Körper einer Frau streicheln konnten. Allein der Gedanke daran ließ Shannon die Knie weich werden. War es wirklich erst eine Woche her, seit sie sich in seiner riesigen Badewanne geliebt hatten? Dem Verlangen nach zu urteilen, das sie verspürte, hätte es auch schon Monate her sein können, so sehr verzehrte sie sich nach ihm. Da nützte es auch nichts, dass ihr Verstand ihr sagte, dass es falsch war.
Tony wollte sie.
In seinen Armen.
In seinem Bett.
Und vor allem wollte er Shannon wieder in seinem Auto haben, damit sie von hier verschwinden konnten. Er würde sämtliche Register ziehen müssen, um sie davon zu überzeugen, mit ihm in sein Haus zu kommen. Selbst wenn die Presse seine Adresse ausfindig machen sollte, kämen sie nicht durchs Tor und an den Sicherheitskräften vorbei. Wie sollte er Shannon also überzeugen? Er blickte den Flur entlang zu ihr.
Ihre Augen blitzten auf. Es knisterte zwischen ihnen, wie schon bei ihrer ersten Begegnung vor fünf Monaten. Vernon hatte ihn zum Pokern bestellt und erwähnt, dass er eine neue Kellnerin eingestellt hatte. Tony hatte das wenig interessiert – bis er Shannon gesehen hatte.
Als Tony sich dann nach ihr erkundigte, hatte sein alter Freund nur gemeint, er wüsste nicht viel über Shannon, außer, dass ihr betrügerischer Ehemann lieber Selbstmord begangen hatte, als sich dem Gericht zu stellen. Shannon und ihr Junge waren allein und völlig mittellos zurückgeblieben.
Tony musterte sie jetzt genauso eingehend wie beim ersten Mal, als sie ihm sein Essen gebracht hatte. Ihre blaugrauen Augen erinnerten ihn an den Himmel über dem Meer, kurz bevor ein Sturm losbrach.
Sie stieß sich von der Tür ab und kaum auf ihn zu.
„Ich bleibe bei deinem Sohn, während du packst“, sagte er, weil er sie so schnell wie möglich in Sicherheit wissen wollte.
Sie presste die Lippen aufeinander. „Wie kommst du auf die Idee, mich herumkommandieren zu können? Ich denke, über das Packen müssen wir erst einmal reden.“
„Was gibt es da zu reden?“ Er akzeptierte, dass sie sich noch nicht wieder versöhnt hatten, aber die Probleme, die die Enthüllungen mit sich brachten, hatten erst einmal Vorrang. „Spätestens morgen früh wimmelt es hier von Reportern.“
„Ich gehe ins Hotel.“
Mit den zwanzig Dollar und zweiundfünfzig Cent, die sich in ihrem Portemonnaie befanden? Er hoffte, sie war nicht so dumm, eine Kreditkarte zu benutzen. Dann konnte sie auch gleich den nächsten Nachrichtensender anrufen, um ihren Aufenthaltsort preiszugeben.
„Wir können darüber reden, wo du bleiben willst, nachdem du gepackt hast.“
„Du klingst wie eine Platte mit einem Sprung, Tony.“
„Und mich nennst du stur?“
Sie standen sich gegenüber, ohne sich zu berühren, doch Tony atmete den frischen, blumigen Duft ein, den er mit Shannon verband. Es war ein Duft, der einerseits beruhigend, andererseits erregend wirkte, und ihn daran erinnerte, wie er sie nach einer Nacht mit atemberaubendem Sex in den Armen gehalten hatte. Shannon blieb nie bis morgens, aber für eine Stunde oder so kuschelte sie sich immer an ihn und schlummerte ein wenig. Meist lag er dann da, atmete ihren Duft ein und genoss ihre Nähe.
Seine Nasenflügel bebten.
Shannons Pupillen weiteten sich.
Sie stolperte rückwärts und atmete tief durch. „Ich muss mich umziehen. Passt du solange auf Kolby auf?“
Es war kein Geheimnis, dass Kolby bisher nicht sonderlich begeistert von ihm gewesen war. Nichts schien zu helfen, weder Eiscreme noch Zaubertricks. Tony vermutete, dass der Kleine vielleicht noch immer seinen Vater vermisste.
Dieser Mistkerl hatte Shannon bankrott und tief verletzt zurückgelassen. „Natürlich, lass dir Zeit.“
„Danke. Ich ziehe mich nur schnell um. Danach müssen wir erst einmal reden, Tony … äh, Antonio.“
„Mir wäre es lieber, du würdest mich weiterhin Tony nennen.“ Ihm gefiel es, seinen Namen aus ihrem Mund zu hören.
„Okay … Tony.“ Sie machte auf dem Absatz kehrt und ging ins Schlafzimmer.
Obwohl sie mit festen Schritten davonmarschierte, schwangen ihre Hüften in dem schmal geschnittenen Rock mit. Die Idee, diesen engen Rock über ihren niedlichen Po zu streifen, musste er jetzt wohl leider auf Eis legen, bis Shannon diese ganze Sache verarbeitet hatte.
Wenn sie doch nur akzeptieren könnte, dass er sich fast schon genauso lange Tony Castillo nannte, wie er Antonio Medina gewesen war.
Der Name Castillo war nicht einmal aus der Luft gegriffen. Es war gar nicht so schwierig gewesen, sich eine neue Identität zuzulegen, vor allem, nachdem er genügend gespart hatte, um seine erste Firma gründen zu können. Von da an waren alle Transaktionen über diese Firma gelaufen. Und er hatte in aller Öffentlichkeit leben können. Sein Plan war aufgegangen, bis es jemandem irgendwie gelungen war, ihn und seine Brüder als Medinas zu identifizieren. Dabei fiel ihm ein, dass er seine Brüder anrufen musste. Vielleicht wussten sie ja mehr.
Sie brauchten einen Plan.
Er holte sein iPhone aus der Tasche und ging hinüber in die Essecke, von wo aus er das Kind sehen konnte, ohne es zu wecken. Er drückte eine Schnellwahltaste … und Carlos’ Mailbox sprang an. Tony unterbrach die Verbindung, ohne eine Nachricht zu hinterlassen und drückte die nächste Nummer.
„Hallo, Brüderchen“, meldete sich Duarte Medina.
„Ich nehme an, du weißt Bescheid.“
„Die Schlagzeilen waren nicht zu übersehen.“
„Wo ist Carlos? Er geht nicht ran.“ Tony verfiel in die knappen Sätze, die sie schon in ihrer Jugend immer benutzt hatten. Damals hatten sie nur einander gehabt, doch die Umstände erforderten jetzt, dass sie sich voneinander fernhielten. Tony fragte sich, ob seine Brüder auch das Gefühl hatten, einen Teil von sich verloren zu haben?
„Seine Sekretärin sagt, er sei zu einer Notfall-OP gerufen worden. Dafür braucht er noch ein paar Stunden. Offenbar hat Carlos es erfahren, als er sich für die Operation vorbereitete, aber du kennst ja unseren Bruder.“ Duarte, der mittlere der drei Brüder, war meist derjenige, der als Nachrichtenbote für ihren Vater auftrat. Die drei Brüder sprachen miteinander und trafen sich, wenn es sich einrichten ließ, aber es gab so viele unangenehme Erinnerungen an ihre Kindheit, dass die Abstände zwischen diesen Treffen immer größer wurden.
„Wenn ein Patient Hilfe braucht …“, meinte Tony.
„Genau.“
Vermutlich würde es noch Stunden dauern, bevor sie von Carlos hörten, da er höchst komplizierte chirurgische Eingriffe bei Kindern vornahm. „Hast du eine Ahnung, wie das alles ans Licht gekommen ist?“
Sein Bruder stieß einen Fluch aus. „Der Global-Intruder hat ein Foto von mir gemacht, als ich unsere Schwester besucht habe.“
Kurz, nachdem sie in die Staaten geflüchtet waren, hatte ihr Vater eine kurze Affäre gehabt, aus der Eloisa hervorgegangen war. Zwar war Enrique verzweifelt und voller Schuldgefühle über den Tod seiner Frau gewesen. Das hatte ihn jedoch nicht davon abgehalten, mit einer anderen Frau ins Bett zu gehen. Die hatte später einen anderen Mann geheiratet, der ihre Tochter wie seine aufgezogen hatte.
Tony hatte seine Halbschwester nur einmal getroffen. Damals war er allerdings noch ein Teenager gewesen, und sie nicht älter als sieben. Jetzt hatte sie in eine angesehene Familie eingeheiratet, die nicht nur über politischen Einfluss, sondern auch über ein dickes Bankkonto verfügte. Konnte es sein, dass sie ihnen die Presse auf den Hals gehetzt hatte, um kostenlose PR für ihre neuen Verwandten herauszuschlagen? Duarte schien zu glauben, dass sie genau wie er und seine Brüder viel Wert auf ihre Anonymität legte. Aber vielleicht hatte er sie falsch eingeschätzt?
„Warum hast du Eloisa besucht?“
„Familienangelegenheiten. Das ist jetzt unwichtig. Ihre Verwandten waren da. Eloisas Schwägerin – die Frau des Senators – ist auf einem Stein ausgerutscht. Ich habe sie aufgefangen, sonst wäre sie ins Wasser gefallen. Irgendeine verdammte Reporterin, die mit einem Teleobjektiv in einem Baum gesessen hat, hat das mitbekommen. Was eigentlich nicht so schlimm gewesen wäre, denn Senator Landis und seine Frau standen auf dem Foto im Mittelpunkt. Ich weiß noch immer nicht, wie die Fotografin herausbekommen hat, wer ich bin, aber es ist nun mal passiert. Tut mir leid, dass ich auch dir damit die Meute auf den Hals gehetzt habe.“
Duarte hatte nichts falsch gemacht. Sie konnten schließlich nicht in einer Luftblase leben. Insgeheim hatte Tony immer gewusst, dass es nur eine Frage der Zeit war, wann ihre Tarnung auffliegen würde. Vierzehn Jahre lang war es ihm gelungen, anonym zu leben, seinen beiden älteren Brüdern sogar noch länger.
„Von uns allen ist gelegentlich schon irgendwo ein Foto erschienen. Wir sind keine Vampire. Es ist nur verrückt, dass sie die Verbindung herstellen konnte. Dumm gelaufen.“
„Was hast du für Pläne?“
„Mich in meinem Haus verschanzen und einen Schlachtplan erstellen. Sag Bescheid, wenn du von Carlos hörst.“
Er beendete das Telefonat und ging ins Wohnzimmer, um nach Kolby zu sehen – der Kleine schlief tief und fest. Tony setzte sich aufs Sofa und checkte seine Mails auf dem iPhone. Keine der Mails, die er kurz anklickte, enthielt Neuigkeiten, doch als er sich ins Internet einloggte, zuckte er zusammen. Die Gerüchteküche brodelte.
Dass sein Vater vor Jahren an Malaria gestorben war – falsch.
Vermutungen, dass Carlos sich einer Schönheitsoperation unterzogen hatte – auch falsch.
Spekulationen, dass Duarte einem tibetischen Mönchsorden beigetreten war – definitiv falsch.
Und dann waren da die Geschichten über ihn und Shannon, die der Wahrheit entsprachen. Die Storys über die „Geliebte des Monarchen“ häuften sich. Tony verspürte heftige Schuldgefühle, weil Shannon all das seinetwegen ertragen musste. Das Interesse der Medien würde bestimmt noch wachsen, und es würde nicht lange dauern, bis sie all die unschönen Tatsachen über ihren unredlichen – toten – Ehemann ausgruben. Angewidert steckte er sein iPhone weg.
„So schlimm?“, fragte Shannon, die in der Tür stand.
Sie hatte sich Jeans und ein schlichtes blaues Top angezogen. Ihr blondes Haar fiel ihr jetzt locker auf die Schultern und ließ sie nicht viel älter als die Babysitterin aussehen, wenn man einmal von den Augen absah, die sehr müde – aber wachsam – wirkten.
Tony lehnte sich zurück und streckte die Beine aus. „Im Internet überschlagen sich die Gerüchte. Unsere Anwälte kümmern sich darum. Hoffentlich schaffen sie es bald, das undichte Loch zu stopfen, damit der Schaden nicht noch größer wird. Aber wir bekommen den Geist nicht wieder in die Flasche.“
„Ich gehe nicht mit dir weg.“ Sie stemmte die Hand in die Hüfte.
„Das Interesse wird sich nicht legen.“ Er bemühte sich, ruhig und vernünftig zu klingen. Für sie alle stand einfach viel zu viel auf dem Spiel. „Die Reporter werden dich morgen früh überrennen, wenn nicht schon vorher. Deine Babysitterin wird unweigerlich irgendwann nachgeben und mit irgendeinem Klatschreporter reden. Deine Freunde werden Fotos von uns beiden verkaufen. Und die Gefahr besteht, dass die Leute Kolby benutzen, um an mich heranzukommen.“
„Dann sind wir beide, du und ich, fertig miteinander.“ Sie streckte die Hand nach ihrem schlafenden Sohn aus.
Tony berührte sanft ihren Arm, um sie aufzuhalten. „Warte, bevor du ihn in sein Zimmer bringst.“ Wenn es nach ihm ginge, dann säßen sie in zehn Minuten in seinem Wagen. „Meinst du tatsächlich, dass uns irgendjemand glaubt, dass wir Schluss gemacht haben? Das Timing wäre einfach zu passend.“
Sie setzte sich auf die Sofalehne. „Wir haben letztes Wochenende Schluss gemacht.“
Von wegen. „Erzähl das der Presse und schau, ob sie dir glauben. Die Wahrheit ist diesen Leuten völlig egal. Darauf zu beharren, dass wir unsere Beziehung beendet haben, wird dir nichts nützen. Sie werden trotzdem hinter dir her sein.“
„Ich weiß, dass ich aus Galveston wegziehen muss.“ Sie schaute sich in ihrer spärlich möblierten Wohnung um, in der zwei Bilder von Kolby die einzigen persönlichen Dinge waren. „Damit habe ich mich schon abgefunden.“
„Sie finden dich.“
Shannon musterte ihn skeptisch. „Woher soll ich wissen, dass du das nicht nur als Ausrede benutzt, damit wir wieder zusammenkommen?“
Tat er das? Vor einer Stunde hätte er noch alles daran gesetzt, um sie wieder in sein Bett zu locken. Die Anziehungskraft bestand auch jetzt immer noch, doch seit seine Tarnung aufgeflogen war, überschatteten die damit verbundenen Probleme alles andere. Er musste einen Weg finden, wie er Shannon und ihren Sohn am besten vor den Konsequenzen schützen konnte, die diese Verbindung zu den Medinas notgedrungen mit sich brachte. Eins war jedoch sicher, er würde sie nicht sich selbst überlassen.
„Du hast am letzten Wochenende sehr deutlich gemacht, wie du zu unserer Beziehung stehst. Du willst weder mit mir noch mit meinem Geld etwas zu tun haben.“ Er rutschte nicht näher zu ihr, weil er sie nicht verschrecken wollte. Aber auch so war das Knistern zwischen ihnen zu spüren. „Wir hatten Sex. Verdammt guten Sex. Aber das ist vorbei. Keiner von uns hat mehr erwartet. Aber in dieser schwierigen Situation möchte ich euch nicht allein lassen.“
Sie schauten sich an, und außer dem ruhigen Atem des schlafenden Kindes war nichts zu hören. Auch und gerade wegen Kolby war es wichtig, dass ihnen die Situation nicht entglitt.
Vorsichtig strich Tony mit der Hand über Shannons Wange und dachte daran, dass diese helle Haut vor einer Woche von seinen Bartstoppeln gerötet gewesen war. Shannon kam nicht näher, doch sie entzog sich ihm auch nicht.
„Was soll ich tun?“, fragte sie ihn.
Mehr als alles andere wünschte er sich, er könnte sie in die Arme schließen und ihr sagen, alles würde gut werden. Aber er wollte auch keine leeren Versprechen abgeben, obwohl er alles daran setzen würde, sie zu schützen.
Vor siebenundzwanzig Jahren, als sie San Rinaldo in einer mondlosen Nacht verlassen mussten, hatte sein Vater ihnen versichert, dass alles in Ordnung kommen und sie alle bald wieder zusammen sein würden.
Leider hatte sein Vater sich schrecklich geirrt.
Tony musste sich jetzt darauf konzentrieren, was er Shannon versichern konnte. „Innerhalb weniger Stunden ist eine Menge geschehen. Wir müssen Abstand gewinnen, und das können wir am besten bei mir zu Hause, wo es Sicherheitszäune, Alarmanlagen samt Überwachungskameras und Sicherheitskräften gibt“
„Und danach?“
„Wir lassen die Presse in dem Glauben, dass wir ein Paar sind und eine heiße Affäre haben.“ Er gönnte sich einen ausgiebigen Blick auf ihren herrlich schlanken und doch so fraulichen Körper. „Später arrangieren wir dann ein mehr oder weniger öffentliches Ende unserer Beziehung – und zwar zu unseren Bedingungen –, nachdem wir uns einen Plan ausgedacht haben.“
Sie holte tief Luft. „Das macht Sinn.“
„In der Zwischenzeit hat es für mich oberste Priorität, dich und Kolby in Sicherheit zu bringen.“ Er ging alle Alternativen durch, verwarf eine nach der anderen, bis nur noch eine Option übrig blieb.
Shannons Hand lag auf dem Kopf ihres schlafenden Sohnes. „Und wie willst du das machen?“
„Indem ich dich an den sichersten Ort bringe, den ich kenne.“ Einen Ort, an den er geschworen hatte, niemals wieder zurückzukehren. „Morgen fahren wir meinen Vater besuchen.“
„Deinen Vater besuchen?“, fragte Shannon geschockt. Hatte Tony den Verstand verloren? „Den König von San Rinaldo? Du machst Witze.“
„Nein, das ist mein voller Ernst.“
Wie sollte das funktionieren? Es war in der vergangenen Woche schon schwierig genug gewesen, Tony zu widerstehen. Da waren sie nur in derselben Stadt gewesen. Aber mit ihm zusammen unter einem Dach? Eine Nacht? Womöglich mehrere Nächte? Am liebsten wäre sie davongelaufen. Sie biss sich auf die Lippe, aus Angst, sonst mit etwas herauszuplatzen, was sie später bereuen würde. Kolby bewegte sich unruhig und zog seine Kuscheldecke näher an sich. Weil sie einen Moment brauchte, um ihre Gedanken zu ordnen und ihre Entschlossenheit zu stärken, hob Shannon ihren Sohn hoch.
„Tony, lass uns die Diskussion hierüber ein wenig verschieben.“ Sie drückte ihr Kind an sich und ging den Flur entlang, immer in dem Bewusstsein, dass hinter ihr ein Prinz im Wohnzimmer saß.
Sie legte Kolby in das rote Kinderbett, das sie zusammen ausgesucht hatten, als sie hier in die Wohnung gezogen waren. Sie hatte sich so bemüht, all das wettzumachen, was ihr Sohn verloren hatte. Als könnte man den Verlust des Vaters, den Verlust von Sicherheit ausgleichen. Shannon küsste Kolby auf die Stirn und seufzte.
Als sie sich umdrehte, sah sie Tony mit entschlossenem Gesichtsausdruck an der Tür warten. Gut, aber sie konnte auch ziemlich resolut sein, vor allem, wenn es um ihren Sohn ging. Sie schloss die Vorhänge, bevor sie das Zimmer verließ und in den schmalen Flur trat.
Leise zog sie die Tür hinter sich zu. „Du weißt genau, dass dein Vorschlag ungeheuerlich ist.“
„Die ganze Situation ist ungeheuerlich und verlangt daher nach außergewöhnlichen Maßnahmen.“
„Sich bei einem König verstecken? Das nenne ich wirklich außergewöhnlich.“ Sie nahm die Brille ab und rieb sich über den Nasenrücken.
Sie starrte Tony an. Sein Gesicht war so nah, dass sie es klar erkennen konnte, während sie alles andere nur verschwommen sah. „Glaubst du ernsthaft, dass ich mich, geschweige denn Kolby, noch weiteren Prüfungen aussetzen will, indem ich zu deinem Vater fahre? Warum suchen wir nicht einfach in deinem Haus Zuflucht?“
Du meine Güte, hatte sie gerade zugestimmt, auf unbestimmte Zeit bei ihm zu bleiben?
„Mein Haus ist sicher, bis zu einem gewissen Grad. Doch die Leute werden herausfinden, wo ich wohne und sich denken, dass du bei mir bist. Es gibt nur einen Ort, den ich kenne, wo uns niemand finden kann.“
„Mir scheint, ihre Teleobjektive reichen überall hin“, erwiderte sie frustriert.
„Die Presse hat selbst nach jahrelangem Suchen noch nicht herausgefunden, wo mein Vater lebt.“
„Wohnt er nicht in Argentinien?“
Tony musterte sie schweigend, und man konnte geradezu sehen, wie die Gedanken in seinem Kopf herumschwirrten. Schließlich schüttelte er den Kopf.
„Nein. Wir haben dort nach unserer Flucht aus San Rinaldo nur kurz haltgemacht.“ Er schob seine Uhr hoch, die einzige nervöse Geste, die Shannon je an ihm ausgemacht hatte. „Mein Vater hat dort ein Anwesen bauen lassen und bezahlt eine kleine, vertrauenswürdige Gruppe von Menschen dafür, dass sie dort wohnen. Die meisten von ihnen sind mit uns aus San Rinaldo geflohen. Auf diese Weise konnten wir den Eindruck erwecken, dass wir uns ebenfalls dort aufhalten.“
Offenbar hatte sein Vater weder Kosten noch Mühen gescheut, um seine Familie abzuschirmen. Aber war sie nicht genauso bereit, alles zu tun, um Kolby zu beschützen? Überraschenderweise fühlte sie eine enge Verbundenheit zu dem unbekannten König. „Warum erzählst du mir das alles, wenn es solch ein gut gehütetes Geheimnis ist?“
Er umfasste ihre Schultern, eine Berührung, vertraut und … erregend. „Weil es wichtig ist, dich zu überzeugen.“
Es war so schwierig, dem Verlangen zu widerstehen, sich an ihn zu lehnen, zumal er sanft ihren Hals streichelte. „Und wo lebt er jetzt wirklich?“
„Das kann ich dir leider nicht verraten.“
„Und trotzdem erwartest du von mir, dass ich mein Kind nehme und dir dahin folge.“ Sie löste sich aus seiner verführerischen Berührung.
„Ich höre da doch nicht etwa einen Anflug von Skepsis in deiner Stimme?“ Er schob die Hände in die Hosentaschen.
„Einen Anflug? Das soll wohl ein Witz sein, Tony.“ Das Gefühl, von ihm betrogen worden zu sein, verstärkte sich wieder, bis sie verbittert meinte: „Warum sollte ich dir trauen. Gerade jetzt?“
„Weil du niemand anderen hast, sonst wäre schon jemand hier, um dir zu helfen.“
Die Realität versetzte ihr einen Dämpfer. Sie hatte nur die Eltern ihres Exmannes, die jedoch nichts mehr mit ihr zu tun haben wollten, weil sie sie für den Untergang ihres Sohnes verantwortlich machten. Sie war tatsächlich ganz auf sich gestellt.
„Wie lange würden wir dort bleiben?“
„Nur so lange, bis meine Anwälte eine einstweilige Verfügung erwirkt haben. Mir ist natürlich klar, dass einstweilige Verfügungen nicht immer die gewünschte Wirkung haben, aber zumindest ist dann unsere rechtliche Lage besser. Außerdem müssen wir die besten Sicherheitsvorkehrungen in deiner neuen Wohnung installieren. Das dürfte ein, zwei Wochen dauern.“
„Und wie kommen wir dorthin?“
„Mit dem Flugzeug.“
Das bedeutete, dass der Ort weit weg war. „Vergiss es! Auf keinen Fall lass ich mich auf diese Weise isolieren und von der Welt abschneiden. Das ist ja so, als würdest du mich und meinen Sohn kidnappen.“
„Solange du freiwillig mitgehst, nicht.“ Er kam näher. Shannon hob das Kinn. Ihre Gesichter waren nur wenige Zentimeter voneinander entfernt. So nah, dass sie Tonys Körperwärme spürte. So nah, dass sie ihn hätte küssen können.
Zu nah, zu gefährlich. „Von freiwillig kann ja wohl keine Rede sein.“
„Ich weiß, Shanny …“ Er strich ihr zärtlich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Mir tut es unendlich leid, dass du das alles ertragen musst, und ich werde mein Möglichstes tun, um dir die nächste Woche so angenehm wie möglich zu machen.“
Seine aufrichtige Entschuldigung besänftigte sie ein wenig. Es war eine lange Woche ohne ihn gewesen. Sie war selbst überrascht gewesen, wie sehr sie die spontanen Verabredungen und Tonys spätabendliche Anrufe vermisst hatte. Seine stürmischen Küsse und die intimen Zärtlichkeiten. Albern, das zu leugnen. Sie fand ihn sowohl emotional als auch körperlich ungemein anziehend. Anderenfalls würde Tonys unglaubliche Enthüllungen sie auch nicht so belasten.
Sie schwankte ein bisschen und legte die Hände auf Tonys Brust, nicht sicher, ob sie ihn wegstoßen oder sich an ihn schmiegen sollte. Wie immer, wenn sie einander berührten, loderte Verlangen zwischen ihnen auf. Mit hungrigem Blick schaute Tony sie an, seine Pupillen weiteten sich.
Langsam senkte er den Kopf, bis sein Mund direkt über ihrem war. Sein warmer Atem strich ihr übers Gesicht und rief Erinnerungen an wilde Nächte hervor. Noch vor nicht allzu langer Zeit hatte sie geglaubt, dass Nolans Verrat sie für immer unempfindlich solchen Gefühlen gegenüber gemacht hätte … und dann war sie Tony begegnet.
„Mom?“
Die Stimme ihres Sohns riss sie in die Gegenwart zurück. Und nicht nur sie. Tonys Gesichtsausdruck, eben noch so verführerisch, wirkte auf einmal äußerst achtsam. Er öffnete die Tür im selben Moment, als Kolby herausgestürmt kam und sich in die Arme seiner Mutter warf.
„Mom, Mom, …“ Er barg das Gesicht an ihrem Hals. „Da ist ein Monster am Fenster!“
Tony rannte entschlossen zum Fenster im Kinderzimmer, während er sich insgeheim schalt, weil er sich hatte ablenken lassen.
„Bleib bitte im Flur“, rief er Shannon über die Schulter zu.
Es könnte nichts gewesen sein, aber schon in jungen Jahren hatte er gelernt, niemals unachtsam zu sein. Sein Adrenalinspiegel stieg, als er das Fenster aufriss und in den kleinen Innenhof spähte.
Nichts.
Vielleicht hatte Kolby nur einen Albtraum gehabt. Er schloss das Fenster wieder und zog die Vorhänge zu.
Shannon stand im Türrahmen, ihren Sohn eng an sich gepresst. „Ich hätte schwören können, dass ich die Vorhänge zugezogen habe.“
Kolby schaute auf. „Ich habe sie aufgemacht, als ich was gehört habe.“
Vielleicht war der Albtraum des Jungen genauso real gewesen wie seine damals, deshalb wollte er sich lieber vergewissern. „Ich gehe raus. Der Bodyguard bleibt solange bei dir.“