Julia Gold Band 105 - Susan Stephens - E-Book
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Susan Stephens

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Beschreibung

MEIN ARGENTINISCHER MÄRCHENPRINZ von SARAH MORGAN Diamanten bei Tag, seidene Bettwäsche bei Nacht: Faith kommt sich vor wie in einem Märchen, in dem Millionär Raul Vásquez ihr Prinz ist! Eigentlich ist sie nur auf seine Hazienda gekommen, um sich um seine Pferdezucht zu kümmern. Stattdessen legt Raul ihr die Welt zu Füßen … bis Faith erfährt, was seine Bedingungen sind … MASKENBALL IN VENEDIG von SUSAN STEPHENS Bis jetzt fand Nell den gut aussehenden Luca Barbaro sehr arrogant. Doch dann lädt er sie zu einem prächtigen Maskenball in Venedig ein. Als die Uhr Mitternacht schlägt, zeigt er ihr, wie aufregend zärtlich er sein kann – und Nell fühlt sich wie Cinderella. Doch sie muss zurück nach London … IN DEN ARMEN DES PRINZEN von SUSAN MALLERY Was als Arrangement beginnt, wird schon bald zum heißesten Abenteuer ihres Lebens: Weil ihr Verlobter sie betrogen hat, beginnt Kiley mit ihrem Boss und erfahrenen Liebhaber Scheich Rafiq eine leidenschaftliche Affäre. An unverfänglichen Sex hat sie gedacht, jedoch niemals an Liebe …

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Seitenzahl: 549

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Sarah Morgan, Susan Stephens, Susan Mallery

JULIA GOLD BAND 105

IMPRESSUM

JULIA GOLD erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Katja Berger, Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Christina SeegerGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

Neuauflage in der Reihe JULIA GOLD, Band 105 07/2022

© 2008 by Sarah Morgan Originaltitel: „The Vásquez Mistress“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Charlotte Kesper Deutsche Erstausgabe 2009 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe ROMANA, Band 1791

© 2006 by Susan Stephens Originaltitel: „In the Venetian’s Bed“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Claudia Stevens Deutsche Erstausgabe 2007 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe JULIA EXTRA, Band 261

© 2005 by Susan Mallery, Inc. Originaltitel: „The Sheik and the Virgin Secretary“ erschienen bei: Silhouette Books, Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Eva Ritter Deutsche Erstausgabe 2008 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe COLLECTION BACCARA, Band 267

Abbildungen: Harlequin Books S.A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 07/2022 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783751508414

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

Mein argentinischer Märchenprinz

1. KAPITEL

Anmutig wie eine Kriegerin saß sie auf ihrem Pferd. In der glühenden Sonne Argentiniens schimmerte ihr Haar wie flüssiges Gold.

Zuerst hatte ihn ihr Anblick verärgert, zum einen, weil sie das Pferd in wildem Galopp durch die sengende Hitze trieb, vor allem aber, weil er Einsamkeit gesucht hatte, nicht Gesellschaft. Und wenn es etwas gab, das die argentinische Pampa im Überfluss zu bieten hatte, dann war es Einsamkeit.

Endloses Weideland erstreckte sich bis zum Horizont, der so eben und gerade war, als hätte ihn jemand mit einem Lineal gezogen.

Als Pferd und Reiterin näherkamen und er das Tier erkannte, wandelte sich sein Ärger in Sorge, und augenblicklich flammte Wut über denjenigen in ihm auf, der ihr erlaubt hatte, ausgerechnet mit diesem Pferd allein auszureiten. Er nahm sich vor, den dafür Verantwortlichen später ausfindig zu machen. Schließlich verflog sein Ärger, denn mit typisch männlichem Wohlwollen nahm er die feinen Gesichtszüge der Frau anerkennend wahr.

Er war sein Leben lang von wunderschönen Frauen umgeben gewesen, jede einzelne weitaus aufwendiger hergerichtet als sie, und dennoch konnte er den Blick nicht von ihrem Gesicht wenden. Sie hatte helle Haut, und ihr zierlicher Körper war eine verführerische Kombination aus langen, schlanken Gliedern und wohlgeformten Rundungen. Es schien, als hätten die Götter sie einzig geschaffen, um Männern den Kopf zu verdrehen.

Ihre zarte Haut und ihre geröteten Wangen verliehen ihr einen Hauch von Unschuld. Ein Gedanke, den er mit einem schiefen Lächeln quittierte, denn so selten, wie er mit dieser Eigenschaft in Berührung gekommen war, staunte er, dass es ihm überhaupt auffiel.

Sein Zynismus saß so tief, dass er zunächst der Überzeugung gewesen war, sie müsse ihn gesehen und absichtlich verfolgt haben, aber da sie genauso gut nur rein zufällig hier aufgetaucht sein konnte, verwarf er diese Unterstellung gleich wieder.

Ein glücklicher Zufall, dachte er beiläufig, während sein Blick auf ihren Lippen ruhte. Ein wirklich sehr glücklicher Zufall.

Mit angelegten Ohren krümmte das Pferd den Rücken und machte einen gewaltigen Bocksprung, der sie direkt aus dem Sattel hätte werfen sollen.

Faith biss jedoch bloß verärgert die Zähne zusammen und blieb wie angewachsen im Sattel. „Deine Laune ist heute wirklich grässlich, Fuego, kein Wunder, dass jeder Angst vor dir hat“, murrte sie. „Du wirst mich nicht abwerfen, wir sind meilenweit weg von zu Hause, also bleibe ich sitzen, wo du auch hinrennst. Es wäre besser, du würdest das allmählich begreifen.“

Die Hitze war erdrückend, und Faith wollte eben nach ihrer Wasserflasche greifen, als sie aus den Augenwinkeln eine Bewegung wahrnahm. Sie wandte den Kopf und erstarrte im Sattel. Jemand beobachtete sie.

Sie war so sehr damit beschäftigt gewesen, sich auf dem Pferd zu halten, dass sie den Mann gar nicht bemerkt hatte.

Jetzt allerdings bemerkte sie ihn.

Er war tatsächlich der attraktivste Mann, der ihr jemals begegnet war, und seit ihrer Ankunft in Argentinien hatte sie viele Männer getroffen. Er war schlank, muskulös und hatte breite, kräftige Schultern. Doch was ihren Herzschlag aus dem Takt brachte, war die sexuelle Aura, die ihn umgab.

„Sie starren mich an, Signorina.“ Seine tiefe, männliche Stimme jagte ihr einen prickelnden Schauer über den Rücken.

Natürlich entging ihrem Pferd die mangelnde Aufmerksamkeit nicht. Es nutzte den Augenblick zu einem weiteren gewaltigen Bocksprung, der Faith durch die Luft fliegen und rücklings im Staub landen ließ.

„Verflixt noch mal!“ Der Schmerz schoss durch ihren ganzen Körper, und für einen Moment blieb sie einfach liegen, um herauszufinden, ob sie sich irgendetwas gebrochen hatte. „Das Pferd braucht einen Psychiater.“

Zwei starke Hände umfassten ihre Taille und stellten sie auf die Füße, als wäre sie federleicht. „Er braucht einen männlichen Reiter.“ Als sie seinem Blick begegnete, begann ihr Herz zu rasen.

„Das hat nichts mit meinem Reitstil zu tun. Es war Ihre Schuld, weil Sie ohne jede Vorwarnung plötzlich vor mir standen …“ Verwirrt brach sie ab, denn sein sinnlicher Blick raubte ihr jeden weiteren Gedanken.

„Ich bin davon ausgegangen, dass Sie mich gesehen haben. Die argentinische Pampa bietet nicht allzu viele Möglichkeiten, sich zu verstecken.“

„Ich musste mich auf mein Pferd konzentrieren.“

„Sie sind viel zu schnell geritten.“

„Sagen Sie das dem Pferd, nicht mir. Ich nehme an, es wurde nicht umsonst Fuego getauft – mein Spanisch ist nicht das Beste, aber ich weiß, dass es ‚Feuer‘ bedeutet.“ Faith zwang sich, den Blick von seinem schönen Gesicht zu wenden, in der Hoffnung, ihr wild schlagendes Herz würde sich beruhigen, wenn sie ihn nicht mehr ansah. „Ich habe das Tempo nicht gewählt. Bei Pferden mit diesem Charakter kriegt man immer mehr als erwartet.“ Was ist nur los mit mir? Plötzlich fühlte sie sich so benommen, ihr Kopf war wie leer gefegt, und eine besorgniserregende Trägheit hatte sie erfasst.

Das muss die Hitze sein, sagte sie sich selbst. Nur die unbarmherzige, sengende Hitze, die die gesamte Landschaft in eine drückend schwüle Sauna verwandelte.

„Wohnen Sie auf der Estancia La Lucia?“ Er sah sich um, obwohl das elegante Kolonialhaus über eine Stunde entfernt lag. „Sie sollten nicht allein ausreiten. Was ist denn mit dem Rest Ihrer Truppe passiert? Sie sollten einen der Reitknechte dabeihaben.“

„Oh bitte!“ Von der glühenden Sonne schon halb geröstet und mit immer noch schmerzenden Gliedern, warf Faith ihm einen warnenden Blick zu. „Ich bin wirklich nicht in der Stimmung für dieses machomäßige argentinische Männergehabe. Nicht gerade jetzt.“

Ironisch zog er eine Augenbraue hoch. „Argentinisches Männergehabe?“

„Sie wissen, was ich meine.“ Sie versuchte, den Schmutz von ihrem Hosenboden zu klopfen. „Diese mega Macho- Anmache. Diese Wirf-dir-die-Frau-über-die-Schulter-Art der Kommunikation.“

„Interessante Beschreibung.“ Sichtlich amüsiert betrachtete er sie. „Wir sind hier in Südamerika, Cariño. Hier wissen die Männer, was es bedeutet, ein Mann zu sein.“

„Ist mir nicht entgangen. Seit ich das Flugzeug verlassen habe, fühle ich mich von so viel Testosteron umgeben, dass es mich ganz wahnsinnig macht.“

„Willkommen in Argentinien.“ Ein Anflug von Spott schwang in seinen aufreizend langsam betonten Worten mit, und mit einem Mal fühlte sie sich völlig unbeholfen und schüchtern. Dass sie so auf ihn reagierte, machte sie wütend, denn bisher hatte sie sich immer für sehr selbstbewusst gehalten.

„Arbeiten Sie hier?“, fragte sie.

Sein Zögern war so kurz, dass sie glaubte, es sich nur eingebildet zu haben. „Ja.“

„Sie Glückspilz.“ Sie ging davon aus, er wäre einer der Gauchos, die die mehrhundertköpfige Rinderherde hüteten, die auf diesen Ländereien weidete. Während sie sich erneut zwang, den Blick von ihm zu lösen, fragte sie sich, weshalb gerade dieser Mann eine derartige Wirkung auf sie hatte. Ja, er sah gut aus, aber das hatte er mit einigen der Männer gemein, denen sie hier in Südamerika begegnet war.

Doch irgendetwas hatte er an sich …

Er war ein überwältigender, selbstbewusster Mann, der sich ganz selbstverständlich in diese Umgebung einfügte.

„Ihr Englisch ist beeindruckend“, stellte sie fest.

„Das kommt, weil ich manchmal mit den Frauen rede, bevor ich sie mir über die Schulter werfe.“ Er musterte sie irritierend lange. Dann ließ er den Blick zu ihrem Mund gleiten und dort verweilen, als würde er über etwas nachdenken.

Allmählich wurde Faith die drückende Hitze unerträglich. Gleichzeitig fühlte sie sich von diesem Mann so angezogen, dass sie sich schon in seinen Armen liegen sah.

Sie sehnte sich förmlich nach seinem Kuss, und die Stärke dieses Verlangens entsetzte sie, weil sie seit ihrer Ankunft in Buenos Aires jeden Mann auf Distanz gehalten hatte. Schließlich war sie hier, um zu arbeiten, zu forschen und zu lernen, und nicht, um einen Mann zu finden. Stattdessen fühlte sie sich gefangen von dem sinnlichen Blick dieses Fremden. Es war, als würde er den Moment auskosten und ihre Gedanken lesen.

Sie ahnte, dass ihr etwas sündhaft Erregendes bevorstand, und wartete mit angehaltenem Atem auf das, was nun unweigerlich kommen würde: etwas, das ihr Leben für immer veränderte.

Doch anstatt sie zu küssen, lächelte er sie nur vielsagend an, bevor er sich Fuego zuwandte. „Ihr Pferd braucht Wasser.“

Aus dem Bann seines Blickes entlassen, spürte Faith, wie die Spannung aus ihrem Körper wich. Tiefe Röte schoss ihr ins Gesicht. „Mein Pferd braucht so einiges.“

Was ist eben passiert?

Hatte sie sich dieses Band zwischen ihnen nur eingebildet?

Während er das Pferd zum Fluss führte, betrachtete sie ihn ausgiebig – seine breiten Schultern, die schmalen Hüften, die langen Beine …

Nein, sie hatte sich nichts eingebildet. Aber er war kein Teenager mehr, der auf ein schnelles Abenteuer und rasche Befriedigung aus war. Sie hatte es hier mit einer ganz anderen Sorte zu tun. Er war durch und durch ein richtiger Mann, von dem glänzenden schwarzen Haar und dem dunklen Bartschatten bis hin zu den stählernen Muskeln, die seiner so männlichen Erscheinung weitere Härte verliehen. Gelassen, weltgewandt und erfahren, verhielt er sich ihr gegenüber derart überlegen, dass sie nicht im Geringsten daran zweifelte: Er spielte mit ihr.

Wütend auf sich selbst und auf ihn, hob sie das Kinn und schlenderte zu ihm hinüber, darauf bedacht, sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr er sie in seinen Bann gezogen hatte.

„Ich muss zurück.“ Sie nahm Fuegos Zügel und schwang sich in den Sattel, wobei sie mit einiger Befriedigung bemerkte, wie der Blick des Mannes auf ihren schlanken Schenkeln verweilte.

Sie hatte sich die Anziehungskraft zwischen ihnen nicht eingebildet. Nicht nur ich spüre dieses brennende Verlangen.

„Warten Sie.“ Er hielt das Pferd an den Zügeln fest. „Sie sagten, Sie arbeiten auf der Estancia. Wo denn eigentlich? Sind Sie in den Gästequartieren angestellt?“

„Da sind ja wieder Ihre Vorurteile.“ Um sich nicht erneut von ihm ablenken zu lassen, strich sie Fuego über den Hals. „Alle argentinischen Männer, die ich bisher kennengelernt habe, glauben anscheinend, eine Frau gehöre in …“ Sie unterbrach sich gerade noch rechtzeitig, doch er zog eine Braue hoch, und seine Augen blitzten teuflisch amüsiert.

„Ja, und weiter? Wir argentinischen Männer glauben, eine Frau gehöre in …?“

Sein Charme und seine maskuline Ausstrahlung irritierten sie so sehr, dass sie im Moment kein Wort herausbrachte. Und eigentlich wollte sie ihren Satz ja auch gar nicht beenden. Es würde ihrem Gespräch nur eine äußerst gefährliche Richtung geben, die sie besser vermied. „In die Küche“, schloss sie lahm, „in die Küche.“

Sein leicht spöttisches Lächeln vertiefte sich. „In die Küche? Wenn Sie das glauben, haben Sie den durchschnittlichen argentinischen Mann bis jetzt noch nicht durchschaut.“

„Der durchschnittliche argentinische Mann interessiert mich absolut nicht“, erwiderte sie zuckersüß.

„Weshalb sind Sie nach Argentinien gekommen? Wegen unserer Pferde?“

Faith sah sich in der endlosen Weite der Grasebene um, die sie wie ein wogendes grünes Meer umgab. „Ich bin hergekommen, weil ich etwas über Raul Vásquez gelesen habe.“

Er schwieg einen Moment. Dann sagte er: „Sie sind Tausende von Meilen gereist, um Raul Vásquez zu treffen?“ Es lag eine Kälte in seinen Worten, die sie zuvor nicht bemerkt hatte. „Sie hoffen nicht zufällig darauf, sich einen Milliardär zu angeln?“

Erst starrte Faith ihn verwundert an, dann brach sie in schallendes Gelächter aus. „Nein, natürlich nicht, seien Sie nicht albern. Abgesehen davon, dass ich diesen Mann noch nie getroffen habe, sind milliardenschwere Schirmherren des Polospiels auch nicht ganz mein Stil. Er ist im Moment in den Staaten, wegen irgendwelcher großartiger Geschäfte. Da er eine Vielzahl von Leuten beschäftigt, gehe ich nicht davon aus, dass sich unsere Wege jemals kreuzen werden.“

Er musterte sie unangenehm eindringlich. „Und würde Sie das enttäuschen?“

„Sie haben mich falsch verstanden. Der Mann selbst interessiert mich nicht, nur seine Poloranch. Deshalb bin ich hier. Wahrscheinlich wissen Sie, dass Raul Vásquez Poloponys züchtet und trainiert. Seine tierärztlichen Institute zählen zu den besten der Welt. In einer Fachzeitschrift las ich einen Artikel von Eduardo, dem leitenden Arzt dieser Einrichtung, und bewarb mich daraufhin um eine Stelle. Dass ich den Job wirklich bekommen habe, ist die Erfüllung eines Traums.“

„Eduardo hat Sie eingestellt?“ Es folgte ein kurzes, ungläubiges Schweigen. „Sie sind Tierärztin?“

„Ja, ich bin Tierärztin.“ Verärgert über das sichtliche Erstaunen in seinen Augen, biss sie die Zähne zusammen. Schließlich sagte sie: „Willkommen im einundzwanzigsten Jahrhundert. Wissen Sie, auch Frauen können Tierarzt werden, auch wenn diese Neuigkeit noch nicht in Südamerika angekommen ist.“

„Ich bin mir bewusst, dass auch Frauen Tierarzt werden“, sagte er ruhig, „aber wir reden hier von einem großen kommerziellen Gestüt, nicht von einer Kleintierpraxis in der Stadt.“

„Für Kleintierpraxen habe ich mich noch nie interessiert. Ich wollte schon immer mit Pferden arbeiten.“

Er ließ den Blick zu ihren Armen gleiten. „Ich zweifele nicht an Ihrem Engagement oder Enthusiasmus, aber manchmal ist auch körperliche Kraft nötig, besonders hier draußen in der Pampa, wo wir mit starken Hengsten und Zuchtstuten umgehen müssen.“

„Da haben wir es wieder! Sie glauben, es gehe immer nur um Muskeln, Aggression und Dominanz. Dabei sollten Sie wissen, dass es vielmehr um das Verständnis für das Verhalten des Pferdes geht. Raul Vásquez hat das eingesehen und einige revolutionäre Trainingsmethoden entwickelt.“

„Ich kenne seine Trainingsmethoden. Aber beantworten Sie mir eine Frage …“ Er sah ihr wieder ins Gesicht und fuhr in leisem, vernichtendem Ton fort: „Wer hatte die Gewalt, als Sie durch die Pampa galoppierten, den Wind in ihrem Haar? Sie oder das Pferd?“

„Oh, das Pferd“, gab Faith heiter, mit funkelnden Augen zu. „Aber Gewalt meinerseits hätte daran nichts geändert.“

„Fuego muss von einem Mann geritten werden. Einem Mann mit genug reiterlichem Können und genügend Kraft, um ihn zu kontrollieren.“

„Nein, verstehen muss man ihn. Will man ein Verhalten ändern, muss man zuerst verstehen, was diesem Verhalten zugrunde liegt. Das gilt für Pferde ebenso wie für Menschen.“

Ihr Leben lang hatte sie nur studiert und ihre gesamte Freizeit mit Pferden verbracht. Kein Mann hatte es jemals geschafft, ihr Interesse auf sich zu lenken.

Bis jetzt.

Dieser Fremde brachte sie völlig aus der Fassung, machte sie unsicher und verwirrte sie über alle Maßen.

Normalerweise hätte sie sich niemals als schüchtern bezeichnet, doch jetzt wurde sie sich ihrer Naivität in Bezug auf Männer wie ihn schrecklich bewusst.

„Ich sollte jetzt los. Ich muss zurück und …“ Sie brach ab. Ob er mich wohl aufhalten wird?

Doch er machte keine Anstalten.

Er ließ Fuegos Zügel los und trat einen Schritt zurück. „Seien Sie vorsichtig“, sagte er sanft, was ihr nur ein ratloses Lächeln entlockte, da sie sich absolut sicher gewesen war, dass er sie aufhalten würde oder zumindest vorschlagen, sich bald wieder zu treffen.

Und das wollte sie.

Ich will es wirklich.

Der Vásquez Polo Cup, ein wichtiges Turnier des Argentinischen Polovereins, war die großartigste Veranstaltung, die Faith je besucht hatte.

Zwar war sie nur in ihrer Rolle als amtierende Tierärztin zugegen, aber sie kam nicht umhin, die Zuschauer zu mustern, die sich auf der Tribüne versammelt hatten. „Warum sehen diese Frauen nur alle so fantastisch aus?“, wunderte sie sich laut. „Und wie kriegen sie es hin, dass ihre Haare so glatt sind? Meine locken sich bei dieser Hitze immer sofort.“

„Das da oben ist die Elite von Buenos Aires“, meinte Eduardo. „Vermutlich haben sie den ganzen Tag damit verbracht, sich aufzudonnern, in der Hoffnung, dem Boss aufzufallen.“

„Dem Boss?“ Faith sah sich um. „Raul Vásquez? Er spielt heute aber nicht, oder? Ist er hier?“

„Noch nicht.“

„Aber das Spiel fängt in ein paar Minuten an.“ Sie konnte den Blick einfach nicht von den in Seide gehüllten und mit Diamanten geschmückten Frauen auf der Tribüne wenden. Sie wirkten wie ein Schwarm exotischer Vögel. „Die sind alle ziemlich schick angezogen, wenn man bedenkt, dass sie den Nachmittag mitten unter Pferden verbringen.“

„Das ist nun mal Polo“, erwiderte Eduardo gedehnt. „Das großartigste Spiel der Welt. Da werfen sich alle in Schale.“

Jetzt donnerten die Männer auf ihren geschmeidigen Pferden auf das Spielfeld, und Faith versuchte, sich von dem Glanz dieses Spektakels nicht zu sehr hinreißen zu lassen.

Sie untersuchte eben das Fesselgelenk eines Hengstes, als sie das lärmende Rotorgeräusch eines Hubschraubers über sich hörte.

„Da kommt er“, murmelte Eduardo und warf einen Blick nach oben. „Das Spiel fängt in zwei Minuten an. Er ist mal wieder pünktlich auf die Minute.“

Faith war zu sehr mit dem Tier beschäftigt, um die Landung des Helikopters zu verfolgen. „Er ist nicht ganz fit.“

Eduardo runzelte die Stirn. „Er ist fitter als jeder andere Mann, den ich kenne.“

„Nicht der Boss, das Pferd hier!“ Faith sah Eduardo verärgert an. „Denkt hier denn jeder nur an Raul Vásquez?“

Das plötzliche Kreischen der Menge sagte Faith, dass das Spiel begonnen hatte, und sie warf einen Blick über ihre Schulter, um zuzusehen, wie Pferde und Reiter das Feld hinabpreschten.

Bevor sie nach Argentinien gekommen war, hatte sie nie ein Polospiel gesehen. Auch jetzt ließ die Geschwindigkeit und Gefährlichkeit dieses Spiels sie immer noch ehrfürchtig erstarren.

Sie wandte sich einem der Pferdepfleger zu. „Welcher der Reiter ist Raul Vásquez?“

„Derjenige, der auf ganzes Risiko geht.“

Die Augen gegen das grelle Sonnenlicht zusammengekniffen, richtete sie ihre Aufmerksamkeit auf das Spielfeld.

Aus dieser Entfernung war es unmöglich, die Gesichter der Spieler unter den Schutzhelmen zu erkennen, doch einer der Männer stach zwischen ihnen allen hervor. Er war geschmeidig und muskulös, und während er sein Pferd einhändig lenkte, lehnte er sich weit aus dem Sattel, um in einem gefährlichen Manöver den Ball zu schlagen.

Ungläubig schaute Faith zu und bereitete sich schon darauf vor, ihn mit verheerender Wucht zu Boden stürzen zu sehen. Er musste einfach fallen! Doch mit einer Kombination aus reiner Muskelkraft und athletischer Gewandtheit hielt er sich auf dem Pferd, schwang seinen Schläger mit treffsicherer Genauigkeit und schlug den Ball ins Tor.

Beifall brandete im Publikum auf, und Faith bemerkte plötzlich, dass sie die ganze Zeit den Atem angehalten hatte.

Sie wandte sich wieder ihrer Arbeit zu, untersuchte ein Pferd nach dem anderen, sprach mit deren Pflegern und war eben erst zur Hälfte fertig, als einer der Männer ihr auf die Schulter tippte. „Sie treten die Löcher zu. Das ist Tradition, jeder macht mit.“

Zuschauer und Spieler spazierten über das Spielfeld und traten die Erdklumpen wieder fest, die von den Hufen der Pferde aufgeworfen worden waren. Dabei wurde viel gelacht und geredet, und es bot den Zuschauern die Gelegenheit, sich unter die Spieler zu mischen.

Gerade wollte Faith eines der Grasbüschel mit dem Fuß festdrücken, da kam ihr ein großer schwarzer Stiefel zuvor, und als sie aufsah, blickte sie direkt in die strahlenden Augen des Mannes, den sie auf dem Polofeld beobachtet hatte.

Raul Vásquez.

Der Mann vom Fluss.

Sekundenlang starrte sie ihn sprachlos an und schluckte trocken. „Das wusste ich nicht. Sie haben sich nicht vorgestellt.“

„Das wollte ich auch gar nicht“, sagte er langsam und bedächtig. Bei seinem umwerfenden Anblick wurde ihr ganz heiß, denn obwohl sie von wunderschönen, glamourösen Frauen umgeben waren, hatte er nur Augen für sie.

„Sie hätten sich vorstellen müssen!“

„Warum? Dann hätten Sie sich vielleicht ganz anders verhalten, und das hätte ich nicht gewollt.“ Sein Lächeln war so verwirrend und unglaublich vertraut.

„Wie habe ich mich denn verhalten?“

Wie zufällig stieß er mit seinem Bein gegen ihres. „Sie waren erfrischend natürlich.“

Sie warf einen Blick zu den stolzen, selbstbewussten Frauen ringsum. „Sie meinen, ich verbringe nicht den ganzen Tag damit, mich verwöhnen zu lassen. Weshalb unterhalten Sie sich ausgerechnet mit mir?“

„Weil Sie mich faszinieren.“

„Sie bevorzugen Frauen, die ungeschminkt, dafür aber von oben bis unten mit Staub bedeckt sind?“

Er lachte. „Mich interessiert die Person, nicht deren Hülle.“

„Oh bitte!“ Sie betrachtete sein schönes Gesicht. „Wollen Sie mir ernsthaft erzählen, Sie würden einer Frau, die nicht umwerfend aussieht, mehr als einen Blick gönnen?“

„Nein, das will ich Ihnen nicht erzählen.“

Dass er ihr unablässig in die Augen sah, raubte ihr förmlich den Atem. „Also meinen Sie, dass … Sie wollen sagen …“

„Ja“, erwiderte er amüsiert. „Genau das. Normalerweise sind Sie aber etwas schlagfertiger. Was ist los? Hat Ihnen noch nie jemand ein Kompliment gemacht?“

Die Luft um sie herum schien wie elektrisch geladen, und Faith war sich der unzähligen, auf sie gerichteten Augenpaare bewusst. „Alle Leute schauen zu uns her.“

„Und, kümmert Sie das?“

„Na ja, Sie sind es vielleicht gewöhnt, im Mittelpunkt zu stehen, ich bin es nicht.“ Wütend darüber, dass sie sich so linkisch benahm und nicht wusste, was sie sagen sollte, funkelte sie ihn an. „Aber es ist egal, wer Sie sind, ich halte Sie immer noch für einen Macho und Sexisten.“

Lachend warf er den Kopf zurück. „Sie haben absolut recht, Cariño. Ich bin ein Macho und Sexist. Und ich will Sie einladen. Kommen Sie mit zu meinem Strandhaus.“

Das Strandhaus war sein privater Wohnsitz, eine herrliche, exklusiv für ihn entworfene Villa, gelegen an einer sandigen Bucht mit Blick auf den Atlantik.

Was hatte er vor?

Ein Blick in seine dunklen Augen reichte aus, ihr diese Frage zu beantworten. Erneut schoss ihr flammende Hitze in die Wangen.

Entsetzt darüber, wie gern sie Ja gesagt hätte, trat sie einen Schritt zurück, und einmal mehr wurde ihr bewusst, dass alle Frauen auf dem Spielfeld sie neidisch musterten. Wie konnte sie einem Mann wie ihm überhaupt etwas abschlagen? Ehe sie sich jedoch in etwas verrannte, das sie mit Sicherheit später bereuen würde, beeilte sie sich, ihm zu antworten: „Nein, vielen Dank.“

„Ich hatte Ihnen keine Frage gestellt.“

„Dann war es ein Befehl?“

Er sah sie amüsiert an. „Eher eine sehr entschiedene Bitte.“

„Ich muss bis zehn arbeiten.“

„Ich sorge dafür, dass Sie den Abend freibekommen.“

Einfach so.

Das ist die Macht eines Milliardärs, dachte Faith hilflos. „Nein, das wäre den andern gegenüber nicht fair.“ Was hätte sie wohl gesagt, wenn sie nicht arbeiten müsste. Hätte sie sich einverstanden erklärt? „Ich fürchte, wir müssen Ihre Einladung verschieben. Eduardo hat heute Abend frei, und eine der Stuten könnte jede Minute fohlen. Ich kann hier nicht weg.“

Das Lächeln verschwand, und eine angespannte Stille folgte. „Eine der Stuten wird fohlen?“, fragte er schließlich. „Welche?“

„Velocity.“

Er zog scharf die Luft ein. „Eduardo sollte hier sein, wenn sie fohlt.“

„Danke für Ihr Vertrauen.“

„Das ist nicht persönlich gemeint.“

Sie lachte auf. „Soll das heißen, Sie trauen generell keiner Frau eigenständige Arbeit zu?“

Er kniff die Augen zusammen. „Velocity ist meine wertvollste Stute und bedeutet somit eine riesige Verantwortung.“

Sie hob das Kinn und begegnete seinem herausfordernden Blick. „Ich bin durchaus in der Lage, Verantwortung zu tragen. Ich verbringe meine Tage nicht damit, mein Haar zu glätten und mich zu schminken. Ich habe sieben Jahre lang studiert, damit ich mit solcher Verantwortung umgehen kann.“ Mit einem Mal war sie nur noch wütend und enttäuscht. Vielleicht war es falsch gewesen, zu glauben, sie könnte ihre Karriere in diesem Teil Südamerikas vorantreiben. Hier von irgendjemandem ernst genommen zu werden war ein mühseliger Kampf. „Mit der Arbeit komme ich klar. Womit ich nicht klarkomme, das sind Männer, die glauben, Frauen seien gar nicht fähig, hart zu arbeiten.“ Sie war so wütend, dass sie fürchtete, gleich in Tränen auszubrechen. Und das würde meine Glaubwürdigkeit nur noch mehr untergraben. „Wenn Sie mich jetzt entschuldigen, ich habe zu tun.“

Faith versuchte während der Arbeit in den Stallungen, nicht an Raul Vásquez zu denken. Bevor sie um zehn zurück in ihr Quartier wollte, sah sie noch einmal nach Velocity, und ein einziger Blick genügte, um zu erkennen, dass die Stute Probleme hatte.

Einer der Pfleger war in der Box und fingerte mit zitternden Händen an seinem Handy herum. „Ich kann Eduardo nicht erreichen. Er geht nicht ran.“

„Sie hätten mich rufen sollen, nicht Eduardo.“ Faith ließ sich neben dem Pferd auf die Knie sinken und griff nach ihrem Stethoskop. Warum hatte sie bloß darauf vertraut, dass man ihr Bescheid geben würde, wenn irgendetwas nicht stimmte!

Der Pferdepfleger geriet ins Schwitzen. „Sie fassen das Pferd besser nicht an. Sie ist die Lieblingsstute vom Boss. Wenn ihr irgendetwas passiert …“ Er sprach nicht weiter, sondern sah sie voller Panik an. „Wir müssen Eduardo irgendwie erreichen. Wenn dem Tier etwas passiert, wird Raul Vásquez ausrasten. Ich werde meinen Job verlieren.“

Faith biss die Zähne zusammen. Keiner dieser argentinischen Kerle vertraut mir.

„Im Augenblick interessieren mich weder die Launen des Chefs noch Ihre Aussicht auf Beförderung. Mich interessiert nur eins: das Pferd hier. Und Sie tun jetzt am besten, was ich Ihnen sage.“ Sie sprach leise, um das Tier nicht zu beunruhigen, und gab dem Mann eine Reihe von Anweisungen, doch er stand nur da und starrte verzweifelt die Stute an.

„Wenn sie stirbt …“

„Dann bin ich verantwortlich“, erwiderte Faith kalt und seufzte. „Du meine Güte, dann gehen Sie los. Wenn Sie nicht mit mir arbeiten können, gut, aber sehen Sie zu, dass Sie jemanden finden, der es kann. Ich brauche Hilfe, und zwar sofort.“

„Ich helfe Ihnen.“ An der Boxentür war Raul Vásquez aufgetaucht, und hastig verzog sich der Pfleger in den Hintergrund, viel zu eingeschüchtert, um sich auch nur mit einem Wort zu verteidigen.

Faith dagegen war zu besorgt, um eingeschüchtert zu sein. Sie sah Raul Vásquez kaum an, während sie ihm erklärte, was er zu tun hatte, und er kniete sich neben sie und begann, leise in Spanisch auf die Stute einzureden.

Faith hatte keine Ahnung, was er sagte, aber es beruhigte das Pferd sofort, sodass sie sich endlich ganz auf ihre Arbeit konzentrieren konnte. Und das war gut so, denn noch nie hatte sie eine so schwierige Geburt erlebt.

Schließlich gab die Stute einen letzten schweren Seufzer von sich, dann glitt das Fohlen vor ihnen ins Stroh.

„Kluges Mädchen.“ Erleichtert atmete Faith auf, dann hob sie den Blick, sich plötzlich bewusst, dass Raul sie beinahe andächtig anschaute.

„Ich finde, Sie sind das kluge Mädchen“, sagte er leise. Nachdenklich und eindringlich musterte er sie mit seinen dunklen Augen. „Ich habe Sie unterschätzt, dafür muss ich mich entschuldigen.“ Unversehens lag eine fast mit Händen greifbare Spannung in der Luft, und eine Weile sahen sie sich nur an. Jetzt erst bemerkte sie, dass er einen Smoking trug.

„Tut mir leid, dass ich Ihnen den Abend vermasselt habe“, sagte sie steif und fand sich selbst unausstehlich, weil es sie überhaupt interessierte, dass er für den Abend offensichtlich eine andere Frau gefunden hatte.

Die Frau hätte ich sein können.

Sie dachte an die eleganten Damen, die bei dem Polospiel um seine Aufmerksamkeit gewetteifert hatten, und fragte sich, welche von ihnen er wohl ausgewählt haben mochte. Energisch riss sie sich von diesem Gedanken los. Sie hätte es niemals sein können. Männer, so reich, erfolgreich und gut aussehend wie Raul Vásquez, wollten Vorzeigefrauen, keine Karrierefrauen.

Sie lächelte müde. „Ihre Stute wird schon wieder, Raul, aber um ganz sicherzugehen, bleibe ich heute Nacht bei ihr. Danke für Ihre Hilfe. Ohne Sie hätte es schlecht ausgesehen.“

„Sie wollen in der Box hier übernachten?“ Irgendwann musste er den obersten Knopf seines Hemdes geöffnet haben, und ihr Blick fiel auf bronzefarbene Haut und eine Spur dunklen krausen Haares.

„Ja.“ Faith sah rasch beiseite. Er ist unglaublich männlich. „Nur damit ich hier bin, falls irgendetwas passiert.“

Er runzelte die Stirn. „Sie sind seit sechs Uhr heute früh auf den Beinen.“

„Ich nehme mir morgen frei. Aber ich will Velocity nicht allein lassen, solange ich nicht absolut sicher bin, dass alles in Ordnung ist.“ Jetzt gehörte ihre Aufmerksamkeit wieder ganz der Stute und dem Fohlen. „Sie müssen das doch verstehen. Nach allem, was ich gehört habe, sind Sie ein echter Workaholic.“

„Das ist etwas anderes.“

„Weil Sie ein Mann sind und ich eine Frau bin? Fangen Sie nicht wieder damit an, Raul.“ Unvermittelt fühlte sie sich erschöpft, und eigentlich wollte sie nur noch, dass er ging, damit sie aufhören konnte zu träumen. „Ich mache keine halben Sachen. Und Sie waren doch offenbar auf dem Weg zu einem Dinner oder was auch immer, also gehen Sie besser zurück zu ihrer Verabredung, sonst läuft Ihnen die Dame noch davon.“

Wieder trat ein langes Schweigen ein. „Sie verstecken sich hinter Ihrem Job“, behauptete Raul dann. „Warum?“

„Ich verstecke mich nicht. Aber wenn Sie es genau wissen wollen, ich liebe meinen Beruf.“ Sie warf ihm einen flüchtigen Blick zu und schaute gleich wieder weg, während ihr Herz raste und ihr Kopf die wildesten Geschichten ersann.

„Was da zwischen uns vorgeht …“, sagte Raul mit warmer Stimme, „… macht Ihnen Angst, nicht wahr?“

Sie war zu ehrlich, um so zu tun, als wüsste sie nicht, wovon er sprach. „Ja, es macht mir Angst. Weil es unrealistisch ist. Der bloße Gedanke, dass Sie und ich …“ Sie winkte ab. „Das ist verrückt. Ich meine, wir könnten nicht unterschiedlicher sein. Sie sind an Frauen gewöhnt, die sich den ganzen Tag ihrer Schönheit widmen. Ich will nur arbeiten. Ich liebe meine Arbeit, ich will vorankommen, und ich will absolut keine Beziehung.“

„Wenn Sie keine Beziehung wollen, dann sind Sie die perfekte Frau für mich“, erwiderte er sanft. „Wie sieht es mit Spaß aus, Cariño? Haben Sie etwas gegen Spaß einzuwenden?“

Sie spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg. „Raul …“

„Warum werden Sie denn rot? Wenn es um Ihre Arbeit geht, sind Sie immer überaus selbstsicher, aber immer wenn wir allein sind …“ Sacht ließ er einen Finger über ihre Wange gleiten. „Warum bist du so selbstsicher, wenn es um die Pferde geht, und bei mir so schüchtern?“ Unverhofft war er zu dem vertrauten Du übergegangen.

„Schieben Sie es einfach wieder auf das Testosteron. Ich bin nicht an Machos gewöhnt.“ Es sollte nur ein Scherz sein, aber er lachte nicht. Stattdessen sah er sie seltsam eindringlich an.

„Du bist ziemlich unerfahren, wie?“

„Ich hatte schon Freunde“, sagte sie lahm und sah ein leises Lächeln seine Mundwinkel umspielen.

„Was ist mit Männern, cariño?“

Ihr Mund war plötzlich wie ausgetrocknet, und ihr Herz raste. „Was bedeutet Cariño?“

Sein Lächeln vertiefte sich. Er drehte sich um, und während er zur Tür schlenderte, antwortete er leise und verheißungsvoll: „Das erkläre ich dir morgen. Zusammen mit den Tatsachen des Lebens. Bring deinen Job zu Ende und ruh dich aus, du wirst es brauchen.“

2. KAPITEL

Faith hatte die ganze Nacht bei der Stute verbracht. Als sie am nächsten Morgen aus der Box kam, fand sie Raul Vásquez im Gespräch mit Eduardo vor.

Raul sah sich zu ihr um, und der offenkundig bewundernde Blick, den er ihr aus seinen dunklen Augen zuwarf, löste ein Kribbeln in ihrer Magengegend aus. „Du hast jetzt ganz offiziell frei und kannst mit mir kommen.“ Entschlossen griff er nach ihrer Hand, sagte noch etwas auf Spanisch zu Eduardo und führte sie zu dem Hubschrauberlandeplatz, der sich am Ende des Polofeldes befand.

„Eigentlich wollte ich gerade ins Bett“, murmelte sie, geradezu geblendet von dem verheerend attraktiven Lächeln, das er ihr schenkte.

„Das können wir arrangieren.“

Sie wusste nicht, ob sie jetzt lachen oder doch eher entsetzt sein sollte. „Ich bin nicht der Typ für solche Dinge …“

„Welche Dinge?“ Schmunzelnd betrachtete er sie, als sie erst den schnittigen schwarzen Helikopter musterte und dann die Sicherheit verheißende Estancia.

„Ich fliege nicht mit Männern, die ich gar nicht richtig kenne, in den Sonnenuntergang.“

„Wenn du lieber in deinem Zimmer schlafen und später mit den Stallburschen zu Mittag essen möchtest, bitte.“ Er machte eine kleine Pause und ließ den Blick zu ihrem Mund gleiten. „Oder du isst mit mir.“

Flüchtig befeuchtete sie sich die Lippen. „Wo?“

„Dort, wo wir uns ungestört unterhalten können.“ Er öffnete die Tür des Hubschraubers, und während Faith hineinkletterte, fragte sie sich, was, um alles in der Welt, sie hier eigentlich tat.

Das war doch nicht ihr Leben.

Sie pflegte nicht mit Milliardären, die ihr gefährlich werden könnten, in Hubschrauber zu steigen.

Immer noch kämpfte sie mit sich und ihren Zweifeln, als sie plötzlich sah, wie Raul sich auf den Platz neben sie setzte und mit gekonnten Griffen diverse Schalter und Hebel betätigte.

Ungläubig sah sie ihn an. „Du fliegst selbst?“

„Ich bin ein Kontrollfreak“, gab er trocken zu. „Ich ziehe es vor, selbst am Steuer zu sitzen. Außerdem kann ich für das, was mir vorschwebt, keine Zuschauer gebrauchen.“

Seine Worte jagten ihr einen erwartungsvollen Schauer über den Rücken. „Ich weiß nicht, weshalb du das tust, und ich weiß auch nicht, weshalb ich mich darauf einlasse. Ich besitze weder Diamanten noch Seidenkleider.“

„Das müssen wir dann wohl ändern.“ Er wandte sich ihr zu, einen Ausdruck frivoler Heiterkeit im Blick. „Entspann dich“, sagte er überraschend sanft. „Du wirst einfach eine schöne Zeit haben. Das ist mein Dank dafür, dass du mein Pferd gerettet hast, und eine Entschuldigung, weil ich dir nicht genug vertraut habe. Was du getan hast, war wirklich beeindruckend.“

Sein überraschendes Lob hörte sie nur zu gern. „Der Pfleger war anderer Meinung, vielleicht könntest du mal mit ihm sprechen.“

„Er arbeitet nicht mehr für mich.“

„Du hast ihn gefeuert?“, fragte sie entsetzt. „Ist das nicht etwas übertrieben?“

„Du hast ihn um Hilfe gebeten, er hat sie dir verweigert.“

Faith spürte einen Anflug von Schuld. „Ich wollte aber nicht, dass er gleich gefeuert wird. Solltest du ihm nicht noch eine Chance geben?“

„Die Chance hatte ich ihm gegeben, indem ich ihn einstellte.“ Das Lächeln lag noch auf seinem Gesicht, doch etwas in seinen Augen ließ eine gnadenlose Seite von ihm erkennen.

Die Seite, der er es zu verdanken hat, dass er mit gerade dreißig bereits Milliardär ist, dachte Faith, ließ das Thema jedoch lieber fallen und schaute aus dem Fenster. „Wohin fliegen wir?“

„Das wirst du schon sehen.“ Ohne weiter auf ihre Frage einzugehen, wandte er seine Aufmerksamkeit der Maschine zu, und kurz darauf erhob sich der Hubschrauber lärmend in die Luft.

Der erste Schreck wich schnell einer ungeahnten Faszination, während sie die Grassteppe der Pampa überflogen. „Was für ein herrlicher Ausblick!“, rief Faith begeistert und betrachtete gebannt die Landschaft unter ihnen.

Sie überflogen weites, offenes Grasland, unterbrochen von vereinzelten flachen, ins Land reichenden Buchten und Sumpfgelände. Gelegentlich kamen Rinderherden, von Gauchos gehütet, ins Bild, doch allein der Anblick der schier endlosen Weite dieses Landes raubte ihr den Atem.

Schließlich kam eine weite Bucht in Sicht, und Raul setzte zur Landung an.

„Da sind wir. Hier ist die Grenze der Estancia.“ Nachdem sie ausgestiegen waren, führte er Faith zu einem luxuriösen Bungalow, der eingebettet zwischen Wasser und Bäumen lag. „Mein Refugium.“

Unvermittelt blieb Faith stehen, ihr Herz klopfte wild. „Sind wir hier ganz allein?“

Er sah ihr in die Augen. „Stört dich das? Bist du nervös?“

Sie schluckte. „Vielleicht. Nur ein bisschen.“

„Du warst mit mir allein in der Pampa, als wir uns das erste Mal getroffen haben“, sagte er sanft, kam langsam näher und umfasste ihr Gesicht. „Damals warst du nicht nervös.“

„Das war auch bloß ein zufälliges Treffen.“ Das behutsame Streicheln seiner Finger ließ ihren Puls in die Höhe schnellen. „Ich tue solche Sachen nicht, Raul. Ich hätte nicht herkommen sollen.“

„Mach dich nicht verrückt. Du hast doch noch gar nichts getan“, erwiderte er mit warmer Stimme. „Und du musst auch nichts tun, was du nicht willst. Ich möchte nur eins – dich ein wenig verwöhnen. Als Dankeschön, weil du mein liebstes Pferd gerettet hast. Betrachte es als einen Wellnessurlaub.“

„Einen Wellnessurlaub?“

Einen Augenblick waren seine Lippen ihren verlockend nah, doch dann trat er lächelnd von ihr zurück. „Ich möchte dich einfach verwöhnen. Außerdem sind wir nicht allein. Du kannst jederzeit um Hilfe rufen, wenn du dich bedrängt fühlst, und eine Horde Angestellter wird kommen und mich mit Knüppeln verjagen.“

Er führte sie ein paar Stufen hinauf, über eine hölzerne, über das Wasser hinaus gebaute Veranda und weiter in ein lichtdurchflutetes Schlafzimmer. „Das ist dein Zimmer. Ruh dich etwas aus, du hast es verdient. Wenn du eine Massage oder sonst irgendetwas möchtest, dann nimm einfach den Telefonhörer ab und drück die Null.“

Faith blinzelte. Ihr schwirrten etliche Fragen im Kopf herum, doch ehe sie auch nur eine davon stellen konnte, war Raul schon gegangen.

Es war, als wäre sie mitten im Paradies gelandet.

Zuerst ließ sie sich in das große, gemütliche Bett sinken, und später, nachdem sie sich ausgeschlafen hatte, wechselte sie auf die Veranda, wo sie, im Schatten liegend, von einer jungen Frau nach allen Regeln der Kunst mit duftenden Ölen massiert wurde, bis sich auch die letzten Verspannungen in ihren Muskeln gelöst hatten.

Nach der Massage genoss sie in aller Ruhe den Blick über das stille Wasser der Bucht, während zwei weitere Frauen sich um ihr Haar und ihre Fingernägel bemühten.

Von Raul war weit und breit nichts zu sehen, und als sie schließlich zurück in ihr Zimmer ging, fragte sie sich langsam, ob sie ihn irgendwie erreichen konnte.

Etwas Buntes sprang ihr ins Auge, und staunend nahm sie das wunderschöne seidene Kleid wahr, das, in der Abendsonne edel schimmernd, auf dem Bett ausgebreitet lag. Verwirrt trat Faith näher. Hat Raul das für mich besorgt? Dann fiel ihr Blick auf ein Diamantcollier, das scheinbar beiläufig um den Ausschnitt des Kleides drapiert war. Die kostbaren Steine glitzerten und funkelten wie Eiskristalle.

In ihrer Verblüffung hatte sie die Karte zunächst gar nicht bemerkt. Mit zitternden Fingern öffnete sie den Umschlag und las die kühn hingeworfenen Schriftzeichen: Jede Frau verdient es, wenigstens einmal in ihrem Leben Diamanten und ein Seidenkleid geschenkt zu bekommen. Genieße es. R.

Vollkommen ratlos starrte Faith auf das Kleid und die Kette hinab. Das war ein unglaublich großzügiges Geschenk. Sie würde es unmöglich annehmen können.

Eine Weile stand sie nur da, biss sich auf die Lippe und betrachtete das Kleid, trat unschlüssig vom Bett zurück und ging gleich darauf wieder hin. Schließlich ließ sie ihren Bademantel von den Schultern gleiten, angesichts eines so fantastischen Gewandes nicht mehr fähig, ihre weibliche Seite einfach auszublenden.

Sie würde es nur anprobieren, mehr nicht.

Nur für eine Minute.

Die Seide glitt kühl über ihre Haut, und genießerisch aufseufzend stellte sie fest, dass das Kleid perfekt passte.

Wie hatte er nur ihre Größe so genau geschätzt?

Sie fühlte sich, als lebe sie das Leben einer anderen Frau, als sie den Reißverschluss zuzog und an dem Verschluss der Kette herumnestelte. Plötzlich umfassten kräftige Finger ihre eigenen und halfen ihr.

Beinahe wie gelähmt durch Rauls sinnliche Ausstrahlung, wandte sie sich langsam um und schaute gradewegs in seine funkelnden Augen.

„Na, wie war dein Tag?“ Seine Finger verweilten sanft streichelnd an ihrer Kehle. „Hältst du meinen Dank für angemessen?“

„Ich kann das wirklich nicht annehmen.“

„Natürlich kannst du. Das war doch eine Kleinigkeit.“

Für ihn vielleicht, doch sie vermutete, dass allein die Kette mehr gekostet hatte, als sie in einem Jahr verdiente. „Ich wollte es nur einmal anprobieren, das ist alles. Und ich werde es gleich wieder ausziehen.“

„Warum?“

„Weil das hier nicht ich bin.“

Behutsam drehte er sie herum, bis sie sich selbst in dem großen Spiegel sehen konnte. „Also, wer ist das da, wenn nicht du?“

Faith erkannte sich kaum wieder. Glatt und glänzend wie Gold fiel ihr das Haar über die Schultern, die Diamanten funkelten auf ihrer hellen Haut, und das Kleid schmiegte sich eng an ihren Körper. Wie eine Prinzessin fühlte sie sich. „Dann trage ich es vielleicht heute Abend.“ Sie hätte über ihre eigene Schwäche lachen können. „Aber dann gebe ich es zurück.“

Raul gestand ihr diesen inneren Kampf lächelnd zu. „Wir werden auf der Terrasse zu Abend essen. Der Ausblick dort ist sehr hübsch.“

„Machst du so was oft?“, fragte Faith.

Mit einer unauffälligen Geste schickte Raul die Bediensteten weg und schenkte ihr noch etwas Wein nach. „Abendessen? Oh ja, ständig.“

„Nein, ich meine …“, sie sah an sich herunter, „… dass du den edlen Ritter spielst.“

„Es macht mir Spaß, einer Frau Geschenke zu kaufen, die sie zu schätzen weiß.“ Über den Tisch hinweg sah er sie an. „Du isst ja gar nichts. Hast du keinen Hunger?“

Sie war so aufgewühlt, dass ihr Magen rebellierte und sie an Essen nicht einmal denken konnte. „Nein. Nein, hab ich nicht. Tut mir leid. Es sieht wirklich köstlich aus, aber …“

Er lächelte milde. „Du musst dich nicht entschuldigen, weil du in meiner Gegenwart nichts herunterkriegst. Ich nehme das als Kompliment.“

„Du bist wirklich sehr überzeugt von dir.“

„Und du bist sehr nervös, was ich nicht so recht verstehen kann. Gibt es in England keine Männer?“

Keine Männer wie dich. „Ich war zu sehr mit Arbeiten beschäftigt, um mich für Männer zu interessieren“, sagte sie leichthin.

Er kniff die Augen ein wenig zusammen. „Du hast dich also vollkommen deiner Arbeit verschrieben. Warum bist du Tierärztin geworden?“

„Das wollte ich immer schon. Auch mein Vater war Tierarzt, ich habe ihm oft geholfen. Selbst als ich noch klein war, hat er mich immer mit einbezogen und mich ermutigt.“

„Er ist sicher sehr stolz auf dich.“

Faith zögerte. „Er und meine Mutter sind vor zwei Jahren gestorben“, sagte sie leise. „Das ist einer der Gründe, weshalb ich nach Argentinien gekommen bin. Ich habe sie so sehr vermisst, dass ich einfach etwas anderes tun musste, und ich dachte, die beste Ablenkung wäre, die Arbeit mit einer Reise zu verbinden.“

„Was ist mit Familie und Kindern?“ Er klang beiläufig, schaute sie jedoch so durchdringend an, als wäre ihm ihre Antwort sehr wichtig. „Wenn Frauen über die Zukunft nachdenken, spielt dabei fast immer ein Ehering eine Rolle.“

„Das ist der typische Kommentar eines argentinischen Mannes“, neckte sie ihn, während sie endgültig ihre Gabel beiseitelegte. „Mal ganz ehrlich – du glaubst nicht, dass eine Frau auch noch etwas anderes kann, als Hausfrau zu sein und Kinder zu kriegen, oder?“

„Die meisten Frauen wollen das. Du nicht?“

„Nein, jedenfalls jetzt nicht. In Zukunft? Wer weiß das schon?“ Sie ließ den Blick über die stille Oberfläche des Sees gleiten. „Hier draußen scheint die Zukunft Lichtjahre entfernt zu sein. Ich bin zu jung, um auch nur über so etwas nachzudenken. Ich habe noch meine ganze Karriere vor mir. Vielleicht in zehn Jahren oder so …“ Sie zuckte mit den Schultern. „Zurzeit will ich das einfach noch nicht, dazu liebe ich meinen Beruf zu sehr.“ Bewundernd betrachtete sie die untergehende Sonne, deren roter Schimmer auf der Wasseroberfläche reflektiert wurde. Schließlich fragte sie: „Was ist mit dir? Keine Frau? Keine Kinder?“

Etwas flackerte in seinen dunklen Augen. „Auf keinen Fall.“

„Du meinst, jetzt noch nicht.“

Fest umschlossen seine langen, kräftigen Finger das Weinglas. „Nein, überhaupt nicht, niemals. Denk immer daran, Faith.“ Es lag eine Härte in seinen Worten, die sie dazu brachte, ihn genauer zu mustern, doch sein schönes Gesicht gab nichts preis.

Sie glaubte in seinen Worten eine unterschwellige Botschaft zu spüren und runzelte verwundert die Stirn. „Und warum?“

„Weil ich es gern klarstelle …“, sagte er sanft, „… gleich am Anfang einer Beziehung.“

„Wir haben eine Beziehung?“

„Ich weiß nicht.“ Er schaute ihr tief in die Augen. „Haben wir eine?“

3. KAPITEL

Zehn Monate später

„Sie ist einfach vor das Taxi gelaufen. Wenn man dem Zeugen glauben darf, hatte sie riesiges Glück, dass sie überlebt hat.“

Glück?

Als Faith die Worte des Arztes hörte, entschied sie, mit geschlossenen Augen in ihrem Krankenhausbett liegen zu bleiben. Ich bin überhaupt nicht glücklich.

„Haben Sie inzwischen Angehörige ausfindig gemacht?“ Wieder hörte sie den Arzt sprechen, und der dumpfe Schmerz in ihrem Innersten artete allmählich in Höllenqualen aus.

Es gab keine Angehörigen.

Sie hatte alles verloren, und sie wusste nicht, welche Wunden schlimmer waren, ihre äußeren oder ihre inneren.

„Nein, sie hatte keinerlei Papiere bei sich, als sie eingeliefert wurde – vermutlich hat jemand ihre Tasche gestohlen. Aber sie trug ein ziemlich teures Designerkleid“, bemerkte die Krankenschwester neidisch. „So eins könnte ich mir nie im Leben leisten. Entweder hat sie einen guten Job oder einen sehr reichen, großzügigen Freund.“

„Jedenfalls können wir sie nicht entlassen, solange wir nicht wissen, wo sie unterkommen kann. Das ist ziemlich lästig, eigentlich brauchen wir das Bett“, sagte der Arzt ungeduldig. „Es müsste sie doch längst jemand vermisst haben.“

Nur, wenn irgendwer sich für mich interessierte, dachte Faith düster. In ihrem Fall tat das niemand.

„Faith? Sind Sie wach?“

Vermutlich würde man sie ohnehin nicht in Ruhe lassen, bis sie etwas gesagt hatte, also öffnete sie widerwillig die Augen. Kühl lächelte der Arzt sie an.

„Wie geht’s uns denn heute?“, fragte er in dem leicht herablassenden Ton, den er offensichtlich für seine Patienten reserviert hatte.

„Gut.“ Dem werde ich bestimmt nicht die Wahrheit sagen. „Schon viel besser.“

„Dann möchten Sie sicher so bald wie möglich nach Hause.“

Nach Hause? Wo war das? Während des letzten Jahres war es Argentinien gewesen, und sie hatte geglaubt …

Tränen stiegen ihr in die Augen, und schnell wandte sie den Kopf zur Seite. Das ganze Elend, das sich seit Tagen in ihr angestaut hatte, schien mit einem Mal aus ihr herauszubrechen, und sie musste ihre ganze Willenskraft aufwenden, um nicht an Argentinien zu denken, nicht an die Tatsache, dass sie keinen Job und kein Zuhause mehr hatte. Woran sie aber vor allem nicht denken wollte, war …

Mit einem gequälten Stöhnen rollte sie sich zusammen und wünschte, sie könnte diese schrecklichen Gedanken einfach aus ihrem Kopf verscheuchen.

„Haben Sie Schmerzen?“ Stirnrunzelnd beugte der Arzt sich zu ihr. „Soll ich Ihnen etwas dagegen geben?“

Gegen meine Schmerzen gibt es kein Mittel. Fest schloss Faith die Augen. „Das ist alles so grässlich.“

„Was, Ihr Kopf? Das wird mit der Zeit heilen, und Ihre Haare werden die Narbe gut verdecken.“

„Nicht mein Kopf“, murmelte Faith. „Mein Leben.“

„Sie macht sich offenbar Sorgen wegen ihres Kopfes – wie sieht die Wunde aus, Schwester? Verheilt sie gut?“

Faith hielt die Augen geschlossen und wünschte sich, man würde sie endlich allein lassen.

„Sie heilt sehr schön“, antwortete die Krankenschwester munter. „Es wird keine hässliche Narbe bleiben.“

Äußerlich vielleicht nicht, dachte Faith bei sich. Aber in ihrem Innern war ein hässlicher, tiefer Riss, der niemals heilen würden.

Der Arzt nickte. „Wenn man den Zustand bedenkt, in dem Sie vor zwei Wochen eingeliefert wurden, haben Sie sich erstaunlich gut erholt. Wir müssen allmählich über Ihre Entlassung sprechen.“ Er räusperte sich und warf einen Blick auf die Krankenakte. „Sie müssen für eine Weile bei Freunden oder Ihrer Familie unterkommen. Noch sollten Sie nicht allein sein.“

Faiths Mund war so trocken, dass sie kaum sprechen konnte. „Ich komme schon allein zurecht.“

Die wenigen Worte reichten aus, um das schreckliche Dröhnen in ihrem Kopf zu verstärken.

Der Arzt seufzte ungeduldig. „Was ist mit Ihren Angehörigen? Es muss doch irgendjemanden geben. Oder halten Sie es für möglich, dass Sie an einem leichten Gedächtnisverlust leiden?“

Faith schlug die Augen auf. „Meine Eltern sind vor fast drei Jahren gestorben, und ich bin ein Einzelkind“, sagte sie müde und fragte sich, wie oft sie das eigentlich noch wiederholen musste. „Und meinem Gedächtnis geht es blendend.“ Leider. Angesichts ihrer derzeitigen Erinnerungen hätte sie einiges für eine Amnesie gegeben. Eine Teilamnesie, die nur die letzten paar Monate auslöschte.

Dieser ganze Albtraum sollte ein für alle Mal aus ihrem Kopf vertrieben werden.

Ihr Problem war aber nicht, etwas vergessen zu haben, sondern sich immer noch daran erinnern zu können. Nur allzu quälend.

Am liebsten hätte sie sich unter ihrer Decke verkrochen und unaufhörlich geschluchzt. Ein Wunsch, der so wenig zu ihr passte, dass er sie regelrecht schockierte.

Wo war nur ihre rastlose Energie geblieben? Wo ihre Neigung, sich ihren Problemen mit eiserner Entschlossenheit entgegenzustellen?

Nie hatte sie sich von etwas unterkriegen lassen. Sie wusste, dass das Leben hart sein konnte, aber dass es so hart sein könnte, hatte sie nicht einmal geahnt.

Zutiefst elend drehte sie sich auf den Rücken und starrte die Risse an der Decke an. Irgendwie ähnelten diese Risse allerdings den Konturen eines Strandes, und in ihrem Kopf entstanden die Bilder einer lachenden, nackten Frau und eines atemberaubend schönen Mannes.

Sie stöhnte angewidert und schlug die Hände vor das Gesicht. Ganz gleich, was sie tat oder wohin sie auch sah, die Erinnerungen holten sie immer wieder ein. Sie fühlte sich ausgelaugt und leer, so leer, dass sie nicht die Kraft aufbrachte, sich aus dieser dunklen Verzweiflung zu befreien.

Eine andere Krankenschwester kam, sichtlich angeregt, mit leuchtenden Augen ins Zimmer geeilt. Sie wirkte, als ob sie gleich vor Neuigkeiten platzen würde.

Voller Ehrfurcht und Faszination schaute sie Faith an. „Faith“, sagte sie mitfühlend, „ich fürchte, wir haben Grund zu der Annahme, dass Sie doch an einer Amnesie leiden.“

„Mit meinem Gedächtnis ist alles bestens“, widersprach sie.

„Tatsächlich? Warum erinnern Sie sich dann nicht daran, dass sie verheiratet sind? Sie sind mit einem Milliardär verheiratet“, fügte die Schwester hinzu. „Er steht draußen und wartet darauf, Sie mitnehmen zu können. Also, er ist hinreißend, sexy …“

„Schwester!“ Mit einem finsteren Blick fiel Dr. Arnold ihr ins Wort.

Ein wenig schmollend erklärte sie: „Ich wollte damit doch nur sagen, dass keine Frau diesen Mann jemals vergessen würde. Wenn sie sich wirklich nicht mehr an ihn erinnern kann, hat sie ganz bestimmt eine Amnesie.“

Raul warf ungeduldig einen Blick auf seine Rolex. Es war ihm entgangen, dass er allein durch seine Anwesenheit die komplette Station lahmgelegt hatte. Sämtliche weiblichen Angestellten fanden plötzlich Gründe, sich in der Nähe des Schwesternzimmers herumzudrücken, und waren durch die Anwesenheit eines derart beeindruckenden Mannes ganz außer sich.

Raul beachtete niemanden, sondern hielt den Blick fest auf die Zimmertür vor sich geheftet.

Ein weniger einflussreicher Mann hätte sich vielleicht gefragt, ob er falsche Informationen erhalten hatte, dass gar nicht sie hier in diesem Zimmer lag. Raul hatte keine derartigen Bedenken. Er stellte nur die Besten ein. Sein Sicherheitsteam war handverlesen, und die Möglichkeit, jemand könnte einen Fehler gemacht haben, zog er grundsätzlich nicht in Betracht.

Er hatte jetzt ganze dreißig Sekunden gewartet, nun nahm er die Sache selbst in die Hand. Entschlossen ging er auf die Tür zu, öffnete sie und betrat das Sechsbettzimmer.

Der Arzt reagierte auf sein plötzliches Eintreten mit missbilligendem Gemurmel, doch Raul überhörte es geflissentlich und ließ den Blick durch den Raum schweifen, bis er bei einer schmalen weiblichen Gestalt verharrte, die in dem Bett am Fenster lag.

Die Wut, die sich in ihm angestaut hatte, brach mit unbändiger Kraft aus ihm hervor. In einer ausweichenden Geste rieb er sich den Nacken. Dann betrachtete er die einsame Gestalt am Fenster näher, und sein Zorn wich einer ganzen Flut anderer Gefühle.

Emotionen, die er nicht fühlen wollte. Urtümliche Triebe, die seinen Glauben an Disziplin und Selbstkontrolle zu verhöhnen schienen.

Beinahe hätte Raul laut aufgelacht. Die Schwäche eines jeden Mannes war eine Frau.

Und die für ihn bestimmte Frau lag hier vor ihm, in diesem Bett.

Wenn es um Geschäfte ging, konnte er jede noch so problematische Verhandlung führen, ohne die Nerven zu verlieren, aber hier, mit ihr in einem Raum, brodelten seine Gefühle auf wie ein Hexenkessel und vernebelten all seine Gedanken.

„Faith.“ Seine kräftige Stimme hallte in dem kleinen Raum, und als Faith den Kopf zu ihm drehte, weiteten sich ihre grünen Augen in ungläubigem Schrecken.

„Nein!“, rief sie beinahe entsetzt aus. Das traf ihn wie ein Schlag in den Magen, noch viel schlimmer aber war der Anblick der Prellungen in ihrem Gesicht und an ihren Schultern.

„Was ist dir passiert?“ Zwei Wochen zuvor hatte auf ihren Lippen immer ein glückliches Lächeln gelegen. Das blonde Haar war in weichen Wellen über ihren Rücken gefallen. Jetzt war es kurz und unregelmäßig geschnitten, was ihre Augen viel größer und ihr Gesicht blass und verletzlich wirken ließ. Von ihrem frechen, neckenden Lächeln war keine Spur mehr zu sehen.

Er sah sofort, dass sie abgenommen hatte. Schlank und zierlich war sie schon immer gewesen, doch jetzt war sie unnatürlich dünn. Durch das kurz geschorene Haar wirkte ihr Gesicht beinahe entrückt.

Der Arzt räusperte sich. „Wir mussten ihr die Haare abschneiden, um die Verletzung behandeln zu können.“

„Dios mío, sie ist nur noch Haut und Knochen.“ Von unerwarteten Gefühlen überwältigt, richtete Raul seine ganze Wut gegen den Arzt. „Kriegen Ihre Patienten hier nichts zu essen?“

An derartig offene Angriffe nicht gewöhnt, fummelte der Arzt nervös an der Akte herum. „Faith hatte eine schwere Kopfverletzung“, rechtfertigte er sich. „Sie war eine Weile bewusstlos. Dafür hat sie sich wirklich bemerkenswert schnell erholt. Wir haben ihr das Leben gerettet.“

„Gut“, sagte Raul kalt. „Andernfalls wären Sie auch die längste Zeit Arzt gewesen. Woher hat sie diese Verletzungen?“

In der Hoffnung, die Situation etwas zu entschärfen, trat die Krankenschwester rasch vor. „Laut Zeugenaussage ist sie am Flughafen vor ein Auto gelaufen. Sie hat wohl nicht auf die Straße gesehen.“

Langsam ging Raul zum Bett hinüber. Als Faith ihm den Rücken zudrehte und sich unter die Decke verkroch, presste er die Lippen fest aufeinander. Diese simple Geste bedurfte keiner weiteren Worte, und plötzlich ergriff ihn ein ungewohntes Schuldgefühl, das er jedoch nur einen winzigen Augenblick zuließ. Für ihn gab es keinen Grund, sich schuldig zu fühlen.

Sie hatte ihnen beiden das angetan.

Er war von Anfang an offen und ehrlich gewesen. Sie hatte beschlossen, diese hinterhältigen Spielchen zu spielen. Und es wurde Zeit, dass sie das endlich zugab. „Sieh mich an!“

Als sie sich nicht bewegte, seufzte Raul gereizt. „Es bringt nichts, vor seinen Problemen wegzulaufen. Hast du auch nur eine Ahnung, was für Sorgen ich mir gemacht habe?“

Seit zwei Wochen brannte der Zorn unaufhörlich in ihm, und er hatte sich geschworen, wenn er Faith endlich fände, sie über seine Gefühle ganz bestimmt nicht im Dunklen zu lassen.

Zuerst dachte er, sie würde ihm gar nicht antworten, dann jedoch regte sie sich und setzte sich langsam im Bett auf.

Sämtliche Worte blieben ihm im Halse stecken.

So erschreckend zerbrechlich wirkte sie, dass er es nicht fertigbrachte, seine Wut an ihr auszulassen.

Stark und kraftvoll hatte er sie in Erinnerung. Jetzt schien nichts mehr von ihrer Energie übrig zu sein.

Die Träger des Krankenhaushemdchens hingen formlos von ihren schmalen Schultern, unter ihren Augen lagen dunkle Schatten, und ihre Arme waren mit Schrammen übersät.

Sie vermied es, ihn anzusehen, starrte nur vor sich hin. Das sonst so lebhafte Funkeln ihrer grünen Augen war gänzlich erloschen.

Sie wirkte wie eine gebrochene Frau.

Abgesehen von dem einen schmerzerfüllten Wort ‚Nein!‘ hatte sie bisher weder etwas gesagt, noch hatte sie ihn angesehen, seit er den Raum betreten hatte. Sie tat, als wäre er gar nicht da.

Bei dem Gedanken an das, was sie zerstört hatte, stieg seine Anspannung erneut.

Tat es ihr leid? Bedauerte sie, dass sie ihr Verhältnis zueinander ruiniert hatte?

In brütendem Schweigen betrachtete er ihr Profil. Bei jeder anderen Frau wäre er einfach gegangen und hätte es ihr überlassen, mit der Sache fertig zu werden, die sie selbst verschuldet hatte. Aber Faith war nicht jede andere Frau, und irgendetwas brachte ihn dazu, sich nicht von der Stelle zu rühren.

Wütend über seine offensichtliche Schwäche, wandte er sich erneut dem Arzt zu, der ihn beklommen musterte. „Was für Verletzungen hat sie?“

„Nun … äh …“ Der Arzt räusperte sich. „Angesichts der Schwere des Unfalls erholt sie sich überraschend schnell. Sie hat noch Kopfschmerzen und muss mit leichtem Schwindelgefühl rechnen, aber die Wunde selbst verheilt sehr gut. Da wäre nur noch die Sache mit ihrer Erinnerung. Wir wissen allerdings nicht genau, woher diese Amnesie kommt.“

„Sie hat keine Amnesie.“ Sie konnte sich an absolut alles, was zwischen ihnen vorgefallen war, erinnern, das hatte Raul gleich erkannt.

Der Arzt war verblüfft. „Aber – sie scheint nicht zu wissen, wer Sie sind.“

Wieder presste Raul die Lippen fest aufeinander. Er sah zu Faith hinüber, die noch immer stumm vor sich hinstarrte. „Oh, sie weiß es“, sagte er sanft. „Wenn ihr Erinnerungsvermögen gelitten hätte, würde sie mich nicht ignorieren. Sie würde sich furchtbar aufregen und wissen wollen, weshalb ich so lange gebraucht habe, um herzukommen. Aber sie weigert sich, mich anzusehen. Eben, weil ihr Gedächtnis vollkommen in Ordnung ist. Sie plagt sich nämlich mit ihrem schlechten Gewissen herum, nicht wahr Cariño?“

Bei diesem Wort drehte sie sich zu Raul um, sah ihm in die Augen und warf ihm, noch immer schweigend, einen Blick zu, der ihn auf direktem Wege zum Teufel schicken sollte.

Dann wandte Faith sich an die Krankenschwester. „Ich kenne diesen Mann nicht“, sagte sie erstaunlich ruhig. „Ich habe ihn noch nie zuvor gesehen, und ich mag ihn auch nicht. Es wäre nicht richtig, mich seiner Obhut zu überlassen.“

Raul lachte bitter auf. Er setzte sich auf die Bettkante und rückte dicht an Faith heran. „Sie haben gar keine andere Wahl, als dich mit mir gehen zu lassen. Ich bin dein einziger Angehöriger.“

Wieder räusperte sich der Arzt. „Sie müssen zugeben, dass ihr Gedächtnis einige Lücken aufweist, wenn es um Sie geht …“

„Wie ich herausfinden durfte, ist Faiths Gedächtnis sehr anpassungsfähig“, erwiderte Raul gedehnt. „Gelegentlich vergisst sie ziemlich wichtige Dinge. Eine Absprache zwischen zwei Menschen zum Beispiel.“ Seine Worte hatten den gewünschten Effekt, und Raul beobachtete mit gewisser Genugtuung, wie auch die letzte Farbe aus Faiths Gesicht wich.

„Wir hatten aber keine Absprache, und ich bin keiner deiner Geschäftspartner. Ich wünschte, ich hätte dich nie getroffen. Ich hasse dich, Raul, du bist zynisch, herzlos und unsensibel …“ Als sie abbrach, hüstelte der Arzt verlegen.

„Nun … wie es scheint, weiß sie zumindest Ihren Namen. Das ist gut so. Und … nun … etwas über ihre Person. Sie sagte uns, sie habe keine Familie.“

„Ich habe auch keine.“

Der Arzt sah zu ihr, dann zu Raul. „Also gut …“ Er hüstelte nervös. „Übernehmen Sie sie jetzt.“

„Was, das ist alles? Wollen Sie sich einfach so von ihm einschüchtern lassen?“ Faith funkelte den Arzt an und schnaufte empört, als der nicht reagierte. „Ihr habt alle kein Rückgrat. Ich versichere Ihnen, er gehört nicht zu meiner Familie. Wenn er der letzte Mann und ich die letzte Frau auf Erden wäre, würde die menschliche Rasse wohl oder übel aussterben.“ Nach dieser Kampfansage wandte sie sich Raul zu, und ihre wütenden Blicke bohrten sich ineinander.

Raul war erleichtert. Für einen Moment hatte er wirklich geglaubt, ihre Lethargie hätte etwas mit ihrer Kopfverletzung zu tun. Doch das gefährliche Blitzen in ihren Augen versicherte ihm, dass der Unfall keine dauerhaften Schäden verursacht hatte. Und trotz allem, was zwischen ihnen passiert war, spürte er, wie sein Körper auf sie reagierte.

Mit Leidenschaft. Heißer, glühender Leidenschaft.

Leidenschaft war ein beherrschender Teil ihrer Beziehung gewesen, von Anfang an.

Und genau das machte es so schwierig. Ihre verblüffend starke gegenseitige Anziehung hatte sie beide eine wichtige Tatsache übersehen lassen.

Dass wir niemals hätten zusammenkommen dürfen.

Sie hatten es beide gewusst, doch die Funken schlagende Chemie zwischen ihnen hatte sie aneinandergefesselt, obwohl der klare Verstand sie davon hätte abhalten sollen.

Er war der absolut Falsche für sie. Und sie die absolut Falsche für ihn. Nur geändert hatte dieses Wissen irgendwie nichts.

Da er merkte, dass der Arzt und die Schwestern noch immer nicht gegangen waren, stand er auf und sagte in bestimmtem Ton: „Sie hat eine Familie. Ich bin ihr Ehemann, und ich werde sie mitnehmen.“ Damit zog er sein Handy aus der Tasche.

„Oh, na super“, murmelte Faith. „Machen wir doch rasch eine weitere Million, wenn wir schon hier herumhängen.“