Just Love - Mia Lena Bestil - E-Book

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Mia Lena Bestil

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Beschreibung

Ich liebe meinen Ehemann. Mehr als ich mit Worten beschreiben kann. Das Leben, welches wir uns aufgebaut haben, macht mich glücklich. Warum also sehe den Mann mit den strahlend blauen Augen länger als nötig an, kann meinen Blick nicht losreißen? Immerzu kreuzen sich unsere Wege, bis wir dem Funken ein Ende setzen, beschließen Freunde zu sein. Dennoch schweifen meine Gedanken zu Victor. Öfter als es gut für mein Herz ist. Mein Leben. Meine Familie. Eine Entscheidung zwischen zwei Männer ist unmöglich. Meine Bitte an meinen Mann, Tom, geht weit über das Verzeihen hinaus. Victor macht uns vollständig, Tom. Kannst du es auch sehen?

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Widmung
Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Tom
Nina
Kapitel 19
Tom
Nina
Victor
Kapitel 20
Tom
Nina
Victor
Tom
Kapitel 21
Nina
Kapitel 22
Tom
Victor
Tom
Kapitel 23
Tom
Nina
Kapitel 24
Victor
Nina
Kapitel 25
Nina
Tom
Kapitel 26
Nina
Victor
Tom
Kapitel 27
Nina
EPILOG
Danke!
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von

 

Mia Lena Bestil

 

 

Mia Lena Bestil

Copyright © 2023 Mia Lena Bestil

Alle Rechte vorbehalten.

Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung von Mia Lena Bestil

Kontakt:

[email protected]

Vogelsangstr.17 / 8180 Bülach

Schweiz

 

Korrektur: Dominique Daniel

Bilder: Canva

 

Widmung

 

 

 

 

 

 

 

Dieses Buch ist für die Liebe.

Für die zarten Schmetterlinge im Bauch, die mit ihren Flügelschlägen alles zum Kribbeln bringen.

Für das Lächeln, das unsere Lippen einnimmt, während das Herz laut klopft.

Für jeden Herzschlag, der die Liebe durch unsere Körper pumpt.

Liebe ist bunt.

Liebe ist laut und leise.

Liebe ist ein Gefühl, das nur entsteht, wenn wir ihm Freiheit schenken.

 

Prolog

 

Es gibt diesen einen Moment im Leben, in dem man weiß:

Jetzt ändert sich alles oder nichts. Verpasst man die Chance, wird man es für immer bereuen.

Ich hatte diesen Moment. Vor dreizehn Jahren, als ich meinen Mann kennenlernte. Tom.

Und dann erlebte ich ihn ein zweites Mal.

Kapitel 1

 

 

 

Ein Arm umfasst meine Taille, zieht mich an einen warmen Körper. Kleine Küsse landen in meinem Nacken und entlocken mir ein wohliges Seufzen. Ich drehe mich in Toms Armen und werde von seinen strahlend grünen Iriden empfangen. Er ist ein atemberaubend schöner Mann, mit diesen ungewöhnlichen Augen, den goldenen Sprenkeln darin, die in der Sonne glitzern. Die blonden gelockten Haare und dieses Lächeln, das am Morgen sein zerknautschtes Gesicht zum Strahlen bringt.

»Guten Morgen«, flüstere ich ihm zu und lege meine Lippen auf seine. Ich will den Kuss vertiefen, doch er dreht seinen Kopf weg.

»Nicht … Isabell wird sicher gleich wach.«

Beleidigt ziehe ich eine Schnute. Und dann – wie sollte es auch anders sein – höre ich meine Tochter rufen. »Mama!« 

Tom wirft mir diesen »Ich hab’s dir doch gesagt«-Blick zu, den ich mit einem Schnaufen quittiere. 

Der Alltag geht los. Kind fertig machen für die Kita, Haushalt schmeißen und dem Mann zwischendurch einen Kuss auf die Lippen drücken. So turbulent der Start des Tages ist – ich liebe es! Isabell hüpft in ihrem Lieblingskleid durch die Wohnung, verteilt das Chaos durch alle Zimmer und singt dabei laut erfundene Lieder. Schon dreimal habe ich ihr zugerufen, dass es Zeit wird loszugehen. Wenn sie sonst alles hört – auf diesem Ohr ist sie taub. Nach zehn Minuten habe ich die Fünfjährige in eine blaue Jacke und grüne Schuhe gesteckt. Zusammen mit dem rosa Kleid und den rot gepunkteten Leggings sieht sie fantastisch aus. Die bunten Klamotten passen zu ihrem sonnigen Gemüt. 

Eine Gewitterwolke später – ein Trotzanfall, weil ich versehentlich das falsche Käppi für sie gegriffen habe – verabschiede ich meine Tochter am Zaun des Kindergartens. Den restlichen Weg läuft sie allein. Seit vier Wochen besteht sie darauf, weil sie nun »alt genug« sei, um ohne mich hineinzugehen. Nachdem sie hinter der verglasten Tür verschwunden ist, aktiviere ich meine In-Ear-Kopfhörer und starte meine Lieblingsplaylist auf dem Handy.

Direkt hinter der Kindertagesstätte beginne ich meine Joggingrunde. Durch die kleinen Querstraßen der Siedlung bis zu den Feldern hinter der Stadtgrenze laufe ich in gemütlichem Tempo. Erst als ich die weichen Feldwege unter meinen Füßen spüre, lege ich an Geschwindigkeit zu. 

Seit Isabell auf der Welt ist, gehe ich nicht mehr arbeiten. Die ersten Jahre war ich mit ihr zu Hause, bis sie vor zwei Jahren in den Kindergarten kam. Ich habe die Zeit wahnsinnig genossen. Meine Tochter aufwachsen zu sehen, wie sie begann zu krabbeln, laufen und klettern, die ersten Wörter und die vielen kleinen feuchten Küsse auf meinen Wangen haben meinen Alltag bereichert. Mittlerweile ist sie bis zum frühen Nachmittag in der Kita und ich habe Zeit. Zeit für mich. Joggen. Putzen. Einkaufen. Wäsche. Alles in meinem Tempo, mit der Musik, die ich gern höre. 

Gerade bin ich in Budapest mit Georg Ezra, dessen dunkles Timbre mich grinsen lässt.

»Hi, Nina!«, dumpf dringt die Stimme von Michael durch die Musik zu mir hindurch. Ich hebe eine Hand zum Gruß und wir laufen aneinander vorbei. Meist jogge ich die gleiche Strecke. Manchmal weite ich sie etwas aus oder nehme eine andere Abzweigung. Das Schöne daran ist, dass ich dadurch immer wieder dieselben Gesichter sehe. Man grüßt sich freundlich, hält vielleicht einen kleinen Plausch.

Der Gedanke, dass andere mein Leben als langweilig oder eintönig beschreiben, prallt an mir ab. Ich fühle mich wohl. Genieße es. Bin zufrieden damit.

 

Zu Hause ist es still. Der erste Weg führt mich zu der kleinen Bluetoothbox, die ich mit meinem Handy verbinde. Die Spice Girls begleiten mich bei der täglichen Haushaltsroutine. Lauthals singe ich mit. Mit dem Wissen, dass die schrullige Frau Fischer unter mir wahrscheinlich die Augen verdreht und sich furchtbar aufregt. Vielleicht singe ich aus diesem Grund extra schief. Wer weiß …

Als Nächstes gönne ich mir eine Dusche, doch bevor ich in die Nasszelle eintrete, fällt mein Blick in den Spiegel und landet auf meinem Po. Stirnrunzelnd sehe ich ihn an. Manchmal wäre es schön, wenn es etwas mehr wäre. Aber wer braucht einen »Bubble Butt«, wenn er auch einen einfachen Hintern haben kann? Ich bin fünfunddreißig, verdammt! Es muss nicht mehr alles sitzen wie bei einer Fünfundzwanzigjährigen. Und ganz ehrlich, der Rest ist nicht zu verachten. Kleine Brüste, unter denen noch kein Bleistift hält, flacher Bauch. Nussbraunes Haar und blaugraue Augen. Ich hätte es schlimmer treffen können. Da kann ich getrost auf den Hintern verzichten.

 

Am Nachmittag hole ich meine Tochter vom Kindergarten ab und erfülle ihren Wunsch, auf den Spielplatz zu gehen. Noch in der Garderobe der Kita tauscht sie ihr allerliebstes Glitzershirt gegen ein langweiliges T-Shirt, damit ihr wertvollster Besitz nicht dreckig wird.

Das mädchenhafte Äußere täuscht bei meinem kleinen Wirbelwind. Die engelhaften blonden Locken verleihen ihr eine kindliche Unschuld, die sie ohne Probleme aufgibt, sobald ihr etwas nicht passt. Sei es, wie heute Morgen, das falsche Käppi oder jemand nimmt ungefragt ihr Spielzeug. Die Kleine hat Feuer, welches sie gekonnt hinter einem strahlenden Lächeln versteckt.

Schon fünfzig Meter vor dem Spielplatz höre ich die ersten tobenden Kinder. Lachen, weinen, schimpfen – Geräusche die hierher passen wie das Blau in den Himmel. Ein Lächeln breitet sich über mein Gesicht aus, denn wenn man auf einen Spielplatz kommt, ist es, als würde man einen nicht geheimen Geheimclub betreten. Nur Eltern können die Blicke anderer Eltern deuten. Und dann gibt es dieses verständnisvolle Nicken, wenn eine verzweifelte Mutter versucht, das trotzende Kind aus der Pfütze zu ziehen und dabei die Augen verdreht. Man nickt, signalisiert damit Mitgefühl, Verständnis und sagt gleichzeitig, dass es okay ist, die Augen zu verdrehen. Natürlich mag man nicht alle Eltern. Wie könnte man auch? Es ist in Ordnung, wenn sich die Bioeltern zusammentun und über die Schokoladeneltern schimpfen. Ein Spielplatz ist ein eigenes Ökosystem. 

Isabell hüpft aufgeregt vor mir her. Singt erfundene Lieder und ich freue mich auf den Nachmittag, plane nebenbei das Abendessen und überlege, ob ich Tom anrufe und frage, ob er es heute pünktlich schafft oder ich das Essen ein wenig hinauszögern soll. Meine Gedanken werden von einem lauten Schrei unterbrochen.

Eilig renne ich zu Isabell, die auf dem Kies hingefallen ist. Eine kleine Schürfwunde am Knie. Doch das bisschen Blut reicht aus, damit meine Tochter Sirenenlautstärke erreicht. Ich wühle in meinem Rucksack nach der kleinen Pflastertasche, verteile dabei den halben Inhalt um mich herum. Fluche, bis sich eine Hand in mein Blickfeld schiebt.

»Hier. Man kann nie genug von den Dingern dabeihaben«, sagt eine dunkle Stimme. Eine Hand mit einem Pflaster darin schwebt vor meinem Gesicht. Erleichtert nehme ich das kleine Ding entgegen und klebe es auf das aufgeschürfte Knie. Komisch, was so ein Pflaster bewirken kann. Sieht das Kind das Blut nicht mehr, ist die Wunde vergessen, der Staub wird von der Kleidung geklopft und Isabell hüpft lächelnd davon. 

Suchend sehe ich mich nach dem Fremden um, damit ich mich bei ihm bedanken kann. Er sitzt mit einem kleinen Jungen auf einer Holzbank unter den Bäumen am Rand des Spielplatzes. Ich schaue kurz zu Isabell, die sich selig lächelnd durch den Sandkasten gräbt, und gehe zu den beiden. Der Junge schiebt sich gerade Schokolade in den Mund und sieht dabei strahlend auf das Stück, welches er noch in den Händen hält.

Als ich ankomme, springt er auf und rennt zu den Schaukeln. Mein Blick trifft den des Mannes und mir bleibt sämtliche Luft weg.

Da ist er wieder. Dieser eine Moment! Den, den man nur einmal im Leben hat und ich erlebe ihn zum zweiten Mal. Er durchzuckt mich, lässt mich erstarren und vergessen Luft zu holen. Ich kann es nicht erklären und Sinn ergibt es definitiv keinen. Nicht mal ein kleines bisschen.

Ich schaue in zwei türkisfarbene Augen, die mich neugierig mustern.

Hastig schüttle ich dieses unwirkliche Gefühl ab und räuspere mich.

»Hi, ich bin Nina. Sie haben mir den Nachmittag gerade wahnsinnig erleichtert. Vielen lieben Dank dafür!«, plappere ich drauflos und ernte ein Schulterzucken und gebrummte Worte.

»Ähm, klar.« Er schnappt sich seinen Rucksack und erhebt sich.

Ich lege meinen Kopf in den Nacken und sehe ihn an. 

Grundgütiger, ist der groß.

Man erkläre mich für verrückt, aber ich habe das Gefühl, dass sich genau jetzt etwas Entscheidendes in meiner Welt verändert. Etwas, das sich vor dreizehn Jahren schon einmal verändert hat.

Gott, Nina, du spinnst!, schallt mich mein Verstand.

Ja, ähm … danke?

»Brauchen Sie noch etwas?« Mit hochgezogener Augenbraue und leicht genervten Tonfall schaut er mich an.

Ich schüttle verwirrt den Kopf und will überallhin sehen, nur nicht in diese unwirklich wirkenden Iriden. Ich schaue mich suchend um und entdecke Isabell, die mit seinem Sohn bei dem kleinen Holzhäuschen spielt. Seufzend setze ich mich gleichzeitig mit ihm in Bewegung, wieder trifft mich sein durchdringender Blick.

»Meine Tochter spielt mit Ihrem Sohn in dem Häuschen«, erkläre ich ihm etwas trotzig und stapfe voraus.

Was ist sein Problem?

Isabell steht an dem kleinen Fensterchen des Holzhauses und legt Kieselsteine auf die Fensterbank.

»Kaffee und Kuchen für dich«, behauptet sie grinsend. Genüsslich »esse« ich den Kuchen und »trinke« den Kaffee, schaue mich dabei um und bleibe bei dem Vater-Sohn-Gespann hängen, das mittlerweile im Sand sitzt und eine Burg baut. Unwillkürlich muss ich grinsen, was sofort zusammenfällt, als er mit ausdrucksloser Miene zu mir sieht. Schnell wende ich mich wieder Isabell, alias »Die süßeste Barista im Umkreis von mindestens fünf Kilometern« zu.

 

Zu Hause darf Isabell noch etwas fernsehen, bis ich das Abendessen vorbereitet habe. Als Tom nach Hause kommt, haucht er mir einen flüchtigen Kuss auf die Lippen, bevor er im Schlafzimmer verschwindet, um den Anzug auszuziehen und gegen gemütlichere Klamotten zu tauschen.

Als ich zum Essen rufe, protestiert Isabell. Tom ist genervt von dem lauten Gezeter. Seine Zündschnur ist heute besonders kurz. Ein mieser und zu langer Tag im Büro, wie so oft in der letzten Zeit.

»Isabell, wenn du nicht sofort aufhörst, hier so ein Theater zu machen, dann gibt es die ganze Woche kein Fernsehen mehr!«, ruft er. Isabell hört auf zu weinen und geht schlurfenden Schrittes zum Tisch. Trotzig setzt sie sich auf ihren Stuhl.

Ich versuche meinen müden Mann in ein Gespräch zu verwickeln. Einsilbige Antworten und ein genervtes Augenrollen, als ich mehr wissen möchte, vermiesen mir die Lust an dem Thema. Ich wende mich der fortwährend schmollenden Isabell zu, die sich freut, als ich sie nach ihrem Tag frage.

Munter plaudert sie von allerhand Basteleien und zum Schluss zeigt sie ihrem Papa das Pflaster an ihrem Knie. Sie erzählt dabei von ihrem spektakulären Unfall, als wäre sie Protagonistin bei »Alarm für Cobra 11« gewesen. Ich muss bei ihren ausladenden Erzählungen lachen.

Tom hört ihr mit einem Schmunzeln auf den Lippen zu.

»Und woher hast du dieses überaus tolle T-Rex-Pflaster?«, fragt er interessiert, als er ihr Knie inspiziert.

»Da hat mir ein anderer Vater ausgeholfen. Ich habe unsere nicht gleich gefunden. Du weißt ja, großer Rucksack, kleine Pflaster.« Isabell nickt zustimmend, während Tom zu lachen beginnt.

»Du und diese Taschen und das stetige Chaos darin«, feixt er.

 

Es ist kurz vor 22:00 Uhr. Frisch geduscht und nur in einem Handtuch eingewickelt, setze ich mich zu Tom auf die Couch. Fragend sieht er zu mir.

»Es ist verdammt warm heute«, erkläre ich und hoffe, dass mein Mann mir mehr Aufmerksamkeit schenkt, als bei einem muffligen Gespräch über seinen Arbeitsalltag. Doch dieser schaut wieder auf den Fernseher. So leicht gebe ich nicht auf! Ich löse den Knoten des Handtuchs und ziehe es von meinem Körper. Tom sieht kurz zu mir, grinst und wendet sich wieder zum TV. Blödmann. Dann halt die Offensive. 

Meine Hand streicht über seinen Oberschenkel und versenkt sich in seinen Shorts. Ein dunkles Grollen schwappt über seine Lippen. Er greift nach meiner Hand und schiebt sie zu seiner Härte. Ich streife seine seidige Eichel, verteile dabei die ersten Tropfen seiner Lust. Toms funkelnde Augen treffen meine, entlocken mir ein freches Grinsen, das er mit einem Kuss bedeckt. Fordernd erobert seine Zunge meinen Mund, verlässt ihn wieder und leckt über die empfindliche Haut meines Halses.

Lustvoll zieht sich mein Unterleib zusammen. Zärtlich knabbert er an meinem Schlüsselbein, wandert weiter, küsst gierig meine Brüste und saugt an meinen Nippeln. Ein Seufzen rutscht mir über die Lippen. Tom lässt von mir ab, zieht mich in den Stand, hebt mich an und bringt mich ins Schlafzimmer. Ich lande lachend auf dem Bett. Schnell reißt er sich die Klamotten vom Leib, lässt mich dabei nicht aus den Augen. Nachdem er fertig ist, schiebt er sich geschmeidig über mich und versenkt sich in meiner feuchten Mitte, die in Flammen aufgeht, je weiter er sich in mich drückt. Das Gefühl, von ihm ausgefüllt zu werden, macht mich wahnsinnig. Behäbig lässt er seine Hüfte kreisen, doch ich will mehr. Ich stemme mich gegen seine Brust, dirigiere ihn rückwärts, bis er unter mir liegt. Langsam lasse ich mich auf ihn sinken, nehme ihn stöhnend in mir auf, verweile einen Moment und genieße das Gefühl der Dehnung. 

Nun ist es Tom, der seine Geduld verliert. Er packt meinen Hintern und hebt mich ein Stück an. Kraftvoll stößt er von unten in mich. Ich spüre das glühende Kribbeln, welches schleichend meinen Unterleib erobert. Ich weiß, dass es nicht genug sein wird, bevor er zum Höhepunkt kommt. Kann die Zuckungen seines Schwanzes bereits spüren. Eine meiner Hände liegt auf seinem Oberschenkel, schafft damit einen Winkel, der alles in mir berührt. Die andere Hand findet meine Perle, über die ich hart reibe. Mein Orgasmus stürmt auf mich zu, reißt mich mit. Zwei Stöße später kommt auch Tom. Ein raues Stöhnen schwappt über seine Lippen. Er hält meine Hüfte so fest, dass das Verlangen nach mehr in mir aufflammt.

Zärtlich haucht er mir einen Kuss auf den Mund und sinkt dann zurück auf die Matratze, schließt die Lider, streicht dabei sanft über meine Oberschenkel.

Nicht genug, vermeldet meine Libido. Ich ignoriere sie und erhebe mich. Mit einem wohligen Seufzen kuschle ich mich an seine Brust, genieße die Wärme und Geborgenheit, die von ihm ausgeht. Während mein Körper ruhiger wird, nehmen meine Gedanken Fahrt auf.

»Ich vermisse dich«, sage ich schneller, als ich darüber nachdenken konnte. 

Tom richtet sich auf. »Wie meinst du das?« 

Ich setze mich ihm gegenüber, mustere ihn, versuche seine Stimmung zu deuten.

Jetzt oder nie!

»Du kommst jeden Abend nach Hause, aber bei mir bist du trotzdem nicht.« Kurz huscht mein Blick über sein Gesicht. Mit gerunzelter Stirn sieht er mich an. Schnell starre ich auf mein Kopfkissen. Zupfe an der Ecke und spreche weiter. »Ist dir bewusst, wann wir das letzte Mal Sex hatten?«

Er räuspert sich verlegen. »Ich habe gar nicht bemerkt, dass unser Sexleben eingeschlafen ist«, sagt er stockend. Eigentlich hätte er es wissen können, ärgere ich mich und habe dabei die vielen Versuche meinerseits im Gedächtnis, wenn ich ihn zum Sex bewegen wollte. 

»Meist bist du am Abend zu müde oder der Tag war zu lang und anstrengend.« Abwartend schaue ich ihn an.

»Ich gelobe Besserung«, sagt er mit überkreuzten Fingern und seinem unwiderstehlichen Lächeln. Zärtlich tupft er mir einen Kuss auf die Stirn.

»Das ist es nicht, Tom.«

»Wie bitte?« Langsam klingt er genervt.

»Es geht mir nicht nur um den Sex. Ja, häufiger wäre traumhaft. Doch das allein macht keinen guten Sex aus.«

»Nina, was willst du mir sagen?« Unsicherheit blitzt in seinen grünen Iriden auf, die mich forschend mustern.

»Mir fehlt die Leidenschaft.«

»Und das eben war kein leidenschaftlicher Sex?« Er steckt in einem Wechselbad der Gefühle, die gut in seiner Mimik zu erkennen sind. Von unsicher, zu genervt, zu ängstlich und nun zu Unverständnis.

»Doch. Na ja … Es …« Mist! Wir sind seit Jahren zusammen und ich kann es nicht aussprechen. Wieso? Immer nervöser zupfe ich an der Kissenecke. Sehe abwechselnd zu meinem Mann und dann wieder auf meine Finger.

»Nina?«

»Wie wäre es, wenn wir mal etwas Neues ausprobieren?«

Nun wandern seine Augenbrauen in den Haaransatz. »Und das wäre?«

»Spielzeug?«

»Hä?«

Mann, Nina, rück jetzt raus mit der Sprache!

»Sextoys.«

»Aha.« Ausdruckslos starrt er mich an. »Weil ich es nicht mehr bringe oder was?«

O Gott, wie schief kann ein Gespräch bitte laufen?

»Na doch.«

»Dann verstehe ich dein Problem nicht.« Ich kenne diese grollende Tonlage … Resigniert lasse ich den Kopf zwischen meinen Schultern hängen, atme geräuschvoll aus, bevor ich mich dem grünen Sturm in seinen Augen stelle.

»Nicht dass es mir nicht gefallen hätte, aber unser Sex eben ging wie lang?« Überfordert starrt er mich an. »Vielleicht fünf Minuten?« Ich kann genau beobachten, wie er beginnt zu verstehen. »Ich habe nichts gegen einen Quickie einzuwenden, doch das ist, was unser Sexleben am ehesten beschreibt. Ein Quickie zwischendurch. Und ganz ehrlich, Tom, hätte ich nicht Hand an mich gelegt, wärst du der Einzige, der heute einen Orgasmus erlebt hätte.« So viel Wahrheit tut nicht nur gut. Sie brennt sich gerade mit einem schlechten Gewissen durch meine Venen.

»Das … Es … Nina …«

Ich nehme sein hübsches Gesicht in meine Hände, fahre über seine glatt rasierten Wangen und die Unterlippe. »Es tut mir leid, ich wollte dich damit nicht überrumpeln.«

»Wie lange brodelt das schon in dir?«

Puh. Ich glaube, für diesen Abend ist die Wahrheit aufgebraucht. Mies. Ich weiß.

»Ein paar Wochen vielleicht.«

Vier Jahre mindestens.

O Gott, Nina, du feiges Huhn! Jetzt wäre die Gelegenheit gewesen!, nörgelt meine Libido lautstark. Ich strecke ihr den Mittelfinger entgegen und entschuldige mich mit der Liebe, die mir dieser Mann unermüdlich entgegenbringt. Da kommt es auf ein paar Wochen mehr oder weniger auch nicht an.

Jahre, Nina! Jahre!

Ruhe jetzt!

»Öfter. Länger. Leidenschaftlicher«, fasst Tom meine Aussagen zusammen. »Okay. Ich werde mir Mühe geben, versprochen!« In seinen entschuldigenden Blick schleicht sich etwas, das ich nicht definieren kann. »Aber bitte keine Sexspielzeugchen. Das ist nichts für mich.« 

Aha. Es ist also Abneigung. Gegen etwas, das er noch nie probiert hat.

Später, beruhige ich mein Lustzentrum, das mit verschränkten Armen und kopfschüttelnd in der Ecke steht. Während ich einen stummen Streit mit mir selbst führe, legt sich Tom hin, zieht mich in seine Arme und bettet mich vor sich. Sein nackter, warmer Körper schmiegt sich an meinen Rücken. Geborgenheit macht sich in mir breit, sperrt alle anderen Gedanken aus und lässt mich langsam einschlafen.

Kapitel 2

 

 

 

Bei mehr als 30 Grad gibt es nur eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung: Freibad!

Isabell quietscht vor Freude, als ich sie nach dem Mittagessen aus dem Kindergarten abhole. Schon in der Garderobe tauscht sie ihre Kleidung gegen den Badeanzug. Ich kann sie nicht dazu überreden, wenigstens die Hose anzuziehen.

»Das ist doch Quatsch, Mama, ich muss sie eh gleich wieder ausziehen«, sagt sie im besten Klugscheißermodus, den eine Fünfjährige hinbekommt. Noch mehr freut sich meine Kleine, als sie ihr Fahrrad vor dem Gartenzaun entdeckt.

Aufgeregt hopst sie zu dem grasgrünen Gefährt, zieht sich den gelben Helm an und sieht abwartend zu mir.

»Komm schon, Mami!«, drängelt sie. Mit einem Lächeln auf den Lippen fahren wir zum Freibad. 

 

Wir bekommen ein schattiges Plätzchen unter einer Linde. Eine große Decke und zwei Handtücher markieren unser Revier. Isabell nörgelt, weil ich sie großzügig mit Sonnencreme einschmiere.

»Was habt ihr heute gemacht?«, frage ich zur Ablenkung und bin glücklich, da es funktioniert. Mit leuchtenden Augen erzählt sie mir von ihrem Tag. Im Frühling haben sie ein kleines Projekt begonnen. Im Garten der Kita haben sie Sonnenblumen angepflanzt.

»Stell dir vor, Mama, die Sonnenblumen sind größer als ich! Und bestimmt bald größer als du«, erzählt sie voller Stolz.

»Natürlich sind sie das, Püppi. Irgendwann wirst du vielleicht auch mal größer sein als ich.«

»Das glaube ich nicht, Mama. Papa sagt immer, dass du die Größte bist.«

Ich bekomme beinahe einen Zuckerschock bei der niedlichen Aussage. Ich seufze verzückt auf und schicke meinem Mann gedanklich einen Kuss.

»Wann sind wir fertig?«, quengelt Isabell. Schnell creme ich noch ihre Beine ein und entlasse sie dann mit einem Kuss. Mit hüpfenden Schritten rennt sie zum Wasser. Das Kinderbecken ist in Sichtweite. Isabell lässt sich kunstvoll mit einer niedlichen Arschbombe in das Becken fallen. Taucht immer wieder unter und holt dann wie ein japsender Hund Luft. »Wie lange war ich unter Wasser?«, ruft sie mir zu.

»Fünfzehn Sekunden.« Oder so … Ich zeige den Daumen nach oben, als sie das nächste Mal auftaucht. »Das war viel länger«, behaupte ich. Begeistert klatscht sie in die Hände und dann verschwindet ihr Kopf wieder unter Wasser. Während ich sie beobachte, werde ich von Erinnerungen aus meiner Kindheit überflutet.

Ich habe mir immer eine Tochter gewünscht, mit der ich über all den Glitzer-Einhorn-Kram reden kann, den ich schon als Kind geliebt habe. Seit jeher habe ich eine ausgeprägte Fantasie und konnte Stunden im Garten meiner Eltern verbringen, um mit meinen beiden Schwestern selbst ausgedachte Geschichten nachzustellen, ähnlich wie Isabell in diesem Moment, die aussieht, als wäre sie Arielle höchstpersönlich. Mein Vater ist manchmal verzweifelt an den Pailletten, Röckchen und dem unzähligen Mädchenkram, der quer durch die ganze Wohnung flog. Papa … Kurz bleibt mir die Luft weg. Ich vermisse ihn unglaublich. Zu schmerzlich ist die Erinnerung an seinen Tod im vergangenen Jahr. Ich vermisse ihn jeden Tag … 

»Wann kommt Nino?«, ruft Isabell mir zu. Ein Blick auf die Handyuhr verrät, dass meine beste Freundin jeden Moment auftauchen sollte.

»Gleich.« Ich sehe zum Eingang und schnappe gleichzeitig nach Luft. Da steht ER. Seine Augen auf mich gerichtet. Warum auch immer … Ich hebe die Hand zum Gruß und lege ein Lächeln auf die Lippen. Zurück bekomme ich ein Kopfschütteln und dann wendet er sich ab. 

Was zur Hölle stimmt nicht mit ihm?

Zusammen mit seinem Sohn geht er zum anderen Ende des Freibades. Deutlicher kann die Botschaft nicht sein.

»Hi, Süße!« Sabrina kommt mit Nino auf mich zu und schiebt sich damit in mein Blickfeld. Freudig stehe ich auf und umarme sie. Nino ist binnen weniger Sekunden in seinen Badeshorts und stürmt, trotz Sabrinas Proteste, zum Kinderbecken. Stöhnend lässt sie sich neben mich fallen.

»Dann halt nicht eincremen«, murmelt sie entnervt. »Warum hat man uns nicht gesagt, dass Kinder so anstrengend sind?«

»Ich denke durchaus, dass man uns das gesagt hat, doch bei all den Fortpflanzungshormonen überhört man das leicht«, antworte ich ihr lachend. Sabrina stimmt mit ein und lässt sich dann rückwärts auf die Decke sinken.

»Du zuerst oder ich?«, fragt sie und fährt sich dabei durch ihre dunklen Haare. 

»Du kannst dich ruhig zuerst umziehen gehen, aber sei so lieb und bring auf dem Rückweg einen Kaffee für mich mit.« Ich schaue meine Freundin mit einem liebevollen Lächeln an. Sie schmunzelt und geht mit ihren Badesachen zur Umkleidekabine.

Kaum ist Sabrina außer Sichtweite, ziehe ich mein leichtes Sommerkleid über den Kopf und setze mich so auf die Decke, dass ich die Kinder beobachten kann. Die beiden toben quer durch das Becken und liefern sich eine wilde Wasserschlacht. Isabell konnte noch nie still sitzen. Schon als Baby musste immer etwas um sie herum geschehen. 

In Nino hat sie ihren besten Freund gefunden. Meist spielen die beiden friedlich miteinander, dennoch können sie auch wie Feuer und Eis sein. Ist der Streit ausgefochten, lieben sich die beiden wieder heiß und innig.

Sabrina kommt mit zwei Bechern Kaffee zurück. Mit zusammengekniffenen Augen mustert sie mich.

»Du hast mich reingelegt. Du wolltest einfach einen Kaffee spendiert haben«, sagt sie und streckt mir anschließend die Zunge heraus.

»Den nächsten Kaffee gebe ich aus, versprochen!«, besänftige ich sie und schicke ihr einen Luftkuss. Das warme aromatische Getränk entlockt mir ein Seufzen. Nie könnte ich ohne Kaffee leben! 

Wir beobachten die Kinder beim Spielen und kommen bald ins Schwelgen über die »guten alten Zeiten«. Gott, wir werden schrullig. Fehlt nur noch, dass wir uns wegen der Jugend von heutzutage aufregen. Sabrina wiegelt diesen Gedanken ab und meint, dass wir so alt nun auch noch nicht seien. Zwei Sätze später beschwert sie sich über eine Gruppe Jugendliche, die sich wie Kleinkinder eine Sandschlacht liefern. Ich lache mich schlapp wegen ihrer wilden Gesten und den vielen Flüchen, die sie dabei ausstößt. Nachdem sie gedanklich wieder bei mir ist, finden wir zu dem eigentlichen Thema zurück.

»Weißt du noch, als die Zwerge in unseren Bäuchen waren und wir uns versucht haben vorzustellen, wie es wohl sein wird, wenn sie ein, zwei, drei oder vier Jahre alt sind?«, fragt Sabrina mich mit einem leichten Lächeln und funkelnden Augen.

»Als ob ich das vergessen könnte! Doch Vorstellung und Realität sind ganz klar zwei unterschiedliche Paar Schuhe«, antworte ich wahrheitshalber.

So oft haben wir uns vorgestellt, wie wir mit den Kindern in einem Café sitzen. Die Kleinen liegen friedlich schlafend in ihren Kinderwagen, während wir uns gegenseitig erzählen, wie toll das Leben mit Baby ist. Nie hätten wir uns jemals ausgemalt, dass wir aus einem Café geworfen werden könnten, weil eines der Babys weint. Dass wir beschimpft werden, weil wir auf einer Parkbank unsere Babys stillen. Uns war auch nicht bewusst, wie sehr man so einen kleinen Menschen lieben kann. Wie glücklich es einen macht, wenn das Menschlein das erste Mal lächelt oder einfach vor sich hin brabbelt. So ein Kind ist das schönste und herausforderndste Geschenk, das man bekommen kann. Es ist ein Auf und Ab der Gefühle, welches wahrscheinlich nur Eltern kennen.

Kurz darauf kommen zwei quengelnde Kinder zu uns, die unglaublichen Hunger haben, der nur durch Eis gestillt werden kann. Wir schälen sie aus den nassen Badeklamotten und Sabrina geht mit den beiden zum Kiosk. 

Ich darf in der Zeit in Ruhe ein paar Bahnen schwimmen. Später werde ich mich bei Sabrina revanchieren und mit den beiden in den Sandkasten gehen, sodass sie einen Moment für sich hat.

Ohne Überwindung oder das lästige Abduschen mit dem eiskalten Wasser springe ich ins Becken. Sofort werde ich von dem kühlen Element erfasst, mein Puls wird ruhiger und die Gedanken verstummen.

Nach ein paar Runden ergibt der Punkt, auf den ich immer wieder starre, plötzlich Sinn. Der Vater vom Spielplatz sitzt mit seinem Sohn und einer Frau etwas abseits vom Becken. Sie scheinen ein Streitgespräch zu führen. Er sieht sie streng an, während sie eine Schnute zieht und sich erhebt. Mir bleibt glatt die Luft weg, als sie sich auf das Schwimmbecken zubewegt. Ein wohlgeformter Körper im Spitzenbikini schwebt über den Steinboden. Mindestens die Hälfte aller Männer dreht sich nach der blonden Frau mit dem üppigen Busen um. Selbst ich bin gebannt von den grazilen Bewegungen dieser Frau. Mit einem eleganten Köpper taucht sie ins Wasser. Erst jetzt bemerke ich, dass ich nicht weitergeschwommen bin. Die ältere Dame, mit der ich mir eine Bahn teile, zieht maulend an mir vorbei.

Ich schwimme bis zum Ende und schaue mich nach der Blonden um. Zu spät bemerke ich, dass sie direkt auf mich zuschwimmt und mich prüfend mustert.

Ich fühle mich unwohl unter ihrem Blick. Er wirkt gehässig und genau dieses Gefühl wird mir wenige Sekunden später bestätigt.

»Du hast wohl das wasserfeste Make-up vergessen?«, gibt sie mir in einem herabwürdigenden Ton von sich. Keine Ahnung, was ihr einfällt, mir das entgegenzuschleudern. Am liebsten würde ich ihr ebenfalls irgendeine Gehässigkeit an den Kopf werfen, nur fällt mir beim besten Willen keine ein. Sie schenkt mir ein höhnisches Lächeln und dreht ab.

Mit fahrigen Bewegungen wische ich mir durchs Gesicht und versuche die Reste der Wimperntusche zu entfernen. Mit einem Seufzen gebe ich auf, schwimme zum Ende der Bahn und steige über die Metallleiter aus dem Becken.

Ich hasse den gelb gefliesten Sanitärbereich. Der ständig feuchte Boden und das immerzu fehlende Klopapier sind zwei Gründe, warum ich es vermeide unterwegs die Toilette aufzusuchen. Dieses Mal wurmt mich jedoch die Aussage der blond-blöden Kuh. In der dritten Toilettenkabine finde ich endlich ein paar Fetzen Klopapier, entferne das verschmierte Schwarz unter meinen Augen und verfluche mich dabei, dass ich vergessen habe, mich zu Hause abzuschminken.

Sobald ich es geschafft habe, nicht mehr wie ein Waschbär auszusehen, gehe ich auf den glitschigen Fliesen nach draußen. Kurz vor dem Ausgang rutsche ich aus. In dem Wissen, gleich den harten Boden mit meinem Hintern zu küssen, kneife ich meine Augen fest zusammen. Statt auf die nassen Fliesen zu prallen, schlingen sich zwei Arme um meine Taille und verhindern damit den Sturz. Blinzelnd hebe ich meine Lider und starre in zwei türkisfarbene Augen, die mich intensiv mustern. Der Moment verstreicht und ein zweiter hängt sich hinten dran. Ich schaffe es nicht, mich von ihm zu lösen. Viel zu sehr bin ich damit beschäftigt, nicht in den meerblauen Iriden dieses Mannes zu ertrinken. 

»Das Talent zum Fallen muss deine Tochter wohl von dir haben.« Seine raue Stimme bewirkt, dass mein Gehirn sämtliche Funktionen einstellt. Kühle erfasst mich, an der Stelle, an der eben noch seine Hände lagen.

»Ähm, also dann, einen schönen Tag«, sagt er stotternd und macht Anstalten zu gehen.

Ich erwache gerade rechtzeitig aus meiner Bewegungslosigkeit, bevor er in der Herrentoilette verschwindet.

»Du hast mir jetzt schon zum zweiten Mal geholfen. Ich denke, es wird Zeit, dass ich weiß, wie du heißt. Damit ich beim nächsten Mal weiß, wem ich danken muss.«

Okay, die Erklärung hinkt, doch mir fällt absolut nichts Schlaueres ein, um seinen Namen zu erfahren. Er wirkt verdutzt, lässt seinen Blick über meinen Körper schweifen, was mich unglaublich nervös macht. Unruhig bewege ich mich von einem Bein auf das andere, während meine innerliche Spannung steigt. Ich kann ihn nicht einschätzen. 

»Victor«, sagt er knapp und lässt mich stehen. Ich sehe ihn einen Moment nach, habe keine Ahnung, was ich von ihm halten soll.

DIESEN einen Moment musst du dir eingebildet haben! 

Wahrscheinlich schon … Aber …

Nichts aber! Er ist ein gut aussehender, eigenartiger Typ und fertig.

Kopfschüttelnd verlasse ich die sanitären Anlagen. Gespräche mit mir selbst sind kein gutes Zeichen. Vor allem, wenn es dabei um einen fremden Mann geht. Frustriert reibe ich mir übers Gesicht und laufe über die weiche Wiese zu unserem Platz.

Auf der Decke sitzen zwei eisleckende Kinder und eine neugierige Sabrina. Sie sieht mich mit zusammengezogenen Augenbrauen an und nickt in Richtung der Toiletten.

»Wer war das?«, fragt sie grinsend. 

»Das ist Victor. Er hat mir und Isabell vor ein paar Tagen mit einem Pflaster ausgeholfen und eben hat er mich aufgefangen, weil ich ausgerutscht bin«, erkläre ich möglichst nüchtern.

»Also, wenn so ein heißer Kerl mich auffangen würde, würde ich auch öfter mal ausrutschen«, flüstert Sabrina mir zu, ohne dass die Kinder etwas hören. Doch Kinder hören immer genau das, was sie nicht hören sollten, und so stellt Nino die unschuldige Frage: »Warum ist der Mann heiß, Mama? Hat der etwa Fieber?«

Sabrina prustet los, während meine Wangen Feuer fangen. Eine Erklärung ist zum Glück nicht notwendig. Das tropfende Eis verlangt wieder nach seiner Aufmerksamkeit und lässt ihn die Frage vergessen.

Der Nachmittag verläuft ohne unwirklich funkelnde Iriden, die zu einem großen Mann namens Victor gehören. 

Kapitel 3

 

 

 

Am Samstagmittag packe ich mit Isabell alles, was man für einen Nachmittag am Fluss gebrauchen kann. Schwimmring, Sonnencreme, Handtücher, eine Decke, Meerjungfrauenbarbie und alles, was nur im Entferntesten mit Wasser zu tun hat, findet den Weg in eine große, bunte Strandtasche. Tom schaut uns belustigt zu, selbst wenn er weiß, dass er der Packesel sein wird, der den Kram nachher zum Strand trägt.

Ganz zu seinem Unglück findet er keinen Parkplatz mehr in der Nähe und muss den halben Hausrat den langen Weg zum Fluss tragen. Vor Ort sind schon Sabrina, Jakob und Nino. Außerdem grinsen uns Martina und die Zwillinge Lara und Liam entgegen.

Sebastian, Martinas Noch-Mann, ist nicht mehr dabei. Für Tom tut es mir leid. Die beiden mussten nicht viel reden, um sich zu verstehen. Aber Sebastian hat sich, zu unser aller Überraschung, dazu entschieden, seine Frau während der Schwangerschaft zu verlassen. Dies hat ihn für immer und ewig aus der Gruppe verbannt. Seine Begründung, dass er sich selbst finden müsse, hat ihn weit ins Abseits geschossen.

Ich bewundere Martina. Manchmal fühle ich mich schon mit einem Kind total überfordert. Wie ist das wohl erst als alleinerziehende Mutter mit zwei Kindern?

 

Alle Utensilien, inklusive Windrad, auf das Isabell bestand, sind ausgepackt und in einem Umkreis von fünf Metern verteilt. Zusammen stürmen wir ins Wasser. Die Stelle am Fluss ist nicht tief und hat kaum Strömung. Die Kinder jagen mit Keschern kleinen Fischen nach, während wir beobachtend im seichten Wasser sitzen. Es dauert nicht lange und es werden die ersten wunderschönen und nie gesehenen Steine gefunden und uns stolz präsentiert.

Schon bald entbrennt ein Wettbewerb, wer den größten Stein findet und zu uns schleppen kann. Die Zwerge entwickeln ungeahnte Kräfte und tragen Stein um Stein.

»Wie geht es dir, Martina?« Ich sehe nur den Hinterkopf mit den blonden, langen Haaren, da sie einen Stein von Liam interessiert begutachtet.

»Es geht mir gut, aber ein bisschen mehr Schlaf wäre schön oder einfach mal wieder ein anständiger … – Superschöner Stein, Liam, holst du mir noch einen?« Einen Moment sieht sie ihrem Sohn nach und dann wendet sie sich mit einem schiefen Grinsen zu mir und beendet ihren Satz. »… Kerl, der mich ordentlich durchnimmt.«

Ich blinzle mehrfach, starre sie fassungslos an. Jakob und Tom wenden schnell ihre Köpfe ab und räuspern sich auffallend.

»Mensch, Martina, du und deine dreckige Zunge! Wenn die Kinder dich hören!« Sabrina sieht sie mit halbgespielter Strenge an.

»Ja, was denn? Mich gibt es nur mit Kindern, kein Babysitter wird von den beiden akzeptiert. Leider …«

Da Martina alleinerziehend ist, fehlt ihr an einigen Stellen Geld. Sie achtet auf ihre Ausgaben und spart, um den Kindern schöne Geburtstage zu ermöglichen oder Ausflüge mit ihnen machen zu können. Sebastian schickt Karten aus aller Welt und den gesetzlich festgelegten Unterhalt. Er ist auf Weltreise und hat sich bisher noch nicht gefunden. Martina würde es besser finden, wenn er sich über die Rolle als Vater definiert hätte, statt sich auf die Suche nach seinem Seelenfrieden oder so einem esoterischen Mist zu machen.

Ich sehe zu Tom und Jakob, die überinteressiert die gebrachten Steine betrachten, und erlöse sie von ihrem offensichtlichen Leid. »Wärt ihr so lieb, uns einen Kaffee zu besorgen?«

Beide Männer marschieren geradezu euphorisch aus dem Wasser und machen sich auf den Weg zum Kiosk.

»Mädels, schaut euch dieses Schmuckstück eines Mannes da drüben an!« Martina leckt sich genüsslich über ihre Lippen.

Ich folge ihrem Blick und möchte am liebsten im Boden versinken. Sie zieht Victor mit den Augen die blauen Badeshorts und das weiße Shirt aus. Warum zur Hölle, ist er überall da, wo ich auch bin? Ich könnte schwören, dass ich ihn vor dem Nachmittag auf dem Spielplatz niemals zuvor begegnet bin. Warum jetzt? Oder fällt er mir seither einfach häufiger auf?

»O Mann, Martina, du hast es echt mal wieder nötig!«, prustet Sabrina. »Das ist Victor«, fügt sie vielsagend hinzu und schaut zu mir. »Du kannst ja mal Nina fragen, wie es sich anfühlt, von diesen starken Armen gehalten zu werden.« Dabei umschlingt sie sich selbst mit ihren Armen und gibt einen gespielten Seufzer von sich.

Ich möchte ein Loch im Boden. Bitte. Sofort! Martina sieht mich mit gekräuselten Augenbrauen an. »Wie kommst du dazu, so einen heißen Kerl körperlich so nahe zu kommen?«

»Ich glaube, Sabrina hat etwas falsch verstanden.«

»Ist das so?«, fragt diese und sieht mich herausfordernd an.

»Ach, das ist eine blöde Geschichte. Ich bin ausgerutscht und er hat mich aufgefangen. Ende der Story«, versuche ich die Situation herunterzuspielen. Die türkisfarbenen Augen, die mich so durchdringend angeschaut haben, lasse ich in meiner Version lieber aus.

»Uiuiui«, entfährt es Sabrina.

Gebannt beobachten wir, wie Victor sich das Shirt über den Kopf zieht. Mir bleibt augenblicklich die Luft weg. Gott sei Dank ist mir das nicht im Schwimmbad aufgefallen. Es hat schon gereicht, dass seine Augen einen verbalen Aussetzer bei mir verursacht haben. Ich möchte mir nicht ausmalen, was passiert wäre, wenn ich seinen Köper genauer betrachtet hätte. So wie jetzt.

Er hat ein schmales Becken, eine muskulöse Brust und ebenso definierte Arme. Und, um dem Ganzen ein Sahnehäubchen aufzusetzen, ist fast sein gesamter Oberkörper mit Tattoos verziert. Auf die Entfernung sind die einzelnen Bilder nicht zu erkennen. Es scheint sich um farbige und auch schwarz-weiße Tattoos zu handeln, die bis zu seinen Unterarmen reichen. Ich glaube, ich wäre zu einem Häufchen Lust zerflossen, wenn ich mir seines Körpers an meinem so bewusst gewesen wäre.

Nina? Noch alle Tassen im Schrank? Reiß dich zusammen und denk an deinen Mann!

Ich tue, was mein tadelnder Verstand von mir verlangt und wende den Kopf ab. Sehe zu den Kindern. In das klare Wasser. Die verfluchten Steine. Das blöde Blau des Himmels. Ach verflixt! Mein Kopf dreht sich wieder zu Victor. Doch statt seiner steht mir die blonde Furie gegenüber.

»Das ist meiner!«, tönt es in unsere Richtung. »Ach, selbst wenn. Genießt den Anblick. Keine von euch dreien wäre ihm würdig«, sagt sie gönnerhaft und schreitet wie eine verdammte Prinzessin davon. Der weiße Spitzenbikini hebt sich von ihrer sonnengebräunten Haut ab und verleiht ihr das i-Tüpfelchen zu dem perfekten Äußeren. Mit offenen Mündern starren wir ihr nach.

»Das hat sie gerade nicht wirklich gesagt.« Sabrina findet als Erste ihre Stimme wieder.

»Die Tussi hat mich schon letztens im Freibad so blöd angemacht«, werfe ich genervt in die Runde.

»Nur weil man aussieht wie Cleopatra in blond, hat man nicht das Recht, den Rest der Frauenwelt wie Scheiße zu behandeln«, wettert Martina.

Sabrina und Martina regen sich über die Trulla auf. Ich klinke mich aus und suche den Strand nach unseren Männern ab. Zu allem Übel stehen sie, der Blonden nachglotzend, wie zwei sabbernde Hündchen mit dampfenden Kaffeebechern in den Händen da. Ich verdrehe die Augen und mache meine Freundinnen auf die Männer aufmerksam.

»Fantastisch«, meint Sabrina sarkastisch und erhebt sich als Erste. Martina und ich folgen ihr. Wir sammeln die Kinder ein und gehen zum Strand. Die Zwerge futtern Melone und Kekse, während wir unseren Kaffee genießen.

Leider ist mein Körper mit einer viel zu kleinen Blase ausgestattet. Ich entschuldige mich und mache mich auf zu den ekligsten aller öffentlichen Toiletten. Dixiklos. Schon allein der Gedanke lässt mich schaudern. Nützt nichts. Wenn ich nicht in einen Busch pinkeln will, habe ich keine Wahl.

Ich folge dem kleinen Trampelpfad. Ein Rascheln hinter mir erregt meine Aufmerksamkeit. Nervös drehe ich mich um und entdecke Victor, der mir zulächelt. Als ich dieses Lächeln erwidere, stürzt seines in sich zusammen. Sein Gesicht gleicht einem Stein. Das reicht!

»Sag mal, hast du ein Problem mit mir?«, pampe ich ihn an.

»Wie könnte ich? Ich kenne dich doch gar nicht«, entgegnet er leicht gereizt. Seine Körpersprache spricht Bände. Mit verschränkten Armen steht er vor mir. 

»Ernsthaft, jedes Mal, wenn du mich siehst, schaust du erst freundlich, bevor sich dein Gesicht in eine grimmige Grimasse verwandelt.« Der Kerl nervt und auch wenn ich ihn nicht kenne, kann ich meinen Kommentar nicht schlucken. Herausfordernd funkle ich Victor an.

Er mustert mich belustigt und beginnt zu lachen.

Hab ich was verpasst? 

Er öffnet seinen Mund, um etwas zu sagen, da taucht die fiese Schönheit hinter ihm auf.

»Was geht denn hier ab? Kennst du die etwa?«, fragt sie mit angewiderter Stimme.

»Chantal, das ist Nina. Nina, das ist Chantal, meine bessere Hälfte«, klärt er die Situation auf.

Bessere Hälfte? Das ich nicht lache! Wenn überhaupt, ist er die bessere Hälfte.

Diesmal weiß ich, dass es keine gute Idee wäre, diese Gedanken auszusprechen.

Einen ausgiebigen musternden Blick kann ich mir dennoch nicht verkneifen. Dabei fallen mir die künstlichen Wimpern und die roten, zu langen Fingernägel auf. Die gefärbten blonden und gelockten Haare werden durch Extensions unnatürlich voluminöser und verlängert. Zugegeben, die dunkel geschminkten Lider intensivieren ihre braunen Augen, die mich mit angeekelter Miene anschauen.

»Gut, nachdem wir das jetzt geklärt haben, würdest du mir dann bitte eine Coke Zero holen, Vici?«

Chantal dreht sich um und schreitet davon, lässt ihre Hüfte dabei ausladend schwingen.

»Vici? Echt jetzt?« Ich kann nicht anders, als lauter zu lachen, als es gut wäre in diesem Moment. Entrüstet schaut Victor mich an und kommt mir dabei einen Schritt näher.

»Und wie nennt dich dein Mann? ›Schatz‹?«, bellt er mir entgegen.

Seine aufgebrachte Stimme verängstigt mich nicht. Ich schätze ihn nicht wie einen Typen ein, der Frauen etwas tut. Trotzig recke das Kinn. »Allemal besser als Vici. Wenn auch nicht so kreativ.«

Mit einem Schnauben drängt er sich an mir vorbei und stapft zum Kiosk.

 

Einen ekelerregenden Toilettenbesuch später sitze ich wieder am Flussufer. Während die Männer die Kinder durchs Wasser jagen, erzähle ich Martina und Sabrina von der Begegnung mit Victor und Chantal. Wie die Geier stürzen sie sich auf Chantal, ihre Künstlichkeit und zu meiner grenzenlosen Genervtheit auch auf Victors widersprüchliches Verhalten. Ich schalte ab, nicke hier und wieder und beobachte lieber Tom und Isabell, die lachend neue, wundervolle, grandiose, nie gesehene Steine in einem Eimer sammeln.

 

Am Abend verabreden wir uns spontan zum Grillen bei uns. Die erschöpften Kinder parken wir vor dem Fernseher. In Ruhe bereiten wir alles für das Essen vor. Meine Freundinnen können es nicht lassen, alle Handlungen von Victor in sämtliche Himmelsrichtungen zu interpretieren. Ich entziehe mich dem Gespräch und stelle mich lieber zu Tom und Jakob auf den Balkon. Bei einem kühlen Bier schwafeln sie über Fußball. Auch dieses Gespräch ist nichts für mich. Ich setze mich zu den Kindern und schaue kleinen Hunden zu, die die Welt retten.

Nach dem Essen spielen die Zwerge in Isabells Zimmer. Irgendwann ist kein Mucks mehr zu hören. Ein prüfender Blick bestätigt mir die Vermutung. Über dem Boden verstreut liegen vier Kinder und schlafen. Im Hintergrund läuft auf dem CD-Player »der kleine Drache Kokosnuss«. Leise schließe ich die Tür und gehe zurück zu den anderen. Martina seufzt, reibt sich übers Gesicht.

»Das wird ein böses Erwachen«, prophezeit sie. Mit schlafenden Kindern ist das so eine Sache. Bestenfalls bringt man sie schlafend nach Hause. Schlimmstenfalls wachen sie zwischendurch auf, sind übel gelaunt und später nicht mehr ins Bett zu bringen.

 

 

Mitten in der Nacht schrecke ich auf. Leuchtend türkisfarbene Augen haben mich intensiv gemustert, verfolgten jede meiner Bewegungen. Das Gefühl, das dieser Traum auslöst, beschert mir eine Gänsehaut, die sich als eiskalter Schauer über meinen Körper ausbreitet. Es ist nicht so unangenehm, wie es sich anhört. Eher das Gegenteil. Keine Ahnung. Es ist … Mist! 

Ich sehe zu Tom, der mit leicht geöffnetem Mund neben mir liegt. Versuche, mir seine grünen Iriden in den Sinn zu rufen. Es gelingt mir nur schwer. Immer wieder werden sie durch Türkise überdeckt. 

Nicht gut, Nina! Gar nicht gut. 

Herzlichen Dank, Gewissen, weiß ich auch. Ach verdammt! 

Ich sitze mitten in der Nacht im Bett und führe eine Diskussion mit mir selbst. Seufzend lasse ich mich zurück auf die Matratze sinken und warte auf den Schlaf, der mich meidet. Ewig drehe ich mich hin und her, bis ich in unruhige Träume falle.

 

Der Morgen kommt unerbittlich. 

Es ist Sonntag und heute ist Papatag. Aber Papa liegt schnarchend neben mir und denkt nicht daran aufzuwachen, obwohl Isabell lautstark nach ihm ruft.

Ich benötige mehrere Anläufe, um Tom zu wecken. Als dieser die Augenlider träge hebt und mich fragend anblinzelt, erkläre ich ihm gern die Störung seines Schönheitsschlafes.

»Deine Tochter ruft nach dir. Es ist dein Tag. Heute darf ich liegen bleiben. Also schwing deinen Knackarsch aus dem Bett!«, sage ich mit der nötigen Strenge, damit er endlich aufsteht. Er erhebt sich schwerfällig und schlurft in Isabells Zimmer. Ich höre den beiden noch ein wenig beim Spielen zu, ehe ich einschlafe.

 

Wieder diese Augen, die mich mustern. Die jeden meiner Schritte verfolgen. Starke Arme umschlingen mich von hinten und ziehen mich an seine Brust.

Mit Bildern im Kopf, die alles andere als jugendfrei sind, wache ich verschwitzt auf.

Verdammte Axt! Genervt fahre ich mir stöhnend durch die Haare und schwinge meine Beine aus dem Bett. Mit schweren Schritten schleppe ich mich zur Kaffeemaschine und lasse das Lebenselixier in meine Regenbogen-Lieblingstasse laufen, die mir Tom neben die Maschine gestellt hat. Mit einem Lächeln lese ich den kleinen Zettel, der darunter liegt.

»Wir sind im Zoo. Haben dich lieb!«

Daneben sind zwei Herzchen gekritzelt. Keine Ahnung, wer welches gemalt hat. Tom ist mit seinen sechsunddreißig Jahren auf demselben Stand wie Isabell mit ihren fünf Jahren. Nachdem mein müder Geist geweckt und die Bilder in meinem Kopf verschwunden sind, ziehe ich mir meine Laufsachen an. Die Haare binde ich zu einem unordentlichen Dutt. Laufschuhe zubinden und los.

Das Erste, was ich sehe, als ich das Haus verlasse, ist … Victor.

Ernsthaft?!

Er kommt ein paar Hauseingänge weiter vorn, ebenfalls in Joggingklamotten, aus der Tür.

Seit wann wohnt er da?

Ohne sich umzusehen, läuft er los. In Richtung meiner Laufstrecke. Meiner!

Kurz überlege ich, eine andere Route zu nehmen, doch der Trotz in mir verhindert diese kluge Entscheidung. Ich jogge ebenfalls los mit dem Ziel, den Kerl vor mir zu überholen, um ihn, wie die Träume der letzten Nacht, hinter mir zu lassen. Leider ist er verdammt schnell und ich habe ernsthaft Mühe, ihn zu erreichen. Kurz nachdem meine Füße den weichen, waldigen Boden berührt haben, ist es so weit.

Mit einem Siegerlächeln und brennender Lunge ziehe ich an ihm vorbei. Will ihm triumphierend die Zunge rausstrecken und drehe mich zu ihm um.

Womit ich nicht gerechnet habe, ist, dass er mich nicht sieht, weil er nach oben guckt. Um auszuweichen, ist es zu spät. Er rennt gegen mich und stößt mich damit zu Boden. Keuchend lande ich auf dem Rücken und er auf mir. Victor reißt erstaunt die Augen auf. Plötzlich erscheint ein Grinsen auf seinen geschwungenen Lippen.

»Was ist denn bitte so lustig?«, möchte ich zischend wissen.

Er macht keine Anstalten, sich zu erheben. Im Gegenteil, er stützt seinen Ellenbogen neben meinem Kopf ab und sieht mich amüsiert an. Echt jetzt? 

Ich beginne nervös unter ihm zu zappeln.

»Hallo? Würdest du dich bitte mal von mir runterbewegen?«, motze ich und versuche dabei das Gefühl, das seine Nähe in mir auslöst, zu unterdrücken. Weiter ruht sein durchdringender Blick auf mir, den er auch nicht abwendet, als er aufsteht. Die Hand, die er mir entgegenstreckt, nehme ich dankbar an und lasse mir von ihm aufhelfen. 

»Na, wenn das kein guter Morgen ist.« Seine samtig dunkle Stimme wird von einem Zwinkern begleitet, das mich völlig aus der Fassung bringt.

»Ich weiß nicht, was an diesem Morgen gut sein soll. Warum bist du auf meiner Joggingstrecke?« Ich will gereizt klingen, doch irgendwie gelingt es mir nicht, denn dieses Lächeln ist echt der Killer für schlechte Laune … Mein Verstand schüttelt den Kopf über mein widersprüchliches Verhalten und ich kann ihm nur zustimmen.

»Ich weiß nicht, seit wann das deine Strecke ist. Ab heute müssen wir sie uns teilen«, lässt er mich grinsend wissen.

Würde er mal bitte aufhören so verflucht attraktiv zu sein?!

»Warum?« Die Frage könnte ich mir durchaus sparen, aber mein Hirn schlittert gerade wieder in einen Aussetzer.

»Weil wir letzte Woche umgezogen sind. Anscheinend bewohnen wir jetzt die gleiche Straße und somit teilen wir uns auch diese Laufstrecke.« Mit seiner Hand deutet er auf den Weg, der am Ende unserer Straße beginnt, sich eine kleine Anhöhe nach oben schlängelt, in diesen Wald führt uns sich dann in verschiedene Richtungen aufteilt.

In diesem Moment joggt Pascal an uns vorbei. Automatisch grüße ich ihn. Die Reaktion von Victor lässt keine Sekunde auf sich warten.

»Offensichtlich kannst du doch deine Laufstrecke teilen.«

»Gut, Vici, ich teile mit dir«, sage ich gönnerhaft, mit verschränkten Armen vor der Brust.

Grimmig schaut er zu mir. Bevor er etwas erwidern kann, laufe ich los. Gebe alles, renne mehr, als dass ich jogge. Es dauert nicht lang und dann ist er schon neben mir. Ich drossle mein Tempo in der Hoffnung, dass er vorbeizieht. Den Gefallen tut er mir nicht. Fragend sehe ich zu ihm, bekomme jedoch keine Aufmerksamkeit. Ich laufe noch langsamer und werde wieder enttäuscht. Mittlerweile spazieren wir, statt zu joggen.

Resigniert werfe ich die Arme in die Luft und frage die Frage aller Fragen: »Was, in Herrgotts Namen, willst du eigentlich von mir?«

Er kräuselt die Augenbrauen, sagt dennoch nichts.

»Erst bist du nett, schaust mich freundlich an, nur um kurze Zeit später so zu tun, als würdest du mich nicht sehen.«

Was zur Hölle ist sein Problem?

»Du bist gefährlich und ich weiß noch nicht, ob ich den Mut habe, mich auf diese Gefahr einzulassen.«

Bitte was?

»Ich habe keine Ahnung, was du damit sagen willst«, gebe ich verwirrt zurück.

»Du kapierst es nicht, oder?« Victor wirkt verärgert, starrt mich an, als müsse mir in diesem Moment die Erleuchtung schlechthin kommen. Als er merkt, dass jene ausbleibt, dreht er sich um und joggt davon. Verblüfft sehe ich ihm nach. Dieser Mann ist ein Rätsel auf zwei Beinen.

Sosehr ich mich auch anstrenge, das Joggen verschafft mir keine klaren Gedanken. Immer wieder bleiben diese bei Victor hängen und lösen Kopfschütteln bei mir aus.

Was stimmt nicht mit ihm?

Offensichtlich zu viel, wenn du dich das stets und ständig fragen musst.

Ein Satz, den mein Gewissen mit mahnendem Zeigefinger auf mich zuschiebt, während irgendetwas in mir trotzdem nach einer Antwort sucht.

Kapitel 4

 

 

 

Ich habe Victor die letzten Tage nicht auf der Laufstrecke gesehen, umso überraschter bin ich, als ich ihn auf meiner Lieblingsbank auf dem Spielplatz erkenne. Isabell rennt zur Rutsche, auf der auch sein Sohn spielt.

»Ich setze mich auf die Bank da drüben«, rufe ich ihr nach und deute auf meinen Lieblingsplatz. Sie zeigt mir einen Daumen nach oben und rennt weiter.

Ohne Umschweife gehe ich auf Victor zu. Setze mich schweigend neben ihn und sehe mir sein Profil von der Seite an. Es zeigt einen Mann in den Dreißigern, mit Lachfältchen um die Augen, eine gerade Nase und volle, geschwungene Lippen. Offensichtlich hatte er die letzten Tage keine Zeit, sich zu rasieren. Sein Gesicht wird von einem dichten Bart geziert, der ihm ausgesprochen gut steht.

»Das ist meine Bank.« Seine monotone Stimme triggert mich. Dass er mich dabei nicht einmal ansieht, regt mich noch mehr auf.

»Also bin ich heute nicht zu gefährlich und du kannst mit mir reden«, zicke ich ihn an. 

Er wendet sich mir zu und grinst breit. »Du hast nicht wirklich meinetwegen schlechte Laune?«

Gott, ich bin es leid! Dieses ewige Hin und Her hält ja keiner aus. Ich stehe auf und will gehen, werde jedoch zurückgehalten, da sich eine große Hand um meinen Unterarm wickelt. Überrascht sehe ich zu Victor. Sein Blick wandert über meinen Körper. Seine Pupillen weiten sich, als er meinen Mund fixiert. Verwirrt von seiner Reaktion versuche ich ihn abzuschütteln, doch er lässt nicht locker.

---ENDE DER LESEPROBE---