Jyväskylä ist auch nur eine Stadt - Quentin May - E-Book

Jyväskylä ist auch nur eine Stadt E-Book

Quentin May

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Beschreibung

JYVÄSKYLÄ IST AUCH NUR EINE STADT ist Quentin Mays Buchdebüt, in dessen Texten er den Alltag und seine Überraschungen aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet. In einer Zeit, in der Mobilität und Flexibilität einen immer größeren Stellenwert einnehmen, hält May an den unterschiedlichsten Orten inne, um im ersten Teil des Buches das Unterwegssein zu beobachten und zu kommentieren. Mal komisch, mal tiefsinnig und gerne auch positiv nachdenklich. Und da jeder, der unterwegs ist, irgendwann irgendwo ankommt, schließen sich im zweiten Teil Betrachtungen zu Themen an, die genau dort passieren. Da, wo man ankommt. Dabei kann es um den tieferen Sinn und Unsinn von Abkürzungen gehen oder auch um die Frage, ob man als Goldankäufer glücklich ist.

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Seitenzahl: 125

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Das Leben ist wie ein Buch, und wer nicht reist, liest nur ein wenig davon! Aurelius Augustinus (354 – 430)

Nur Reisen ist Leben, wie umgekehrt das Leben Reisen ist. Jean Paul (1763 - 1825)

Inhalt

Vom Unterwegssein

Wandertag

Bloß nicht auf Asche. Oder: Warum lese ich die Bücher von Oliver Uschmann?

In vollen Zügen

Von Trier nach Koblenz und nicht zurück

An der Sonne ein Platz

Der Vorhof der Hölle kann auch ein Firmenmeeting sein

Tampereen sanomat - Neues aus Tammerfest

Bis zum Horizont... oder: Glaube versetzt keine Wellenberge

Soundsoviele Jahre bemannte Mondfahrt. Wer's glaubt...

Dein Koffer ist weg? Nein, der ist nur woanders.

Is intelligent life down there?

Quentin May … kümmert sich

Ausstellung über das Glück...

Beratung ist immer all-in

Menschen, Helden, Superhelden

Von Ratgebern und Ratnehmern

Warum Du Marathon läufst

Gedanken z. Thema Abk.

omnes, e 1. aller, meist pl. …

Der Goldankäufer von der Hattinger Straße

Epilog

Gestatten? Quentin May

Standortbestimmung

Vom Unterwegssein

Wandertag

Als ich im Frühjahr eines morgens die Rolläden unserer Wohnzimmerfenster hochziehe, ist er plötzlich da. Schon wieder ein Jahr vorbei? Ist der Winter Geschichte? So muss es sein. Denn dort steht er, der als Kontrollpunkt verkleidete Bierwagen. Kein Zweifel, heute ist der erste Wandertag der Saison, ganz früh im März.

Nach einem ersten Kaffee als schnellem Frühstück schaue ich mir das an. Ich tarne meine Inspektionsrunde mit einem Gang zum Bäcker. Das gibt mir die Gelegenheit, auf dem Rückweg meine Eindrücke vom Hinweg nochmals zu vertiefen. Ist alles so wie in den Vorjahren? Oh ja, Wanderer scheinen Traditionalisten zu sein. Zumindest diejenigen, die über Nacht die Infrastruktur für die Veranstaltung installiert haben.

Es ist gerade mal kurz nach Acht, aber alles ist komplett. Dort, wo der Wanderweg die wenig befahrene Straße unserer Siedlung kreuzt, hängen orangefarbene Warnschilder. Die Autofahrer lesen „ACHTUNG WANDERER!“ Das ist durchaus sinnvoll. Der eine oder andere Fahrer könnte bei höherer als erlaubter Geschwindigkeit doch schon mal eine Wandergruppe hinter der Kurve übersehen und sie sich dann ungewollt auf die Motorhaube laden.

Allerdings werden tatsächlich auch die Wanderer mit „ACHTUNG STRASSE!“ gewarnt. Gibt es Highspeedwanderer die tief im Adrenalinrauschtunnel sind und die Straße übersehen würden?

Entlang des Wanderwegs ist fast jede Laterne, jeder Pfosten, jeder Baum und Strauch mit Klebeband markiert, ebenfalls in orange. Je nach Durchmesser des umklebten Objektes liest man dort NDERWE oder WANDERW oder NDE oder ANDER oder RWEG. Den kompletten Schriftzug muss man sich nach und nach zusammensuchen, weiß dann zur Belohnung aber auch immer, dass man auf dem rechten Pfad wandert.

Einer mittelalterlichen Zollstation gleich steht der Bierwagen an der Weggabelung, als ob er nie etwas anderes machen möchte. Besetzt ist er auch schon. Ich höre zwei Damen den neuesten Tratsch durchkauen. Ihr fröhliches Geschnatter würde es auch blinden Wanderern unmöglich machen, hier ohne Kontrollstempel vorbeizukommen.

An der Ausstattung wurde nichts ausgelassen. Links vom Wagen steht der Wassernapf für Hunde, überhöht von einem handgeschriebenen Pappplakat mit dem Text „Nur für Hunde!“ und einem großen Pfeil mit der Spitze nach unten. Aha, es wird also auch mit tierischer Begleitung gewandert. Diese subtilen Hinweisschilder habe ich nie ganz verstanden. Die allermeisten Hunde können kaum lesen und wer, außer Vierbeinern, würde sich für ein 0,6 Liter-Wassergefäß auf Bodenhöhe interessieren? Besteht Gefahr, dass dehydrierte Wanderer den campergroßen Bierwagen übersehen und eher ihr ausgedörrtes Antlitz in den Wassernapf für Hunde versenken?

Sowohl an der Rückseite des Wagens als auch an der Theke selbst sind große „Kontrollpunkt“-Schilder angebracht. Daran kann niemand vorbeiwandern, so konzentriert man auch unterwegs ist. Wäre auch schade, denn die Damen im Bierwagen locken nicht nur mit dem begehrten Stempel für den Wanderpass, sondern auch mit angemessenen und umfangreichen Verpflegungsmöglichkeiten.

Die ausgehängten Preislisten bieten die gesamte mobile Getränkebandbreite an, inklusive der obligatorischen Säfte (A und O), Pils, Kaffee (nein, keine Latte macchiato-Plörre, einfach nur Kaffee), Tee (verschweigend, ob im Beutel oder lose und ob schwarz, grün oder sonstwas), Cola, Fanta, Sprite, Weizenjunge, Pikkolöchen. Da fehlt nichts aus dem Schützenfestangebot.

Auf der Theke sieht man unter durchsichtigen Hauben, die an Mond-Kolonien aus wissenschaftlichen Schwarzweiß-Fernsehreportagen der späten 60er erinnern, die Klassiker, die aufs Verspeisen warten: Mettbrötchen, Käsebrötchen, Salamibrötchen, Frikadellen. Es gruselt einen ein wenig, wenn man an den Nachmittag denkt. Es hat keine 15 Grad minus mehr und bei hautwarmer Temperatur welken diverse Lebensmittel ohne Kühlung irgendwann mal vor sich hin.

Vielleicht bin ich zu schnell vorbeigegangen und wollte nicht zu auffällig in den Wagen starren, aber ich vermute im diffusen Halbdunkel des unbeleuchteten Wagens auf der Theke die selbstgemachten Kartoffel- und Nudelsalate gesehen zu haben, ohne die im Ruhrgebiet kein geselliges Zusammensein möglich ist.

Auf meinem weiteren Weg bin ich vollends auf die Wanderroute geraten. Kein Zweifel möglich, die Hinweisklebebänder verraten es mir. Scheinbar läuft der durchschnittliche Wettwanderer Gefahr, sich auf einer lotgeraden Strecke ohne Abzweigmöglichkeiten zu verlaufen. Oder warum leuchtet an jedem Strauch, Baum und anderen senkrecht in die Höhe ragenden Gegenständen das liebgewonnene Band? Wenn das Orange floureszieren würde, dann könnte man im Dunkeln vom Hubschrauber aus mit einer UV-Brille sehen, wie sich eine Perlenkette an Hinweiskringeln um und durch Stadt und Land zieht. Faszinierend, irgendwie.

Auf dem Rückweg, zurück auf dem Racetrack, sehe ich sie dann. Manche sind früh gestartet, wollen wohl den größten Teil der Strecke absolviert haben, bevor die mörderische Frühlingssonne einsetzt. Denn schon lehnen die ersten Wanderer ihre Ellbogen auf die Theke des Bierwagens. Vor sich, bereits halb ausgetrunken, die gezapften Pilsgläser. Wenn ich an Verpflegungspunkte bei meinen Marathonläufen denke, dann waren dort ehrenamtliche Helfer, die emsig und hektisch stundenlang Bananenstücke, Mineralwasserplastikbecher und ab Kilometer 30 winzige 0,1l-Coladosen an die ausgelaugten Läufer reichten. Zeit hatten wir nie und ich hatte Mühe, ein Wort des tiefempfundenen Dankes aus meinem gequälten Körper herauszupressen. Und hier? Smalltalk ohne Ende. Man kennt sich und man sieht sich heute mal draußen.

„Machse noch eins?“

„Ja sicha. Und sonns?“

„Allet klar. Aber weisse, neulich hat der…“

Ab hier wird der Dialog austauschbar. Ich wende lieber meinen Blick den Wanderern zu, die jetzt aus unterschiedlichen Richtungen dem Kontrollpunkt entgegenstreben. Extrem nervend sind die dürren und gut trainierten Seniorinnen, die mit ihren keifenden Stimmen nicht nur die Umgebung, sondern scheinbar auch seit Jahrzehnten ihre Lebenspartner um den Verstand bringen. Erkennbar an der stummen Es-hat-ja-alleskeinen-Sinn-Miene ihrer männlichen Begleitungen. Die Damen sind leider so fit, dass man ihnen nicht davonwandern kann. Sorry guys, von mir könnt ihr keine Hilfe erwarten.

Ich bin kein Freund von Klischees, aber es hilft nichts. Kein Klischee entsteht aus reinem Selbstzweck. Hier herrscht immer noch König „Beige der Ewige“. Das Grauen hat oft unterschiedliche Namen, aber immer eine Farbe, nämlich grau-beige. Doch in diesem Jahr wird die übliche Grau-Diktatur durchbrochen. Man sieht diverse Partnerlook-Paare in bicolor-Jacken gekleidet. Auf den Schultern dunkelblau, bis zu den Knien dann knallrot oder auch in schwarz/blau. Immer paarweise. Hat das Gemeckere der Geschmacksmissionare dieses Landes am Ende vielleicht doch etwas bewirkt?

Was besser ist? Keine Ahnung. Eigentlich ist es angenehm, wenn man den Gegner an seinen Codes erkennt. Aber einerseits sind Wanderer keine Gegner und andererseits ist beige keine Farbe und erst recht kein Code.

Es sieht so aus, dass alle Beteiligten ihren Spaß haben. Wandern von hier nach da oder von dort nach hier.

Und alle Wege kreuzen sich am Kontrollpunkt vor unserem Fenster. Ich bin zurück in unserer Wohnung, frische Brötchen und Croissants in der Tasche, sowie eine Samstagszeitung.

Ich bin bereit, mir das grau-bunte Treiben anzusehen. Mir kommt Jochen Distelmeyer in den Sinn, der das melancholische Leben-Beobachten zur hohen Kunst entwickelt hat. Die Wanderer ziehen an mir vorbei, sie sehen mich hinter meinem Wohnzimmerfenster kaum. Ich habe meine Blumfeld-LPs herausgekramt und freue mich meines Daseins. Wandert Ihr mal, habt Spaß. Das kann nicht das Schlechteste sein.

Bloß nicht auf Asche. Oder: Warum lese ich die Bücher von Oliver Uschmann?

Die Beantwortung dieser Frage erschien anfangs fast unmöglich und eher impulsiver Natur zu sein, aber schließlich zeigte sich ein roter Faden, der von einem heutigen Ereignis durch meine persönliche Geschichte bis zu einem völlig anderen Ereignis zurückläuft. Darf ich kurz damit angeben, dass die britische Marine ihre Taue mit einem unzerstörbaren roten Faden ausgestattet hatte, um sie vor Diebstahl zu schützen? War zumindest in dem Sinne erfolgreich, dass wir den roten Faden bis heute als Grundmotiv kennen, durchaus aber auch aus älteren Quellen, die bis nach China und ins Alte Testament reichen. Ob die britische Marine dadurch weniger Tauwerk verloren hatte, weiß ich allerdings auch nicht.

Auf Oliver Uschmann wurde ich durch einen gemeinsamen Bekannten, Alex Amsterdam, aufmerksam, der an dieser Stelle auf dem Weg durch die Zeit zurück die Rolle mit dem roten Faden aufnimmt. Er ist einer meiner Lieblingsmusiker und ich habe auf seinem „Stillness of a moment“-Album bei einem Song Cello gespielt. Es gab einige Auftrittsankündigungen von ihm und Uschmann zusammen, bei denen Alex besagten Autoren aufgeführt und als genial beschrieben hatte. Lange Zeit fand ich diesen Namen aber nicht weiter beachtenswert. Er war einfach da und damit hatte es sich. Dann allerdings fiel mir eines Tages bei der Auswahl meiner damaligen Urlaubslektüre Uschmanns Buch „Murp! Hartmut und ich verzetteln sich.“ in die Hand und es war um mich geschehen. Das Buch ist ein Hit, ich habe mittlerweile fast alle anderen seiner Bücher gekauft und mit annähernder Höchstgeschwindigkeit gelesen.

Alex Amsterdam, die Rolle mit dem roten Faden in der Hand, bestritt vor einigen Jahren das Vorprogramm für Erdmöbel im FZW, Dortmund. Und sein Auftritt war für mich the-best-Vorband-ever. Noch besser als Vega 4, denen zuliebe ich vor Jahren die Hauptacts Nickelback und Reamonn ertragen hatte. Ist aber eine total andere Geschichte. Alex gibt den roten Faden an dieser Stelle an Erdmöbel weiter, die ihn in Richtung Vergangenheit abrollen. Erdmöbel spielten kurz vorher in einem Sommer, der seinem Namen nur sehr mühsam gerecht werden wollte, in Bochum auf dem Boulevard bei einem Festival, umsonst und draußen. Die Band war mir vorher schon mehrfach aufgefallen, so dass ich endlich wissen wollte, was da auf der Bühne veranstaltet wird. Das Konzert war klasse und machte Lust auf mehr. Das „Mehr“ bot sich dann schon bald in Form des besagten Konzerts im FZW an. Erdmöbel ist an dieser Stelle dafür zu danken, dass sie den roten Faden nach Bochum und somit auch wieder zurück gebracht haben. Ihr Auftritt ist hier zu Ende und sie geben ihn mit einem kurzen Schritt in die Vergangenheit an Alex zurück. Meine Herren, wir sehen uns an späterer Stelle nochmals wieder.

Wie ich bei Alex Amsterdams Auftritt so im Publikum stand, ein Bier in der Hand und eins schon im Körper, schlich auf leisen Sohlen der Gedanke „Dazu würde Cello prima passen.“ durch mein Hirn.

Eigentlich hatte ich mein Cello im Alter von 19 Jahren in die Ecke gestellt. Damals spielte ich im örtlichen Jugendsymphonieorchester, merkte aber irgendwann, wo meine Grenze war. Das war Ende der Achtziger und ich hatte das gute Stück danach lange Jahre nicht mehr aus seiner dunkelroten Hülle befreit.

Nach dem Konzert sprach ich Alex an: „Sag mal, findest Du nicht auch, dass zu dem einen oder anderen Deiner Lieder Cello echt klasse passen würde?“ Seine Antwort war sinngemäß: „He, super Idee. Ich nehme in zwei Monaten mein neues Album auf. Wenn Du Lust hast, schicke ich Dir ein paar Songs und Du schreibst eine Cellostimme dazu. Wär' total super, oder?“ Ein Rückzug war ab jetzt nicht mehr möglich, schließlich verließ er sich auf mich.

Wir trafen uns an einem Samstag Nachmittag bei mir zu Hause, um die Cellostimme zu zwei Songs auszuarbeiten. Einige Tage später fuhr ich zu seinem Studio in Düsseldorf, spielte meine Cellospur zu dem Song ein, auf den wir uns geeinigt hatten und war mächtig stolz, dass ich aus dieser Geschichte mit erhobenem Kopf und einer CD, auf der auch mein Name steht, hervorgegangen bin.

Das Knäuel mit dem roten Faden nehme ich in meiner Cellotasche gleich mit und ribbele eine Menge davon ab. Denn jetzt geht es quer durch die Achtziger zurück in das Jahr 1980. Aus der einstmals stattlichen Rolle, die man einem Medizinball gleich nur mit zwei Händen fassen konnte, ist ein kleines, handliches Garnhäufchen geworden. Die Welt hat zwischen 1980 und heute Tiefgreifendes erlebt, keine Frage. Aber um die Welt geht es in dieser Geschichte nicht. Im Jahr 1980 wurde eine für mich entscheidende Frage gestellt: Warum Cello?

Mein damaliger Musiklehrer aus dem Blockflötenkurs war am Ende des Kurses der Meinung, dass ich mich „für das Cello eignen würde“. Keine Ahnung, was er da genau gesehen hat. Jedenfalls schleppte ich plötzlich diesen großen, unhandlichen Holzkasten durch meine Jugend. Er hatte ja irgendwie Recht gehabt, denn ein gewisses Maß an Talent war nicht von der Hand zu weisen. Die gestellten Aufgaben im Unterricht löste ich mit so wenig Übungsaufwand wie möglich. Minimalprinzip, Sie verstehen. Alles andere, Orchester und so; siehe oben.

Besagter Musiklehrer nimmt jetzt das kleine Garnhäufchen zurück durch die Jahre im Blockflötenkurs mit und rollt die letzten Zentimeter davon ab bis zu dem Punkt, an dem ich anfing, mich mit der Blockflöte abzuplagen. Das war so ungefähr 1977. Wenn man sich an dieser Stelle auf die Zehenspitzen stellt, kann man am Zeithorizont in weiter Ferne das Jahr 2011 erahnen. Das Jahr, in dem mir Oliver Uschmanns Werke zum ersten Mal auffallen sollten.

Der sehr lange rote Faden dieser Geschichte liegt jetzt ausgerollt vor mir. Hier ist der Anfang und andere rote Faden-Anfänge liegen ebenfalls bereit. Alle verlieren sich im diffusen Nebel der Zukunft. Im Film „Das Leben des Brian“ heißt es: „Jeder nur ein Kreuz“. Genauso gilt an dieser Stelle: Von allen Fäden darfst Du nur einen einzigen nehmen. Genau das habe ich getan und es war der Faden mit der Musik. Warum den und nicht den Fußballfaden, wie es viele meiner Grundschulkollegen taten? Ganz einfach: Der Fußballverein neben meiner Grundschule war der FC Neuruhrort und der spielte 1977 ausschließlich auf Asche. Fußball war für mich damals als Kind große Klasse, aber auf Asche? Nein, geht nicht. Mach ich nicht, feige. Daher war damals bei der Frage meiner Eltern, was ich denn gerne in meiner Freizeit machen würde, meine Antwort: „Musik täte mich schon interessieren.“ Und kurz darauf bliesen ich und einige Mitschüler unter Lehreraufsicht in unsere neu gekauften Moeck-Blockflöten, während eine ganze Bande wilder Jungs auf dem Ascheplatz des FCN dem runden Leder hinterherstürmte.

Eine revolutionäre These, um die Geschichte abzurunden? Gerne, bitte sehr: Hätte der FC Neuruhrort 1977 einen Rasenplatz gehabt, würde ich heute wohl nicht Oliver Uschmanns Bücher lesen, weil ich einen komplett anderen Faden in die Hand genommen hätte. Gewagt, kaum belegbar? Sicher, aber mir gefällt’s.

Fragen Sie sich ruhig selbst einmal, warum Sie dieses oder jenes so sehr lieben oder verehren. Verfolgen Sie die Geschichte zurück und Sie werden viele Abzweigungen wiederentdecken, an denen Sie sich für genau diesen Weg entschieden hatten. Das ist Ihr Leben und Sie dürfen stolz drauf sein!

In vollen Zügen

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