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Dezember 2007. Wolfgang Goldberg, Justiziar der Industrie- und Handelskammer Kassel, wird erhängt in einem Wald bei Kassel gefunden. In derselben Nacht brennt sein Haus ab. Schnell ist klar, dass er das Opfer eines Verbrechens wurde. In das Blickfeld der Ermittler um Hauptkommissar Paul Lenz rückt Siegfried Patzke. Der ehemalige Werkstattbesitzer hatte Goldberg kurz zuvor in dessen Büro bedroht und ihm vorgeworfen, schuld an seiner Pleite zu sein. Nun ist er spurlos verschwunden. Im Zuge der weiteren Ermittlungen entdecken Lenz und seine Männer, dass das Büro des Justiziars abgehört wurde. Außerdem finden sie heraus, dass er in engem geschäftlichen Kontakt zu einem dubiosen Versicherungsmakler namens Boris Blochin stand. Lenz spürt, dass der Mord nur die Spitze des Eisbergs ist. Er ist einem ausgewachsenen Skandal auf der Spur und seine Gegner scheinen übermächtig ...
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Matthias P. Gibert
Kammerflimmern
Lenz’ zweiter Fall
SKANDALTRÄCHTIGDezember 2007. Wolfgang Goldberg, Justiziar der Industrie- und Handelskammer Kassel, wird erhängt in einem Wald bei Kassel gefunden. In derselben Nacht brennt sein Haus ab. Schnell ist klar, dass er das Opfer eines Verbrechens wurde. In das Blickfeld der Ermittler um Hauptkommissar Paul Lenz rückt Siegfried Patzke. Der ehemalige Werkstattbesitzer hatte Goldberg kurz zuvor in dessen Büro bedroht und ihm vorgeworfen, schuld an seiner Pleite zu sein. Nun ist er spurlos verschwunden. Im Zuge der weiteren Ermittlungen entdecken Lenz und seine Männer, dass das Büro des Justiziars abgehört wurde. Außerdem finden sie heraus, dass er in engem geschäftlichen Kontakt zu einem dubiosen Versicherungsmakler namens Boris Blochin stand. Lenz spürt, dass der Mord nur die Spitze des Eisbergs ist. Er ist einem ausgewachsenen Skandal auf der Spur und seine Gegner scheinen übermächtig …
Matthias P. Gibert, 1960 in Königstein im Taunus geboren, lebt seit vielen Jahren mit seiner Frau in Nordhessen. Nach einer kaufmännischen Ausbildung baute er ein Motorradgeschäft auf. 1993 stieg er komplett aus dem Unternehmen aus und orientierte sich neu. Seit 1995 entwickelt und leitet er Seminare in allen Bereichen der Betriebswirtschaftslehre. Mit seiner Frau erarbeitete er ein Konzept zur Depressionsprävention und ist mit diesem seit 2003 sehr erfolgreich für mehrere deutsche Unternehmen tätig. Seit 2009 ist Matthias P. Gibert hauptberuflich Autor.
Die automatisierte Analyse des Werkes, um daraus Informationen insbesondere über Muster, Trends und Korrelationen gemäß § 44b UrhG („Text und Data Mining“) zu gewinnen, ist untersagt.
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Im Ehnried 5, 88605 Meßkirch
Telefon 0 75 75/20 95-0
Alle Rechte vorbehalten
Lektorat: Claudia Senghaas, Kirchardt
Herstellung: Julia Franze
E-Book: Mirjam Hecht
Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart
unter Verwendung eines Fotos von Matthias P. Gibert
ISBN 978-3-8392-3052-7
Personen und Handlung sind frei erfunden.
Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen
sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
»Sie müssen noch etwas tiefer graben«, forderte der Mann mit deutlichem Akzent.
Patzke wischte sich den Schweiß vom Gesicht, trat erneut auf den Spaten und hob eine weitere Ladung Erde aus dem Boden.
Die beiden Männer, von denen der eine ihn eben aufgefordert hatte, tiefer zu graben, kannte er seit drei Tagen. Sie hatten ihn angerufen, sich mit ihm auf einem Autobahnparkplatz getroffen und ihm ein verlockendes Angebot gemacht:
»Wenn Sie uns helfen, Goldberg zu beseitigen, kriegen Sie so viel Geld, dass Sie Ihre Werkstatt wieder aufmachen können«, hatte der Größere der beiden gesagt. Sonst hatte er seitdem nicht viel gesprochen, das übernahm der Kleinere.
Goldberg beseitigen und meine Werkstatt zurückbekommen, dachte Patzke, das sind die Dinge, die ich mir wirklich wünsche. Wirklich.
Wieder trieb er den Spaten in den Boden, hob ihn nach oben und warf die Erde neben das Loch.
»Sie dürfen mit niemandem darüber reden«, hatte der Kleine von ihm verlangt.
Natürlich hatte er mit niemandem darüber geredet. Mit keinem Menschen, auch nicht mit seiner Frau.
Und nun stand er hier im Wald und grub ein Loch für dieses Arschloch, das in ein paar Minuten anfangen würde zu vergammeln. Das hatte er sich bestimmt anders vorgestellt, der Herr Rechtsverdreher, der die Schuld an seiner Pleite vor drei Monaten hatte.
Nie hätte Patzke gedacht, dass er einmal diese Chance zur Rache bekommen würde, und er hatte die beiden auch nicht gefragt, warum sie ihm das Angebot gemacht hatten. Vielleicht waren sie auch von Goldberg hereingelegt worden, aber das war ihm so was von egal. Ihm war wichtig, dass er nächste Woche seine Schulden bezahlen und wieder in seine Werkstatt gehen konnte.
Er hob den Kopf und sah zu Goldberg, der mit hängenden Schultern und vor dem Bauch gefesselten Händen neben dem Großen stand und auf den Boden starrte.
Wahrscheinlich hat er sich in sein Schicksal gefügt, dachte Patzke. Er weiß, dass er gleich tot sein wird. Und dass er nichts dagegen tun kann.
Zwei Stunden zuvor hatten sie sich in der Innenstadt getroffen. Goldberg hatte schon mit gefesselten Händen und verheultem Gesicht auf der Rückbank des großen BMW gesessen. Dann waren sie zu viert in den Reinhardswald gefahren.
»Es reicht, glaube ich!«, rief der Kleine ihm zu.
Patzke hob den Spaten ein letztes Mal über den Rand des Lochs hinweg, ließ ihn auf den Erdhaufen fallen, den er in der vergangenen halben Stunde aufgeschüttet hatte, und streckte den rechten Arm aus.
»Helfen Sie mir raus, sonst sehe ich gleich aus wie eine Sau!«, rief er dem Kleinen zu.
»Bleiben Sie noch einen Moment unten, es kann ja sein, dass er schlecht fällt.«
Ist mir doch scheißegal, wie der fällt, dachte Patzke, sagte aber nichts.
Der Große trat neben Goldberg, dessen Beine jetzt deutlich sichtbar zitterten, und zog ihn am Arm, doch der dunkelhaarige Mann, dessen feistes Gesicht im Dunst des Wintertages gespenstisch und blutleer wirkte, bewegte sich nicht.
»Machen Sie es sich bitte nicht schwerer als notwendig. Kommen Sie, es wird alles ganz schnell gehen«, forderte der Große ihn auf.
Goldberg wollte sich losreißen, hatte jedoch nicht den Hauch einer Chance. Langsam und widerstrebend ging er vorwärts und hatte nach ein paar Schritten die Kante erreicht. Mit der linken Hand wischte er sich eine Träne aus dem Gesicht.
Patzke sah ihm von unten dabei zu und verspürte zum ersten Mal so etwas wie Mitleid. Am liebsten wäre er jetzt abgehauen, weil er mit diesem Mord eigentlich gar nichts zu tun haben wollte, aber er wusste, dass seine neuen Freunde das nicht lustig finden würden.
Der Kleine sah noch einmal hinunter ins Loch und ging dann ganz ruhig auf Goldberg zu. Dabei hob er langsam seine Pistole, die er die ganze Zeit in der Hand gehalten hatte, und zielte schließlich auf Goldbergs Kopf. Der schloss die Augen, fing laut an zu schluchzen und fiel auf die Knie. Einer ruhigen Bewegung des Armes folgend, fuhr die Hand des Kleinen mit der Pistole darin ebenfalls abwärts und nahm erneut den Kopf ins Visier. Dann schien der Mann es sich anders zu überlegen, hob den Arm ein kleines Stück und drückte ab.
Patzke spürte den Schlag in der Brust, bevor er verstand, was passiert sein musste. Durch den Aufprall des Projektils wurde sein Körper nach hinten geschleudert und fiel auf die nasse Erde. Er versuchte, Luft zu holen, doch es kam ihm vor, als wäre seine Lunge ein Eisklumpen. Kalt und unbeweglich.
Den zweiten Schuss, der von oben in seinem Schädel einschlug, hörte er nicht mehr.
Goldberg drehte den Kopf nach links und sah auf die rauchende Pistole. Er war fest davon überzeugt, die beiden Schüsse hätten seinen Körper getroffen, und wartete auf den einsetzenden Schmerz. Oder den Tod. Doch es passierte nichts. Er hob den Kopf ein Stück höher und sah in das grinsende Gesicht des Mannes, der geschossen hatte.
»Wie ich Ihnen gesagt habe, es war gar nicht so schlimm. Jetzt stehen Sie auf und schippen das Loch zu!«
Der Jurist, der in seinem ganzen Leben noch nie mit echten Gangstern zu tun gehabt hatte, fing an zu schluchzen, schlug die Hände vors Gesicht und spürte, wie Tränenbäche durch seine Finger liefen.
»Warum …?«, stammelte er.
»Nicht fragen, einfach das Loch zumachen«, antwortete der Kleine fast sanftmütig, schnitt die Fessel auf und steckte den Spaten neben ihn in den lockeren Waldboden.
Goldberg griff danach, sprang auf und begann sofort, das Loch, in dem der tote Patzke lag, mit Erde zu füllen.
Es dauerte nicht lange, und er hatte die Arbeit zur Zufriedenheit seiner beiden Entführer erledigt.
»Noch ein bisschen Laub über die Erde legen, bitte, dann ist es gut«, sagte der Große.
Mit den Händen sammelte Goldberg nasses Laub auf und verteilte es.
»Schön so. Jetzt kommen Sie bitte mit.«
Eingerahmt von dem ungleichen Verbrecherduo, ging er etwa 200 Meter den schmalen Waldweg entlang. Es fing ganz leicht an zu schneien, und Goldberg spürte die Flocken auf seinem schütteren Haar. Dann stoppten die beiden und sahen sich um.
»Hier ist gut«, sagte der Kleine.
Erst jetzt bemerkte der Jurist, der sein Geld als Justiziar der IHK in Kassel verdiente, das Seil in der Hand des Großen. Ein schwarzes, langes Seil mit einem unheilvollen Knoten am Ende. Und er wusste sofort, wozu es dienen sollte.
»Bitte …«, flehte er. »Bitte nicht …«
Der Große warf mit geschickten Bewegungen den Knoten über einen dicken Ast und fing ihn auf der anderen Seite wieder auf. Nun hatte er beide Enden in der Hand und lächelte Goldberg an.
»Wie ich schon gesagt habe, es ist gar nicht schlimm. Kommen Sie bitte einen Schritt näher.«
»Nein!«, schrie Goldberg.
»Nein, bitte nicht. Hilfe. Hilfe.«
Es wurde langsam dunkel im Reinhardswald. Und es war so einsam an diesem kalten Dezembernachmittag, dass niemand die Schreie des armen Teufels hörte, der sich in dem Moment in die Hose pisste, als das Seil um seinen Hals gelegt wurde.
Er wehrte sich mit allen Kräften, aber das waren nicht viele, denn Wolfgang Goldberg war unsportlich und untrainiert, ganz anders als die beiden Männer, die jetzt am anderen Ende des Seils zogen. Sie hatten muskulöse Körper und waren damit vertraut, zu verletzen und zu töten.
Und so hatte sein Zappeln schon nach kurzer Zeit aufgehört, er versuchte jedoch noch länger, sich den Strick vom Hals zu ziehen. Sein Gesicht wurde blau und dick, aber das sahen die Männer unter seinen Füßen nicht, weil sie das Seil an einem anderen Baum festgebunden hatten, teilnahmslos danebenstanden und rauchten. Zwei Minuten später war es vorbei. Sie warteten noch zehn Minuten, dann gingen sie die etwa 500 Meter zurück zu ihrem BMW, stiegen ein und fuhren davon.
Lenz fing an zu schwitzen, obwohl der Schneefall immer stärker wurde. Noch zwei, vielleicht zweieinhalb Kilometer, dann würde er es geschafft haben. Mit gleichbleibendem Schritt stapfte er durch den Neuschnee, der dieses Mal sicher liegen bleiben würde. Weiße Weihnachten, davon träumten nicht nur die Kinder. Mit Schaudern dachte der Hauptkommissar an die Weihnachtsfeier der Abteilung, von der er sich eine gute Stunde zuvor davongestohlen hatte. Die meisten seiner Kollegen waren zu dieser Zeit schon so betrunken gewesen, dass sie sich aneinander festhalten mussten. Er nahm sich vor, im nächsten Jahr einen Schnupfen oder Husten vorzutäuschen, um sich eine Wiederholung dieses Dramas zu ersparen. Und insgeheim bewunderte er seinen Mitarbeiter Thilo Hain dafür, dass er es schon in diesem Jahr so gemacht hatte. 40 Minuten später lag er im Bett und schlief.
Sein Unterbewusstsein baute das Klingeln in einen Traum ein, den er beim Aufwachen bereits wieder vergessen hatte, deswegen dauerte es einen Moment, bis er das Telefon in der Hand hielt. Er drückte eine Taste, und das Läuten verstummte schlagartig.
»Mist«, murmelte er, als ihm klar wurde, dass er das Gespräch abgewürgt hatte. Mit dem Gerät in der Hand schlief er sofort wieder ein.
Zehn Sekunden später klingelte es erneut. Diesmal war er schneller wach, knipste das Licht an, setzte seine Lesebrille auf und drückte die richtige Taste.
»Lenz.«
»Aufstehen, Paul, wir müssen uns um eine Leiche kümmern.«
»Ich wünsch dir auch einen guten Morgen, Thilo. Wie spät ist es?«
»Halb drei. Zieh dir was Warmes an, wir fahren in den Wald. Ich bin in zehn Minuten bei dir. Ach ja, wenn ich die Kollegen richtig verstanden hab, brauchst du festes Schuhwerk.«
Lenz setzte sich aufrecht und nahm das Telefon ans andere Ohr.
»Nun mal ganz langsam. Was ist passiert?«
»In zehn Minuten!«
Damit war das Gespräch beendet. Lenz legte das Telefon zur Seite, streckte sich und wischte sich den Schlaf aus den Augen.
Was für eine Nacht, dachte er.
15 Minuten später hupte es kurz auf der Straße. Der Hauptkommissar band sich die Schnürsenkel, steckte einen kleinen Schirm in seine Jackentasche und verließ die Wohnung.
Draußen hatte der Schneefall nachgelassen, aber die Räumfahrzeuge hatten die Straßen in diesem Teil Kassels noch nicht von der weißen Pracht befreit.
»Moin, Thilo«, begrüßte er seinen Mitarbeiter. »Wo fahren wir denn hin?«
Oberkommissar Thilo Hain legte den ersten Gang ein und beschleunigte schlingernd das kleine Cabriolet.
»Morgen Paul. Wir haben einen Toten im Reinhardswald. Erhängt, mehr weiß ich noch nicht, weil die Kollegen da draußen bis jetzt nur mit Taschenlampen arbeiten konnten. Der technische Zug mit der Beleuchtung ist aber schon unterwegs.«
»Hm«, brummte Lenz.
Hain hatte alle Hände voll damit zu tun, den Wagen auf der Straße zu halten. Er fuhr, so schnell es ging, wollte aber keinen Unfall riskieren. Trotzdem musste der Hauptkommissar mehr als einmal schlucken, wenn das Auto ausbrach oder beim Bremsen ins Rutschen geriet. Nach 25 schweigsamen Minuten hatten sie den Parkplatz im Wald erreicht, wo sich Hain mit einem uniformierten Kollegen verabredet hatte, und fuhren hinter ihm her zum Fundort der Leiche.
»Das hätten wir alleine nie gefunden«, war sich Lenz sicher, als sie auf einem weiteren Parkplatz anhielten. Durch die hoch aufragenden, kahlen Bäume sahen die beiden Kripobeamten in etwa 500 Metern Entfernung eine hell erleuchtete, gespenstisch wirkende Szenerie.
»Ich fahre wieder zurück an meinen alten Standort, vielleicht kommt ja noch ein Kollege von Ihnen«, erklärte der Uniformierte aus dem geöffneten Fenster des Streifenwagens und deutete auf den Boden.
»Wenn Sie auf dem Weg hier bleiben, kommen Sie automatisch zum Fundort.«
Lenz nickte ihm zu.
»Ist gut. Und vielen Dank fürs Herbringen.«
Nachdem der Wagen auf die Straße eingebogen und kurze Zeit später verschwunden war, standen sie im Dunkeln. Hain zog sein Mobiltelefon aus der Tasche und schaltete die darin eingebaute Taschenlampe an.
»Na, das bringt ja die Wende«, spottete Lenz ob der mickrigen Lichtausbeute.
»Besser, als ganz im Dunkeln hier herumzuirren.«
Mehr tastend als sehend näherten sie sich dem grellen Schein mehrerer Lichtmasten, die auf der Ladefläche eines kleinen Lkw montiert waren, und mit jedem Meter konnten sie mehr von dem erkennen, was sich vor ihnen befand. Dann hörten sie das leise Knattern des Notstromaggregats und rochen verbranntes Benzin. Hain hielt seinem Chef das Absperrband hoch und stieg selbst darüber.
»Guten Morgen!«, rief Lenz in die Runde.
Etwa ein halbes Dutzend Köpfe flog in seine Richtung.
»Musst du dich hier so anschleichen, Paul? Ich hab mich zu Tode erschreckt.« Heinrich Kostkamp von der Spurensicherung der Kasseler Polizei sah ihn vorwurfsvoll an.
»Tut mir leid, Heini, aber wir konnten nicht ahnen, dass ihr alle so gebannt dem Geräusch des Notstromaggregates lauscht und uns nicht kommen hört.«
Die beiden gaben sich die Hand, und Lenz registrierte erleichtert, dass sich die Miene seines alten Kollegen wieder aufhellte. Auch die anderen Männer grinsten.
»Wo ist er denn?«
Kostkamp deutete auf einen Baum etwa zehn Meter von ihnen entfernt.
»Er hängt ziemlich hoch, deswegen sieht man ihn auf den ersten Blick nicht.«
Lenz und Hain hoben die Köpfe und sahen nach oben. Dort hing ein etwa 50 Jahre alter Mann mit schief hängendem Kopf und drehte sich langsam im Wind. Er trug einen langen Wollmantel und Halbschuhe. Von seinem Genick führte ein dunkles Seil zum Ast über ihm und nach unten. Dort war es um einen anderen Baum geschlungen und verknotet.
Hain schüttelte den Kopf.
»Komische Sache. Wenn er sich selbst umgebracht hat, wollte er noch was Richtiges arbeiten, bevor es so weit war.«
»Er hat es nicht selbst gemacht«, erwiderte Kostkamp und deutete auf den Boden.
»Hier sind Abdrücke von drei verschiedenen Schuhen. Ich weiß nicht, ob er schon tot war, als er hier unten abgehoben hat, aber sicher hat ihm jemand dabei geholfen oder nachgeholfen.«
Lenz sah sich um. Die Männer der Spurensicherung hatten mit einem großen Gasbrenner den Schnee geschmolzen und dann die Abdrücke der Schuhe entdeckt.
»Wer hat ihn gefunden?«
»Ein Jäger. Er steht da drüben bei den Kollegen.«
»Hast du schon mit ihm gesprochen?«
»Warum sollte ich deinen Job machen? Ich muss hier rumrennen und mir eine Erkältung holen, weil ich Trapper bin und Spuren suche. Du bist derjenige, der die Bösen hinter Gitter bringt.«
Lenz musste grinsen. Diesen Vortrag hatte er schon öfter von Kostkamp gehört.
»Na, dann los, Thilo. Verhaften wir die bösen Buben, bringen sie zum Reden und legen uns wieder ins Bett.«
»Und das alles in genau dieser Reihenfolge bitte«, ergänzte sein junger Kollege.
Sie ließen den Spurensucher stehen und gingen auf eine Gruppe grün gekleideter Männer zu. Drei trugen Polizeiuniformen, der vierte Jägerlook. Er war etwa 65 Jahre alt, hatte leuchtend rote Backen und ein Gewehr über der Schulter hängen. Neben ihm saß ein Weimaraner Hund.
»Hauptkommissar Lenz von der Kripo Kassel. Das ist Oberkommissar Thilo Hain«, stellte der Polizist sich und seinen Kollegen vor. Der Jäger löste sich von den anderen und reichte ihm die Hand.
»Ruppert. Hermann-Josef Ruppert. Guten Morgen, die Herren.«
»Sie haben ihn gefunden?«
»Ich habe ihn gefunden, das ist richtig.«
»Wann war das?«
»Um Viertel nach zwei. Ich wollte gerade zurück zum Auto gehen, als mein Hund anfing, verrückt zu spielen. Sonst hätte ich ihn da oben wohl nicht entdeckt.«
Lenz sah zu dem Hund, der wieder neben der linken Kniescheibe seines Herrn zum Sitzen gekommen war.
»Braver Hund«, sagte Hain und streckte die Hand nach vorne, riss sie jedoch im gleichen Augenblick wieder zurück, weil der Hund aufsprang, sein makelloses Gebiss freilegte und gefährlich knurrte.
»Dann eben nicht«, murmelte der junge Oberkommissar beleidigt.
»Das mag sie nicht so gerne. Sie ist bei Fremden immer sehr vorsichtig.«
»Der Hund hat also verrückt gespielt, und Sie haben irgendwann nach oben gesehen und ihn entdeckt?«, fragte Lenz weiter.
»Genau, so war es. Zuerst konnte ich mir keinen Reim darauf machen, was mit meiner Tessa los war, aber dann habe ich ihn gesehen.«
»Und haben bei der Polizei angerufen?«
»Nein, ganz so schnell ging es nicht, weil ich im Wald kein Mobiltelefon bei mir habe. Ich musste zuerst nach Hause fahren, um zu telefonieren.«
»Sind Sie dann wieder hierher zurückgekommen?«
»Nein, ich habe mich mit Ihren Kollegen auf dem Parkplatz an der Sababurg getroffen, die hätten die Stelle ja sonst nie gefunden. Der Reinhardswald ist nun einmal sehr, sehr groß.«
»Und vermutlich haben Sie auch niemanden gesehen, der sich von hier entfernt hat?«
»Nein, Herr Kommissar. Mein Hund und ich sind die Einzigen gewesen, die in dieser Nacht hier unterwegs waren. Tessa schlägt sofort an, wenn sie Fremde wittert.«
»Gut, das wär’s fürs Erste. Von mir aus können Sie jetzt nach Hause fahren, wir melden uns bei Ihnen wegen des Protokolls.«
»Gerne, so langsam wird mir nämlich kalt«, freute sich Ruppert, nickte mit dem Kopf und machte sich mit seinem Hund im Schlepptau davon.
»Scheißtöle«, murmelte Hain, als sie außer Hörweite waren.
Lenz sah ihn kopfschüttelnd an.
»Schwupps, ist der Finger ab. Das ist ein Jagdhund, Thilo, kein Streichelhund.«
»Trotzdem Scheißtöle.«
Sie drehten sich um, zogen Einweghandschuhe über die Hände und sahen zu, wie die Leiche vom Baum geholt wurde. Zwei Polizisten hielten mit zitternden Fingern das Seil und ließen den Toten langsam zu Boden gleiten. Dort wurde er von einem Kollegen und Dr. Franz, dem Rechtsmediziner, in Empfang genommen.
Kostkamp kam mit einem Beutel in der Hand auf sie zu.
»Das hab ich unter dem Baum gefunden.«
Lenz erkannte in der Plastikhülle ein pinkfarbenes Einwegfeuerzeug.
»Kann was mit der Sache zu tun haben, muss aber nicht. Wir sehen uns jetzt noch den Kerl an und machen ein paar Fotos von ihm, dann hauen wir ab.«
»Ist gut, Heini. Du meldest dich, wenn du was für mich hast.«
»Mach ich.«
»Steif gefroren«, stellte der Arzt fest, nachdem er den Körper des Toten auf einer Plane abgelegt und kurz abgetastet hatte.
Lenz trat neben ihn und sah auf das blau schimmernde Gesicht. Dr. Franz beleuchtete mit einer Taschenlampe den Hals des Mannes.
»Aha«, machte er.
»Was entdeckt?«, fragte Lenz erwartungsvoll.
»Kommen Sie mal näher, Herr Kommissar.«
Er zog Lenz zu sich herunter und deutete auf eine Reihe kleiner blauer Flecke, die oberhalb und unterhalb des hässlichen Seilabdrucks am Hals zu sehen waren.
»Er hat versucht, sich das Seil vom Hals zu halten. Das muss jetzt nicht zwangsläufig heißen, dass er unfreiwillig da oben hingekommen ist, weil viele Selbstmörder es sich im letzten Moment noch anders überlegen. Aber es könnte durchaus darauf hindeuten, dass ihn jemand da oben hingezogen hat. Außerdem gibt es Fesselspuren an seinen Handgelenken.«
»Ich glaube nicht, dass er freiwillig da oben gelandet ist, Herr Doktor. Die Art, wie das Seil befestigt war, deutet eher auf Fremdeinwirkung hin.«
Lenz knöpfte den Mantel des Toten auf, griff in die Innentasche, zog eine Brieftasche hervor und reichte sie Hain.
»Dein Einsatz, Eulenauge.«
Dann durchsuchte er die Außentaschen des Mantels, fand jedoch nur eine angebrochene Packung Papiertaschentücher und einen Fettstift für die Lippen.
Hain hatte in der Zwischenzeit die Brieftasche durchsucht.
»Personalausweis, Führerschein, Kreditkarten, EC-Karte, Jahresplaner. Das komplette Programm.«
Er hielt Lenz einen Personalausweis vor die Nase, doch der winkte ab.
»Lies vor.«
»Wir haben es mit Wolfgang Goldberg aus Kassel zu tun«, erklärte Hain. »Geboren am 17. Mai 1962 in Schwalmstadt.«
»Wo wohnt er?«
»Hab ich doch gesagt, in Kassel.«
Lenz spürte die Kälte an seinen Beinen hochsteigen.
»Geht’s vielleicht ein klein bisschen genauer?«
»Narzissenweg 26a.«
»Weißt du, wo das ist?«
»Harleshausen. Ganz oben links, glaube ich.«
Der junge Kommissar nahm eine weitere Plastikkarte aus der Brieftasche.
»Einen IHK-Ausweis hat er auch bei sich.«
»Seit wann trägt man denn IHK-Ausweise spazieren?«, fragte Lenz erstaunt.
»Nein, nicht so, wie du meinst«, antwortete Hain. »Er arbeitet bei der IHK.«
Dann sah er zu dem Toten hinunter. »Besser gesagt, er hat dort gearbeitet.«
Dr. Franz stand auf und streckte sich. »Zum Todeszeitpunkt lässt sich jetzt leider nichts sagen, so steif, wie der gefroren ist. Aber wenn ich mehr weiß, kriegen Sie sofort Bescheid. Allerdings ist hier einiges sehr, sehr merkwürdig.«
Lenz verkniff sich weiterführende Fragen, weil er wusste, dass der Mediziner das nicht mochte.
»Danke, Herr Doktor.«
Zehn Minuten später stapften die beiden Kommissare den gleichen Weg zurück, auf dem sie gekommen waren, und machten sich auf den Rückweg nach Kassel.
»Das war er nicht selbst«, stellte Hain fest, nachdem er auf die jetzt vom Schnee geräumte Hauptstraße in Richtung Hofgeismar eingebogen war.
Lenz regelte die Heizung herunter und kratzte sich am Kinn.
»Nein. Wir fahren jetzt bei ihm zu Hause vorbei und sehen, ob es eine Frau Goldberg oder etwas in der Art gibt. Lust hab ich zwar gar keine darauf, aber es bleibt uns wohl nichts anderes übrig.«
Der Hauptkommissar gab umständlich die Adresse des Toten ins Navigationssystem ein, gähnte herzhaft, lehnte sich in den Sitz zurück und schloss die Augen.
»Wie war’s beim Preisreiten auf der toten Sau?«, fragte sein Kollege, als sie durch Hofgeismar fuhren, und meinte damit offensichtlich die Weihnachtsfeier vom Vorabend.
Lenz kräuselte die Stirn.
»Furchtbar. Einfach furchtbar. Nächstes Jahr mache ich es wie du und geh einfach nicht hin. Hätte ich dieses Jahr schon machen müssen.«
»Manchmal solltest du auf mich hören, Chef.«
»Stimmt«, seufzte Lenz.
Kurz vor Kassel bogen sie in Vellmar von der Bundesstraße ab und holten sich in einem amerikanischen Schnellrestaurant einen Kaffee, den sie während der Weiterfahrt aus Schnabeltassen ähnelnden Bechern tranken.
Es war noch immer stockdunkel, als die Computerstimme aus dem Navigationsgerät ihnen vermeldete, sie hätten in 400 Metern ihr Ziel erreicht. Genau in diesem Moment nahm Lenz den beißenden Geruch in der Luft wahr.
»Hier brennt es irgendwo.«
»Hoffentlich nicht bei unserem Toten, sonst hätte er doppeltes Pech.«
Hain kam nicht mehr dazu, seinem Vorgesetzten den genauen Hintergrund seines Kalauers zu erklären, denn jetzt bogen sie von der Hauptstraße nach rechts ab und blickten auf etwa 15 Einsatzfahrzeuge der Feuerwehr, die mit zuckenden Blaulichtern die gesamte Straße blockierten. Es wimmelte von Menschen, deren gelbe Warnwesten das Licht von Hains Scheinwerfern grell reflektierten. Den Brand selbst konnten sie nicht sehen, aber die gesamte Gegend war in blutrotes Licht getaucht.
»Was ist denn …?«, wollte Lenz eine Frage stellen, als einer der Feuerwehrleute auf sie zusprang und sich vor dem Auto aufbaute.
»Hast du Tomaten auf den Augen? Hier ist gesperrt«, brüllte er.
Hain gab ihm mit einem Handzeichen zu verstehen, dass er sein Auto auf die Seite fahren wollte.
»Hier wird jetzt nicht geparkt. Fahr deine Karre weg, aber dalli.«
Nun wurde es dem jungen Kommissar zu blöd. Er ließ wortlos die Seitenscheibe herunter und hielt seinen Dienstausweis hinaus. Der Feuerwehrmann kramte eine Taschenlampe hervor und sah sich die kleine Karte an.
»Sag das doch gleich, dann brauche ich hier nicht so den Affen zu machen.«
Er deutete auf einen freien Parkplatz links hinter ihm.
»Fahr da hin, los. Und mach bloß kein Theater, weil ich dich so angeblasen hab. Ich kann schließlich nicht riechen, dass die Kripo neuerdings im Cabrio vorfährt.«
Hain stellte kopfschüttelnd den Wagen ab.
»Sachen gibt’s …«, murmelte er.
Eine Minute später standen sie vor dem brennenden Haus.
Die Feuerwehr arbeitete mit vier Rohren und jagte Unmengen von Wasser in den offenen Dachstuhl und in mehrere Fenster, aber es war wohl ein aussichtsloser Kampf.
Lenz nahm seinen Schirm aus der Jackentasche und spannte ihn auf, weil das Wasser der Löschkanonen nicht nur ins Feuer schoss, sondern auch die Umgebung mit einem feinen Spray überzog.
Hain ging ein paar Meter zur Seite und trat zu einer Gruppe von Feuerwehrleuten, die hektisch diskutierte.
»Wir können da nicht rein, keine Chance!«, schrie einer.
»Aber es soll sich vermutlich noch ein Bewohner im Erdgeschoss aufhalten. Wollen wir es nicht wenigstens versuchen?«
»Wenn der da wirklich drin war, ist er jetzt sowieso gegrillt. Es geht einfach nicht, das siehst du doch selbst!«
Der Polizist griff sich einen der am Rand stehenden Feuerwehrmänner, zeigte ihm seinen Dienstausweis und zog ihn von den anderen weg. Als sie neben Lenz standen, stellte er sich und dann seinen Chef vor.
»Was ist hier los?«
»Es hat wohl in einem Zimmer angefangen, aber so genau weiß das keiner. Und ich bin erst vor einer halben Stunde angekommen, deswegen kann ich Ihnen gar nichts sagen.«
Er deutete auf einen Feuerwehrmann, der auf einer Treppe stand und Anweisungen in ein Funkgerät brüllte.
»Da steht der Einsatzleiter, der kann Ihnen bestimmt mehr erzählen als ich.«
Die Polizisten bedankten sich und gingen auf die Treppe zu, wo der Brandmeister gerade das Funkgerät wegsteckte.
»Lenz, Kripo Kassel. Was ist denn hier passiert?«
»Wir sind vor eineinhalb Stunden verständigt worden, wegen eines Zimmerbrandes. Es hat zuerst auch gar nicht so schlimm ausgesehen, doch dann hat auf einmal die ganze Hütte in Flammen gestanden. Das ging so schnell, so was habe ich noch nie erlebt.«
»Ist noch jemand im Haus?«, fragte Hain.
»Angeblich der Mieter einer Wohnung im Erdgeschoss. Alle anderen scheinen sich in Sicherheit gebracht zu haben, soweit wir das bis jetzt sagen können.«
Er hob den Arm und zeigte nach rechts.
»Die Leute stehen alle da drüben, Sie erkennen sie an den Decken um ihre Schultern. Außerdem sind ein paar von unseren und zwei von Ihren Leuten dabei.«
»Welche Adresse ist das hier?«, wollte Lenz wissen.
»Das Haus steht im Narzissenweg …«
Der Feuerwehrmann holte einen Block aus der Jacke und blätterte darin.
»… 26a. Narzissenweg 26a.«
Die beiden Polizisten sahen sich irritiert an.
»Stimmt was nicht?«, fragte der Feuerwehrmann.
»Nein, alles in Ordnung. Haben Sie schon eine Idee wegen der Brandursache?«
»Bis jetzt kann ich da nichts Endgültiges zu sagen, aber meine Erfahrung sagt mir, dass hier gezündelt worden ist. Die Geschwindigkeit, mit der sich das Feuer ausgebreitet hat, das geht nicht von alleine.«
Lenz bedankte sich bei dem Mann und bedeutete Hain mit einer Kopfbewegung, ihm zu folgen.
»Glaubst du an Zufälle?«, wollte er von seinem jungen Kollegen wissen, als sie etwas abseits standen.
»Nicht an solche, hier ist was oberfaul. Lass uns die Bewohner befragen, bevor sie sich in alle Winde verstreuen.«
Lenz nickte und ging los.
Zehn Minuten später war klar, dass die Feuerwehr sich nicht die Mühe würde machen müssen, nach dem fehlenden Hausbewohner zu suchen. Dessen Leichnam war schon auf dem Weg in die Rechtsmedizin, und er war nicht im Haus verkohlt, wie der Feuerwehrmann angenommen hatte, sondern im Reinhardswald schockgefrostet worden. Weiterhin wussten die beiden Kommissare nun, dass Goldberg als Justiziar bei der IHK Kassel gearbeitet, ein zurückgezogenes Leben als Single geführt und keiner der Nachbarn jemals mehr als drei Worte am Stück mit ihm gewechselt hatte. Und dass ihm vermutlich ein großer Mercedes gehörte, der aber nicht in der Garage stand, denn die war leer.
»Na, Männer, so früh schon auf den Beinen?«
Die beiden Kommissare drehten sich erschrocken um und starrten in das Gesicht von Heini Kostkamp, der sie zufrieden angrinste.
»Eins zu eins«, krächzte Hain und dachte dabei an die Szene zwei Stunden zuvor, als der Mann von der Spurensicherung der Erschreckte gewesen war.
»Was macht ihr beiden denn hier? Ich dachte, ihr liegt längst wieder im Bett und schaukelt euch irgendwelche Weichteile?«
Lenz zeigte auf das brennende Haus.
»Da hat unser Freund aus dem Wald gewohnt.«
»Der von vorhin?«
»Der von vorhin.«
»Ist nicht wahr. Zuerst hängt er tot im Wald und dann brennt seine Bude ab. Ein Zufall zu viel würde ich sagen?«
»Sehe ich genauso. Und die Beweise wirst du mir liefern.«
Auf dem Weg zu Hains Wagen sah Lenz noch einmal zurück auf das brennende Haus.
»Jetzt lassen wir mal die Spurensicherung ihren Job machen und sehen, was dabei rauskommt. Aber falls jemand das Haus angesteckt hat, dann hat er auch was mit unserem Toten im Reinhardswald zu tun.«
»Stimmt«, erwiderte Hain.
»Und was machen wir in der Zwischenzeit?«
»Ausschlafen, Thilo. Einfach ausschlafen. Im Moment können wir sowieso nichts anderes tun und müssen auf die Ergebnisse der diversen Untersuchungen warten. Morgen früh suchen wir die Hinterbliebenen von Goldberg und überbringen ihnen die Nachricht von seinem Tod.«
Drei Stunden später, um Viertel nach neun, stapfte Lenz die letzten Meter durch den Schnee auf das Polizeipräsidium zu. Er grüßte die Wachhabenden, hielt seine Marke an den Öffnungsautomaten und machte sich auf den Weg zu seinem Freund und Kollegen Uwe Wagner, dem Pressesprecher des Polizeipräsidiums Nordhessen. Kurz danach saß er ihm mit einer Tasse Kaffee in der Hand gegenüber und erzählte von den merkwürdigen Vorgängen der vergangenen Nacht und des Morgens.
»Jetzt will ich gleich mal mit der Spurensicherung telefonieren, ob die was für mich haben«, beendete er seine Ausführungen.
Wagner kratzte sich hörbar am Kinn. Offenbar hatte ihm morgens die Zeit zum Rasieren gefehlt.
»Wahrscheinlich sagt jeder, dass so was komisch ist, aber vielleicht ist es ja wirklich nur ein Zufall.«
»Schwer vorzustellen, aber möglich. Hast du Kontakte zur IHK?«
»Klar, ich sitze bei denen im Ausbildungsausschuss, das weißt du doch.«
»Woher sollte ich das wissen?«
»Weil ich dir schon oft genug davon erzählt hab. Wozu brauchst du denn meine Kontakte?«
»Dieser Goldberg hat bei der IHK als Justiziar gearbeitet. Ich nehme nicht an, dass du mit ihm bekannt warst. Vielleicht hast du einen Tipp, an wen ich mich wenden kann.«
»Wow«, presste Wagner hervor. »So ein Justiziar ist in der Hierarchie der IHK schon ziemlich weit oben angesiedelt. Ich kenne ihn zwar nicht, doch das soll nichts heißen, weil ich mich um den Posten dort nicht gerissen habe. Leider hat es unser gemeinsamer Dienstherr so entschieden, und dem kann auch ich mich nicht entziehen.«
Es klopfte an der Tür, und Thilo Hain betrat mit einem Bündel Papieren in der Hand den Raum. »Das war klar, dass ich dich hier finden würde«, sagte er zu Lenz und begrüßte dann Wagner. »Ausgeschlafen?«, fragte er seinen Chef.
»So leidlich, ja.«
Er deutete auf die Blätter in Hains Hand.
»Was hast du da?«
»Wichtige Erkenntnisse im Fall Goldberg«, antwortete der junge Oberkommissar geheimnisvoll.
»Ich konnte nämlich nicht mehr einschlafen, deshalb bin ich schon seit halb acht hier am Machen.«
Er reichte Lenz den Stapel, zog ihn aber in dem Moment wieder zurück, als dieser danach greifen wollte.
»Ich kann keine Lesebrille in deiner Nähe erkennen, deshalb lässt du mich besser einen Vortrag halten.«
Der Hauptkommissar sah Wagner an und grinste.
»Schmeiß ihn raus.«
»Das solltet ihr besser sein lassen, sonst erfahrt ihr nicht die brandneuen Informationen des Tages.«
»Nun leg schon los, Thilo«, forderte Lenz ihn auf.
Hain sah auf das oberste Blatt und wurde ernst.
»Der Brandsachverständige hat mich vor einer halben Stunde angerufen. Für ihn ist sicher, dass das Feuer in Goldbergs Wohnung ausgebrochen ist und sich dann rasend schnell ausgebreitet hat. Allerdings ist er noch vor Ort und weiter am Ermitteln. Wenn sich etwas Neues ergibt, meldet er sich. Er geht von einem Brandbeschleuniger aus, hat wohl auch Anhaltspunkte dafür, wollte aber nicht mehr dazu sagen.«
Er legte den Zettel zur Seite und nahm den nächsten in die Hand.
»Unsere Jungs von der Spurensicherung sind da oben. Ich habe eben mit Heini telefoniert, er will spätestens um elf wieder hier im Präsidium sein und uns einen ersten Überblick geben. Allerdings hat er mir schon erzählt, dass die Tür zu Goldbergs Wohnung auf jeden Fall gewaltsam geöffnet wurde. Außerdem habe ich mit der Rechtsmedizin telefoniert, leider hat Dr. Franz schlechte Laune und will vor morgen früh von uns nichts mehr hören. Aber er ist sich sicher, dass Goldberg seit etwa drei Tagen tot ist, so viel konnte er mir schon sagen. Und dass er sich angepinkelt und nicht selbst aufgehängt hat.«
Wagner kratzte sich wieder am Kinn.
»Warum hängt einer den Justiziar der IHK in den Reinhardswald und steckt danach seine Wohnung an? Und warum bricht er dazu die Wohnungstür auf, obwohl er doch einfach dem Toten den Schlüssel hätte abnehmen können?«
»Gute Fragen«, sagte Lenz. »Was ist mit dem Schlüssel, Thilo?«
»Der Tote im Wald hatte keinen dabei, was aber nicht zwangsläufig heißen muss, dass sein Mörder ihn hat.«
»Sondern?«
»Was weiß ich. Vielleicht hat er ihn verloren.«
Lenz sah ihn fassungslos an.
»Du kommst auf Ideen …«
»Weiterhin habe ich schon mit dem einen oder anderen Amt telefoniert. Goldberg war nicht verheiratet und hatte auch keine Kinder, zumindest offiziell nicht. Er war seit sechs Jahren in dem abgebrannten Haus gemeldet, fuhr einen Mercedes und hatte keine Steuerschulden.«
»Gute Arbeit, Thilo«, sagte Lenz anerkennend. Dann sah er Wagner an.
»Gib mir einen Namen, damit ich rüber zur IHK gehen und ihnen mitteilen kann, dass sie sich einen neuen Justiziar suchen müssen.«
»Den Hauptgeschäftsführer kriegt man selten zu sehen, also versuchst du es am besten bei seinem Stellvertreter. Das ist ein Herr Frommert. Waldemar Frommert.«
»Danke.«
Lenz verließ mit seinem Assistenten im Schlepptau die Pressestelle und ging zum Treppenhaus.
»Kommst du mit?«
»Besser ist das«, antwortete Hain.
Um zur IHK zu gelangen, mussten die beiden Kommissare nur den Bahnhofsvorplatz überqueren. Lenz hob den Kopf und betrachtete die Frontseite des repräsentativen Gebäudes.
›Haus der Wirtschaft‹ stand in großen, blau leuchtenden Lettern an der Fassade.
Durch eine leise aufschwingende Glastür betraten sie die großzügige Halle und nahmen Kurs auf eine etwas zu deutlich geschminkte Mittfünfzigerin, die hinter einem halbrunden Tresen saß und jeden ihrer Schritte mit Argwohn verfolgte. Kurz, bevor die beiden Polizisten sie erreicht hatten, schaltete ihr Gesicht von Misstrauen um auf gespielte Freundlichkeit.
»Guten Tag, die Herren. Wo wollen wir denn hin?«
Lenz blieb vor einem Gerät stehen, das etwa zwei Meter neben ihrem Tresen aufgebaut war und auf dem offensichtlich die neuesten Informationen für Besucher und Mitarbeiter zu lesen waren.
›Russisches Wirtschaftsforum in Seminarraum 215‹, nahm er erstaunt zur Kenntnis. Dann wandte er sich der Mitarbeiterin zu und hielt ihr seinen Dienstausweis unter die Nase.
»Paul Lenz, Kripo Kassel. Das ist mein Kollege Thilo Hain. Wir würden gerne mit Herrn Frommert sprechen.«
»In welcher Angelegenheit?«
Lenz zögerte kurz und sah auf das kleine Schild an ihrem Revers, das sie als Frau Schiller identifizierte.
»In einer wichtigen Angelegenheit, Frau Schiller, die wir keinesfalls mit Ihnen hier an der Theke erörtern wollen.«
Die Frau nahm einen Telefonhörer in die Hand und wählte mit der anderen. Dabei bedachte sie Lenz mit einem tödlichen Blick.
»Schiller hier, hallo, Herr Frommert. Da sind zwei Herren von der Kripo, die gerne mit Ihnen sprechen würden.«
Es gab eine kurze Pause.
»Nein, das wollen sie mir nicht sagen.«
Wieder lauschte sie der Stimme am anderen Ende.
»Gut, mache ich.«
Sie legte den Hörer zurück und sah Lenz mit unverändert vorwurfsvoller Miene an.
»Herr Frommert ist in einer Besprechung und bittet Sie, sich einen Moment zu gedulden. Er kommt dann herunter und holt Sie ab.«
Der Moment dehnte sich auf gut 20 Minuten aus, in denen Lenz immer nervöser wurde, weil es zu den oberen Etagen nur den Lift oder eine freitragende Treppe in der Mitte des Gebäudes gab, und beides bescherte dem Hauptkommissar schon beim bloßen Hinsehen Anflüge von Panik. Dann öffnete sich gegenüber der Rezeption die Fahrstuhltür, und ein etwa 50-jähriger Mann im dunkelblauen Anzug und mit teuer aussehenden Schuhen an den Füßen betrat die Halle. Er strebte sofort auf die beiden Kommissare zu und streckte die rechte Hand aus.
»Die Herren von der Polizei, wenn ich richtig vermute.«
Lenz nickte.
»Ich bin Hauptkommissar Paul Lenz.« Er deutete auf seinen Kollegen. »Das ist Oberkommissar Thilo Hain.«
»Waldemar Frommert. Was führt Sie zu mir, meine Herren?«
»Wenn Sie etwas Zeit hätten, würden wir gerne eine sehr ernste Angelegenheit mit Ihnen besprechen.«
Frommert sah auf die Uhr.
»Ich muss in 20 Minuten auf dem Russischen Wirtschaftsforum einen Vortrag halten. Bis dahin habe ich Zeit für Sie.«
»Das ist sehr nett. Können wir irgendwo ungestört reden?«
Frommert sah zuerst den einen und dann den anderen Kommissar kopfschüttelnd an.
»Sie machen es aber wirklich spannend, meine Herren. Wenn Sie mir bitte folgen wollen.«
Er ging an der Rezeption vorbei und öffnete vorsichtig die Tür zu einem kleinen Seminarraum.
»Frei«, sagte er nach einem kurzen Blick ins Innere. »Bitte nehmen Sie Platz.«
Als alle drei saßen, kam Lenz ohne großes Vorgeplänkel zur Sache.
»Ihr Justiziar Wolfgang Goldberg ist letzte Nacht tot im Reinhardswald aufgefunden worden.«
»Was?« Frommert starrte die beiden Polizisten mit weit aufgerissenen Augen an und presste die rechte Hand vor den Mund. »Im Reinhardswald? Was ist ihm denn passiert?«
»Das müssen wir noch klären. Wann haben Sie Herrn Goldberg zuletzt gesehen?«
Der stellvertretende Hauptgeschäftsführer nahm die Hand herunter und legte die Stirn in Falten.
»Da muss ich überlegen. Montag oder Dienstag, ja, Dienstag. Wir hatten ein Meeting am Vormittag, danach wollte Wolfgang, also Herr Goldberg, nach Lettland fliegen, zu einem Termin mit einem Kunden.« Er holte tief Luft und schluckte laut. »Bitte verstehen Sie mich nicht falsch, meine Herren, aber das ist natürlich ein Schock für mich. Ich kannte Herrn Goldberg seit vielen Jahren und glaube sagen zu können, dass wir Freunde waren. Und nun erzählen Sie mir, dass er tot ist. Was ist ihm denn passiert?«
»Wie mein Kollege schon sagte«, ergriff Hain das Wort, »lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt darüber leider keine Aussage treffen. Die Gerichtsmedizin braucht noch etwas Zeit, um die genauen Umstände seines Todes zu klären.« Er zog einen kleinen Block aus der Innentasche seiner Jacke und klappte ihn auf. »Wissen Sie, was genau Herr Goldberg in Lettland wollte?«
Frommert rutschte auf seinem Stuhl nach vorne und sah den jungen Oberkommissar eindringlich an.
»Wie ich schon sagte. Er hatte ein Gespräch mit einem Kunden. Um was es dabei genau ging, entzieht sich leider meiner Kenntnis.«
»War Herr Goldberg verheiratet?«
»Nein. Er war überzeugter Single. Es gab da mal eine Frau, aber das ist nach meinem Wissen schon seit Längerem vorbei gewesen.«
»Familie?«
»Er stammt ursprünglich aus der Schwalm, da wohnt auch seine Verwandtschaft.«
»Hatte Herr Goldberg Feinde, von denen Sie gewusst haben?«
»Nein, wo denken Sie hin? Er war bei allen Mitarbeitern und Kunden beliebt. Er hatte keine Feinde, zumindest kann ich mir das nicht vorstellen.«
»Können wir uns sein Büro ansehen?«, fragte Hain.
»Natürlich. Es ist auf der gleichen Etage wie meines, im fünften Stock.«
Na danke, dachte Lenz.
Frommert stand auf, führte die Polizisten zum Fahrstuhl und drückte einen Knopf. Sofort glitten die beiden Edelstahlflügel auseinander und gaben den Blick frei auf einen in Lenz’ Augen viel zu kleinen Raum. Trotzdem zwängte er sich als Erster hinein, schloss aber dann die Augen und drehte den Kopf zur Wand. Fast lautlos schwebte die Kabine nach oben und entließ ein paar Sekunden später ihre drei Passagiere, von denen einer tropfnasse Hände hatte.
Die Tür zu Goldbergs Büro stand halb offen, und schon auf den ersten Blick war Lenz klar, dass hier entweder ein sehr ordentlicher Mensch seiner Arbeit nachgegangen war oder dass nach seinem Verschwinden jemand überaus gewissenhaft aufgeräumt hatte. Auf dem Schreibtisch in der Mitte des Raumes stand ein einsames Telefon, und es gab weder einen Computer noch Tastatur oder Monitor. In einem Aktenkarussell sah Lenz ein paar Ordner, aber das Büro eines Justiziars hatte er sich ganz anders vorgestellt.
Er wandte sich an Frommert.
»Hatte Herr Goldberg eine Sekretärin?«
»Grundsätzlich ja, aber die Dame ist schon seit dem Sommer erkrankt. Deshalb hat er sich in der letzten Zeit selbst um die Dinge gekümmert, für die sonst die Sekretärin zuständig ist. Außerdem hat er meine Sekretärin oder die Dr. Rolls, des Hauptgeschäftsführers, für dringende Arbeiten überlassen bekommen.«
»Ist Dr. Roll im Haus?«
»Nein, Herr Dr. Roll ist auf einer Tagung in Frankfurt.«
»Wie heißt Goldbergs Sekretärin?«
Frommert nannte den Polizisten ihren Namen.
Seine Haltung und sein Gesichtsausdruck hatten jetzt nichts mehr von der Bestürzung, mit der er die Nachricht vom Tod des Justiziars aufgenommen hatte, und Lenz bekam immer mehr das Gefühl, dass er den Mann nicht leiden konnte.
Hain, dessen Hände schon in Einweghandschuhen steckten, zog eine Schublade des Schreibtisches nach der anderen auf, immer mit dem gleichen Ergebnis: Alle waren leer.
Er hob den Kopf und sah Frommert fragend an.
»Sind Sie sicher, dass Herr Goldberg in diesem Raum gearbeitet hat? Es deutet so gar nichts darauf hin, dass hier ein Mensch seiner Arbeit nachgegangen ist.«
Der IHK-Mitarbeiter verzog das Gesicht zu einem schiefen Grinsen.
»Was immer Sie damit sagen oder auch nicht sagen wollen, ist falsch. Wolfgang Goldberg hat natürlich in diesem Büro gearbeitet.«
»Wurde Herr Goldberg nicht vermisst? Schließlich haben Sie ihn am Dienstag zum letzten Mal gesehen.«
Frommert war nun sichtbar genervt und verschränkte die Arme vor der Brust.
»Er wollte bis zum Wochenende in Lettland bleiben, deshalb hat sich hier im Haus sicher niemand Gedanken gemacht.«
Lenz nahm einen Stift aus der Innentasche seiner Jacke und drückte die Wahlwiederholungstaste des Telefons. Auf dem Display erschien die Nummer eines Mobilfunkanschlusses.
»Schreib die Nummer mal bitte auf, Thilo.«
»Gerne. Aber wir können doch wahrscheinlich noch viel mehr aus dem Kasten rausholen«, antwortete Hain und fing an, sich mit dem Apparat zu beschäftigen. Drei Minuten später hatte er eine Aufstellung der jeweils letzten zehn Anrufer und der Anschlüsse, die Goldberg gewählt hatte, notiert.
Lenz drückte Frommert eine Visitenkarte in die Hand und ging langsam Richtung Tür.
»Für den Moment ist das alles, Herr Frommert. Sollte Ihnen noch etwas einfallen, das für uns von Bedeutung sein könnte, können Sie mich drüben im Präsidium erreichen. Wir werden jetzt den Raum versiegeln, um sicherzustellen, dass bis zum Eintreffen der Spurensicherung hier nichts verändert wird.«
Als sie damit fertig waren, brachte Frommert die Polizisten zum Fahrstuhl und verabschiedete sie kühl.
»Reizender Kollege«, bemerkte Hain.
»Stimmt«, antwortete Lenz und wischte sich die feuchten Hände im Innern seiner Jackentaschen ab.
»Ein echter Unsympath. Allerdings kamen mir seine anfängliche Bestürzung etwas zu dick aufgetragen und sein Gemütswandel danach etwas zu flott vor. Und in dem Büro hat jemand so überzeugend für Ordnung gesorgt, dass Heini und seine Jungs wahrscheinlich auf dem Schreibtisch einen Blinddarm entfernen könnten. Jetzt lassen wir als Erstes die Nummern, die du notiert hast, durch unser System laufen, und dann sehen wir weiter.«
»Du meinst damit, dass ich das mache.«
»Exakt. Wenn du schon dabei bist, kannst du auch gleich nach seiner Verwandtschaft in der Schwalm schauen und sie über das Ableben ihres Familienmitglieds informieren. Sag bitte Heini und seinen Jungs Bescheid, vielleicht finden sie ja doch noch irgendwas Verwertbares in dem Büro. Ich gehe bei Ludger vorbei und informiere ihn über unsere Ermittlungsergebnisse.«
»Und kümmerst dich nebenbei um die Fahndung nach Goldbergs Wagen?«
Lenz hob drohend eine Augenbraue und fing dann an zu schmunzeln.
»Werd bloß nicht frech, Kleiner. Das schaffst du ganz bestimmt auch noch.« Er klopfte seinem Kollegen anerkennend auf die Schulter. »Aber schön, dass du daran gedacht hast.«
»Komische Sache«, meinte Ludger Brandt, Kriminalrat und in seiner Funktion als Leiter der regionalen Kriminalinspektion der direkte Vorgesetzte von Lenz, nachdem er mit den Details vertraut war. »Meinst du, es gibt einen Zusammenhang zwischen Goldbergs Tod und dem Brand in seiner Wohnung?«
Der Hauptkommissar gähnte herzhaft und wischte sich die Augen.
»Ja, davon bin ich mittlerweile überzeugt. So viele Zufälle gibt’s nicht. Seine Wohnungstür wurde aufgebrochen, es ist mit Brandbeschleuniger gearbeitet worden, das Feuer ist in seiner Wohnung ausgebrochen. Alles passt zusammen.«
»Was planst du jetzt?«
»Ich gehe rüber zu Thilo, der wollte sich um die Telefonnummern und die Verwandtschaft des Herrn kümmern. Mal sehen, ob er was rausgefunden hat.«
Er stand auf und verabschiedete sich von seinem Chef, der ihn zur Tür brachte.
»Staatsanwalt Marnet hat sich übrigens schon bei mir gemeldet. Ich rufe ihn gleich an und berichte ihm von deinen Erkenntnissen. Und du hältst mich weiter auf dem Laufenden, Paul.«
»Sicher.«