Kapitalismus und Freiheit - Milton Friedman - E-Book

Kapitalismus und Freiheit E-Book

Milton Friedman

0,0
10,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Milton Friedmans Buch ist aktueller denn je. Ihm geht es um die Freiheit des Menschen jenseits staatlicher Bevormundung. Seine Analyse zur Rolle des Staates, der Sozial- und Wohlfahrtssysteme ist nicht nur ein anschauliches Buch, sondern für jeden an Politik und Wirtschaft interessierten Leser eine spannende Lektüre. Mit einem neuen Vorwort des Autors und einem Geleitwort von Horst Siebert, dem ehemaligen Präsidenten des Kieler Instituts für Weltwirtschaft.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover & Impressum

Widmung

Geleitwort

Vorwort zur neuen deutschen Ausgabe

Vorwort zur ersten deutschen Ausgabe von 1971

Einleitung

1 Die Beziehung zwischen wirtschaftlicher und politischer Freiheit

2 Die Rolle des Staates in einer freien Gesellschaft

Die Regierung als Spielleiter und Schiedsrichter

Eingreifen der Regierung aufgrund eines technischen Monopols und der Nebenwirkungen

Eingreifen des Staates aus paternalistischen Gründen

Zusammenfassung

3 Die Kontrolle über das Geld

Eine Warenwährung

Eine unbeschränkte monetäre Autorität

Gesetzliche Regeln anstelle von Autoritäten

4 Internationale Finanz- und Handelsabkommen

Die Bedeutung internationaler Währungsabkommen für die wirtschaftliche Freiheit

Die Rolle des Goldes im Währungssystem der USA

Devisentransaktionen und Kapitalflucht

Weitere Mechanismen, um einen Ausgleich der Zahlungsbilanz zu erreichen

Flexible Wechselkurse sind die marktwirtschaftliche Lösung

Notwendige Maßnahmen für einen freien Gold-und Devisenmarkt

Aufhebung der amerikanischen Handelsbeschränkungen

5 Finanzpolitik

6 Die Rolle des Staates im Erziehungswesen

Die allgemeine Erziehung zum Staatsbürger

Das Erziehungswesen auf College- und Universitätsebene

Berufstraining und berufliche Fortbildung

7 Kapitalismus und Diskriminierung

Die Gesetzgebung für die Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt

Gesetzgebung zum Recht auf Arbeit

Rassentrennung in den Schulen

8 Das Monopol und die soziale Verantwortung von Arbeitgebern und Gewerkschaften

Das Ausmaß des Monopols

Die Ursachen des Monopols

Was der Staat tun soll

Die soziale Verantwortung der Arbeitgeber und Gewerkschaften

9 Freie Berufswahl und Lizenzen

Die Allgegenwart staatlicher Beschränkungen in den Beschäftigungsmöglichkeiten des Einzelnen

Sich aus dem Lizenzzwang ergebende Grundsatzfragen

Lizenzzwang in der Medizin

10 Die Einkommensverteilung

Die ethischen Grundlagen der Einkommensverteilung

Die instrumentale Rolle der Einkommensverteilung nach der Leistung

Tatsachen der Einkommensverteilung

Staatliche Maßnahmen zur Änderung der Einkommensverteilung

11 Sozial- und Wohlfahrtsmaßnahmen

Renten- und Altersversorgung

12 Maßnahmen zur Bekämpfung der Armut

Liberalismus und Egalitarianismus

13 Zusammenfassung

Widmung

Für Janet und David und ihre Zeitgenossen, die die Fackel der Freiheit in die nächste Runde tragen müssen.

Einleitung

 

In einer viel zitierten Passage seiner Inaugurationsrede sagte Präsident Kennedy: »Fragt nicht, was Euer Land für Euch tun kann – fragt, was Ihr für Euer Land tun könnt!« Für den Geist unserer Zeit ist es sehr bezeichnend, dass sich die Auseinandersetzung über diese Passage nur um die Herkunft dieses Satzes dreht – und nicht auch um seinen Inhalt. Denn weder die eine noch die andere Hälfte des Satzes drückt die Beziehungen aus zwischen dem Bürger und seiner Regierung, die eines freien Menschen in einer freien Gesellschaft würdig sind. Das »Was Euer Land für Euch tun kann« ist pa-ternalistisch: Die Regierung ist der Herr und der Bürger sein Schutzbefohlener. Es steht ganz im Gegensatz zu dem Glauben eines freien Individuums an seine Verantwortung für sein eigenes Schicksal. Das anschließende Gegenstück »Was Ihr für Euer Land tun könnt« beinhaltet: Der Staat ist der Herr oder die Gottheit und der Bürger der Diener oder getreue Anbeter.

Für den freien Bürger ist sein Land jedoch die Versammlung der Individuen, die es bilden, nichts außerhalb oder gar über ihm Stehendes. Der freie Bürger ist zwar stolz auf das gemeinsame Erbe und loyal gegenüber gemeinsamen Traditionen. Doch den Staat betrachtet er nur als Mittel, als ein Instrument und nicht als einen Spender von Gunst und milden Gaben oder als Herrn und Gott, dem er blind gehorchen und dienen muss. Er kann kein nationales Ziel anerkennen, es sei denn, es handelt sich um einen gemeinsam von allen einzeln gebildeten Konsensus. Und es gibt für ihn keine nationalen Ziele, es sei denn den Konsens über Ziele, der von allen einzeln herbeigeführt wurde.

Der freie Bürger wird weder fragen, was sein Land für ihn tun kann, noch was er für sein Land tun kann. Er wird vielmehr fragen: »Was kann ich mit meinen Landsleuten mithilfe der Regierung erreichen?« – beim Erfüllen meiner individuellen Pflichten; beim Erreichen unserer individuellen Ziele und Zwecke; und vor allem beim Bewahren unserer individuellen Freiheit. Und mit dieser Frage wird er noch eine zweite verbinden: Wie können wir verhindern, dass die Regierung, die wir geschaffen haben, ein Monster wie »Frankenstein« wird, das schließlich die Freiheit vernichtet, zu deren Schutz wir doch die Regierung überhaupt erst eingesetzt haben? Freiheit ist eine seltene und delikate Pflanze. Unser Verstand sagt uns, und die Geschichte bestätigt es, dass die große Gefahr für die Freiheit in der Konzentration von Macht beschlossen liegt. Regierungen sind notwendig, um unsere Freiheit zu schützen. Sie sind das Instrument, mit dessen Hilfe wir unsere Freiheiten ausüben können; doch bei der Konzentration von Macht in der Hand der Politiker beginnt die Gefahr für die Freiheit. Auch wenn die Männer, die diese Macht ausüben, ursprünglich guten Willens sind, und selbst, wenn sie nicht von der Macht, die sie ausüben, korrumpiert werden: so ist es doch Macht, die sie anzieht und die andere Männer aus ihnen macht.

Aber wie können wir Nutzen haben von dem, was die Regierung an Gutem verspricht, und dabei gleichzeitig die Bedrohung der Freiheit vermeiden? In der amerikanischen Verfassung sind zwei klare Prinzipien beschlossen, die uns sagen, wieso wir bisher unsere Freiheit behalten haben, wenn sie auch in der Praxis des Öfteren verletzt wurden, obwohl sie als Gebote galten.

Erstens: Der Spielraum der Regierung muss beschränkt sein. Ihre Aufgabe muss es sein, unsere Freiheit zu schützen, insoweit sie von außerhalb bedroht ist und insoweit sie unsere Mitbürger verletzen könnten: also für Gesetz und Ordnung zu sorgen, die Einhaltung privater Verträge zu überwachen, für Wettbewerb auf den Märkten zu sorgen. Neben dieser Hauptfunktion kann uns die Regierung noch helfen, Aufgaben zu erfüllen, von denen wir glauben, dass sie für Einzelne zu schwierig oder zu kostspielig wären. Indessen: Auch in diesem Gebrauch der Regierungsgewalt liegt eine Gefahr beschlossen. Zwar können und sollen wir es nicht vermeiden, die Regierung auf diese Weise zu gebrauchen. Dennoch sollten wir eine klare und ausführliche Berechnung der Vorteile anstellen, bevor wir uns darauf einlassen. Indem wir uns in erster Linie auf freiwillige Kooperation und privaten Unternehmungsgeist in wirtschaftlichen oder sonstigen Aktivitäten verlassen, können wir sichergehen, dass der private Sektor der Zügel ist, den wir dem Staatssektor anlegen, und daneben ein wirksamer Schutz der Redefreiheit, der Freiheit der Religion und der Freiheit der Gedanken.

Das zweite klare Prinzip ist, dass die Macht der Regierung verteilt sein muss. Wenn die Regierung schon Macht ausübt, dann besser im Landkreis als im Bundesland, besser im Bundesland als in der Hauptstadt. Wenn mir das nicht passt, was in meiner näheren Umgebung geschieht – seien es Abwässer- oder Schulprobleme –, kann ich immer noch in einen anderen Landkreis ziehen. Und wenn auch nur wenige tatsächlich umziehen, so ist doch die Möglichkeit, dass sie es tun könnten, ein Zügel. Und wenn mir nicht gefällt, was mein Bundesstaat macht, kann ich in einen anderen ziehen. Erst wenn mir nicht passt, was in Washington geschieht, dann habe ich nur wenig Auswahl in dieser Welt einander misstrauender Nationen.

Natürlich ist gerade die Tatsache, dass man der Gesetzgebung der Zentralgewalt so schwer entkommen kann, ein Hauptargument der Befürworter des Zentralismus. Sie glauben, dass man in einer zentralistischen Ordnung viel effektivere Gesetzgebungen starten kann, die dann – wie sie es sehen – im Interesse der Öffentlichkeit liegen, ganz gleich, ob es sich jetzt um die Übertragung von Einkommen von den Reichen auf die Armen handelt oder darum, das Geld von den Privaten auf die Regierung umzuleiten. In einer Hinsicht haben sie Recht. Aber die Medaille hat ihre zwei Seiten. Die Macht, Gutes zu tun, ist zugleich die Macht, Schlechtes zu tun und Schaden anzurichten. Wer heutzutage die Macht ausübt, kann sie morgen verloren haben. Und noch wichtiger: Was der eine als gut ansieht, empfindet der andere als schädlich. Die große Tragödie bei dem Zug hin zur Zentralisation, wie bei der Bewegung hin zur Ausdehnung der Regierungsgewalt, ist, dass diese Bewegung jedes Mal von Leuten guten Willens angeführt wird, die dann die ersten sind, die das Ganze bereuen.

Die Bewahrung der Freiheit ist der entscheidende Grund, um die Staatsgewalt zu beschränken und zu dezentralisieren. Daneben gibt es auch noch einen strukturellen Grund: Die großen Erfolge der Zivilisation, ob in der Architektur, in der Malerei, in Wissenschaft oder Literatur, in Industrie oder Landwirtschaft, sind nie von zentralen Staatsgewalt en ausgegangen. Kolumbus lief nicht aus, um einen neuen Seeweg nach Indien zu finden, nachdem man ihm die Direktiven der Parlamentsmehrheit mit auf den Weg gegeben hatte (wenn er auch zum Teil von einem absoluten Monarchen finanziert wurde). Newton und Leibniz, Einstein und Bohr, Shakespeare, Milton und Pasternak, Whitney, McCormick, Edison und Ford, Jane Addams, Florence Nightingale und Albert Schweitzer: Niemand von ihnen öffnete die Grenzen im menschlichen Wissen und Verstehen, in der Literatur, in den Techniken oder in der Erleichterung menschlichen Elends in Antwort auf staatliche Direktiven. Ihre Leistungen waren das Ergebnis individuellen Genies, kraftvoll vertretener Minderheits-Ansichten, eines sozialen Klimas, das Verschiedenheit und Mannigfaltigkeit erlaubte.

Der Staat kann nie die Vielfalt und Verschiedenheit individueller Aktionen ersetzen. In bestimmten Augenblicken kann durch die Normierung und Einführung uniformer Standards im Wohnungsbau, in der Ernährung, in der Kleidung durch den Staat das Lebensniveau vieler Individuen verbessert werden. Durch die Uniformierung im Schulwesen, im Straßenbau, im Gesundheitswesen kann die Regierung zweifellos in vielen kleinen Gemeinden einiges verbessern. Auf die Dauer freilich würde der Staat Fortschritt durch Stagnation ersetzen und an die Stelle der Vielfalt uniforme Mittelmäßigkeit setzen. Dabei ist die Vielfalt gerade essenziell für die Experimente, die es uns erlauben, morgen schon zu faulenzen, obwohl wir heute noch arme Schlucker sind.

Dieses Buch stellt einige dieser großen Streitfragen zur Diskussion. Sein Leitmotiv ist dabei die Rolle des wettbewerblich organisierten Kapitalismus – also die Organisation der ganzen Masse der wirtschaftlichen Aktivität durch private Unternehmen, die auf freien Märkten operieren – als eines Systems von wirtschaftlicher Freiheit und einer notwendigen Bedingung für politische Freiheit. Ein Nebenthema ist die Rolle, die die Regierung in einer freien Gesellschaft spielen sollte, also in einer Gesellschaft, die sich in erster Linie auf den Markt verlässt, der die wirtschaftliche Aktivität organisiert.

In den ersten beiden Kapiteln werden diese Streitfragen abstrakt diskutiert, also mehr in Prinzipien als in konkreten Anwendungsfällen. Die weiteren Kapitel wenden dann diese Prinzipien auf verschiedene Probleme an.

Ein abstrakter Gedanke kann natürlich erschöpfend und umfassend dargestellt werden. Dieses Ideal wird in den kommenden beiden Kapiteln sicher nicht erreicht. Und auch die Anwendungsfälle für die Prinzipien können nicht vollständig sein. Jeder Tag bringt neue Probleme und Umstände. Daher kann die Rolle des Staates auch nicht ein für alle Mal in den Begriffen seiner spezifischen Funktion definiert werden. Daher müssen wir auch von Zeit zu Zeit die – wie wir hoffen – unveränderlichen Prinzipien zur Lösung der Tagesprobleme neu überdenken. Als Nebenprodukt fällt dabei unvermeidlich ein neuerlicher Test für die Prinzipien ab, und zugleich schärft das unser Verständnis für sie.

Es wäre sehr bequem, eine Bezeichnung für die politischen und wirtschaftlichen Grundsätze zu haben, die in diesem Buch angesprochen werden. Die richtige und passende Bezeichnung ist »Liberalismus«. »Bedauerlicherweise«, sagt Joseph Schumpeter, »haben die Feinde des Systems des privaten Unternehmertums es für weise gehalten, seinen Namen anzunehmen. Das ist ein auszeichnendes, nur leider nicht beabsichtigtes Kompliment.«[3] Daher hat »Liberalismus« in den Vereinigten Staaten heute eine ganz andere Bedeutung als im 19. Jahrhundert und auch noch in weiten Teilen des europäischen Kontinents.

Als sich eine intellektuelle Bewegung im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert unter dem Namen »Liberalismus« entwickelte, betonte sie die Freiheit als das höchste Ziel und sah im Individuum das höchste Wesen innerhalb der Gesellschaft. Die Bewegung unterstützte das Laissez-faire als ein Mittel, im Inneren die Rolle des Staates in den wirtschaftlichen Angelegenheiten zurückzudrängen und die Rolle des Individuums zu stärken. Nach außen hin unterstützte sie den freien Handel als ein Mittel, die Nationen der Welt friedlich und demokratisch zu verbinden. In der Politik unterstützte diese Bewegung die Entwicklung der repräsentativen Demokratie und der parlamentarischen Institutionen, die Beschränkung der staatlichen Willkür und den Schutz der bürgerlichen Freiheiten der Individuen.

Im späten 19. Jahrhundert – und speziell nach 1930 in den Vereinigten Staaten – wurde der Begriff »Liberalismus« mit einer ganz anderen Betonung verwendet, vor allem in der Wirtschaftspolitik. Er wurde in Verbindung gebracht mit der Bereitschaft, sich bei der Erreichung von allgemein anerkannten Wünschen in erster Linie auf den Staat zu verlassen und nicht mehr auf private und freiwillige Vereinbarungen. Die Stichworte hießen jetzt »Sozialstaat« und »Gleichheit« und nicht mehr »Freiheit«. Der Liberale des 19. Jahrhunderts betrachtete die Ausdehnung der Freiheit als den effektivsten Weg, um den sozialen Staat und die Gleichheit zu erreichen. Der Liberale des 20. Jahrhunderts betrachtete die allgemeine Wohlfahrt und die Gleichheit als Voraussetzungen oder als Alternativen zur Freiheit. Im Namen der Wohlfahrt und der Gleichheit begann der Liberale des 20. Jahrhunderts die Wiederbelebung der Politik eben jenes Staatsinterventionismus und Paternalismus zu betreiben, gegen die der klassische Liberale gekämpft hatte. Indem er die Uhr zurückdreht bis zum Merkantilismus des 17. Jahrhunderts, liebt es der neue Liberale, die wahren Liberalen als Reaktionäre zu beschimpfen.

Der Wandel in der Bedeutung, die dem Wort Liberalismus beigelegt wurde, ist in wirtschaftlichen Fragen noch auffallender als in politischen. Der Liberale des 20. Jahrhunderts setzt sich, ebenso wie der Liberale des 19. Jahrhunderts, für parlamentarische Institutionen ein, für repräsentative Volksvertretung, Menschenrechte und derlei mehr. Dennoch liegt auch in den politischen Dingen ein bemerkenswerter Unterschied: Eifersüchtig auf die Freiheit wachend und daher ängstlich gegenüber zentralisierten Gewalten, sei es in staatlicher oder in privater Hand, favorisierte der Liberale des 19. Jahrhunderts die politische Dezentralisation. Ganz im Handeln aufgehend und im Vertrauen auf die Wohltaten, die sich aus der Staatsmacht ergeben, solange diese nur offen sichtbar vom Elektorat kontrolliert ist, favorisiert der Liberale des 20. Jahrhunderts die zentrale Staatsgewalt. Seine Zweifel darüber, wo wohl die Staatsgewalt lokalisiert sein soll, wird er dadurch zerstreuen, dass diese besser im Staat als in der Stadt aufgehoben sei und besser bei der Bundesregierung als beim Land, und bei einer Welt-Organisation schließlich besser als bei einer nationalen Regierung.

Da der Begriff Liberalismus also korrumpiert ist, werden die Ansichten, die früher mit seinem Namen bezeichnet wurden, heute »Konservativismus« benannt. Das ist indessen keine befriedigende Alternative. Der Liberale des 19. Jahrhunderts war ein Radikaler, und zwar in doppelter Hinsicht: im etymologischen Sinn jemand, der den Dingen auf den Grund, an die Wurzel geht, und im politischen Sinn jemand, der sich für die großen Veränderungen in den sozialen Institutionen einsetzt. In diesem Sinn muss sich sein moderner Erbe verhalten. Wir wollen nicht die staatlichen Interventionen konservieren, die unsere Freiheit so sehr beschnitten haben. Wir wollen nur diejenigen bewahren und ihre Gedanken, die den Liberalismus befürwortet haben. Im Übrigen beginnt der Ausdruck »konservativ« ein breites Spektrum von Ansichten zu decken, worunter natürlich auch so völlig unvereinbare und nur mit einem Bindestrich verbundene Begriffsbildungen stehen wie »liberal-konservativ« oder »aristokratisch-konservativ«.