Kapitalismus und Ungleichheit -  - E-Book

Kapitalismus und Ungleichheit E-Book

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Beschreibung

Spätestens seit der Finanzkrise 2008 hat der Begriff des Kapitalismus wieder Konjunktur, und mit Thomas Pikettys Bestseller auch die Frage nach sozialer Ungleichheit. In diesem Buch denken die Autorinnen und Autoren - unter Federführung von Heinz Bude und Philipp Staab - beide Dimensionen systematisch zusammen. Dass der Kapitalismus soziale Ungleichheit hervorbringt, ist dabei keine Neuigkeit. Wohl aber ist es in der Soziologie ein Novum, nach der kapitalistischen Logik hinter der Entwicklung sozialer Ungleichheit zu fragen, und zwar jenseits des "methodischen Nationalismus" im Kontext der Globalisierung. Der Band bietet neue Impulse für eine als Zeitdiagnose verstandene Kapitalismustheorie und liefert überraschende Analysen zu neuen Wertschöpfungsmustern im Finanzmarkt- und digitalen Kapitalismus, zu Arbeitsmärkten und politischer Herrschaft in der Weltgesellschaft, zur Artikulation politischer Kollektive und zum Stand der Kapitalismuskritik. Mit Beiträgen unter anderem von Manuela Boatca, Tobias ten Brink, Heinz Bude, Klaus Dörre, Silke van Dyk, Sighard Neckel, Wolfgang Streeck, Göran Therborn und Anja Weiß.

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Heinz Bude, Philipp Staab (Hg.)

Kapitalismus und Ungleichheit

Die neuen Verwerfungen

Campus Verlag

Frankfurt/New York

Über das Buch

»Die Ungleichheit zwischen den alten Industrieländern und den neuen ›Schwellenländern‹ geht in großen Schritten zurück, gleichzeitig nimmt die Ungleichheit innerhalb der Gesellschaften der ›ersten‹, der ›zweiten‹ wie der ›dritten‹ Welt zu. Derzeit überflügelt die erste Bewegung die zweite, weshalb man sich damit beruhigen kann, dass sich die Ungleichheit insgesamt reduziert. Die Rechnung geht jedoch an dem vor unseren Augen stattfindenden Strukturwandel der Ungleichheit vorbei, der als ein Prozess der dynamischen, das heißt gegenläufigen, teilweisen und umwegigen Überlagerung von globalen und nationalen Ungleichheitsverhältnissen zu verstehen ist. … Die Frage ist, wie sich diese Paradoxie der Ungleichheit schon heute in den oberen, in den unteren und in den mittleren Lagen unserer Gegenwartsgesellschaften darstellt. (Heinz Bude)«

Vita

Heinz Bude ist Professor für Makrosoziologie an der Universität Kassel. Von ihm erschien zuletzt »Gesellschaft der Angst« (2014) und »Das Gefühl der Welt. Über die Macht von Stimmungen« (2016). Philipp Staab, Dr. rer. pol., studierte Soziologie, Politikwissenschaft und Psychologie. Er arbeitet am Hamburger Institut für Sozialforschung.

Inhalt

Heinz Bude und Philipp Staab: Einleitung: Kapitalismus und Ungleichheit – Neue Antworten auf alte Fragen

Gesellschaftsanalyse jenseits des Ressentiments

Ungleichheit

Kapitalismus

Der Band

Literatur

Transformationen des Kapitalismus in der Gegenwart

Aaron Sahr: Reichtum aus Feenstaub: Das Free-Lunch-Privileg des Keystroke-Kapitalismus

Einleitung

Finanzialisierung und Arbeitseinkommen

Dynamik

Deregulierung

Innovationen

Implizite Subventionen

Ungleichgewichte

Das Free-Lunch-Privileg

Kreditgeldrenten

Zinsasymmetrien

Vermögensinflation

Plünderungszirkel

Schluss

Literatur

Tobias ten Brink: Blinde Flecken – Zur makrosoziologischen Analyse nicht-liberaler Kapitalismen im globalen Süden

Nicht-liberale kapitalistische Dynamik in China und Indien

Hand in Hand: Die Unternehmen und der Staat

Die Rolle der Binnenmärkte

System- und Sozialintegration

Einsichten und Implikationen für die Forschung

Literatur

Oliver Nachtwey und Philipp Staab: Die Avantgarde des digitalen Kapitalismus

Schlüsselunternehmen der Digitalisierung

Das System Amazon

Sozio-technische Ökosysteme

Die Zukunft des digitalen Kapitalismus

Markt: Digitale Schöpfung, analoge Zerstörung

Herrschaft: Digitaler Taylorismus

Organisation: Freisetzung und Dichotomie

Die Kontingenzarbeitskraft

Protodigitale Entbettung

Literatur

Ungleichheiten im Weltmaßstab

Anja Weiß: Globale Ungleichheiten und die Soziologie

Wie gehen Theorien zu sozialer Ungleichheit mit der globalen Dimension des Phänomens um?

Wie geht die empirische Ungleichheitsforschung mit globalen Ungleichheiten um?

Anregungen für die empirische Forschung

Theoretische Anschlüsse

Fazit

Literatur

Heinz Bude: Globale Klassenverhältnisse

Ein paradoxes Narrativ

Oben

Unten

In der Mitte

Das Gefälle zwischen Deskription und Analyse

Literatur

Manuela Boatcă: Kapital aus Staatsbürgerschaft und die globale Strukturierung des Nationalen

Begriffsbestimmungen: Ungleichheit und Staatsbürgerschaft

Staatsbürgerschaft in globaler Perspektive

Staatsbürgerschaft durch Investition – Ein dritter Weg?

Ursprung in der Karibik und gegenwärtige europäische Beispiele

Ungleiche Staatsbürgerschaften und globale soziale Mobilität

Literatur

Arbeitsmärkte und Ungleichheit

Sighard Neckel: Die Refeudalisierung des modernen Kapitalismus

Die neue Krise der Öffentlichkeit

Refeudalisierung als Begriff der Gesellschaftsanalyse

Der Vertigo-Effekt: Paradoxe Gegenbewegungen des gesellschaftlichen Wandels

Die Wiederkehr unfreier Arbeit

Die neuen Oligarchien

Refeudalisierung in der Gesellschaft der Gegenwart

Literatur

Nicole Mayer-Ahuja: Arbeit und transnationale Wertschöpfung

»Globalisierung«: Weder neu noch global oder linear

Institutionelle Prägung von Unternehmen statt »one best way«

Unterschiedliche Logiken von Wertschöpfung statt »globalem Kapital«

Mehr oder weniger Gleichheit durch transnationale Wertschöpfung? Plädoyer für die Analyse verbundener ungleichmäßiger Entwicklung

Fazit und Ausblick

Literatur

Philipp Staab: Digitalisierung und soziale Ungleichheit: Die Dienstleistungsgesellschaft am Scheideweg?

Die Entwicklung von Arbeit und Ungleichheit

Produktivität und Ungleichheit in der Dienstleistungsgesellschaft

Rationalisierungsresistenz

Institutionelle Filtermechanismen

Am digitalen Scheideweg?

Digitalisierung der Arbeit

Der digitale Kapitalismus

Literatur

Florian Butollo: Die große Mobilmachung: Die globale Landnahme von Arbeit und die Reservearmeemechanismen der Gegenwart

Die Dynamisierung nationaler Arbeitsmärkte: Aktivierung, Prekarisierung und Mobilisierung unbezahlter Arbeit

Die Globalisierung der Wertschöpfung und die Regime der Binnenmigration

Duale Migrationsregime und die Nutzbarmachung der Fluchtmigration

Reservearmeen im digitalen Kapitalismus

Fazit: Kollektivinteressen im Zeitalter der globalen Mobilmachung

Literatur

Politische Herrschaft und sozialer Konflikt

Oliver Nachtwey: Gibt es einen neuen sozialen Konflikt? Einige sozialtheoretische Überlegungen

Sozialtheorien des sozialen Konflikts

Der Wandel des sozialen Konflikts

Eine erneute große Transformation?

Neue soziale Konflikte

Ein neuer Konflikt um Citizenship?

Literatur

Wolfgang Streeck: Bürger als Kunden: Überlegungen zur neuen Politik des Konsums

Kundenspezifische Güter

Vergesellschaftung durch Konsum

Die vermarktlichte Öffentlichkeit

Minima Kollektiva

Politik als Konsum?

Literatur:

Göran Therborn: Klasse im 21. Jahrhundert

Die Niederlage erklären

Nationen und Klassen

Ein bevorstehendes Jahrhundert der Mittelschicht?

Konsum oder Demokratie?

Die Möglichkeiten der Arbeiterklasse

Plebejische Aussichten

Eine neue Geopolitik der Linken

Literatur

Die Zukunft der Kritik

Silke van Dyk: De(kon)struktion und politische Ökonomie: Perspektiven poststrukturalistischer Kapitalismuskritik

Poststrukturalismus revisited: Wie das wurde, was es nicht gibt

Prekäre Schließungsprozesse

Direktiven des Poststrukturalismus

Etablierung poststrukturalistischer Theorien und die Erosion kritischen Potenzials

Poststrukturalistische Rezeptionen und die Beruhigung des linken akademischen Gewissens

Bedienungsaufforderungen, die unausgeschöpft bleiben

Poststrukturalistische Kritik als Kapitalismuskritik

Intelligibilität und Ausbeutung

Diversität und Totalität – Queering the economy?

Dynamik und Stabilität

Literatur

Klaus Dörre: Heimatloser Antikapitalismus? Polanyis Marktkritik und das Alltagsbewusstsein von Lohnabhängigen

Identifikation mit der »kleinen« Welt des Betriebs

Kritik an der »großen« Welt des Finanzmarktkapitalismus

Die Fragmentierung alltäglicher Kapitalismuskritik

Von der Wettbewerbs- zur Wachstumskritik

Von der Markt- zur Ausbeutungskritik

Literatur

Autorinnen und Autoren

Einleitung: Kapitalismus und Ungleichheit – Neue Antworten auf alte Fragen

Heinz Bude und Philipp Staab

Man braucht nicht so viel Mut für die Behauptung, dass soziale Ungleichheit das gesellschaftliche Megathema der nächsten dreißig Jahre sein wird. Die großen Trends, die unsere Lebensweise auf dem Globus verändern, wie der klimatische, der demographische sowie der digitale Wandel werden von der weltweit sich verändernden gesellschaftlichen Ungleichheit gebrochen. Schließlich hängt es von unserer Ausstattung mit Geld, Macht und Wissen ab, wie uns der Klimawandel trifft, wie sich unser Lebensalter vor, mit und vor allem nach der Erwerbsarbeit gestaltet und welchen Nutzen wir aus den Angeboten digitaler Lebensassistenz ziehen können.

Für die Soziologie der Gegenwart geht es darum, die Schicksale der Ausgesetztheit und Privilegien des Schutzes, die Versperrung von Zugängen und die Monopolisierung von Ressourcen als systematische Effekte des sozio-ökonomischen Wandels zu begreifen. Sie muss dabei konzedieren, dass nicht von vorneherein ausgemacht ist, wer die Gewinner und wer die Verlierer weltgesellschaftlicher Veränderungsdynamiken sein werden. Werden die Bewohner der alten Welt des OECD-Raums wie in den vergangenen 200 Jahren die Nase vorn haben oder werden sich in einer neu konturierten Weltgesellschaft Gruppen an die Spitze setzen, deren Pioniergewinne und Hybridgestalten mit dem methodischen und semantischen Instrumentarium der klassischen Soziologie kaum noch zu fassen sind?

Seit der letzten Jahrhundertwende stellt sich jedenfalls die Frage, welche Zusammenhänge zwischen der Globalisierung unserer Weltbezüge und der Entwicklung sozialer Ungleichheit bestehen. Die passende Antwort hat man allerdings nicht sogleich zur Hand. Grundlagentheoretisch versucht die Soziologie sich Klarheit darüber zu verschaffen, wie aus multiplen Differenzen zwischen Individuen, Gruppen und Nationen durchschlagende Ungleichheiten werden (Diewald/Faist 2011). Dahinter steht die Frage, wie die Welt von morgen aussehen wird, wenn Europa nur noch 6 Prozent der Weltbevölkerung stellt, wenn in den Schwellenländern von heute eine neue Mittelklasse den Ton angibt (Mau 2012) und wenn in Afrika die großräumigen Feldversuche mit Saatgut und Smartphone eine bisher ungeahnte Ökologie des Neuen erzeugt haben (Geissler u. a. 2012).

Das Gesellschaftsdenken kommt unter diesen neuen Bedingungen auf sein klassisches Format zurück: auf die Frage nach dem Ursprung der Ungleichheit unter den Menschen, auf die Form und Funktionsweise von Herrschaft sowie auf die Erzeugung von Legitimität und die Formierung von Kritik (vgl. Dahrendorf 1961).

Immer lauter wird heute die Frage gestellt, was nach dem Ende der dreißigjährigen Periode, die mit dem Machtantritt von Margret Thatcher in Großbritannien, von Deng Xiaoping in China und von Ronald Reagan in den USA begonnen hat und mit der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise von 2008 zu Ende gegangen ist, zu erwarten steht. Erleben wir »das befremdliche Überleben des Neoliberalismus« (Crouch 2011) oder treten wir ein in ein Zeitalter der Abdankung Europas und der gesamten OECD-Welt und des Aufstiegs des riesigen Rests der Menschheit? Kennt die Welt, die sich mit der Globalisierung von Ökonomie, Migration, Wissenschaft und Kulturindustrie zu einem polyzentrischen Raum der weltweiten Vergleichbarkeit bei gleichzeitiger Zuspitzung der Unterschiede verwandelt hat, überhaupt noch die Vorstellung einer gemeinsamen Zukunft oder ist das Kommende nur noch als Effekt zunehmend interdependenter, aber letztlich kontingenter Handlungssequenzen denkbar?

Mit diesen Fragen rührt die Soziologie der Ungleichheit an die Grundgegebenheiten unserer Lebensweise. Sie verspricht aus Sicht des Publikums die Wahrheit über die Spaltung der Gesellschaft, über die Unterwerfung der Leute und über den Betrug der Öffentlichkeit zur Sprache zu bringen, indem sie mit einer Konstellation wechselseitiger Abschreckung bricht, die über eine lange Zeit das gesellschaftswissenschaftliche Denken beherrscht hat: der Gegenüberstellung des Marktes, der nach einem Gesetz ohne Erbarmen funktioniert, und der Kultur, die den Eigensinn der Lebenspraxen konserviert. Mit der wahlweisen Heiligung des Marktes als Anderem der Kultur oder der Kultur als Anderem des Marktes waren die Einflusssphären der Gesellschaftsbeobachtung lange Zeit abgesteckt. Auf der Strecke blieb die Kategorie der Gesellschaft als eigentliche Grundlage dieses kalten Friedens und Verbindungsglied zwischen den Sphären ökonomischer Selbstdurchsetzung und kultureller Selbstverwirklichung.

Mit dem Ungleichheitsthema ist die Gesellschaft zurückgekehrt und damit ein Wirklichkeitsbedarf, der sich offenbar nicht nach Maßgabe eines historistischen Antiessentialismus befriedigen lässt, welcher sich in der Klärung von Beobachterstandpunkte und der Entschlüsselung von Wissenssystemen erschöpft – aber sicher auch nicht nach Art eines ökonomischen Evolutionismus, der sich im Gefolge von Hayek oder Kondratjef an den Triebwagen des Fortschritts hält, der nun mal Sieger und Besiegte, Herrschende und Beherrschte, Nützliche und Überflüssige hervorbringt. Die Soziologie der Ungleichheit ist, womöglich anders als die Organisations-, Netzwerk- oder Mediensoziologie, darauf angewiesen, die Erfahrungstatsachen von Privilegierung und Benachteiligung, von Teilhabe und Exklusion, Macht und Ohnmacht so abzubilden, wie sie sich den Betroffenen darstellen. Es geht, wie Husserl seinerzeit gefordert hatte, um die »Rückkehr zu den Sachen selbst« (Husserl 2009 [1911]), um am Leitfaden von Phänomenen und Problemen (Bude 2008), die in der Praxis der Menschen eine Bedeutung haben, zu klären, was uns unter den Nägeln brennt, worunter wir alle leiden und wie wir uns zu retten versuchen.

Gesellschaftsanalyse jenseits des Ressentiments

Für eine solche Gesellschaftsbeschreibung besteht allerdings die Gefahr der Empörungsverstärkung und Misstrauensunterstützung. Die Soziologie kämpft immer mit der Versuchung, ihrem eingebildeten Mandanten zu schmeicheln und dabei nicht mehr zu merken, wie dieser schon die Regie über die eigene Erkenntnisproduktion übernommen hat. Als wissenschaftliche Disziplin besitzt sie seit ihren Anfängen diese Seite einer, mit Nietzsche gesprochen, Ressentiment-Wissenschaft, die einen polemischen Gesellschaftsbegriff bedient. Doch Kritik wird dann billig, wenn sie in der Rollenübernahme der »Erniedrigten und Beleidigten« – eine Formel nicht von Marx, sondern von Dostojewski – das Vorrecht in Anspruch nimmt, für die Leute zu sprechen, die ihr Leben unter nicht selbst gewählten Bedingungen führen müssen, aber in vorauseilender Empathie das theoretische Rätsel des Zusammenhangs zwischen Freiheitsspielräumen und Zurichtungsmechanismen ungelöst lässt. Gesellschaftstheoretische Gewinne bleiben auf der Strecke, wenn ein ums andre Mal die Ergebnisse der Ungleichheitsforschung zur Skandalisierung von Ungerechtigkeiten bei Bildung, Gesundheit oder Geschlecht herangezogen und dabei die Kontroversen bei der Deutung dieser Sachverhalte verschwiegen werden.1 Dann wird nicht die Akzeptanz von gesellschaftlicher Ungleichheit geklärt, sondern die Inakzeptanz von Abständen bei Einkommen und Vermögen und von Schranken im Auf- und Abstieg zur Schau gestellt.

Dazu passen Herrschaftstheorien, welche die Durchgängigkeit eines Dominanzerzeugungsmechanismus unterstellen, bei dem wenige aktiv und die meisten passiv sind und die oft ein Verhältnis von Elite und Masse bestätigen. Wenn dann noch Ideologiekritik in der Weise geübt wird, dass ein externer Beobachter die Verkehrtheit der Verhältnisse und die Unüberwindbarkeit der Widersprüche erkennt, deren Erfassen den Betroffenen selbst verschlossen ist, dann droht die Gesellschaftstheorie zu einem geschlossenen System entweder prophetischer Endzeiterwartung (und sei es in Form eines verzögerten Messianismus »kommender« oder »vertagter Demokratie« (Derrida 2003: 37)) oder stoischer Weltflucht (und sei es in Form einer liberalen Skepsis (Löwith 1956)) zu werden (vgl. Boltanski 2010). Eine Soziologie sozialer Ungleichheit, die die komplexen Wechselwirkungen in der Weltgesellschaft und deren unterschiedlichen Deutungsmöglichkeiten ernstnehmen will, muss dagegen die Abkürzung des Ressentiments meiden, ohne zugleich auf die Beschreibung systematischer Zusammenhänge zu verzichten.

Ungleichheit

Die Paradoxie der gesellschaftlichen Ungleichheit besteht heute darin, dass sich einerseits nach zwei Jahrhunderten kontinuierlicher und scheinbar unaufhaltsamer Abstandsnahme zwischen den entwickelten Ökonomien des Westens und dem Rest der Welt die Ungleichheit im Lebensstandard zwischen den Ländern kontinuierlich und scheinbar unaufhaltsam verringert und andererseits in der gleichen Zeit die gesellschaftliche Ungleichheit innerhalb vieler Länder sich zuspitzt (Bourguignon 2013).

Im internationalen Vergleich entsteht so das Bild zweier Ländergruppen, deren eine nach beinahe 150 Jahren rasanter Wohlstandsgewinne in eine Situation relativer Stagnation geraten,2 und deren andere erst vor kurzem aus dem ökonomischen Dornröschenschlaf erwacht ist und seither einen rasanten Aufstieg erlebt hat. Auf der einen Seite stehen mit den G 7-Staaten USA, Deutschland, Japan, Großbritannien, Frankreich, Italien und Kanada sowie weiterer Teile Westeuropas, die nach wie vor dominanten Epizentren technologischer Innovation, autopoetischer Geldvermehrung und internationaler Handelsaktivitäten. Auf der anderen Seite befinden sich die Tiger-Staaten Südkorea, Taiwan, Singapur und Hongkong, die BRIC-Staaten Brasilien, Russland, Indien und China, die Panterstaaten Indonesien, Malaysia, Thailand und die Philippinen sowie die Next-11, wie Jim O’Neill (2012), seinerzeit Chefökonom von Goldman Sachs, 2005 die Gruppe von Ägypten, Bangladesch, Indonesien, Iran, Mexiko, Nigeria, Pakistan, Philippinen (die schon als Panterstaat gezählt wurden) und Südkorea nach Maßgabe von Kriterien wie Humankapital, Infrastruktur, Staatstätigkeit und volkswirtschaftliche Offenheit genannt hat. Sie sind in eine Dynamik der Wechselwirkung mit den alten Pionierökonomien des Westens eingetreten, gewinnen aber zugleich an wirtschafts- und machtpolitischer Autonomie gegenüber dem alten weltwirtschaftlichen Herrschaftskomplex.

Im Zeichen der zwischenstaatlichen Verringerung der Abstände ist bereits von einer nächsten weltwirtschaftlichen Konvergenzbewegung die Rede (Spence 2011). Fest steht, dass es an der Schwelle zum 21. Jahrhundert zu einer Umkehrung der Wachstumsgeschwindigkeiten zwischen den einstigen Industriestaaten und den ehemaligen Einwicklungsländern und entsprechend zu einer Richtungsänderung in der Entwicklung sozialer Ungleichheit gekommen ist. Während man noch vor zwanzig Jahren in Deutschland oder Frankreich im Durchschnitt zwanzigmal besser lebte als in China oder Indien, ist der heutige Lebensstandard hier nur mehr zehnmal so hoch wie dort (Bourguignon 2013: 8).

Im alten Westen geht nicht mehr alles aufwärts und voran. In den USA, die nach wie vor als das reichste Land der Welt gelten,3 hat gesellschaftliche Ungleichheit4 heute wieder einen Stand wie zuletzt vor hundert Jahren erreicht (ebd.). Die Lebenserwartung weißer Männer ohne College-Abschluss ist zwischen 1990 und 2007 um drei Jahre gesunken; bei weißen gering gebildeten Frauen sogar um fünf Jahre. Zwischen African Americans und White Americans hat sich der Abstand in der Lebenserwartung im gleichen Zeitraum zwar reduziert. Aber im Jahr 2008 betrug der Abstand zwischen Schwarzen mit weniger als zwölf Jahren Schulbildung und Weißen mit mehr als sechzehn Jahren unglaubliche zwölf Jahre. Das ist dieselbe Differenz wie zwischen der mittleren Lebenserwartung in den USA und Bolivien und stellt keineswegs eine Besonderheit Nordamerikas dar. Selbst im Bildungswunderland Finnland ist zwischen 2004 und 2007 die Lebenserwartung von Arbeitslosen und Alleinlebenden wieder auf den Stand vom Ende der 1980er Jahre gefallen (Therborn 2013: 7–10).

Offenbar ist die Selektivität der Begünstigungen und Benachteiligungen innerhalb eines gemeinsamen Bezugskosmos extremer geworden. So ergab eine Langzeitstudie, die die Entwicklung von Armut in Großbritannien zwischen 1983 und 2012 untersuchte, dass trotz wirtschaftlichen Wachstums die materielle Not zunimmt. Obwohl sich die ökonomische Gesamtleistung des Landes in den vergangenen drei Jahrzehnten des Neoliberalismus verdoppelt hat, hat sich der Anteil der Haushalte, die ihre Wohnung im Winter nicht ausreichend heizen können von 3 auf 9 Prozent verdreifacht. Die Zahl der Briten, die aus finanziellen Gründen von Zeit zu Zeit auf Mahlzeiten verzichteten, hat sich seit 1983 auf 28 Prozent mehr als verdoppelt (Lansley/Mack 2015). Einen solchen Befund kann man schlecht als Steigerung relativer Armut durch relativen Reichtum abtun. Denn zum täglichen warmen Essen gehört im Winter eine warme Stube für die ganze Familie. Wer sich das in einem Kernland Europas heutzutage nicht leisten kann, ist nicht nur relativ, sondern absolut arm (Bude 2015: 19).

Obwohl der Kuchen insgesamt größer wird, gibt es eine ganze Menge Leute, die ein kleineres Stück davon abbekommen. Das ist insofern neu, als über eine lange Nachkriegszeit im G 7-Zentrum der Weltwirtschaft eine Profitierungslogik vorherrschte, nach der am Ende auch die unteren und peripheren Schichten an der allgemeinen Wohlstandssteigerung beteiligt waren. Ulrich Beck hat dafür am Beispiel der Bundesrepublik in den 1980er Jahren das Bild des »Fahrstuhleffekts« geprägt, um deutlich zu machen, dass bei weitgehend gleichbleibenden Verhältnissen der Ungleichheit innerhalb einer Generation der »Wohlstand für alle« sich mehrte. Er hielt fest: »Es gibt bei allen sich neu einpendelnden oder durchgehaltenen Ungleichheiten ein kollektives Mehr an Einkommen, Bildung, Mobilität, Recht, Wissenschaft, Massenkonsum« (Beck 1986: 122).

Das stimmt so nicht mehr und man fragt sich, woher das kommt, wer die Begünstigten und wer die Benachteiligten der neuen Verhältnisse des Vorn- und Hinten- und Abgeschlagenseins sind. Für Großbritannien, das sich in den vergangenen drei Jahrzehnten seines industriellen Stocks in großen Teilen entledigt und auf das Modell einer postindustriellen Dienstleistungsgesellschaft mit einem wertschöpfungsstarken finanzindustriellen Block gesetzt hat, ist die These von der Polarisierung der Beschäftigungsstruktur entwickelt worden (Goose/Manning 2007). Wer das Glück einer guten Ausbildung, einer richtigen Berufswahl, einer passenden Partnerwahl und einer treffenden Ortswahl für den Lebensmittelpunkt hatte, für die und für den gab es in der Periode des Neoliberalismus auch bei Belastungen durch ein bildungsfernes Elternhaus oder eine stigmatisierte Zuwanderungsgeschichte in einem »tollen Job« in der hochproduktiven Dienstleistungsökonomie viel zu gewinnen. Wer allerdings dieses vielfache Glück nicht hatte, für die und für den blieb dann nur ein »lausiger Job« in den einfachen Dienstleistungen von Sichern, Säubern und Service. Im breiten Raum zwischen diesen Extremen, im traditionellen Fachhandel, im mittleren Management, in der geschulten Facharbeit, in der staatlichen Daseinsvorsorge, stellte sich die Frage, ob man nach oben wegkommen oder nach unten abrutschen konnte. Die Flexibilisierung des Arbeitsmarkts bedeutete gerade für die Positionen mit sukzessivem Statuserwerb den Verlust von traditionellen Senioritätsrechten. Die Privatisierungen öffentlicher Dienstleistungen in den Bereichen des Verkehrs, der Bildung, des Gesundheitswesens, der Postzustellung oder der Müllbeseitigung schuf um den öffentlichen Dienst einen Kranz prekärer, das heißt befristeter, teilzeitlicher und gering entlohnter Beschäftigung (Nachtwey 2016), wie überhaupt die Umstellung vom rundum »sorgenden« auf den nur noch »gewährleistenden Wohlfahrstaat« dem staatsbezogenen Mittelstand auch in Deutschland das orientierenden Gerüst für seine Statusprätention nahm (Vogel 2009). Gerade für die mittleren Statuspositionen ist in den alten Staaten des kapitalistischen Zentrums die Findung und Behauptung eines Rangplatzes zu einer lebenslangen Aufgabe geworden. Es ist in der entsprechenden Forschung von »investiver Statusarbeit« die Rede (Schimank u. a. 2014).

Kapitalismus

Grundlage der skizzierten Entwicklungen sozialer Ungleichheit sind systematische Transformationen des Kapitalismus in den vergangenen dreißig Jahren. Als nach dem Fall des Eisernen Vorhangs die Idee des freien Marktes zu ihrem letzten globalen Eroberungsfeldzug aufbrach, war man zumindest im globalen Norden noch von der Hoffnung beseelt, die Erschließung neuer Konsummärkte, die Expansion von Handelsbeziehungen und die weltweite Restrukturierung von Wertschöpfungsprozessen eröffneten allseitige Profitierungsperspektiven. Nach drei Jahrzehnten wirtschaftlicher Globalisierung hat sich heute freilich Katerstimmung breitgemacht. Sowohl in den hochentwickelten Ökonomien des Nordens als auch in den neu erschlossenen Märkten des globalen Südens haben von den Wohlstandgewinnen der Globalisierung unterschiedliche Gruppen höchst selektiv profitiert: Im Süden steht den in Relation zu den jeweiligen Gesamtbevölkerungen nach wie vor relativ kleinen, neuen Mittelschichten ein »Planet der Slums« gegenüber (Davis 2006), in dem sich die Entwurzelten und Ausgeschlossenen der Weltgesellschaft sammeln. Kapitalistische Ausbeutungsverhältnisse in den Weltmarktfabriken von Shenzen bis Dhaka haben hier noch Verheißungscharakter, bildet die einzige reale Alternative doch eine »Ökonomie des Überlebens« in der »Arrival-Welt« der Megacities (Saunders 2012).

Selbst in den Zentren der vermeintlichen Gewinner der weltwirtschaftlichen Integration, wie Deutschland oder den Vereinigten Staaten, sind den Globalisierungsoptimisten längst Zweifel gekommen. Deutschland steht zwar vergleichsweise glücklich dar: Den hidden champions der exportorientierten Hochproduktivitätsökonomie ist offenbar eine produktivitätssteigernde Kombination industrieller Fertigung mit analogen und digitalen Dienstleistungskomponenten aus einer Hand gelungen, die ihre Stellung auf den Weltmärkten noch gestärkt hat. Zudem hat eine politisch induzierte Restrukturierung des Arbeitsmarktes zu einer Aktivierung stillgestellten Arbeitsvermögens beigetragen. Schließlich hat der Krisenkorporatismus von 2008 Einbrüche bei der Beschäftigung nicht nur verhindert, sondern dieser sogar noch Schwung verliehen.

Doch ist zugleich die Stabilisierung von Wachstum und Beschäftigung durch Jahrzehnte negativer Handelsbilanzen in Verruf geraten. Wer nur exportiert und nicht konsumiert, so die Kritik, lebt auf Kosten seiner Nachbarn. Darüber hinaus gilt die verstärkte Standortkonkurrenz seit den 1990er Jahren als Grund für die Polarisierung betrieblicher Arbeitsmärkte und den Rückgang gut entlohnter einfacher Beschäftigungsarten im industriellen Sektor. An deren Stelle sind, wie in den meisten anderen Ökonomien der OECD-Welt, ein wohlfahrtsstaatlich alimentiertes Dienstleistungsproletariat (Staab 2014) und eine heterogene Gruppe von Grenzgängern zwischen Arbeitsmarkt und Transferbezug (Grimm u. a. 2013) sowie diverse Formen randständiger Beschäftigung im industriellen Sektor getreten (Brinkmann/Nachtwey 2014). Die in den goldenen dreißig Jahren zur Respektabilität aufgestiegenen Arbeitermilieus (vgl. Mooser 1984) sind in der Generationenfolge nur zum Teil in die Ränge der akademischen Dienstklassen gewandert. Den Gewinnern der Aufwertung an den post-industriellen Arbeitsmärkten stehen neue Verlierergruppen gegenüber, die aus den Mittelschichten in subalterne Soziallagen abgerutscht sind. In den USA scheint eine gezielte Deindustrialisierung den entscheidenden Aspekt eines Formwandels sozialer Ungleichheit seit den 1980er Jahren darzustellen und Arbeitslosigkeit, die Expansion geringfügiger Beschäftigungsformen und Reallohnverluste erzeugt zu haben (vgl. Autor u. a. 2013). Paul Krugman geht gar so weit, den Aufstieg populistischer Politikstile in den USA als Effekt der durch Globalisierungsprozesse erzeugten sozio-ökonomischen Verwerfungen zu beschreiben (2016) und fasst damit auch den »Strukturwandel der Öffentlichkeit« (Habermas 1968) durch neue Sprechautorisierungen und Assoziationsmedien im beginnenden 21. Jahrhundert als Effekt kapitalistischer Transformationsdynamiken.

Zu den Makroentwicklungen kapitalistischer Transformation, die in den vergangenen Jahrzehnten die neuen sozialen Verwerfungen in der Weltgesellschaft geprägt haben, zählt schließlich auch der Aufstieg des Finanzsektors und die Diffusion der dort vorherrschenden ökonomischen Logiken weit jenseits der Börsen und Bankentürme (Brinkmann 2011). Der Aufstieg des Finanzmarktkapitalismus (Windolf 2005) seit den 1980er Jahren führte die Weltwirtschaft nicht nur in die tiefgreifendste Krise seit dem Black Friday von 1929, sondern hatte auch schon im Vorfeld des Platzens der US-Immobilienblase systematische Effekte für die Entwicklung sozialer Ungleichheit in hochgradig finanzialisierten Ökonomien. Da immer mehr Unternehmen freies Kapital nicht zur Investition in Produktionsanlagen oder gar zur Ausschüttung an die Arbeitnehmer, sondern für reine Finanzgeschäfte und die Bedienung von Share-Holder-Interessen nutzten, gerieten Löhne weltweit sukzessive unter Druck. Der Markt hielt zudem als Steuerungsprinzip bis in die kleinsten Arbeitsabläufe hinein Einzug in Unternehmen und erzeugte damit Druck, wo neue Organisationskonzepte eigentlich höhere Freiheitsgrade versprechen sollten (Glißmann/Peters 2001). Die Winner-takes-all- Logik der Finanzmärkte führte zur Entstehung einer Vermögensoligarchie (Neckel 2014), die sich allen gesellschaftlichen Solidaritätsforderungen und selbst dem Legitimationsnarrativ der Leistungsgerechtigkeit ihrem Selbstverständnis nach entzog (Neckel u. a. 2010). Die größte globale Protestbewegung der vergangenen Jahrzehnte richtete sich entsprechend gerade gegen das finanzpolitische Regime, das mit den Mittelschichten des globalen Nordens in der großen Krise von 2007/2008 auch die ehemaligen Profiteure steigender Investitionsrenditen und günstiger Konsumkredite in den Abgrund riss. Die konstanten Turbulenzen, die die Finanzmärkte seither prägen, sind durch eine Politik des billigen Geldes womöglich nur zeitweise ruhiggestellt (Streeck 2014). Das Kapital flieht zum einen in die vermeintlich krisensicheren Anlageformen der Immobilienbranche, wodurch selbst gut verdienenden Akademikern in München, London oder Paris jede realistische Chance genommen wird, Immobilienbesitz aus Arbeitseinkommen zu finanzieren.

Zum anderen sucht der wagemutige Teil der Vermögensbesitzer sein Heil in Hochrisikoprodukten wie sie seit dem großen Crash nicht mehr nur Finanzinstitute, sondern, wie bereits in den 1990er Jahren, vor allem Unternehmen der digitalen Ökonomie anbieten (Staab 2016). Venture Capital ist zu einem entscheidenden Treiber technologischer Innovationen geworden, die nun vielfach jenseits der Forschungs- und Entwicklungsabteilungen industrieller Großunternehmen in den Leitunternehmen des Silicon Valley und den um diese Technologieplaneten kreisenden Startups stattfinden. In vielversprechende Ideen werden astronomische Summen investiert, wohlwissend, dass nur wenige Geschäftsmodelle sich langfristig auszahlen werden. Die Kalkulation richtet sich auf den rechtzeitigen Exit, das Losschlagen der eigenen Anteile an einer Unternehmung zum günstigsten Zeitpunkt. Welch durchschlagende Effekte die Ausrichtung der Wertschöpfungsstrukturen an der Lotterie zukünftig erhoffter Gewinne hat, lässt sich in extremer Zuspitzung in Städten wie San Francisco beobachten, wo eine sozial abgeschirmte Klasse von Technologieexperten, die Preise für Wohnraum bestimmt. Die technische Intelligenz bildet die Funktionselite der Digitalisierung. Als Treiber technologischer Innovationen setzt sie die Standards, denen zu folgen immer größeren Teilen der ansässigen Bevölkerung unmöglich geworden ist. Es überrascht daher nicht, dass das universitäre Epizentrum des Silicon Valley, die Stanford University, den Ruf erworben hat, Studierende um den Preis des Studienabbruchs zur Gründung neuer Unternehmen zu ermuntern und Professoren als Teilhaber dieser Unternehmen die Bildungsdividenden der Abbrecher mit einstreichen (Thompson 2013).

Die digitale Umwälzung der globalen Ökonomie ist keineswegs mehr auf die Informations- und Kommunikationsbranche beschränkt. Mit smarten Robotik- und EDV-Anwendungen drängen Leitunternehmen der Digitalisierung, wie Google, Amazon oder Apple, in den industriellen Sektor. Dort haben auch die Maschinenbauer und Ausrüster alter Schule die Zeichen der Zeit erkannt und eine neue industrielle Revolution ausgerufen, deren Markenkern das in den 1980er Jahren von Intel propagierte Prinzip des »Copy EXACTLY!« bildet (Pfeiffer 2015: 29). Durch eine neue Welle der Standardisierung und Integration industrieller Wertschöpfungsketten und die Angleichung der Produktionsbedingungen sollen Standorte weltweit vereinheitlicht werden. So wird perspektivisch die Globalisierung der 1990er und 2000er Jahre durch die Herstellung einheitlicher Standards innerhalb einer Wertschöpfungskette in allen Weltregionen vollendet. Vollkommene Vergleichbarkeit freilich bedeutet grundsätzliche Ersetzbarkeit, weswegen dieses Programm in der Lage ist, auch die Konkurrenz zwischen Beschäftigten unterschiedlicher Weltregionen zu komplettieren, indem die Barrieren und Reibungsverluste, die üblicherweise bei Übersetzungsprozessen zwischen unterschiedlichen Standorten erzeugt werden, obsolet werden.

Nicht nur im Kontext der Winner-takes-all-Konstellationen der Finanzwelt und des Silicon Valley, sondern auch in den globalen Produktionsketten der Industrie akzelleriert somit die Krise des Mittelmaßes, sollen das Erfahrungswissen der praktischen Intelligenz aus Facharbeit und Produktionsingenieuren, ebenso wie die Verwaltungsstäbe der Planungs-, Kalkulations- und Synchronisierungsapparate doch durch technologische Standardisierungsprozesse ihre Schlüsselfunktionen einbüßen. Dem Kapitalismus der Gegenwart scheint daher eine Polarisierungsbewegung inhärent, die sich nicht nur innerhalb einzelner Nationalstaaten, sondern auch anhand transnationaler Wertschöpfungsketten verfolgen lässt.

Der Band

Der vorliegende Band hat zum Ziel, die Entwicklung sozialer Ungleichheit in Relation zu strukturbestimmenden Transformationen des Kapitalismus zu erschließen. Der erste Teil widmet sich daher Veränderungen der Wertschöpfungsstrukturen im Kapitalismus der Gegenwart. Aaron Sahr analysiert finanzmarktgetriebene Modelle der Wertschöpfung. Jenseits von Marktmechanismen etablierten sich, so Sahr, im Zuge der Finanzialisierung der Ökonomie »Plünderungszirkel«, die in der Lage waren, die Dividenden eines immer größeren Teils der Wertschöpfung zu akquirieren. Tobias ten Brink fragt nach der Zukunft nicht-liberaler Kapitalismusformen. Am Beispiel Chinas rekonstruiert er die Stärken und Schwächen eines »Staatskapitalismus 3.0« im Kontext der Wachstumskrise der Weltwirtschaft. Oliver Nachtwey und Philipp Staab widmen sich am Beispiel von Leitunternehmen des Silicon Valley den Konsequenzen der Digitalisierung des Kapitalismus. Sie beschreiben die Neujustierung der Marktchancen von Arbeitskraft als einen systematischen Prozess sozialer Entbettung.

Im zweiten Teil des Bandes geht es um die Ordnung sozialer Ungleichheit im Weltmaßstab. Anja Weiß beginnt mit einem Blick auf den Wissensstand zum Thema globaler Ungleichheit und leitet hieraus programmatische Konsequenzen für die Soziologie her. Heinz Bude widmet sich der Dynamisierung der Sozialstrukturen in der BRIC- und OECD-Welt, die neue Klassenkompositionen entstehen lassen. Manuela Boatcă beschreibt Prozesse der Kommodifizierung von Staatsbürgerschaft, die ein globales Gefüge aus Privilegierung und Exklusion erzeugen. Marktgesteuerte Wege zur Staatsbürgerschaft gelten ihr als Emblem der Durchdringung einer globalen Hierarchie von Nationalstaaten durch transnationale Wanderungsbewegungen unter den Bedingungen eines globalen Kapitalismus.

Im dritten Teil befassen sich die Autoren mit den Zusammenhängen struktureller Transformationen gesellschaftlicher Arbeitsteilung mit der Entwicklung der Sozialstruktur. Sighard Neckel konstatiert eine soziale Spaltungslinie zwischen wirtschaftlich und sozial abgehängten Schichten in neu-feudalen Ausbeutungsverhältnissen und einer neuen Reichtumsoligarchie aus Kapitaleignern, Finanzdienstklassen und Top-Managern, die ihre Herrschaftspositionen durch die Ausübung wirtschaftlicher und politischer Macht reproduzieren. Nicole Mayer-Ahuja beschreibt die Transformation von Arbeitsmärkten durch die Expansion transnationaler Wertschöpfungsketten. Ihr zufolge ist die Zunahme grenzüberschreitender Wertschöpfung keineswegs als linearer Prozess zu verstehen, in dessen Verlauf die Unterschiede zwischen nationalen Arbeitsmärkten verschwänden und sich Ungleichheit international nivelliere. Vielmehr entstünden in transnationalen Wertschöpfungsprozessen ungleichmäßige Verbindungen, die sich in einer Re-Artikulation von Ungleichheit innerhalb von Nationalstaaten sowie zwischen ihnen niederschlügen. Philipp Staab rekonstruiert die Polarisierung der Berufsstruktur in den Staaten der OECD-Welt als Effekt von durch Tertiarisierungsprozesse verursachten Produktivitätsrückgängen. Er zeigt, dass neuere digitale Rationalisierungsstrategien zwar das Potential bergen, im Dienstleistungssektor bisher ungekannte Produktivitätsgewinne zu erzeugen. Es sei jedoch nicht davon auszugehen, dass dies eine Richtungsänderung hinsichtlich der Entwicklung sozialer Ungleichheit bedingen werde. Florian Butollo plädiert im Zeichen des massiven Anstiegs internationaler Migration, der Transformation des traditionellen Wohlfahrtstaates sowie neuerer technologischer Entwicklungen für eine Reformulierung des Theorems der Reservearmee.

Der vierte Teil reflektiert den Zusammenhang von Kapitalismus und Ungleichheit vor dem Hintergrund der Entwicklung politischer Herrschaft und sozialer Konflikte. Oliver Nachtwey fragt, was den Kern europäischer Sozialproteste der jüngeren Vergangenheit bildet. Er beschreibt die Entstehung eines neuen sozialen Konflikttypus, der Forderungen nach einem ganzheitlich gedachten Bürgerstatus zum Thema mache, indem Forderungen der Demokratisierung von Herrschaft mit der Dimension ökonomischer (Un-)Gleichheit verbunden würden. Ungleichheit wird ihm zufolge in der Gegenwart zu einem Thema moralischer Mobilisierung. Wolfgang Streeck widmet sich der Restrukturierung der politischen Ökonomie im Postfordismus und deren Folgen für die Perspektiven der Bürger auf den politischen Prozess. Er beschreibt die Entstehung einer marktbürgerlichen Kundenmentalität, in deren Folge die sozialen Grundlagen sozialstaatlich integrierter Demokratien erodieren. Göran Therborn befasst sich mit der entscheidenden politischen Spaltungslinie innerhalb des globalen Kapitalismus der Gegenwart. Er beschreibt den zentralen sozialen Konflikt des 21. Jahrhunderts klassentheoretisch, als Wettstreit zwischen globalen Mittelklassen und plebejischen Massen innerhalb der Weltgesellschaft.

Im fünften Teil geht es um die Entwicklung der Kapitalismuskritik der Gegenwart. Silke van Dyk blickt hierzu zurück auf die poststrukturalistische Kapitalismuskritik und kontextualisiert diese vor dem Hintergrund der Verschärfung sozialer Ungleichheit. Sie entwirft ein Programm, das deren Anschluss an die stärker klassentheoretischen und ereignisbezogenen Schwerpunkte der Kapitalismuskritik der Gegenwart herstellt. Klaus Dörre beschreibt vor dem Hintergrund der jüngeren Polanyi-Rezeption abschließend einen paradoxen Antikapitalismus im Herzen der deutschen Exportindustrie, dessen politische Heimatlosigkeit ihn im linken wie im rechten Spektrum anschlussfähig macht.

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Transformationen des Kapitalismus in der Gegenwart

Reichtum aus Feenstaub: Das Free-Lunch-Privileg des Keystroke-Kapitalismus

Aaron Sahr

Einleitung

Die Ungleichheit von Einkommen und Vermögen hat in den vergangenen Jahrzehnten dramatisch zugenommen (OECD 2008, 2011, 2015; Piketty 2014). Eine entscheidende Triebfeder der Konzentration von Reichtum an der Spitze der Einkommens- und Vermögenshierarchie bildet die Finanzialisierung 5 der Wirtschaft, die seit den 1970er Jahren vor allem in der angelsächsischen Welt, aber in unterschiedlichem Ausmaß im Grunde in allen OECD-Staaten wirkt (Assa 2012; Darcilon 2015). Dieses Akkumulationsmuster, in dessen Kontext Profite verstärkt durch Finanztransaktionen anstelle von Güterproduktion, Dienstleistungen oder Warenhandel generiert werden (vgl. Stockhammer 2004; 2014; Epstein 2006; Paley 2007; Lin/Tomaskovic 2013), strukturiert über spezifische Mechanismen die Verteilung von Einkommen und Vermögen, denn mehr als die Hälfte des globalen Privatvermögens besteht aus Finanzwerten und gerade besonders große individuelle Vermögen weisen in der Regel einen deutlich überdurchschnittlichen Anteil an Finanzwerten auf. Wer wissen will, warum die obersten zehn, ein oder 0,1 Prozent der Vermögensverteilung immer reicher werden, muss verstehen, warum ihre Finanzportfolios wachsen (Alvaredo u. a. 2013; Flaherty 2015; Credit Suisse 2015).

Die Antwort auf diese Frage verbirgt sich in einer Analyse des Bankensystems. Die Systematik des Zusammenhangs von Bankensystem und Expansion der Finanzmärkte wird von einem weitverbreiteten Trugschluss verschleiert, demzufolge das wirtschaftliche Handeln von Banken als Nullsummenspiel imaginiert wird. Dieses Paradigma drückt sich in dem Sprichwort There is no such thing as a free lunch aus, das dem amerikanischen Ökonomen Milton Friedman im Jahr 1975 als Titel eines mittlerweile vergriffenen Buchs diente. Wer etwas produziert, so Friedmans Grundtenor, muss Rohstoffe besitzen, die er verbrauchen kann; wer etwas distribuiert, braucht Geld, das er ausgeben kann; wer etwas konsumiert, verbraucht Dinge, die endlich sind und deswegen anderen nicht mehr zur Verfügung stehen. Nichts ist dabei umsonst zu haben (no free lunch).

In Ökonomik und Soziologie6 gelten Handlungen nur dann als ökonomische Handlungen, wenn sie in dieser Weise unter Knappheitsbedingungen stattfinden, d. h. unter Bedingungen der Konkurrenz um endliche Dinge (vgl. zu Knappheit in diesem Zusammenhang Luhmann 1994 und Sahr 2013). Auch das Banken- und Finanzsystem wird gewöhnlich in diesem Sinn als ökonomische Praxis verstanden. Finanzfirmen werden verallgemeinernd als Intermediäre konzeptualisiert, die (begrenzte) Kapitalbestände (als Spareinlagen) distribuieren. Wer mit dieser Unterstellung Finanzen beobachtet, der fragt sich »how money is channeled from savers (investors) to borrowers« (David/Kim 2015: 204; vgl. für ähnliche klassische Definitionen des Finanzsystems exemplarisch Stearns/Mizruchi 2005: 287; Abolafia 2006: 278; Lütz 2008: 341). Banken7 sind aber nicht vornehmlich Intermediäre, sondern autonome Produzenten von Kapital. Das Bankensystem erzeugt zusätzliche Kaufkraft durch die Vergabe von Krediten oder den Erwerb bereits existierender Vermögenswerte und ist dabei von (endlichen) Kapitalbeständen ebenso unabhängig wie von der Kontrolle durch die Zentralbanken. Das bedeutet, Banken operieren außerhalb des Nullsummenspiels, das für andere Wirtschaftsbereiche prägend ist. Neues Geld entsteht durch simple Buchungsvorgänge immer dann, wenn Banken sich entscheiden für etwas zu zahlen; es entsteht voraussetzungslos, aus, wie es der Ökonom Richard Werner (2014: 16) formuliert, »fairy dust« – Feenstaub. Diesen Umstand nenne ich in Anlehnung an Huber/Robertson (2000) das Free-Lunch-Privileg der Banken.

Die Existenz des Free-Lunch-Privilegs, so die These dieses Aufsatzes, verändert die ökonomische Dynamik von Vermögensvermehrung und damit auch die Logik materieller Ungleichheit. Um diese These zu erläutern wird im Folgenden zunächst der Bedeutungsgewinn des Finanzsektors skizziert und auf die Konsequenzen für die Einkommensverteilung hingewiesen (2.). Der folgende Abschnitt widmet sich den Bedingungen der Attraktivität von Finanzinvestments, die die Grundlage der Finanzialisierung der Wirtschaft bilden (3.). Die Gewinn- bzw. Verlustperspektiven im Kontext der Finanzialisierung folgen einer eigenen Logik, die abschließend gesondert betrachtet werden soll (4.). Die Analyse dieser Logik offenbart mindestens drei Mechanismen der Privilegierung konkreter Akteursgruppen (5.). Abschließend befasse ich mich mit den Implikationen dieses Prozesses für die Kapitalismusforschung (6.).

Finanzialisierung und Arbeitseinkommen

Im Jahr 1980 gab es weltweit etwa 12 Billionen Dollar Finanzanlagen, also Bankeinlagen, Fondsanteile, Versicherungsansprüche, Aktien, Kredite und sonstige Schuldverschreibungen, im Jahr 2014 waren es etwa 239 Billionen Dollar (Brandmeir u. a. 2015; vgl. McKinsey Global Institute 2013). Das globale Finanzsystem ist damit deutlich schneller gewachsen als die Wirtschaft insgesamt in diesem Zeitraum, hat sich also auch relativ zur Gesamtwirtschaftsleistung vergrößert (Philippon/Reshef 2013: 79).8 Mit dem absoluten und relativen Wachstum der Finanzvermögen stiegen auch die Profite des Finanzsektors: Sie haben sich in den meisten entwickelten Ökonomien relativ zu den Unternehmensgewinnen insgesamt seit 1980 etwa verdoppelt (Darcillon 2015: 488).

Die Bereitschaft, sich über Schulden zu finanzieren, hat in den OECD-Ökonomien nicht nur bei Finanzfirmen zugenommen, deren Geschäftsmodell nun mal die Investition geliehenen Kapitals ist, sondern auch bei Staaten, Privathaushalten und realwirtschaftlichen Unternehmen. Die Schulden dieses Nichtfinanzsektors betrugen in einem von Cecchetti u. a. (2011: 5f) untersuchten Sample von OECD-Volkswirtschaften im Jahr 1980 relativ zum Bruttoinlandsprodukt etwa 167 Prozent, im Jahr 2009 waren es 314 Prozent.

In der Realwirtschaft hat aber nicht nur die Bereitschaft zugenommen, sich über Schulden zu finanzieren, sondern auch in Finanzanlagen statt in Realkapital zu investieren. Die Bedeutung solcher Investitionen für die Profite dieser Firmen nahm dementsprechend zu. Der Anteil von Einnahmen durch Finanzvermögen am Gewinn realwirtschaftlicher Unternehmen hat sich in den USA von 1980 bis 2007 verdoppelt (Lin/Tomaskovic-Devey 2013), das Kerngeschäft – der Verkauf von Dienstleistungen und Gütern – verlor an Bedeutung. Im Jahr 2004 steuerte beispielsweise die Bank des Automobilkonzerns General Motors 66 Prozent der Gesamtgewinne des Konzerns bei, nur noch 34 Prozent gingen auf den Verkauf von Automobilen zurück (Lin/Tomaskovic-Devey 2013: 1293). Diese Verschiebung ist nicht auf die Wirtschaft der Vereinigten Staaten beschränkt: Alvarez berichtet aus Frankreich, dass der Anteil der Finanzeinnahmen am Bruttobetriebsüberschuss realwirtschaftlicher Unternehmen in den Nachkriegsjahrzehnten bei 5–8 Prozent lag, seit Mitte der 1970er Jahre anstieg und 2008 73,1 Prozent erreichte (Alvarez 2015). Auch wenn Alvarez betont, dass Frankreich in der Intensität seiner Finanzialisierung nicht für OECD-Raum repräsentativ ist, so ist die gestiegene Relevanz von Zins- und Dividendeneinkommen für die Realwirtschaft doch ein verallgemeinerbarer Trend (Stockhammer 2004; 2014; Kus 2012).

Parallel zur Finanzialisierung nahm der Labor’s Share, der Anteil der Arbeitseinkommen am Volkseinkommen, in den OECD-Ökonomien ab, besonders stark in Europa (Harrison 2005; Kristal 2010; Piketty 2014). Immer mehr Zahlungen gingen somit an Eigentümer und Gläubiger, immer weniger wurden für den Einsatz von Arbeitskraft gezahlt.

Von diesem kleiner werdenden Kuchen an Arbeitseinkommen konnten sich zwei Gruppen einen überdurchschnittlichen Anteil sichern. Zum einen sind das die Angestellten der Finanzwirtschaft: Vor 1980 lag die durchschnittliche Entlohnung im Finanzsektor in den USA ungefähr im Gesamtdurchschnitt, im Jahr 2000 lag sie etwa 60 Prozent höher (Thomaskovic-Devey/Lin 2011). Der Zuwachs bleibt auch dann überdurchschnittlich, wenn man über die USA hinaus blickt und den Vergleich auf Angestellte mit akademischem Abschluss in Finanzwirtschaft und Realwirtschaft beschränkt (Philippon/Reshef 2013). Es sind vor allem die Spitzengehälter in der Finanzbranche, die das Durchschnittsgehalt so stark haben ansteigen lassen. Hierin zeigt sich ein allgemeiner Trend: Die Arbeitseinkommen sind in den OECD-Ökonomien insgesamt einer Polarisierung unterworfen, d. h. man sieht einen starken Anstieg von Gehältern in der Leitungsebene und einem schwächeren Anstieg, einer Stagnation oder gar einem Rückgang in den »unteren« oder »ausführenden« Ebenen der Unternehmen (OECD 2008; 2011). Aus finanztheoretischer Sicht kann diese Polarisierung auf zwei Dynamiken zurückgeführt werden: erstens auf die Entkopplung der Entlohnung von »Superstar-CEOs« von allgemeinen Marktmechanismen9 (Kim u. a. 2015; Neckel 2014) und zweitens auf die mit dem gestiegenen Engagement von Realwirtschaftsunternehmen im Finanzsektor verbundene strukturelle Abwertung der Arbeiterschaft auf der einen und die strukturelle Aufwertung der Leitungsebene auf der anderen Seite (Dünhaupt 2014). Für Unternehmen, die sich immer stärker durch Kredite oder Aktienemissionen finanzieren, wird die Pflege des Aktienpreises und die Aufrechterhaltung einer positiven Einschätzung der Kreditwürdigkeit durch die Märkte naturgemäß wichtig (Shareholder-Value-Orientierung, vgl. Froud u. a. 2000) – langfristige Verpflichtungen, wie Angestellte, schaden solchen Faktoren häufig. Die oben erwähnte gestiegene Relevanz von Einnahmen aus Finanzinvestitionen unterstützte diese Abwertung: Wenn der Marktpreis des Unternehmens und seine eigenen Finanzgeschäfte wichtiger werden, dann stärkt das die Verhandlungsposition (bargaining power) desjenigen Personals, das für die Finanztransaktionen entscheidend ist – also etwa Analysten, Investoren und Manager (Darcillon 2015). Gleichzeitig werden den Angestellten der ausführenden Ebene die Argumente für das Einfordern von Lohnerhöhungen entzogen, weil sie für die Gewinngenerierung an Bedeutung verlieren. Durch den Finanzialisierungsprozess werden somit einige wenige Topverdiener zu Lasten der Mehrheit der Beschäftigten aufgewertet.10 Es gilt deswegen nun zu verstehen, warum Finanzinvestitionen so attraktiv werden konnten.

Dynamik

Seit den frühen 1970er Jahren hat sich in den USA und in Europa ein Bedingungsgefüge herausgebildet, in dem die möglichen Formen finanzieller Investments immer vielfältiger wurden, wodurch die Nachfrage nach Schuldfinanzierung und Finanzinvestitionen prosperierte. Vier Elemente waren für die Herausbildung dieses Gefüges von entscheidender Bedeutung.

Deregulierung

Erstens ist die Umstellung der Logik der politischen Einbettung der Finanzbranche von Kontrolle auf Sorge von zentraler Relevanz. Beschränkungen der Gestaltung von Finanzanlagen und administrative Mechanismen ihrer Überwachung wurden abgebaut (vgl. Lütz 2002). Zielstrebig wurden in fast allen OECD Staaten Zinsbeschränkungen aufgehoben, Auflagen für die Gestaltung von Finanzkontrakten gelockert und grenzübergreifende Kapitalflüsse zugelassen. Die Entscheidungsspielräume privater Firmen bei der Auswahl von Gläubigern und Schuldnern und der Gestaltung von Finanzkontrakten nahm dadurch zu.

Der Deregulierungsprozess des Kapitalverkehrs ist eng verknüpft mit den »golden years« (Palan u. a. 2010: 108) der Steueroasen. Die Zahl dieser fiskalisch und regulatorisch abgerüsteten Rechtsräume stieg von den 1970er bis in die 1990er Jahre stark an. In Verbindung mit den ausgeweiteten Möglichkeiten transnationaler Finanzbeziehungen schufen die Zentren des offshore finance Exit-Optionen für Anleger. Steueroasen ließen die Anwendung administrativer Regularien optional werden, in dem Sinne, dass unbequeme Auflagen dadurch umgangen werden konnten, dass man in einem anderen, weniger strikten Umfeld Zweigstellen gründete. Die so entstehende Standortkonkurrenz verstärkte wiederum die Liberalisierungsbemühungen der von Kapitalabfluss bedrohten Staaten. Förderungsgesetze, Notfallkredite und Kapitalinjektionen stabilisierten die Produktion von Finanzvermögen nicht erst seit den großangelegten Programmen zur Bankenrettung nach 2008. Der deregulierende Rückzug administrativer Kontrollen und Beschränkungen wurde auf diese Weise durch politische Strategien positiver Bestärkung ergänzt (Thomaskovic-Devey/Lin 2011: 5; vgl. Lütz 2002).

Innovationen

Die erweiterten Handlungsspielräume innerhalb des Finanzsektors ergänzten sich zweitens mit den neuen derivativen Anlageformaten, die den Umgang mit den Finanzbeziehungen stets inhärenten Risiken erleichterten und so neue Schuldformen attraktiv machten (Arnoldi 2004; Davis/Kim 2015). Die Erfindung und Durchsetzung ausgefeilter Theorien und Techniken der Preisberechnung von Derivaten erlaubten einen Ausbau bestehender Märkte und die Öffnung neuer Geschäftsfelder. Durch die personelle und technische »Physikalisierung« (MacKenzie/Millo 2003; Weatherall 2013) des Risikomanagements wurden komplexe mathematische Kalkulationen und damit komplexe neue Derivatprodukte möglich, deren Attraktivität für Investoren stetig wuchs. Anfang des 21. Jahrhunderts bildeten Derivate das größte Geschäftsfeld der Welt (Arnoldi 2004: 28).

Derivate erweiterten den Interessentenkreis herkömmlicher Investments, weil sie vormals diffuse Risiken fragmentierten und einzeln bearbeitbar machten. Unternehmen können sich etwa durch eine Kaufoption gegen einen Preisanstieg des gewünschten Produkts absichern, da der Kaufpreis in der Gegenwart festgelegt wird, der Kaufzeitpunkt selber aber in der Zukunft liegt. Mit solchen Optionen, mit Swaps oder auch Futures lassen sich Teilaspekte des Risikos von Investitionen von eben diesen Investition lösen und gesondert verkaufen. Mit Kreditausfallversicherungen (credit default swaps) lässt sich sogar das Risiko eines Investments vollständig an einen Dritten transferieren. Dank solcher Finanzprodukte konnten Gläubiger sich nun in Geschäften engagieren, die ihnen vorher zu riskant oder zu undurchsichtig erschienen wären und Schuldner konnten auf einen erweiterten Gläubigerkreis und insgesamt günstigere Finanzierungen zugreifen. Der »Heilige Gral« (Palan/Nesvetailova 2014: 31, Übersetzung A.S.) dieser Finanzinnovationen waren die Verbriefungsstrukturen (securitization), mit denen vormals träge Kredite in handelbare Produkte verwandelt werden konnten. Dadurch ließen sich ganze Pools an Schulden zu Paketen verbinden und ganz oder teilweise verkaufen.11

Kreditverbriefungen steigerten das Angebot von und die Nachfrage nach Finanzinvestitionen auf zweifache Weise. Erstens erweckte die Ausnutzung regulativer Differenzen, kontraktueller Kreativität und finanzmathematischer Kniffe den Eindruck einer Verringerung der den Finanzanlagen inhärenten Risiken, wodurch sich die Kosten von Finanzprodukten reduzierten. Die durch Verbriefung erzeugten Paketprodukte erschienen häufig als sicherer und lukrativer als die Ursprungsschulden, aus denen die Paketprodukte erzeugt wurden; eine als »alchemistisch« (Benmelech/Dlugosz 2009) zu bezeichnende Praxis der vermeintlichen »Kreditverbesserung« (Mandel u. a. 2012). Zweitens erlaubte es die Verbriefung, beispielsweise Kreditansprüche aus dem amerikanischen Immobilienmarkt an europäische Gläubiger zu transferieren. D.h., lokale Kreditmärkte wurden globalisiert und damit für eine Vielzahl neuer Investoren geöffnet.

Implizite Subventionen

Drittes begünstigten spezifische implizite Subventionen den Prozess der Finanzialisierung. Die durch Derivate entstehenden hochkomplexen Beziehungsgeflechte führten zu einer Steigerung systemischer Abhängigkeiten, die es in der Finanzkrise von 2008 nötig machten, riskante Investitionen durch öffentliche Gelder zu retten und damit Verluste zu vergesellschaften. Die Antizipation einer solchen Rettung im Notfall hatte bereits vor der Krise Effekte: Allein die Erwartung politischer Unterstützung im Notfall hatte die Produktion von Finanzvermögen vergünstigt. Diese »implizite Subvention« (implicit subsidy) betrug Schätzungen der Bank von England zufolge für die größten Banken der Welt zwischen 2002 und 2007 durchschnittlich 70 Milliarden Pfund jährlich (Noss/Sowerbutts 2012). Kloeck (2014) schätzt die Vergünstigungen für Banken in der Europäischen Union auf 234 Milliarden Euro in nur einem einzigen Jahr (2012) und weist darauf hin, dass vor allem die großen Banken ohne diese informelle Subventionierung in diesem Jahr empfindliche Verluste hätten verzeichnen müssen.

Ungleichgewichte

Die durch wegfallende regulatorische Hürden, implizite Subventionen und durch Risikodiversifikation vergünstigten Finanzanlagen entstanden in einem prosperierenden Nachfrageklima. Das seit den 1970er Jahren abflauende Nachkriegswachstum machte zusammen mit hohen Zinsen besonders amerikanische Schulden für Investoren attraktiv. Kapitalüberschüsse aus exportstarken Ländern flossen auf der Suche nach Anlagemöglichkeiten in die USA, finanzierten dort die Schuldenexpansion (Thomaskovic-Devey/Lin 2011) und motivierten gleichzeitig andere Länder dazu, sich ebenfalls für Kapitalzuflüsse attraktiv zu gestalten.

Vor allem aber die wachsenden Vermögen von sogenannten High Net Worth Individuals (HNWIs), also Personen mit einem Nettofinanzvermögen von mehr als einer Million Dollar, suchten nach Anlageformaten auf den Finanzmärkten (Lysandrou 2011). Diese Privatanlegergruppe investierte mehr Kapital in Finanzanlagen als Pensions-, Investmentfonds oder Versicherungen. Im Jahr 2007 waren HNWIs Gläubiger von etwa 14 Prozent der globalen Schuldverschreibungen (Goda/Lysandrou 2014). Die neuen derivatgestützten Wertschöpfungsketten boten den HNWIs Renditen von durchschnittlich etwa 11 Prozent und vergrößerten das Kapital damit deutlich schneller, als Wirtschaft oder Löhne wuchsen (Godan/Lysandrou 2014: 316). Mitte der 1980er Jahre verfügten die HNWIs über etwa sieben Billionen Dollar Vermögen, im Jahr 2000, als der »Boom« der Verbriefungen einsetzte, waren es etwa 25 Billionen Dollar und im Jahr 2007 schließlich etwa 41 Billionen Dollar (ebd.).

Auf der anderen Seite erhielt die Mehrheit der von Reallohnstagnation oder sogar -rückgang betroffenen Bevölkerungsschichten ihren Lebensstandard und ihre Konsumniveaus vor allem durch Verschuldung, was die Expansion des Finanzsektors wiederum begünstigte (vgl. Goda/Lysandour 2014: 313, für zahlreiche Literaturverweise zu dieser These). Unter dem Stichwort des »privatisierten Keynesianismus« wurde darauf hingewiesen, wie entscheidend die Verschuldungsnachfrage privater Haushalte für die ökonomische Entwicklung der letzten Jahrzehnte war (Crouch 2009; Streeck 2013).

Die doppelte, durch das stetige renditestarke Wachstum der Finanzwerte befeuerte Nachfrage nach neuen Krediten nötigt zu einem genaueren Blick auf die Logik der Kreditvergabe selbst. Was bedeutet es eigentlich, sich bei einer Bank zu verschulden, also Konsum- oder Investitionsvermögen per Kredit zu beziehen?

Das Free-Lunch-Privileg

Im Maschinenraum des Finanzsystems findet sich ein Privileg, dessen Existenz die Finanzexpansion unmittelbar zu einer Ungleichheitsproblematik werden lässt. Es handelt sich um das Privileg privater Banken, Geld autonom – d. h. unabhängig von gegebenen Vermögen – erschaffen zu können. Dieser Sachverhalt wird in der Debatte um den Zusammenhang von Finanzialisierung und Ungleichheit wahrscheinlich deswegen oft übersehen, weil zwei populäre, aber inkorrekte Annahmen über die Operationslogik von Banken existieren. Sie werden nämlich häufig zum einen als Logistikunternehmen bezeichnet, die Kapital, das es schon gibt, bloß umverteilen. Die Kreditvergabe von Banken bedeutet in dieser populären Sichtweise ein Verleihen von Spareinlagen. Tatsächlich aber ist die Kreditvergabe von Banken von Spareinlagen unabhängig. Sie erzeugen neues Guthaben durch eine sogenannte Bilanzverlängerung, bei der gleichzeitig ein Rückzahlungsversprechen (Kredit) als Vermögen der Bank und ein Kontoguthaben als Schuld der Bank vermerkt wird. Ebenso können Banken andere Vermögenswerte (etwa Aktien) durch Guthaben kaufen, das es vor dem Kauf noch nicht gab.12

Allerdings, das ist die zweite populäre Annahme, sind sie bei dieser Geldschöpfung aus dem Nichts auf die Verfügbarkeit von Reserven angewiesen, die sie nicht selber produzieren können, sondern die von der Zentralbank bereitgestellt werden müssen. Moderne Bankensysteme werden in dieser Argumentation als »fraktionale Reservesysteme« bezeichnet, weil sie ihr selbst produziertes Geld zu einem kleinen Teil – einer Fraktion – mit diesen Reserven unterlegen müssen und deswegen in ihrer Geldschöpfungsmacht nicht autonom sind. Nur, wenn sie hinreichend Reserven haben, so das bekannte Argument, können sie eigenes Geld herstellen (so etwa bei Krugman/Wells 2010; Mishkin 2013). Damit würde die gegebene Menge an Reserven die mögliche Menge an privatwirtschaftlich erzeugtem Geld limitieren. Im ersten wie im zweiten Fall würden private Banken als ökonomische Akteure in einer Welt ohne free lunch operieren, weil sie von endlichen Spareinlagen oder Reserven ebenso abhängig wären, wie ein Automobilhersteller von den endlichen Materialien der Automobilherstellung. Banken sind nach diesen beiden Modellen Teil des Nullsummenspiels, weil sie nur ausgeben können, was sie vorher (als Spareinlagen und/oder Reserven) eingenommen haben.13

Tatsächlich allerdings kann die Bezeichnung eines »fraktionalen Reservesystems« heute lediglich formale Geltung beanspruchen. Faktisch ist die privatwirtschaftlich produzierbare Geldmenge nicht durch die gegebene Reservemenge begrenzt, weil Zentralbanken eventuell durch private Geldschöpfung entstehende Reservedefizite verlässlich ausgleichen (dazu im Detail: Jackson/Dyson 2014; Jakab/Kumhof 2015). Diese Erfahrung erlaubt es privaten Banken, ohne zuvor akkumulierte Reservevermögen durch Kreditvergabe Geld zu schöpfen (Werner 2014). Diese notwendige und folgenreiche Korrektur basaler Annahmen über die Handlungsrationalität von Banken fordern Ökonominnen und Ökonomen (exemplarisch: Minsky 2008 [1986]; Wray 2012; Huber 2015; Werner 2014) Soziologinnen und Soziologen (Ingham 2004; Pixley 2012; Postberg 2013; Sahr 2013, 2015) ebenso wie Vertreter der ausführenden Ebene der Zentralbanken (dokumentiert in Ryan-Collins u. a. 2012; vgl. auch Jakab/Kumhof 2015) immer wieder ein.

Als »Initiatoren der Geldschöpfung« (Postberg 2013: 129) können die von den Zentralbanken in dieser Hinsicht autonom agierenden Privatbanken heute für jede ihnen lukrativ erscheinende Investition neu erschaffenes Kapital zur Verfügung stellen, ohne dabei auf bereits vorhandene Vermögen zuzugreifen.14 Sie sind damit in einer Welt der Knappheit berechtigt zu einem »free lunch« (Huber/Robertson 2000: 32), zu Kaufentscheidungen ohne vorherige Kapitalakkumulation. Dieses Free-Lunch-Privileg hat, wie nun zu erläutern ist, in mehrfacher Hinsicht Konsequenzen für die Logik materieller Ungleichheit.

Kreditgeldrenten

Das Free-Lunch-Privileg schreibt Ungleichheitsmechanismen in die institutionellen Fundamente des Kapitalismus ein. Es lassen sich mindestens drei Mechanismen – Zinsasymmetrien, Vermögensinflation und Plünderungszirkel – identifizieren, durch die Akteure, die nicht selbst die Kosten dieses Privilegs tragen, durch es begünstigt werden, also »Renten« im eigentlichen Sinne beziehen.

Zinsasymmetrien

Privatbanken stellen mit der Geldproduktion ein für ökonomische Prozesse nicht substituierbares Gut bereit. Geld ist nicht irgendeine Ware, sondern als Tauschmittel Funktionsvoraussetzung von Geld- respektive Marktwirtschaften. Kosten und Nutzen der Bereitstellung dieses »öffentlichen Guts« allerdings sind zunächst in zwei ganz grundsätzlichen Hinsichten ungleich verteilt. Erstens ist die Geldschöpfung durch Kreditvergabe ein asymmetrisches Public Private Partnership: Die Privatbanken verbuchen die mit der Geldschöpfung durch Kreditvergabe verbundenen Zinsgewinne für sich (Privatisierung der Seigniorage). Im Gegenzug schultert die Politik einen Teil der mit der Kreditvergabe verbundenen Risiken durch die staatliche Einlagenversicherung, in Form einer als lender of last resort auftretenden Zentralbank und der oben angesprochenen impliziten Subventionierung. Dieser Umstand wird sozialstrukturell relevant, weil die oben beschriebene Reallohnentwicklung vor allem die von Kaufkraftstagnation oder -einbußen betroffenen Mittel- und Unterschichten dazu nötigen, für die Zinsprofite der Banken aufzukommen. Hodgson (2013; vgl. Jackson/Dyson 2014: 156) zeigt beispielsweise für das Vereinigte Königreich, dass die Bevölkerungsanteile mit geringerem Einkommen im Durchschnitt mehr Zahlungen an den Bankensektor leisten als diejenigen mit hohem Einkommen. Zwar sind mir keine vergleichbaren Erhebungen für andere Länder bekannt, da aber die Geldschöpfungsmechanismen des Vereinigten Königreichs im Grundsatz nach derselben Logik operieren wie die der Eurozone oder der USA gibt es keinen Grund hier von einer anderen Lastenverteilung auszugehen. Man kann deswegen festhalten, dass die Allgemeinheit (als politische Gemeinschaft) und die Mittel- und Unterschichten als sozialstrukturelle Aggregate die Kosten der Geldschöpfung tragen, während private Unternehmen und Oberschicht die Gewinne einbehalten.

Die Betonung des Free-Lunch-Privilegs hebelt damit eine beliebte Rechtfertigungsstrategie dieser Asymmetrien aus: in wirtschaftsliberaler Perspektive werden Kreditzinsen üblicherweise in zweifacher Hinsicht als legitime Prämien für Kapitalgeber gedeutet: einerseits für einen vorrübergehenden Verzicht auf die Verfügungsgewalt über Kapitaleigentum und andererseits für das Risiko, dass die Kapitalgeber mit dem Verleihen ihres Geldes eingehen – schließlich besteht die Möglichkeit, dass sie es nicht zurückbekommen. Die von »unten« nach »oben« fließenden Zinsen wären dann nicht mehr als die legitime Bezahlung der Kapitaleigentümer. Diese Rechtfertigungsstrategie allerdings übersieht, dass die Kreditvergabe von Banken keine Intermediation zwischen Gebern und Nehmern ist – es wird hier gar nichts übertragen. Zinsgewinne autonom geldschöpfender Banken sind materielle Prämien eines Privilegs. Die Tatsache, dass die unteren 90 Prozent der Vermögensverteilung eher verschuldet sind und Zinsen an die oberen zehn Prozent zahlen, ist keine Gratifikation, sondern ein Umverteilungsmechanismus von unten nach oben, der in der Produktionsweise des Geldes selbst verankert ist (vgl. Jackson/Dyson 2014).

Vermögensinflation

Dass Banken neues Geld, d. h. zusätzliche Kaufkraft für jede Investition erzeugen können, die ihnen lukrativ erscheint, hat noch in einer zweiten Hinsicht ein sozialstrukturelles Ungleichgewicht zur Folge. Dabei spielt die Fähigkeit von Banken, Geld zum Kauf bereits existierender Vermögenswerte (assets) zu erzeugen die entscheidende Rolle. Dadurch vermehren sie nämlich die verfügbare Kaufkraft und steigen die Preise der betreffenden Vermögenswerte. Damit werden diese Vermögenswerte als Spekulationsobjekte interessanter und rechtfertigen, wie man exemplarisch im Immobiliensektor immer wieder beobachten kann, weitere schuldfinanzierte Käufe. Die so entstehende Spirale wird als Vermögenspreisinflation (asset price inflation) bezeichnet. Weil derartigen Steigerungsspiralen durch das Free-Lunch-Privileg keine formalen Grenzen gesetzt sind, ist das Kreditgeldsystem in besonderem Maße anfällig für Spekulationsblasen (Huber 2015), die nicht allen gleichermaßen nutzen. Huber (2015: 296) schätzt, dass drei Viertel des zwischen 1992 und 2008 von privaten Banken neu geschaffenen Kreditgeldes für den Kauf von Finanzwerten verwendet wurde. Die dadurch ausgelöste Preisspirale begünstigte vor allem die Spitze der Vermögenshierarchie. Adam und Tzamourani (2015) zeigen in einer aktuellen Studie zu den Effekten von Wertsteigerungen von Schuldverschreibungen (bonds) und Aktien in der Eurozone, dass etwa 20 Prozent der Eurozonen-Haushalte von einem Preisanstieg von Finanzwerten gar nicht, und von einem Anstieg der Preise für Unternehmensanteile gerade einmal die oberen 5 Prozent der Vermögensverteilung profitieren. Auch in den USA gibt es eine starke Korrelation von Vermögensungleichheit und der Entwicklung von Aktienpreisen (Galbraith/Hale 2014), was die Schlagseite der Nutzenverteilung dieser Dynamik zeigt. Die bankeninduzierte Vermögenspreisinflation spült die Kreditgeldrenten in die Kassen der HNWIs und macht sie so zu Rentiers des Free-Lunch-Privilegs.

Plünderungszirkel

Die Autonomie privater Banken bei der Geldschöpfung ermöglicht drittens rekursive Kreditbeziehungen (circular credit; self dealing), die man als Plünderungszirkel 15 bezeichnen kann. Rekursiven Kreditbeziehungen wurden beispielsweise im Zusammenhang mit den Verbriefungsstrukturen der Schattenbanken problematisiert, in denen die von Banken gegründeten Zweckgesellschaften in Steueroasen untereinander Handel trieben (Bernstein/Eisinger 2010; vgl. für den Fall Bear Stearns Palan/Nesvetailova 2014). Manchmal wurden – etwa im Fall von Meryll Lynch – die eigenen Zweckgesellschaften zum größten Abnehmer eigener, hochriskanter Schuldverschreibungen (Bernstein/Eisinger 2010). Zwar haben solche Zweckgesellschaften kein Free-Lunch-Privileg, doch sind sie in der Regel Teil komplexer Holdingunternehmen, die eben auch auf die unbeschränkte Wertschöpfungspotenz von Banken zugreifen können. Diese Einbettung von geldschöpfenden Banken in komplexe Firmennetzwerke verweist auf ein grundsätzliches Dilemma: Banken können eigentlich nicht für sich selbst Geld aus dem Nichts erschaffen, wohl aber für die eigenen Besitzer. Die Einbettung in netzwerkartige Finanzholdings erlaubte es, die Kreditgeldschöpfung der Banken in rekursiven Kreditstrukturen zur Vermögensgenerierung zu nutzen. Ein Beispiel dafür ist die Privatisierung von Banken in Island, wo sich die Käufer zweier Banken das Geld für den Kauf von der jeweils anderen per Kreditvergabe aus dem Nichts erschaffen ließen, jeweils mit Umweg über ihre Holdinggesellschaften (Benediktsdottir u. a. 2011: 188). Zwei Banken bekamen neue Besitzer durch den Einsatz von Kapital, das es vor den beiden Käufen noch nicht gab. Als sich die Lage auf den internationalen Finanzmärkten im Vorlauf der Krise von 2007 anspannte, stieg die Kreditgeldschöpfung der beiden Banken zugunsten der eigenen Besitzer noch einmal drastisch an (ebd.: 194–196). Die Eigentümer konnten so das Free-Lunch-Privileg unmittelbar in Renten umwandeln.

Die starke Konzentration der Eigentümerschaft, die Glattfelder, Vitali und Battiston in ihren Netzwerkanalysen von Stimmkapital durchgeführt haben, verweist auf eine mögliche Verallgemeinerbarkeit der Island-Erfahrung (Vitali u. a. 2011; Glattfelder 2013). Die Autoren haben die Eigentumsverhältnisse global agierender Konzerne, bei denen es sich in der Mehrheit um Finanzfirmen handelt, netzwerkanalytisch untersucht (zu Methodik und Sample: Glattfelder 2013). Sie stellen fest, dass die über Unternehmensanteile ausgebübte Kontrolle der transnationalen (Finanz-)Firmen hoch konzentriert ist: Nur 737 Eigentümer können über 80 Prozent des Unternehmensvermögen verfügen (Vitali u. a. 2011: 6), also dessen Verwendung maßgeblich mitbestimmen.

Das Finanzwachstum findet also in einer Welt weniger Eigentümer statt – d. h. auch wenn viele Zahlungsversprechen weiterhin zwischen formal unabhängigen Firmen geschlossen werden, so ist es dennoch sehr wahrscheinlich, dass es sich faktisch um Vermögensproduktion für einen Kunden handelt, der zumindest anteilig dieselben Eigentümer hat. Entstehen diese zirkulären Geschäfte nun innerhalb oder zwischen Holdings, deren Wertschöpfung auf dem Free-Lunch-Privileg privater Banken fußt, so würde ein solcher Finanzierungszirkel ein unmittelbares Profitieren von Geldschöpfungsprivilegien bedeuten. Zwar ist dies aus den Daten nicht zwingend ersichtlich, doch zeigt das Beispiel aus Island, dass solche Plünderungszirkel existieren. Weitere Forschung zu den praktischen (nicht nur ungleichheitssoziologischen) Folgen der Gleichzeitigkeit von Free-Lunch-Privileg, Eigentumskonzentration und Finanzexpansion wäre zur Erhärtung dieser These freilich nützlich.

Schluss

Die mit dem Begriff der Finanzialisierung aufgerufenen veränderten Akkumulationsmuster haben klare Gewinner und klare Verlierer. Die hohen Renditen erlauben es Spitzenmanagern, ihre Gehälter vom Rest der Arbeitnehmerschaft zu entkoppeln und locken gleichzeitig immer mehr Realwirtschaftsunternehmen in die Finanzen, was zu einer Polarisierung der Arbeitseinkommen beiträgt. Das wiederum untergräbt die Chancen weiter Teile der Bevölkerung, durch Sparen an der Expansion des Finanzsektors zu verdienen und macht es für sie attraktiv, Investitionen und Konsum über Neuverschuldungen zu finanzieren. Die vermögenssteigernden Effekte bleiben der Spitze der Vermögenspyramide vorbehalten, wodurch sich auch hier die Nachfrage nach Anlagemöglichkeiten und neuen Schulden (etwa für schuldfinanzierte Investments) gleichermaßen reproduziert.

Diese ökonomische Dynamik ist allerdings nur dann richtig einzuordnen, wenn man die Geldschöpfung privater Banken in Rechnung stellt. Nicht nur, dass die enorme Expansion des Finanzsystems ohne den unbegrenzten Kreditnachschub nicht zu erklären ist, mehr noch, das Free-Lunch-Privileg verändert auch die Logik der Ungleichheitseffekte: die aus Bankzinsen, kreditinduzierter Vermögensinflation und Plünderungszirkeln resultierenden Vermögenszuwächse sind faktisch keine Entlohnung für den Verzicht von Kapitalgebern, sondern Renten im eigentlichen Sinne des Wortes, nämlich materielle Prämien eines Privilegs. Die Ungleichheitseffekte des Finanzwesens lassen sich deswegen nicht nur als Problem der Verteilung erwirtschafteten Wohlstands deuten, sondern müssen als Effekte einer Produktionsweise von Geld reflektiert werden. Schließlich entsteht neues Geld unter Bedingungen, die man genaugenommen als nichtökonomisch bezeichnen muss, weil hier keine knappen Mittel verbraucht werden. Geld entsteht durch die Eingabe von Zahlen auf einer Computertastatur, es ist »keystroked […] into existence« (Wray 2012: 89), wann immer Banken einen Kredit vergeben. Damit ist die Dynamik von Ökonomie und Ungleichheit nicht länger auf die Entscheidungen von Kapitaleigentümern zurückzuführen, wie es klassische Kapitalismustheorien unterstellen (vgl. Hunt/Lautzenheiser 2015), sondern auf Entscheidungen von Kapitalproduzenten. Die wirtschaftlichen und theoretischen Herausforderungen, die mit dem Aufstieg des Keystroke-Kapitalismus einhergehen, sind bisher kapitalismustheoretisch kaum verstanden.

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