Kästner im Schnee - Erich Kästner - E-Book

Kästner im Schnee E-Book

Kästner Erich

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Beschreibung

"Ach, ist Schneeluft für das Herz gut!" Erich Kästner Erich Kästner liebte den Schnee und ganz besonders Schnee und Sonnenschein im Hochgebirge: Hier fand er Zeit zum Schreiben, Ruhe und Erholung - und genoss das "Obensein". Als passionierter Zuschauer beobachtete er aus dem Liegestuhl heraus das bunte Treiben um sich herum, die Skifahrer, die Schneeballschlachten, die vorbeiziehenden Gondeln, und sah sich mit großer Begeisterung Eishockeyspiele an. Kästner war ein regelmäßiger Gast in den mondänen Gebirgshotels und wurde dort ein ums andere Mal Zeuge von Kostümbällen, da seine Winterurlaube stets in den Faschingsmonat fielen. Bei solchen Gelegenheiten machte Kästner Begegnungen und Beobachtungen, die in Romanen wie Drei Männer im Schnee und in Geschichten wie Vornehme Leute, 1200 Meter hoch ihren literarischen Niederschlag fanden. Die alpine Wintersportlandschaft mag sich seit Kästners Tagen verändert haben - die Glücksmomente beim Anblick des schneebedeckten, in der Sonne schimmernden Hochgebirges sind jedoch geblieben. Dieses Buch versammelt die schönsten dieser Momente, festgehalten von einem, der mit scharfem Blick auch das dichteste Schneegestöber durchdrang und mit spitzer Feder die Moden und Marotten der Menschen seiner Zeit genüsslich aufzuspießen wusste.

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Vorbemerkung

… draußen schneite es still vor sich hin, und er liebte seit seiner Kindheit das schwerelose weiße Zauberballett der Flocken, als werde es von Anbeginn eigens für ihn getanzt.Erich Kästner, Der Zauberlehrling

Erich Kästner liebte den Schnee und ganz besonders Schnee und Sonnenschein im Hochgebirge. »Ich wüsste weniges aufzuzählen, was schöner sein kann. (…) Wir waren im gefrorenen Paradies«, begeisterte er sich 1928 in der Skizze In Halbschuhen auf die Jungfrau. In den winterlichen Alpen fand er Erholung vom hektischen Alltag in Berlin und konnte, auch wenn er nebenbei schrieb, zur Ruhe kommen. Noch fast dreißig Jahre später heißt es in einem Brief an seinen Vater, »der winterliche Sonnenschein im Hochgebirge tut ja Wunder« – Nachklang seines sehnsüchtigen Stoßseufzers: »Die Schneeberge werden wieder ihr Wunder tun müssen«, kurz bevor er Anfang 1932, gesundheitlich angeschlagen und völlig überarbeitet, nach Kitzbühel aufbrach.

Aber selbst im Flachland genoss er den Schnee und auch unter eher widrigen Umständen, wie im Januar 1945 im zerbombten Berlin: »Ach, ist Schneeluft für das Herz gut! Wenn man langsam spaziert u. ruhig atmet! Die reinste Kurpromenade!«

Gleich Mintzlaff im Zauberlehrling durfte Kästner nicht Ski fahren. Die Rekrutenausbildung 1917 war eine üble Schinderei gewesen und hatte ihm – nachzulesen in dem Gedicht Sergeant Waurich – das Herz »versaut«. Seitdem konnte Kästner allenfalls noch Schlittschuh laufen. Skilanglauf wäre vielleicht möglich gewesen, war aber in jenen Jahren als Sportart noch nahezu unbekannt.

Was Kästner liebte, waren einsame Spaziergänge im Schnee und ausgiebige Sonnenbäder auf Berghöhen. Und weil ihm der Aufstieg oft zu beschwerlich und an den kurzen Wintertagen auch zu langwierig war, bevorzugte er zunehmend Gipfel, die er mit einer Bergbahn erreichen konnte. Ihm ging es im Wesentlichen um das »Obensein«.

Seit Mitte der zwanziger Jahre hatte ein wahrer Bauboom bei den Bergbahnen eingesetzt – Zahnradbahnen, Standseilbahnen, Seil-Schwebebahnen (»Gondelbahnen«) –, und also gondelte Kästner von Kitzbühel hinauf auf den Hahnenkamm, von Garmisch-Partenkirchen aufs Kreuzeck und den Wank oder nahm von Davos-Platz die alte Standseilbahn auf die Schatzalp, legte sich, oben angekommen, in einen Liegestuhl, ließ sich stundenlang in der Sonne braten und sah – wohl »nicht frei von Neid« – dem Treiben der Skifahrer zu.

Zeit seines Lebens war Kästner ein passionierter Zuschauer – in sozialen Konstellationen freundlich bis ironisch distanziert, beim Sport hingegen voll engagierten Interesses. Seine Berichte aus Oberstdorf, Kitzbühel und insbesondere aus Garmisch-Partenkirchen im vorolympischen Winter 1935 zeigen das deutlich, auch wenn er sich in den Briefen an seine Mutter nur stichwortartig äußert. Als wie vergnüglich und spannend er Eishockeyspiele erlebte, lässt sich in der Geschichte Zwei Schüler sind verschwunden erahnen, in der er seine Klassenzimmer-Helden Matz und Uli zur Winterolympiade schickt.

Kästner, nach Möglichkeit auf Komfort bedacht, wählte für seine Winterfrischen vorzugsweise ein »erstes Haus am Platz«, wie das Grandhotel Kitzbühel oder in Oberstdorf das Parkhotel Luitpold. In Davos dürfte er im Grandhotel Belvedere gewohnt haben. Dass er während der Deutschen Wintersportmeisterschaften 1935 in Garmisch nur ein Privatquartier fand, war eine Notlösung, die ihm aber im Nachhinein günstig erschienen sein mag. In den besseren Etablissements wäre er zweifellos allzu oft den Nazibonzen über den Weg gelaufen, und darauf legte er als verbotener, aber keineswegs unbekannter Autor gewiss keinen gesteigerten Wert. Im Blauen Buch erwähnt Kästner mehrfach, er habe auf dem Rückweg von Schloss Werdenfels Himmler »mit Heydrich usw.« im Hotel Sonnenbichl beim Fünfuhrtee angetroffen. Dem Ton der Notizen nach wohl eher eine Begegnung der unheimlichen Art.

Vom Garmischaufenthalt jedoch abgesehen, ging Kästner in die traditionsreichen großen Gebirgshotels. Allein im Grandhotel Kitzbühel wohnte er fünf Mal, das erste Mal wohl 1926, dann 1929, danach von 1931 bis 1933 jedes Jahr. Es diente ihm als Vorbild für das Grandhotel Bruckbeuren in Drei Männer im Schnee und war Schauplatz der Außenaufnahmen für den gleichnamigen Film. Kästner selbst dürfte im Lauf der Jahre dort alle Facetten des Umgangs mit Gästen erlebt haben, die er in seinem Roman schildert – die hochnäsige Verachtung des Personals für den armen Schlucker bzw. denjenigen, der die gesellschaftlichen Spielregeln nicht kennt (Thema der Geschichte Brief aus dem Winter), die freundliche Zuvorkommenheit im Umgang mit dem zahlungskräftigen Stammgast, die distanzierte Professionalität gegenüber demjenigen Teil des Publikums, mit dem auch Kästner seine größten Probleme hatte, nämlich den »ganz besonders feinen Damen« und deren Begleitern.

Diese Kategorie von Gästen, insbesondere die weiblichen, betrachtete Kästner mit einer Mischung aus fassungslosem Befremden und verärgertem Amüsement, bisweilen sogar mit Abscheu. Ihre Oberflächlichkeit und ihr gesellschaftliches Getue gingen ihm auf die Nerven und sind immer wiederkehrende Themen in Drei Männer im Schnee und dem Zauberlehrling, aber auch in Gedichten wie Vornehme Leute, 1200 Meter hoch oder der Geschichte Menschen im Gebirgshotel.

»Ich kann diese Frauen nicht leiden«, lässt er im Zauberlehrling Baron Lamotte alias Zeus über eine Engländerin sagen. »Dafür, dass sie keinen Funken Gefühl im Leibe haben, kann man sie vielleicht nicht verantwortlich machen. Doch dass sie sogar noch stolz darauf sind und ihre kalte Lebensgier staunend bewundern, statt sich ihrer ein wenig zu schämen, erbost mich stets von neuem.«

Literarisch ergiebig waren auch die häufigen Kostümbälle – Kästners Winterurlaube fielen ja regelmäßig in die Faschingsmonate. Besonders beliebt scheinen Feste gewesen zu sein, die sich »Lumpenball« oder »Apachenball« nannten. Doch auch da hatte man die Sprach- und Spielregeln zu kennen. Wehe, man nahm die Kleidervorschriften allzu wörtlich, wie etwa Eduard Schulze alias Geheimrat Tobler in Drei Männer im Schnee oder wie Der letzte Mohikaner, der sich mit seinem Indianerschmuck auf dem Apachenball ganz entsetzlich blamiert, weil er nicht weiß, dass mit »Apachen« Ganoven der Pariser Halb- und Unterwelt gemeint sind.

Kästner selbst verkleidete sich nie, er erschien auf diesen Bällen nie anders als in Frack oder Smoking und begnügte sich wieder einmal – nach seinen Worten jedenfalls – mit dem Zuschauen.

Bei allen Übereinstimmungen von Kästners Leben und Werk sollte man aber die Unterschiede nicht übersehen. Kästner setzt Erlebtes literarisch nie eins zu eins um. Er weiß sehr genau um die formalen, dramaturgischen und vor allem sprachlichen Erfordernisse literarischen Schreibens. Welch ein himmelweiter Unterschied zwischen dem stichwortartigen Telegrammstil, in dem er sich seiner Mutter mitteilt, und der Sprache seiner Prosa und Gedichte. Hier der bisweilen fast flapsige legere Umgangston, ein lockeres, ungezwungenes Stakkato, in dem vieles ungesagt mitschwingen kann, weil Mutter und Sohn Kästner sich durch und durch kennen und in dauernder und vertrauensvoller Verbindung stehen – dort der Autor, der sich seiner sprachlichen und stilistischen Mittel sehr bewusst und sicher ist und sie gezielt einsetzt.

Seit Kästners Tagen hat sich im Wintersport vieles gewandelt, den massenhaften Andrang gab es noch nicht, in den Grandhotels ging es geruhsamer zu. Doch die Glücksgefühle beim Anblick des schneebedeckten, in der Sonne schimmernden Hochgebirges sind dieselben geblieben.

München, im Frühjahr 2009

Sylvia List

Schlittschuhlaufen und Schneeballschlacht

Schlittschuh kaufen – Schlittschuh laufen!

Es ist kalt. Gefroren hat’s.

Sieben Grad! Die Ohren brennen.

Bollensängers Trockenplatz

ist nicht wiederzuerkennen.

Statt der Hemden auf der Leine

sieht man Beine.

Statt der Wäsche, bunt und weiß,

sieht man Eis.

Bollensängers schippen Schnee.

Alles andre fährt im Kreise.

Fünfzig Pfennige Entree.

Kinder halbe Preise!

Schlittschuhkufen sind so schmal!

Und das Eis ist hart wie Stahl!

Seien wir doch ehrlich:

Schlittschuhlaufen ist, wenn man

gar nicht Schlittschuhlaufen kann,

nicht ganz ungefährlich!

Beispielsweise: Man fährt Bogen.

Doch die Bogenfahrt misslingt.

Während man ein Beinchen schwingt,

wird das zweite weggezogen!

Und man setzt sich, voller Schwung,

auf die – Rückversicherung,

dass man denkt, das Eis zerbricht!

Doch das Eis, das Eis hält dicht.

Was man denkt, es war zerbrochen

– sind die Knochen.

Man erhebt sich, lächelt heiter,

und fährt weiter.

Schlittschuhlaufen ist, im Ernst,

etwas, was du später

niemals gründlich lernst.

Drum, ihr Herren Väter:

Treibt mit euren Kindern diesen Sport!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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