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Jahrhundertelang hat sie in den Tiefen der Tyrrhenischen See geschlummert: eine bronzene „Themis“, die Göttin der Gerechtigkeit, aus den begnadeten Händen des antiken Bildhauers Lysipp. Ende der sechziger Jahre hält sie den Zeitpunkt für gekommen, sich dem italienischen Volk zu zeigen. Aber, ach, die Menschen sind noch nicht bereit: Blut fließt, der Kopf der Statue geht verloren, und ihr Körper verschwindet für weitere vierzig Jahre in einem sicheren Versteck. Doch dann taucht die kopflose Göttin wieder auf – just zum Amtsantritt des neuen Kulturministers Ranieri, der daraus weidlich Profit zu schlagen versteht – und weckt manche Begehrlichkeit, aber auch manches schlummernde Gewissen … Weit mehr als ein äußerst spannender und unterhaltsamer Krimi voll unerwarteter Wendungen und „italianità“: Claudio Paglieri ist eine brillante Parabel auf das Thema der Gerechtigkeit gelungen.
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Seitenzahl: 486
Claudio Paglieri
Keine Pizza für Commissario Luciani
Roman
Aus dem Italienischen von Christian Försch
Die Originalausgabe mit dem TitelLa cacciatrice di testeerschien 2010 bei Edizioni Piemme,Casale Monferrato.
ISBN E-Pub 978-3-8412-0093-8ISBN PDF 978-3-8412-2093-6ISBN Printausgabe 978-3-7466-2607-9
Aufbau Digital,veröffentlicht im Aufbau Verlag, Berlin, 2010© Aufbau Verlag GmbH & Co. KG, Berlin 2010© 2010 EDIZIONI PIEMME Spa
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Impressum
Erster Teil
Eins
Zwei
Drei
Vier
Fünf
Sechs
Sieben
Acht
Neun
Zehn
Elf
Zwölf
Dreizehn
Vierzehn
Fünfzehn
Zweiter Teil
Sechzehn
Siebzehn
Achtzehn
Neunzehn
Zwanzig
Einundzwanzig
Zweiundzwanzig
Dreiundzwanzig
Vierundzwanzig
Fünfundzwanzig
Sechsundzwanzig
Siebenundzwanzig
Achtundzwanzig
Neunundzwanzig
Dreißig
Einunddreißig
Zweiunddreißig
Dreiunddreißig
Vierunddreißig
Fünfunddreißig
Sechsunddreißig
Siebenunddreißig
Dritter Teil
Achtunddreißig
Neununddreißig
Vierzig
Einundvierzig
Zweiundvierzig
Dreiundvierzig
Vierundvierzig
Fünfundvierzig
Sechsundvierzig
Siebenundvierzig
Achtundvierzig
Neunundvierzig
Fünfzig
Vierter Teil
Einundfünfzig
Zweiundfünfzig
Dreiundfünfzig
Vierundfünfzig
Fünfundfünfzig
Sechsundfünfzig
Siebenundfünfzig
Achtundfünfzig
Neunundfünfzig
Sechzig
Einundsechzig
Zweiundsechzig
Dreiundsechzig
Vierundsechzig
Fünfundsechzig
Sechsundsechzig
Epilog
Ranieri
Assisi, sechzehn Monate zuvor
»Professore, Ihr Vater möchte Sie sprechen.«
Ludovico Ranieri schlug die Augen auf, die er seit einer halben Stunde geschlossen hielt, ohne dass er hätte schlafen oder sich zumindest ein wenig entspannen können. Der Arzt und die Krankenschwester hatten ihn aus dem Zimmer geschickt. Er saß im Salon im Sessel und wartete, hoffend, dass dies der letzte Anfall wäre, dass sein Vater nun endlich dahinscheiden und sie in die Freiheit entlassen würde, damit sie raus dürften, sich die Beine vertreten und in dieser brütenden Sommerhitze ein bisschen frische Luft schnappen könnten.
Er rang sich gegenüber der Nachtschwester, einer Polin um die vierzig, die ihn zwanzig Euro die Stunde kostete, ein angestrengtes Lächeln ab. Die Tagschwester war eine Rumänin mit den Muskeln eines Dockarbeiters, die Cousine des Mädchens für alles, das inzwischen schon Jahre im Haus seines Vaters lebte. Sie verlangte hundertzwanzig Euro am Tag, schwarz, und war damit unterm Strich noch günstiger als ihre Base, die Haushaltshilfe, die offiziell angestellt war und ihn fast zweitausend Euro im Monat kostete, Lohn und Sozialabgaben zusammengerechnet. Der Steuerberater hatte ihm gesagt, dass ihr an dem Tag, an dem sie kündigen würde, außerdem eine Abfindung von fast zehntausend Euro zustünde.
Und dann erzählen sie uns, dass das Bruttoinlandsprodukt sinkt, dachte er, während er die Treppe hinaufging, da krieg ich doch das kalte Kotzen. Unser Geld fließt ins Ausland, das ist es. Die Immigranten leben hier, bei freier Kost und Logis, und was sie verdienen, das schicken sie nach Hause.
Auch dagegen würde er etwas unternehmen müssen, sobald er den Sprung ins Parlament geschafft hätte. Eine Gesetzesvorlage einbringen, eine Obergrenze für die Beträge, die Einwanderer in ihre Ursprungsländer transferieren durften. Dreißig Prozent kannst du nach Hause schicken, aber siebzig Prozent musst du hier ausgeben, meine Teure. Da wir dich hier aufnehmen und mit Arbeit versorgen, musst du auch hier dein Geld wieder in Umlauf bringen, unseren Geschäftsleuten unter die Arme greifen.
Er atmete tief durch und trat in das Zimmer seines Vaters, einen gewaltigen Raum mit einer Gewölbedecke, die fast wie eine Kirchenkuppel wirkte. Das Himmelbett, die lombardische Kommode, die Kniebank aus dem fünfzehnten Jahrhundert und das große Gemälde vom Raub der Sabinerinnen, das er als Kind fasziniert über Stunden betrachtet hatte, nach jeder Brustwarze schielend, die unter den gerafften Gewändern hervorlugte, und nach jedem lüsternen Blick der Soldaten. Allein das Zeug hier drinnen dürfte hunderttausend Euro bringen, dachte er. Auf dem Haus lastete eine Hypothek, die Bank machte ihm Feuer unterm Hintern. Nur seinem persönlichen Prestige und dem seines Schwiegervaters war es zu verdanken, dass der Alte bis zum Schluss über seine Verhältnisse leben konnte. Ein kleiner turmbewehrter Palazzo mitten in der Altstadt von Assisi, der war eine Stange Geld wert. Gut möglich, dass am Ende die Bank selbst hier einziehen würde. Aber die Einrichtung konnte er noch verscheuern, die Möbelpacker standen Gewehr bei Fuß. Er hatte bereits mit einem Kollegen seines Vaters geredet, der ihm einen fairen Preis zahlen würde. Auch weil dessen Neffe an Ludovicos Universität studierte, und da war es besser, wenn er sich keine Sperenzchen erlaubte.
»Ludovico«, flüsterte sein Vater und hob fast unmerklich den Arm.
Er trat näher, bezwang seinen Widerwillen und griff nach der ausgestreckten Hand. Der Alte hatte ein ausgezehrtes gelbliches Gesicht, das weiße, schüttere Haar war nach hinten gekämmt. Jedes Mal wenn er die Augen schloss, schien es vorbei zu sein, aber wenn er sie dann wieder aufschlug, rebellierte sein fiebriger Blick.
»Ludovico«, sagte er noch einmal mit festerer Stimme, »du musst mir einen Priester holen.«
»Einen Priester?!«, wiederholte der Sohn fassungslos.
»Ja. Ich will beichten.«
»Aber … jetzt, mitten in der Nacht?« Er schaute auf die Uhr, es war drei. »Wo kriege ich denn jetzt einen Priester her? Kannst du nicht bis morgen früh warten?«
Der Sterbende schnitt eine Grimasse. Sein Sohn war immer ein Kretin gewesen. Genau wie seine Mutter. »Wenn du in Assisi keinen Priester finden kannst …«, sagte er mit der Miene eines Menschen, der zum x-ten Mal enttäuscht worden ist.
Ludovico stieg die Schamesröte ins Gesicht, und er ließ die Hand des Vaters los. »Einverstanden, Papa. Ich werde versuchen, einen zu finden.«
Wütend und besorgt verließ er das Zimmer. Einen Priester. Beichten! Falls sein Vater tatsächlich beabsichtigte, all seine Sünden aufzuzählen, dann würde sich das locker bis in den helllichten Tag hinziehen. Vielleicht gar bis zum Folgetag. Dieses Arschloch, das immer nur an sich selbst gedacht hatte, das ihn nie geliebt, nie beachtet und seine Mutter am Tag ihres vierzigsten Geburtstags in die Wüste geschickt hatte! Immerhin hatte er es zu einem der reichsten und angesehensten Antiquitätenhändler Roms gebracht, ehe er alles mit Weibern und Kartenspiel verjubelte. Bei seinem einstigen Lebensstil grenzte es an ein Wunder, dass er überhaupt so alt geworden war. Aber das reichte ihm noch immer nicht, nein, nun wollte er obendrein noch die Absolution von seinen Sünden, damit er sich bis in alle Ewigkeit weiteramüsieren konnte.
»Meinetwegen, soll auch das noch geschehen«, sagte Ludovico sich. Er wollte keine Gewissensbisse, er wollte sich und der ganzen Welt beweisen, dass er für seinen Vater alles Erdenkliche getan hatte, auch wenn der es nicht verdiente. Was Himmel und Hölle anging – daran glaubte er wirklich, und er hatte gewisse Zweifel, dass der Herr dem Alten so ohne weiteres vergeben würde.
Er schaute aus dem Fenster. Die Stadt atmete ganz flach, wie ein Tier, das auf der Seite lag, um die Hitze zu ertragen. Ludovico nahm die Schlüssel und trat aus dem Haus. Das Jesuitenseminar befand sich just am Ende ihrer Straße.
»Pater, verzeiht mir, denn ich habe gesündigt.«
»In nomine patris, et filii, et spiritus sancti.«
»Amen.«
»Wann hast du das letzte Mal gebeichtet, mein Sohn?«
Nervös ging Ludovico vor der Zimmertür auf und ab. Der Priester, ein junger, dürrer Jesuit mit Brille, mit dem er, kaum war er um die Ecke gebogen, praktisch zusammengerannt war, hatte ihn hinausgeschickt, weil er mit dem Sterbenden allein sein wollte. Aber war es wirklich eine gute Idee gewesen, ihn ins Haus zu holen? Wollte sein Vater tatsächlich nur beichten? Oder hatte er irgendeinen bösen Streich im Sinn, wie damals, als er der Zugehfrau seinen Mercedes geschenkt hatte, da er sowieso nicht mehr Auto fahren konnte? Ludovico hatte ihn sich mit viel Mühe wiederbeschafft, wobei er der Frau mit der Ausweisung aus Italien hatte drohen müssen und dass er sie wegen Erschleichung eines Vorteils gegenüber einem Unmündigen drankriegen würde, aber diese Schlampe hatte dagegengehalten, sie würde den Vater wegen sexueller Nötigung anzeigen, und ehe sie klein beigab, hatte sie einen nagelneuen Fiat Cinquecento verlangt – und bekommen.
Wenn er das bisschen, das ihm geblieben ist, jetzt auch noch der Kirche vermacht, dann schwöre ich, dass ich ihn mit meinen eigenen Händen erwürge, dachte er. Aber nein, inzwischen war es zu spät, es würde ein Leichtes sein zu beweisen, dass sein Vater nicht mehr zurechnungsfähig war. Außerdem fehlten die Zeugen, und er kontrollierte immer, dass im Zimmer weder Papier noch Kugelschreiber waren.
Nach einer guten halben Stunde machte der Priester die Tür wieder auf. Er war blass, und das lag nicht nur an der abgestandenen Luft im Zimmer. »Sie können hinein, Professore. Ihr Vater möchte mit Ihnen sprechen.«
Ludovico trat ans Bett. Das Gesicht des Sterbenden sah viel entspannter aus und hatte sogar wieder etwas Farbe angenommen. Beeindruckend, welche Macht die Suggestion ausübt, dachte der Sohn.
»Hör zu, Ludovico. Ich habe mich eben von einer Last befreit, die mir seit vierzig Jahren auf der Seele lag. Der gutherzige Pater hat mir die Absolution erteilt, und ich hoffe, dass auch Gott mir vergeben wird. Ich habe Böses getan, aber ich habe es mit Zins und Zinseszins abbezahlt, indem ich mir noch größeres Leid zugefügt habe, und euch ebenso, dir und deiner Mutter. Ich hoffe, auch du wirst mir verzeihen können.«
Ludovico spürte, dass seine Augen sich mit Tränen füllten.
»Ich habe Pater Antiochus alles erzählt. Sobald wir hier fertig sind, wirst du ihn in den Keller führen. Er wird dir erklären, was zu tun ist.«
»Was womit zu tun ist?«
»Im Keller liegt etwas äußerst Wertvolles. Frucht eines Verbrechens. Es gehört weder dir noch mir. Pater Antiochus wird dafür sorgen, dass es seinem rechtmäßigen Besitzer zurückerstattet wird.«
Die Tränen der Rührung versiegten schlagartig und wichen einer Welle glühenden Zorns.
»Was ist das nun wieder für eine Geschichte?! Warum hast du mir nicht früher davon erzählt?«
Der Vater betrachtete ihn. »Du bist wie ich, Ludovico. Du bist gierig. Und du kannst dich nicht beherrschen. Dieser gute Gottesmann wird dich davor bewahren, Dinge zu tun, die du dereinst bereuen würdest.«
»Aber wie … wie kannst du … Du vertraust ihm mehr als mir?! Einem Menschen, den du heute Nacht zum ersten Mal gesehen hast? Glaubst du, dass ich deinen Letzten Willen nicht respektieren würde? Es ist immer das alte Lied, Papa, seit ich denken kann! Alles, was ich getan habe, alles, was ich aus eigener Kraft aufgebaut habe, ohne dich je um Hilfe zu bitten, das alles ist in deinen Augen keinen Pfifferling wert!«
Er war laut geworden. In all den Jahren hatte sich in ihm eine Gereiztheit angestaut, die in diesen letzten drei Tagen, am Bett seines Vaters, einen Sättigungsgrad erreicht hatte und sich nun entlud. Er protestierte noch immer und verlangte eine Erklärung, als der Priester ihm behutsam eine Hand auf den Arm legte.
»Er kann Sie nicht mehr hören, Professore.«
Während Ludovico schlagartig verstummte und das höhnische Grinsen des Vaters und die Augen fixierte, die leeren Blickes an die Decke starrten, holte Pater Antiochus seinen silbernen Weihwasserschwengel aus der Tasche und besprengte den Leib Settimo Ranieris. »Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Nimm, o Herr, diese Seele zu dir auf …«
Marietto Risso
Camogli, heute
»Ach Mensch, jetzt komm schon mit, wir bringen uns ein bisschen auf andere Gedanken.«
»Was, sagst du, ist das für ein Kram?«
»SuperSanremo. Ein Wettbewerb der besten Lieder des Festivals, die Sieger unter den Siegern, seit es Sanremo gibt.«
»Nein, ich habe meiner Nichte versprochen, dass ich das Buch lese, das sie mir geschenkt hat … Sie fragt mich dann danach und wäre enttäuscht.«
»Das kannst du doch morgen lesen, was macht das für einen Unterschied? Die Zanicchi ist dabei, die Vanoni, Gianni Morandi.«
»Die besten Lieder … von wegen. Schlagerschmus, Beruhigungspillen für uns Vollidioten. Das einzige gute Lied bei Sanremo war das von Modugno, ach was, Lucio Dalla: ›Dice ch’era un bell’uomo e veniva, veniva dal ma-a-re …‹«
Gaetano lächelte. »Ja, ja, der schöne Seemann, das erinnert dich an was, nicht wahr? Wer weiß, wie viele Mädchen deinetwegen weinen mussten.«
Marietto runzelte die Brauen. Die einzige Frau, die er wirklich geliebt hatte, war nur eine Nacht mit ihm zusammen gewesen, ehe sie ins Gras beißen musste. Nachdem die Faschisten sie abgeholt hatten.
»Da gab es mehr Frauen, die mich zum Weinen gebracht haben«, sagte er mit einem Kopfschütteln.
Sein Zimmergenosse kicherte, dann ließ er sich von ihm aufhelfen.
»Komm, hauen wir ab, diesen Apfel hier kann ich schon nicht mehr sehen. Allein der Geruch macht mich krank.«
Marietto fasste ihn unter, stützte ihn und war stolz, dass er mit seinen achtundsiebzig Jahren alerter war als die meisten anderen hier drinnen, genau genommen war keiner so fit wie er. Er war der Einzige, der noch eine Arbeit draußen hatte und der ein und aus ging, wie es ihm gerade gefiel. Er war kein altes Eisen, das man im Heim entsorgt hatte, sondern jemand, der aus freien Stücken diesen Ort gewählt hatte, weil er seine Ruhe wollte, einen gedeckten Tisch mit warmem Essen und regelmäßig frische Bettwäsche. Ein bisschen wie im Hotel.
Sie verließen den Speisesaal und kamen ins Fernsehzimmer, wo schon rund zehn Gäste saßen, einige davon waren eingeschlafen. Marietto half Gaetano auf einen Platz, von dem aus er gut sehen und hören konnte.
»Komm, setz dich her und leiste uns Gesellschaft«, insistierte dieser. »Baudo ist einer, der sein Geschäft versteht. Und dann ist da die Dingsda, die Ulzinker. Die ist nett.«
»Baudo, den kann ich nicht ab. Ich mochte Bonolis. Und den anderen da, wie heißt der noch? Der aus dem Radio.«
»Ah, verstehe. Der, der so gut die Leute nachmacht, meinst du?«
»Mhm. Wie heißt der noch?«
»Fiorello«, sagte Signorina Gina, die neben Gaetano saß.
»Genau, Fiorello. Es braucht frisches Blut, die Alten wie wir müssen irgendwann das Feld räumen, wir sind weder geistig noch körperlich mehr auf der Höhe.«
»Ah, reden Sie mal für sich, Signor Mario. Ich fühle mich kein bisschen alt. Wenn die Carrà und Maurizio Costanzo noch im Einsatz sind, dann könnten auch wir noch arbeiten. Der Unterschied ist nur, dass die reich sind, und die Reichen werden niemals alt.«
»Stimmt«, sagte ein anderer Gast aus der ersten Reihe, ohne sich umzudrehen. »Schaut euch doch nur die Politiker an. Ich bin zweiundneunzig, wenn ich nicht Eisenbahner, sondern Minister geworden wäre, dann würde ich heute noch im Palazzo Venezia sitzen.«
»Klar, der denkt, die italienische Hauptstadt ist immer noch Turin. Signor Traverso, Sie wissen aber schon, dass im Palazzo Venezia der Duce regierte, oder?«, sagte Gaetano, womit er ein paar Lacher in der unmittelbaren Nachbarschaft provozierte.
»Eben! Wenn der mich zum Verteidigungsminister ernannt hätte, wären wir doch nicht in diesen Krieg geschlittert. Wir hätten es wie Franco gemacht. Und Mussolini säße immer noch fest im Sattel, das sage ich euch.« Marietto schnaubte genervt und verabschiedete sich von Gaetano. »Ich gehe lieber, bevor ich dem eine reinhaue.«
»Komm, du weißt doch, dass er nur Spaß macht. Der sagt das absichtlich, um dich zu ärgern.«
»Damit treibt man keinen Spaß. Als ich mich fünfundvierzig in den Bergen versteckt hielt …«
»Ruhe, es geht los.«
»Kann man das nicht ein bisschen lauter machen? Ich höre keinen Ton.«
»Hast du dein Hörgerät drinnen?«
»Häh?«
»Hast du dein Höörgerääääät?«
»Ja, hab ich.«
»Zeig mal. Na, das ist doch abgeschaltet, kein Wunder, dass du nichts mitkriegst. Komm her. Hörst du jetzt was?«
»Hä?«
»Höööörst du waaaas?«
»Ja, ja, ich höre. Was brüllst du denn so?«
Marietto drehte sich um und verließ den Fernsehraum, gerade als die Erkennungsmelodie von SuperSanremo kam. Alt zu sein ist widerlich, dachte er, egal, ob man reich oder arm ist. Apropos, die Ricchi e Poveri1 waren bestimmt auch dabei. Wie hieß gleich dieses tolle Lied von denen? Ah ja, »Per un’ora d’amore non so cosa dare-e-ei«, sang er auf der Treppe leise vor sich hin. Es war wirklich wahr, er hätte sein letztes Hemd dafür gegeben, noch einmal jung zu sein, nur für eine Stunde, nur um noch einmal einem phantastischen Mädchen, einem nach seinem Geschmack, in die Augen zu sehen. Aber war das Lied wirklich von den Ricchi e Poveri? Er war nicht mehr ganz sicher, vielleicht war es auch von den Pu.
Marietto Risso ging auf sein Zimmer und schloss die Tür. Eine wunderbare Stille; wenigstens für ein paar Stunden hätte er jetzt seine Ruhe. Wie immer überprüfte er, ob unten auf dem Parkplatz ein fremder Wagen stand. Nichts. Die Faschisten hatten ihn noch nicht gefunden, aber er wusste, es war nur eine Frage der Zeit. Oder vielleicht waren sie auch in seiner Nähe und warteten nur darauf, dass er einmal nicht aufpasste und sich überrumpeln ließ. Aber er war zu schlau, um sich aufs Kreuz legen zu lassen. Er ging an seinen Spind und nahm das Bündel heraus, das er auf dem obersten Brett aufbewahrte. Er legte es auf den Resopaltisch, schlug das Wachstuch auf, dann das Hirschleder und reihte fein säuberlich Öl, Reinigungsbürste, den Putzstock, einen Wischlappen und ein Flanelltuch nebeneinander auf. Dann begann er, langsam und sorgfältig die Pistole zu reinigen.
Luciani
Genua, heute
Commissario Marco Luciani stand am Kaffeeautomaten und versuchte, aus Caffè macchiato und Trinkschokolade irgendetwas Genießbares zu mixen, als Oberwachtmeister Antonio Iannece ankam. Dessen Gesichtsausdruck verriet, dass er ihn gleich wieder zu einem seiner sagenhaften Sonntagsessen in einer Trattoria irgendwo in der Pampa einladen würde, Gattinnen und brüllende Rotznasen inbegriffen. Doch Lucianis Assistent, Fahrer und Mädchen für alles zog einen Block mit Losen aus der Tasche, und dem Kommissar fiel ein, dass in wenigen Wochen Weihnachten war.
»Kaufen Sie mir zwei Lose ab, Signor Commissario? Der erste Preis ist ein 44-Zoll-Fernseher. Garantiert zollfrei.«
»Für wen sammelt ihr dieses Jahr?«
»Äh, steht hier drauf: Hungerhilfe Kindsopfer.«
»Ja, die kenne ich, Iannece. Mir scheint, es werden mehr Kinder Opfer der Hungerhilfe als der Unterernährung. Gib mir zwei Lose.«
Er händigte ihm zehn Euro aus, ohne allzu große Illusionen darüber, wie sie wohl angelegt werden würden, aber zumindest hatte er damit sein weihnachtliches Schmiergeld an die Dritte Welt gezahlt.
»Wenn Sie außerdem noch fünfunddreißig Euro drauflegen wollen, Commissario, für das Weihnachtsessen gibt es noch freie Plätze. Wir gehen in eine Trattoria im Scrivia-Tal. Antipasti, drei erste, drei zweite Gänge, Dessert, Panettone, Wein und Sekt. Alles inklusive. Ein Sonderpreis für uns, aber mit der Anmeldung pressiert es, die reservieren nämlich einen Saal nur für uns, und mehr als fünfzig passen da nicht rein.«
Marco Luciani hatte eine flüchtige Vision der Hölle von Gustave Doré, ein Weihnachtsessen von fünf Stunden, mit all den angetrunkenen Kollegen, den überschminkten, mit Klunkern behängten Ehefrauen und quiekenden Kindern, die im Saal Fangen spielten. Und um sechs Uhr abends, zum krönenden Abschluss, eine gepflegte Kotzerei auf den eisglatten Serpentinen der Valle Scrivia.
»Ich würde sehr gerne kommen, Iannece«, sagte er mit zerknirschter Miene, »aber wie du weißt, ist mein Vater dieses Jahr gestorben … Die Stimmung zu Weihnachten wird diesmal etwas gedämpft ausfallen, und da werde ich meiner Mutter Gesellschaft leisten müssen.«
»Dann bringen Sie sie doch einfach mit! Da kommt sie auf andere Gedanken. Besser, als wenn Sie zwei allein zu Hause rumhocken und Trübsal blasen. Und vielleicht bringen wir sogar Ihnen, Commissario, die achtzig Gramm Fett auf die Rippen, die einem so gut über den Winter helfen. Ich versuche in der kalten Jahreszeit immer so sieben, acht Kilo über meinem Wettkampfgewicht zu liegen, aus rein gesundheitlichen Erwägungen.«
Marco Luciani warf einen missbilligenden Blick auf die Taille seines Assistenten, die mehr und mehr einem Laib Parmesankäse ähnelte. Dann sah er das eigene Spiegelbild in der Scheibe des Automaten: Seine Brust war nicht breiter als ein Oberschenkel, und die dürren Beine erinnerten an die Stelzen eines Akrobaten. Mit seinen knapp siebzig Kilo auf fast zwei Meter Länge war er auf diesem Gebiet wahrlich der Falsche, um anderen kluge Ratschläge zu erteilen.
»Entschuldige, Iannece, ich muss jetzt wieder an die Arbeit.«
»Denken Sie wenigstens über Silvester nach, Commissario. Wir haben ein schönes Galamenü im Val d’Aveto organisiert. Bis zwölf, eins wird gespachtelt, dann werden die Tische zur Seite geräumt und das Tanzbein geschwungen. Und wenn es weiter so kalt bleibt, dann liegen da mindestens zwei Meter Schnee, und so kommen auch die Kinder auf ihre Kosten.«
Marco Luciani war bereits im Flur und hob eine Hand zum Zeichen des Grußes. Für Silvester hatte er ganz andere Pläne: Er wollte die Wohnungsräumung feiern, mit einer Tasse Tee, einer halben Scheibe Panettone ohne Rosinen und einem Teelöffel Sahne – als Glücksbringer –, und um halb elf ins Bett gehen.
Zur Mittagsstunde, als er gerade in seinem Büro die Zeitung las, wurde an den Türrahmen geklopft.
»Darf ich stören?«, fragte die nervige Stimme seines neuen Stellvertreters.
»Komm nur, es ist offen, es ist immer offen«, murmelte er.
Das runde rosige Gesicht von Giorgio Livasi lugte zum Büro herein. »’tschuldige, Chef, wollte nur mal fragen, ob du meine Mail schon gelesen hast.«
»Welche Mail?«
»Die ich dir vor fünf Minuten geschickt habe.«
Der Kommissar spürte eine gewisse Gereiztheit in sich aufsteigen. »Nein, die habe ich noch nicht gelesen, Livasi«, sagte er mit einem Fingerzeig auf die Papiere, die er vor sich liegen hatte, wie um zu sagen: Ich bin wahnsinnig beschäftigt.
Sein Gegenüber setzte eine verlegene Miene auf. »Ach so, okay, war nicht eilig, ich schaue dann später noch mal rein.«
Wenn es nicht eilig war, warum kommst du dann hier angetrabt?, dachte Marco Luciani.
Er wartete, bis Livasi die Tür wieder angelehnt hatte, schlug die Zeitung zu und fand sich damit ab, dass er ein paar Berichte, die er seit Tagen auf dem Schreibtisch hatte, in akzeptablem Italienisch abschreiben musste. Ein 19-jähriger Ecuadorianer, der vor einer Diskothek einen Nebenbuhler erstochen hatte, und ein klassischer Fall von Mord mit anschließendem Selbstmord: ein 42-jähriger Steuerberater, der seine Exfrau umgebracht und sich dann selbst aus dem Leben befördert hatte. Einfache Fälle, in wenigen Stunden zu lösen. Dahinter steckten nur Wut oder Verzweiflung, oder blindwütiger Affekt, keine Intelligenz, kein ausgeklügelter Plan, um Spuren zu tilgen oder die Polizei an der Nase herumzuführen. Zwar landeten in solchen Fällen die Schuldigen im Gefängnis oder richteten sich selbst, aber für Luciani war das wenig befriedigend. Die Abwanderung der Intelligenz zieht auch das nach sich, dachte er, neben den begabtesten Freiberuflern, Kreativen und Wissenschaftlern zogen auch die besten Mörder aus der Stadt weg. Vor einigen Monaten zum Beispiel hatte ein in Mailand wohnender Genueser seine Verlobte mit einem astreinen Plan kaltgemacht, so astrein, dass die Kollegen, obwohl sie sicher wussten, dass er es gewesen war, keine Beweise fanden und ihn nicht festnageln konnten. Ein faszinierender Fall, der auch einem Giampieri Laune gemacht hätte, denn es ging dabei unter anderem um Computer und Handys. Marco Luciani spürte, dass sie diesen Fall gemeinsam hätten lösen können, und wieder setzte sich ein Gran Schuldgefühl in seinem Zwerchfell fest und beschleunigte seinen Herzschlag.1
Nach einer guten Stunde stand sein Vize erneut auf der Türschwelle. »’tschuldige, Marco, du bist nicht zufällig dazu gekommen …«
»Nein! Ich bin nicht dazu gekommen, Livasi. Du musst schon ein bisschen Geduld haben, aber warum schickst du mir die Sachen eigentlich per E-Mail? Du sitzt nebenan, meine Tür steht immer offen, wenn du mir etwas zu sagen hast, kannst du es mir nicht einfach sagen, und damit hat sich’s?«
»Nein, das ist, weil … Es geht um die Versammlungen. Ich hab da mal eine Anregung skizziert …«
»Aber ist die denn so kompliziert, dass du sie mir nicht mündlich erklären kannst?«
»Nein … doch … das heißt, ich krieg das schriftlich besser hin.«
Marco Luciani verfluchte zum hundertsten Mal Polizeichef Iaquinta, der ihm diesen neuen Vize zur Seite gestellt hatte. Das war volle Absicht gewesen, keine Frage, ein Racheakt nach ihren letzten Gefechten. Er wollte ihm das Leben zur Hölle machen. Nicht, dass Livasi unfähig gewesen wäre, aber er hatte genau die Schwäche, die der Kommissar am allerwenigsten ertragen konnte: Er war ein Arschkriecher, der sich immerzu in den Vordergrund spielen musste. Ende Oktober nach Genua gekommen, hatte er schon nach wenigen Tagen der Akklimatisierung angefangen, ihn mit E-Mails und wöchentlichen Thesenpapieren zu belegen, wie man Organisation und Effizienz des Büros verbessern, Schichten und Ferien sinnvoller einteilen und neue Vernehmungsmethoden einführen könnte, die in Skandinavien zu einer Steigerung der Geständnisrate um dreizehn Prozent geführt hätten. Der Kommissar betrachtete Livasis perfekt rasierte Wangen, das geschniegelte Haar und die ebenso gespannte wie zutrauliche Miene, die stark an einen Apportierhund erinnerte.
»Livasi, du bist seit über einem Monat hier. Habe ich je auf eine deiner Mails geantwortet?«
»Nein, Chef.«
»Und, sagt dir das gar nichts?«
»…«
»Ich lese keine E-Mails, Livasi. Ich lese sie grundsätzlich nicht. Ich habe einen Account von der Dienststelle, aber ich nutze ihn nicht.«
»Soll ich lieber an eine andere Adresse mailen?«
»Nein! Du sollst mir lieber sagen, was du mir zu sagen hast, und damit basta!«
»Ja … aber … Ich möchte gern, dass auf jeden Fall etwas schriftlich festgehalten wird. Ich könnte das vielleicht grob in zwei Sätzen formulieren und dir schicken.«
Na bitte. Am Ende hatte er ihn aus der Deckung gelockt. Vorschläge zur Verbesserung der Effizienz der Abteilung. Und wenn er einen davon umsetzen würde, würde Livasi mit seiner hübschen schriftlichen Eingabe zum Polizeichef rennen, um nachzuweisen, dass die Idee von ihm stammte. Es ging ihm nicht darum, allen die Arbeit zu erleichtern, sondern nur darum, sich selbst ins beste Licht zu rücken.
»Ja, hervorragend, schreib mir zwei Sätze. Mit Kohlepapier. Mindestens zwei Durchschläge.«
Sein Gegenüber verstand nach ein paar Sekunden, errötete und schloss beleidigt die Tür. Für den Rest des Tages ward er nicht mehr gesehen.
Ranieri
Assisi, sechzehn Monate zuvor
»Freitagnacht verstarb in Assisi Settimo Ranieri, einundneunzig Jahre, Vater von Ludovico, dem stellvertretenden Rektor der Universität von M. Settimo Ranieri war ein leidenschaftlicher und kundiger Sammler …«
Ludovico schlug die Zeitung zu. Er hatte keine Lust, den soundsovielten lobhudelnden Nachruf auf seinen Vater zu lesen, zwanzig Zeilen, ein geklitterter Abklatsch der Pressekommuniqués, die von der Universität an die Zeitungsredaktionen gegangen waren. Vorbildlicher Vater und Ehemann, Gelehrter, raffinierter Kunstkenner, hatte er seinem Sohn die Leidenschaft für sein Fach mitgegeben, bla, bla, bla. Gequirlte Scheiße. Ein wahrheitsgetreuer Artikel hätte so geklungen: »Er hat bis in seine Neunziger gelebt, unverwüstlich wie Unkraut: Settimo Ranieri, ein Mann, fast frei von geistigen und moralischen Veranlagungen, dafür aber mit gewaltigem Geschäftssinn gesegnet. Vor allem, was seine eigenen Geschäfte anging. Diesen hatte ihm tatsächlich sein Vater vererbt, Oreste Ranieri, ein Wurstwarenhändler, der durch den Schwarzmarkt in Kriegszeiten und mit dem Baugewerbe in den Fünfzigern reich geworden war. Settimo hatte bis zum dreißigsten Lebensjahr absolut nichts auf die Beine gestellt, bis auf einen mühseligen Studienabschluss in Kunstgeschichte, und auch diesen nur dank der Unterstützung eines Mädchens, das er vor dem Traualtar hatte stehenlassen. Während sein Vater und die Brüder auf dem Bau schufteten, hatte Settimo sein Erbteil genommen, um in Rom ein Antiquitätengeschäft zu eröffnen, Deckmantel für die illegale Verschiebung etruskischer Fundstücke nach Amerika; im Jahre des Herrn 1958 hatte er die Tochter eines Handschuhfabrikanten geheiratet, die er mit Methode und Befriedigung betrog, bis die Ehescheidung per Volksabstimmung eingeführt wurde, woraufhin sich ihre Wege für immer trennten und Settimo die Gelegenheit bekam, sein gesamtes Geld zu verjuxen. Ludovico war sein einziger Sohn und zugleich die größte Enttäuschung seines Lebens. Vollkommen frei von jedwedem Geschäftssinn, vernarrt nur in Bücher und Kunst, hatte er sechs Jahre damit vergeudet, einen Studienabschluss in Literatur und Kunstgeschichte zu erwerben, und weitere zehn damit, einer Professur an der Universität von M. hinterherzurennen. Nur dank der Beziehungen seines Schwiegervaters, eines Senators, dessen einzige Tochter er geheiratet hatte, hatte er endlich die ersehnte Dozentur ergattert und war dann zielstrebig Stufe für Stufe aufgestiegen zum ordentlichen Professor und dann zum Institutsleiter, bis er sich vor einigen Monaten – dem Hirnschlag des historischen Gründers sei Dank – als Stellvertreter in den roten Ledersessel des Rektors setzen durfte, ein Amt, das mit dem neuen akademischen Jahr endgültig ihm gehören würde. Dessen ungeachtet war sein Vater Settimo kein bisschen stolz auf ihn, er betrachtete ihn als eine Art Parasit, der im Grunde weiterhin auf Kosten des Schwiegervaters lebte, welchem er noch nicht einmal einen männlichen Enkel geschenkt hatte, nur zwei Mädchen, verwöhnte Heulsusen, die ebenso sagenhaft hässlich waren wie ihre Mutter.«
Ludovico wusste, dass er nicht den Geschäftssinn von Vater und Großvater geerbt hatte, aber daraus konnte ihm keiner einen Vorwurf machen. Ebenso wenig konnte er etwas dafür, dass in diesem im Niedergang befindlichen Land sämtliche Erwerbszweige in der Krise steckten. Die Baufirmen seiner Cousins hatten längst dichtgemacht, die Preise für Antiquitäten und Kunst waren in den Keller gerutscht, und selbst sein seliger Großvater hätte wohl Mühe gehabt, mit seiner Wursttheke über die Runden zu kommen. Sich um eine akademische Laufbahn und ein sicheres Einkommen zu bemühen, war eine kluge Entscheidung gewesen, ebenso eine Frau zu heiraten, die zwar wahrlich nicht mit Schönheit, aber mit einem soliden Charakter und einer reichen Familie gesegnet war. Nur ein alter Giftzwerg von neunzig Jahren konnte seine wunderbaren Töchter, Maria Rita und Maria Chiara, als ein Missgeschick betrachten und dem ersehnten männlichen Enkel nachweinen.
Im Gegensatz zu seinem Vater wusste Ludovico, wie man eine Familie zusammenhielt. Er hatte Sinn für Verantwortung, Gerechtigkeit und Anstand. Auch für Verzicht. Er kannte das Leben und seine Versuchungen, wusste aber, wann man nein zu sagen hatte. Und wenn er jetzt an die halb leergeräumten Zimmer seines Vaters dachte und an die Gerichtsbeamten, die wie Schakale darin herumschlichen und nach irgendwelchen Fleischresten suchten, in die sie sich verbeißen konnten, dann sagte er sich, dass der Alte sein Leben zwar bestimmt ausgekostet, dafür aber nur Schulden und Beschuldigungen zurückgelassen hatte. Wer von beiden war also letztlich der Versager? Er schmiss die Zeitung auf den Boden. Zwanzig Zeilen. Für seinen Vater war selbst das noch zu viel. Wenn ich einmal dran bin, dann will ich eine ganze Seite. Oder auch zwei, warum nicht? Seit seiner Kindheit spürte er, dass er nicht geboren war, um wie ein dumpfes Tier sein Dasein zu fristen, sondern um wirklich Großes zu bewirken. Das neue Jahr würde die Wende bringen, er, Ludovico Ranieri, würde endlich den Ertrag für all seine Arbeit und seine Opfer einfahren. Vor fünfzehn Jahren, in den Neunzigern, hatte er, angesichts des Zerfalls des Familienvermögens, seinen ersten Geniestreich gelandet und auf den einzigen im Wachstum befindlichen Erwerbszweig des Landes gesetzt, einen Erwerbszweig, der sichere, ständig wachsende Einkünfte sowie Medieninteresse, Macht und bildschöne Frauen garantierte. Er hatte sich entschieden, ins kalte Wasser der Politik zu springen, was aussichtslos wirkte, ihm in Wahrheit aber ein neues Leben eröffnet hatte: Er hatte den Senator kennengelernt, hatte Elena geheiratet, war im akademischen Leben jemand geworden. Und jetzt, da die Partei bei den kommenden Wahlen auf einen Triumph zusteuerte, würde er seinen Schwiegervater dazu bringen können, ihn ins große Spiel einzuführen. Er hätte gerne den Sitz des Rektors mit dem des Abgeordneten vertauscht. Aber weder das eine noch das andere sah er als Endziel an. Mit knapp fünfzig Jahren stand ein Politiker gerade mal am Anfang seiner Karriere, und für die Zukunft träumte Ludovico Ranieri von einer Ernennung zum Minister für Kunst und Kultur. Sein Ehrgeiz war, die wahre Macht zu erringen, in den engen Kreis der Leute vorzudringen, die für das Land wirklich etwas bewirken konnten, und natürlich für sich selbst. Ihm fehlte es weder an Arbeitswillen noch an guten Ideen, er wartete nur auf eine Gelegenheit, einen Wink des Schicksals, der ihm den entscheidenden Anstoß geben würde. Und dieser Wink war nun gekommen, sagte er sich, während er die Augen schloss und an das zurückdachte, was er zwei Nächte zuvor entdeckt hatte.
Marietto Risso
Camogli, heute
Marietto saß neben Gaetano am Tisch. Es gab Spaghetti Bolognese, die er mit Genuss verspeiste. Das Alter hatte ihm vieles genommen, den Appetit zum Glück jedoch nicht, und er freute sich schon auf das Weihnachtsessen mit Ravioli, Puter und Torte.
»Leistest du uns wenigstens heute Abend Gesellschaft? Heute ist das Finale«, fragte Gaetano.
»Welches Finale?«
»Na, von SuperSanremo. Das ist wirklich nicht schlecht. Ich bin für Cristicchi, der hat mich neulich abends echt gerührt. Dieses Lied über die Irren … Hut ab!«
»Das stimmt«, mischte sich Signora Irene ein, »ist wirklich hübsch.«
»Ne, ne, ich bin für Albano«, erwiderte Signorina Gina. »Seine Stimme ist immer noch die schönste. Und außerdem, der Ärmste, nach allem, was er durchgemacht hat: zuerst die Tochter, dann die Frau und dann noch die andere Frau … Ich hoffe wirklich, dass er gewinnt.«
Marietto hatte nicht die geringste Lust, hinunter in den Fernsehsaal zu gehen, aber am Ende siegte Gaetanos Hartnäckigkeit. Der Krimi, den die Nichte ihm geschenkt hatte, gefiel Marietto sowieso nicht, er spielte in Skandinavien, und von all dem Schnee bekam er eiskalte Füße. Ein bisschen fernzusehen mochte auch gegen diese merkwürdige Unruhe helfen, die insgeheim in ihm anwuchs, eine Art böser Vorahnung. Wenn du nur von Alten umgeben bist, dann musst du zwangsläufig an den Tod denken, sagte er sich, um sich zu beruhigen.
Während er Gaetano die Treppe hinabhalf, begegnete er Olga, einer ehemaligen Opernsängerin, die Jahr für Jahr, zeitgleich mit dem Sanremo-Festival, von heftigen Eifersuchtsanfällen gebeutelt wurde und sich in ihr Zimmer einschloss, um mit ihrem verstorbenen Ehemann zu konferieren. Gestützt auf den Arm von Schwester Fernanda, erklomm sie die Treppe wie in Trance.
»Die bösen Geister, ich spüre sie«, sagte sie und bohrte ihre Augen in die von Marietto. »Sie kommen deinetwegen.«
»Krepier doch, du alte Hexe!« Gaetano spreizte Zeige- und kleinen Finger ab, um Unheil abzuwenden.
»Nach dir, alter Schwuli«, gab sie zurück. Sie starrte Marietto weiter an und flüsterte: »Du wirst sterben. Am Sankt-Stephans-Tag wirst du sterben.«
»Haust du jetzt endlich ab? Schwester, bringen Sie sie weg, bevor ich …«
»Hör nicht auf sie, Gaetano. Das lohnt doch gar nicht«, sagte Marietto und versuchte, den kalten Schauer zu ignorieren, der ihm über den Rücken gelaufen war.
Die leeren Augenhöhlen der Frau starrten ihn an. Sie wirkte eher enttäuscht als wütend. Sie sprach nicht, aber ihre Stimme hallte in seinem Schädel wider.
»Du hast nichts unternommen, um mich zu retten. Gar nichts. Du wolltest mich lieber vergessen.«
»Ich … ich … was hätte ich tun können? Ich stand allein da, allein gegen alle.«
»Nein. Du hast mich verlassen. Ich hatte mich für dich entschieden.«
Marietto spürte, wie ihm die ersten Tränen über das Gesicht rannen. »Ich bitte dich, verzeih mir! Verzeih mir!«
»Es ist zu spät. Man hat mich gefunden. Ich gehöre nun einem anderen. Und deine Zeit ist fast abgelaufen.«
»Nein!«, schrie er. »Es ist noch nicht zu spät. Ich werde dich retten. Warte auf mich. Ich werde kommen und dich retten.«
Das Gesicht der Frau verschwamm.
»Nein! Geh nicht weg, nein!«
Plötzlich fasste ihn jemand am Arm. Die Faschisten. Wütend riss er sich los. Er tastete nach der Pistole in seinem Gürtel, aber er war wie in einem Netz gefangen, nein, in einem Sack, der ihn daran hinderte, die Beine zu bewegen.
»Marietto! Marietto, ich bin’s!«
Mühsam öffnete er die Augen und bedachte Gaetano, der ihn erschrocken ansah, mit einem hasserfüllten Blick. Auch er hatte ihn am Ende verraten.
»Du hast geträumt, Marietto. Du hast geschrien.«
Geträumt? Er schaute sich um. Das Zimmer war dunkel, bis auf das blassblaue Notlämpchen, das stets in einer Ecke leuchtete. Er war im Altersheim. In seinem Bett. Stimmt, er hatte geträumt, auch wenn er wohl noch nie einen so realistischen Traum gehabt hatte. Plötzlich hatte er einen Kloß im Hals und brach in Tränen aus. Das war kein Traum gewesen, das war ein Zeichen. Sie rief ihn, die Vergangenheit war wieder da und verlangte ihren Blutzoll. Für das Blut der Gefährten, die im Kampf gefallen, die gefoltert und verleumdet worden waren, die sich im Gefängnis umgebracht hatten und nun nach Sühne schrien.
Luciani
Genua, heute
Um sieben Uhr vierzig, als die Wohnung unter den ersten Hammerschlägen der Bauarbeiter erbebte, stieß Commissario Luciani einen furchtbaren Fluch aus und setzte sich in seinem Bett auf. Gegen elf war er eingeschlafen, aber um Mitternacht hatte ihn schon wieder das Gelächter der Restaurantbesucher unter seiner Wohnung geweckt, die sich offensichtlich darüber freuten, dass sie für vier Würfel rohen Fisch fünfzig Euro ausgegeben hatten. Die Metallrollos besagten Lokals hatten ihn um eins ein weiteres Mal geweckt, das übliche Motorrad ohne Vergaser um halb drei. Um drei war der LKW der Müllabfuhr in die Gasse gerumpelt, um Viertel vor sechs der mit den Zeitungen. Kurz vor sieben waren die Lieferungen für den Milchmann und für die Metzgerei gekommen.
Und nun standen die Bauarbeiter auf der Matte, um das Haus zu renovieren. Bauarbeiter. Eine Horde von Neandertalern, die sich in verlassenen Appartements zusammenrotteten und den lieben langen Tag damit verbrachten, aus Kieselsteinen Pfeilspitzen zu hauen.
Als seine Füße den kalten Boden berührten, wurde er endgültig wach. Er wollte gar nicht nachrechnen, wie viele Stunden er unterm Strich geschlafen hatte. Wenn er seine Gereiztheit nicht den ganzen Tag mit sich herumtragen wollte, dann musste er sich irgendwie abreagieren. Er ging ins Bad und machte sich fertig, zog T-Shirt, kurze Hose und Joggingschuhe an, stürzte zwei Glas Wasser hinunter und verließ die Wohnung, um einen kurzen Lauf auf den Kais hinzulegen. Die Dezemberluft war eisig, und Marco Luciani bereute, dass er nicht auch die Jacke übergezogen hatte, aber sein Trainingsplan sah heute Tempoläufe vor – da würde ihm schnell warm werden. Wie jeden Morgen hatte er Kopfschmerzen, aber das war wohl normal, bei seinem Schlafdefizit. Wenn ich um halb neun zurückkomme, dachte er, dann erwische ich vielleicht das Zeitfenster, in dem der Bauleiter mit seinem Kontrollgang durch ist und die Maurer frühstücken gehen, und krieg womöglich noch eine Mütze Schlaf.
Er schaute auf die Uhr, überschlug schnell, wie viel Zeit ihm blieb, und nahm sich vor, acht Kilometer in 36 Minuten zu laufen, vier Kilometer in je 4 Minuten 15 und vier Kilometer in je 4:45, immer abwechselnd. Er kam an die Baumwolllager, drückte die Stoppuhr für den ersten Kilometer und zog das Tempo merklich an. Er passierte die Kilometermarke bei 4:22 und schaltete einen Gang runter, aber da er Angst hatte, hinter seiner Marschtabelle zurückzubleiben, lief er auch die Lockerungsrunde in 4:35. Er hatte die Zeit wettgemacht, nicht jedoch die Sauerstoffschuld, und kam immer mehr aus der Puste. Auch ohne Pulsuhr spürte er, dass sein Herzschlag fast bei 170 war. Wenn du den Einstieg versaust, dann kann es nur noch schlechter werden, dachte er und versuchte durchzuhalten. Sein Körper musste sich irgendwie an diese Ausdauerbelastung gewöhnen, wenn er eines Tages einen Marathon bestreiten wollte, ohne am Ende mit den 75-Jährigen über den Zielstrich zu kriechen. Jetzt reicht’s, dachte er, versuchen wir, uns auf etwas zu konzentrieren, auf irgendein Detail. Mal sehen, wie viel Durchblick ich noch habe. Am Kino stand ein Typ mit Hund, und Luciani versuchte, sich an alle Hunde zu erinnern, die in Filmen die Hauptrolle spielten. Er wollte auf mindestens zehn kommen. Eins: Lassie, zwei: Rin Tin Tin, drei: sein Kollege Rex, war zwar nur eine Fernsehserie, aber trotzdem, »The Ugly Dachshund«, mit vier Dackeln und einem Dachshund, den hatte er als Kind in einem Freiluftkino gesehen, wenn die als fünf zählten, dann war er jetzt schon bei acht, aber vom Freiluftkino schweiften seine Gedanken ab zu den Cola-Lutschern, die er dort an der Kasse immer gekauft hatte, und zu einem blonden Mädchen, das jünger war als er und Anna hieß, und erst nachdem er am Ende des Kais umgekehrt war, wurde ihm klar, dass er die Hunde vergessen hatte. Konzentration aufbauen!, dachte er, gleich komme ich an der Caffè-Bar vorbei, wo diese neue hübsche Bedienung arbeitet. Er kontrollierte die Zeit: 4:12 die dritte Runde, das war sogar zu schnell, ich lag zehn Sekunden drüber, habe aber drei gutgemacht, das ist minus sieben, aber in der anderen hatte ich zehn gutgemacht, plus drei, nein, minus drei, halt, muss ich noch mal nachrechnen. Man sollte immer in einem Tempo laufen, bei dem man noch mit seinem Trainingspartner plaudern kann, sagte er sich, aber er konnte nicht einmal stumm mit sich selbst plaudern, er hatte den Faden verloren, nein, die Hundeleine, 4:12, das sind drei weniger als 4:15, aber an die Runde davor erinnere ich mich nicht, jetzt schlug sein Herz wie verrückt, so hatte er sich noch nie gefühlt, ich sollte besser anhalten, ja, ich laufe bis zu dem Mädchen, und dann pausiere ich, die Sonne, kommt gleich, nein, Finsternis, wart mal, Anna, die Finsternis … Er blieb abrupt stehen, noch einen Schritt, und er würde hinschlagen, nein, die Finsternis, er lehnte sich an die Wand und hatte den vagen Eindruck, dass er zu Boden glitt.
Ein furchtbarer Lärm weckte ihn auf, jemand schrie ihm in die Ohren und spritzte ihm Wasser ins Gesicht. Nein, das war ein Hund, ein Hund, der bellte und ihn ableckte. Er wollte ihn verscheuchen, aber als er die Hand hob und dessen kräftigen Hals spürte, klammerte er sich an ihn wie ein Ertrinkender an den Rettungsring. Du liebes bisschen, ich bin kollabiert, dachte er. Ich Vollidiot.
Das Herrchen des Hundes kam mit der Bedienung und noch zwei Leuten. Der Kommissar hoffte, sie würden ihm aufhelfen, aber einer sagte: »Fasst ihn nicht an!«, und als Luciani sich auf einen Unterarm stützte, schrie ein anderer: »Nicht bewegen! Sie dürfen sich nicht anstrengen.« Das Mädchen sagte: »Ich hole ein Kissen.« Sofort kam sie mit einem schönen, flauschigen roten Riesenkissen zurück, das sie ihm unter den Kopf schob. »Wie fühlen Sie sich? Ist Ihnen kalt? Ich hole was zum Zudecken.« Ein blonder Engel, und so jung, wer lästert eigentlich immer über die heutige Jugend?, dachte Marco Luciani, während er versuchte, die Kälteschauer zu unterdrücken, überleg mal, was die für ein Leben führt, wahrscheinlich wohnt sie noch in Bolzaneto und muss vor sechs Uhr aufstehen, hierherhetzen, um irgend so einem Arsch von Skipper einen Cappuccino zu brauen, und abends fährt sie mit dem Bus oder der U-Bahn nach Hause und lugt verstohlen nach den Babygangs, weil die beschließen könnten, sie zu vergewaltigen. Sie führt ein solches Leben und ist rein geblieben, o wunderbare Kreatur, ich werde sterben und dabei ihr Bild im Herzen bewahren. Aber er wusste, dass die Sache ausgestanden war, er fühlte sich schon viel besser, und abgesehen von den Kopfschmerzen und dem Kältegefühl schien alles zu funktionieren. »Sie haben nicht ein bisschen Wasser für mich?«, fragte er das Mädchen, das ihn mit einem Plaid bedeckt hatte, welches sie irgendwo hergezaubert hatte, und sie antwortete: »Natürlich, ich hole es sofort.« Doch der Mann mit dem Hund sagte: »Ich weiß fei nicht, ob Sie trinken dürfen.« – »Stimmt, das könnte ihm schaden«, sagte ein anderer. Seinem Schmerbauch und den Blicken nach zu urteilen, die er dem Po des Mädchens hinterherschickte, musste das der Besitzer der Bar sein. Du dämlicher, alter Lustmolch, dachte Marco Luciani, ich habe doch keine Operation hinter mir. »Bist du sicher, dass er trinken darf?«, fragte der Mann das Mädchen, das mit einem sagenhaft großen Becher Wasser zurückgekommen war. »Wieso? Er hat doch keine Operation hinter sich«, sagte sie und hob mit einer Hand Lucianis Hinterkopf an, anscheinend ohne sich vor der Schweißschicht zu ekeln, die ihn bedeckte. »Hier, aber trinken Sie langsam, es ist kalt.« Marco Luciani schämte sich seiner selbst, seiner Magerkeit, seiner Hässlichkeit und weil er sich nicht ordentlich gewaschen hatte, ehe er laufen gegangen war. Wer sie von Ferne gesehen hätte, er so dürr, elend und unrasiert, sie auf der Erde kniend, auf den Lippen ein besorgtes Lächeln, hätte sie für Jesus Christus und Maria Magdalena halten können.
»Sollen wir einen Krankenwagen rufen? Oder jemanden, der Sie abholen kann? Ihre Frau, Ihre Freundin …«
»Rufen Sie, um Himmels willen, nicht beide gleichzeitig«, sagte Marco Luciani, und das Mädchen lachte erleichtert. »Wenn Sie schon wieder zu Scherzen aufgelegt sind, dann scheint es Ihnen besserzugehen.« Er nickte und setzte sich auf. Sein Kopf hatte wieder eine ovale Form angenommen, sein Herzschlag hatte sich beruhigt. »Ja, danke«, sagte er zu ihr. »Tut mir leid, wenn Sie meinetwegen Zeit verloren haben.« Er stand auf. Der Bigo1 schien einige Arme mehr als gewöhnlich und das Meer sämtliche Kais geflutet zu haben, aber was den Rest anging, war die Situation unter Kontrolle. Er winkte allen zum Abschied und machte sich auf den Heimweg, zuerst im Spazierschritt, dann locker trabend.
Ranieri
Assisi, sechzehn Monate zuvor
»So, nach der Beschreibung Ihres Vaters müsste es hier sein. Hinter dem Klavier.«
Ludovico und Pater Antiochus waren hinunter in den Keller gegangen, kaum dass sich der Arzt verabschiedet hatte, ein Stadtrat und Parteigenosse, der in Rekordtempo aufgelaufen war und versprochen hatte, er würde den Papierkrieg zur Erlangung der Todesurkunde ein wenig abkürzen. Er hatte kondoliert und erklärt, er stehe dem Interimsrektor in jedwedem Bedarfsfall zur Verfügung. Ludovico gewöhnte sich allmählich an das berauschende Gefühl, dass andere sich überschlugen, um ihm gefällig zu sein.
»Das ist kein Klavier. Das ist ein Pianola von Kranich & Bach, erste Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts«, stellte er richtig.
»Jedenfalls scheint es sehr schwer zu sein. Wir sollten jemanden rufen, der uns hilft, es wegzurücken.«
»Nein, Pater. Je weniger Leute von dieser Geschichte wissen, desto besser.«
Ludovico krempelte die Hemdsärmel hoch, bedeutete Pater Antiochus, mit anzupacken, und gemeinsam schafften sie es, schwitzend und keuchend, das Pianola so weit zu verrücken, dass sich eine Gasse öffnete. Hinter dem Instrument stand, direkt an der Wand, eine riesige Holztruhe, lang wie ein Sarg und über einen Meter hoch. Verriegelt war sie mit einem soliden Eisenschloss.
»Verdammt. Sie ist abgeschlossen«, sagte Ludovico.
Der Priester schaute ihn mit schuldbewusster Miene an und zog aus der Tasche seines Gewandes einen Schlüssel.
»Den hat mir Ihr Vater gegeben. Er bewahrte ihn in der Nachttischschublade auf.«
Der andere riss ihn ihm fast aus der Hand und steckte ihn ins Schloss, auch wenn er bezweifelte, dass es sich würde öffnen lassen. Nach all den Jahren war der Mechanismus bestimmt eingerostet. Der Schlüssel ließ sich jedoch fast mühelos drehen. Sein Vater musste von Zeit zu Zeit in den Keller gekommen sein, um den mysteriösen Schatz zu kontrollieren.
Ludovico war ziemlich aufgeregt, als er den Deckel hob, aber was er sah, enttäuschte ihn. Bettlaken, Unterwäsche, Spitzendeckchen, leinene Handtücher: eine alte, vergilbte Aussteuer, und darunter nur das Papier, mit dem der Holzboden ausgeschlagen war. Hatte sein Vater sich einen Scherz mit ihm erlaubt?
»Es muss einen doppelten Boden geben«, sagte der Priester, nachdem er mit einem Blick die inneren und äußeren Ausmaße verglichen hatte.
»Sie haben recht. Und der dürfte ganz schön hoch sein.«
Mit Hilfe des Priesters räumte Ludovico die Wäsche aus, hob den dünnen Holzboden an, und schließlich sah er, heftig schnaufend und mit wild pochendem Herzen, wie ein blütenweißes Laken zum Vorschein kam, das etwas verhüllte, was ganz wie eine Statue aussah.
Ludovico Ranieri war in einem Antiquitätengeschäft aufgewachsen und in einem Haus, das besser bestückt war als viele Museen. Er hatte Hunderte, nein Tausende Sammlerstücke gesehen, manche so kostbar, dass man ihren Wert kaum ermessen konnte. Aber noch nie hatte er etwas zu Gesicht bekommen, was man auch nur entfernt mit dieser lebensgroßen bronzenen Frauengestalt, mit ihren weichen, vollkommenen Formen, hätte vergleichen können. Wer behauptete, Schönheit sei relativ, man könne sie nicht messen, sie variiere je nach Kultur und Gebräuchen der unterschiedlichen Völker, der war ein Ignorant und Kleingeist. Angesichts dieser Statue wäre jedem, vom Direktor des Louvre bis zum Eingeborenen im Amazonas-Urwald, der nie einen Weißen gesehen hatte, der Mund offen stehen geblieben, und er hätte ebenso andächtig und schweigend verharrt, wie Ludovico und Pater Antiochus es gut zwei Minuten lang taten.
»Der Kopf fehlt«, sagte schließlich der Priester.
»Das sehe ich«, antwortete Ludovico. Das war ein unschätzbarer Verlust, aber die Grazie und die Harmonie der Skulptur konnten keinen anderen Schluss zulassen, jedenfalls für das Auge des Experten, als dass sie von der Hand eines großen Meisters stammte, vielleicht des größten aller Zeiten. Er hatte die Gestalt einer sinnlichen und gleichzeitig furchteinflößenden Frau geschaffen. Der linke Arm raffte das Gewand, der rechte war angewinkelt, in einer Stellung, die schwer interpretierbar, aber außerordentlich graziös wirkte. Es war ein verstümmeltes Meisterwerk, aber das galt im Grunde auch für die Nike von Samothrake. Wenn seine vielen Jahre des Studiums nicht umsonst gewesen waren, dann könnte Ludovico schwören, dass diese sagenhafte Statue ebenso wertvoll war, denn die weltweit existierenden Bronzeskulpturen dieses Ranges konnte man an den Fingern einer Hand abzählen.
»Was mein Vater Ihnen erzählt hat … darf ich das erfahren?«, fragte Ludovico, kaum dass er sich wieder gefangen hatte.
Der Priester nickte. »Er selbst hat mich darum gebeten. Andernfalls wäre ich an das Beichtgeheimnis gebunden. Aber viel hat er mir nicht gesagt. Nur dass die Statue vor fast vierzig Jahren im Meer vor der Insel Ventotene gefunden wurde. Und dass er, um sie zu bekommen, einen Mann getötet hat. Er sagte mir, es sei ein Unfall gewesen, aber aus Angst, entdeckt zu werden, und wegen seines Schuldgefühls beschloss er, die Statue zu verstecken und zu vergessen.«
»Und kein Mensch hat je nach ihr gesucht? Niemand weiß von dieser Geschichte?«
»Das hat er mir nicht gesagt«, gestand der Priester und breitete bedauernd die Arme aus.
In Ludovico stieg wieder die Wut auf den Vater hoch. Und auf diesen Volltrottel im Talar, der den Alten das Wichtigste nicht gefragt hatte.
Ventotene kannte er gut. Ende der sechziger Jahre, ehe die Krise sein Vermögen aufzehrte, hatte Settimo Ranieri auf der Insel eine wunderschöne Villa gekauft, mit Zugang zu einem Privatstrand und Liegeplatz für eine Yacht. Ludovico hatte dort oft die Ferien verbracht. Nach der Scheidung war die Villa auf seine Mutter überschrieben worden und so dem Ruin entgangen. Es war ein abgelegenes, romantisches Plätzchen, das man von Formia aus per Boot erreichen konnte, ohne durch den Ort zu müssen. Ludovico hatte dort die Wochenenden mit dem besten Sex seines Lebens verbracht, während Frau und Kinder in den Bergen weilten.
»Und was machen wir jetzt?«, fragte er, mehr sich selbst.
»Worum Signor Settimo gebeten hat. Wir bringen diese Statue wieder ans Licht der Öffentlichkeit und geben sie ihrem rechtmäßigen Besitzer zurück: dem italienischen Staat.«
»Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist, Pater.«
»Es ist der Letzte Wille eines Sterbenden.«
»Eben. Es ist klar, dass mein Vater im Delirium war. Überlegen Sie doch: Weshalb hat er sie nicht selbst schon längst zurückgegeben? Er hatte schließlich vierzig Jahre Zeit dafür.«
Der Priester machte einen steifen Rücken und schaute ihn streng an. »Was möchten Sie folglich tun? Sie behalten?«
Ludovico blähte den Brustkorb und antwortete mit gekränkter Miene: »Pater, ich werde bald Abgeordneter der Italienischen Republik sein. Glauben Sie, ich könnte meinem Land ein Stück seines legitimen Eigentums vorenthalten?«
Sein Gegenüber hob eine Augenbraue, als wollte er sagen: »Ist alles schon da gewesen.«
»Verzeihen Sie, Pater, verstehen Sie denn nicht, in was für einer Situation ich mich befinde? Ich bin Rektor einer Universität, endlich kommt meine politische Karriere in Schwung, ich stehe kurz davor, die Früchte eines arbeitsreichen Lebens einzufahren. Wenn jetzt diese Statue ans Licht käme – ja, können Sie sich denn nicht den Skandal vorstellen? Mein Vater ein Mörder, sein Name beschmutzt. Und meiner ebenso, als logische Folge. Wie könnte ich je weiter im Kulturleben wirken oder gar in der Rolle eines Abgeordneten, wenn herauskäme, dass meine Familie mit gestohlenen Kunstgegenständen handelte? Überlegen Sie doch mal!«
Der Priester schwieg und betrachtete seine Schuhkappen.
»Mein Vater hat nie für seine Vergehen bezahlt, und jetzt soll ich es tun? Halten Sie das für gerecht? Ist es richtig, den Letzten Willen eines geistig verwirrten Greises zu respektieren, wenn er einem unbescholtenen Menschen zum Schaden gereicht?«
Pater Antiochus ging eine Weile im Raum auf und ab, das Kinn auf die verschränkten Hände gestützt. »Ich verstehe Ihre Beweggründe, Herr Professor«, sagte er schließlich. »Das Einzige, was ich jedoch tun kann, ist, meine Vorgesetzten um Rat zu bitten. Die Statue hat vierzig Jahre hier gelegen, sie kann es auch noch einige Tage länger tun.«
Ludovico atmete erleichtert auf. »Ich danke Ihnen, Pater. Sie werden sehen, wir werden eine Lösung finden, die alle zufriedenstellt.«
»Bis dahin schließen wir die Truhe wieder ab, und ich werde den Schlüssel aufbewahren. Nicht aus Misstrauen, Gott bewahre. Jedoch hat der Herr mir die Verantwortung für diese Angelegenheit auferlegt, und ich habe nicht vor, mich meiner Aufgabe zu entziehen.«
Der Interimsrektor verbeugte sich leicht. Sobald du zur Tür hinaus bist, dachte er, rufe ich den Bischof an. Dann wird es keine vierundzwanzig Stunden dauern, bis du armer Irrer deiner Aufgabe enthoben bist.
Luciani
Genua, heute
Um sechs Uhr morgens, nach drei mageren Stunden Schlaf, zwängte sich das Klingeln des Handys unter Lucianis Hirnrinde und begann dort stur wie ein Specht zu picken. Er wollte es ignorieren und in seinem Traum verweilen: Er war auf einen Stuhl gefesselt, Maria Scharapova, Ana Ivanovic und Venus Williams versuchten ihn mit Hilfe von hautengen Overalls, Stiefeln und Reitgerten zu einem Geständnis zu bewegen. Aber zum Glück wusste er von nichts.
Das Klingeln ging weiter, erbarmungslos, bis Marco Luciani sich geschlagen gab, eine Hand ausstreckte und auf eine beliebige Taste drückte, ohne ranzugehen. Er hörte die Stimme seiner Mutter, so aufgeregt, dass sie stotterte:
»Marco, du musst sofort kommen. Heute Nacht ist ein Unglück geschehen.«
»Was? Was ist denn passiert?«, murmelte er.
»Der Regen … das Gewitter … Es hat ein furchtbares Gewitter gegeben, und der halbe Garten ist heruntergekommen.«
Er duschte sich und zog sich in aller Ruhe an. Seit sein Vater gestorben war, rief seine Mutter alle zwei, drei Tage bei ihm an, um Unglücks- und Notfälle zu melden, die sich am Ende damit beheben ließen, dass man einen Wasserhahn auswechselte oder die Gastherme wieder anwarf. Er verstand, dass Donna Patrizia sich einsam fühlte in dieser riesigen Villa, die wirklich allmählich zerfiel, und in letzter Zeit besuchte er sie so oft wie möglich. Manchmal blieb er auch über Nacht, in seinem einstigen Kinderzimmer, aber er sperrte sich hartnäckig gegen die Vorstellung, dort einzuziehen, denn mit fast vierzig Jahren wollte er wahrlich nicht wieder bei seiner Mutter leben. Auch wenn in Camogli, wie sie immer wieder betonte, Platz für drei Familien war, während er in einer grausigen Zweizimmerwohnung lebte, die er zum 31. Dezember räumen musste.
Gegen Viertel nach sieben kam er an die Mautstelle bei Recco. Er fuhr weiter Richtung Camogli, und als er den Boschetto erreichte, sah er vor dem Tor der Villa Patrizia einen Feuerwehrwagen stehen. Mit einem flauen Gefühl im Magen schälte er sich aus seinem alten Clio und trat in den Garten, wo fünf, sechs Mann in grün-gelben Overalls gerade einen fast zwei Meter hohen Berg aus Erde und Geröll mit Signalband absperrten. Einer der Feuerwehrleute stand bei seiner Mutter und versuchte sie zu beruhigen. »Es ist nichts Schlimmes passiert, Signora. Wir bringen das wieder in Ordnung. Sehen Sie? Jetzt kommt sogar die Sonne raus. Laut Wettervorhersage wird es die nächsten Tage nicht regnen.«
Marco Luciani kam sich vor wie ein Charakterschwein, lief zu seiner Mutter und nahm sie in den Arm.
»Da liegt Papa. Papa liegt da unten«, stammelte sie, und bei dem Feuerwehrmann schrillten sofort die Alarmglocken.
»Wie meinen Sie, Signora? Ist jemand verschüttet worden?«
»Nein, nein«, sagte der Kommissar und winkte ab, »meine Mutter ist etwas durcheinander. Komm, Mama, du solltest besser reingehen. Sonst holst du dir hier noch den Tod. Warum machst du diesen tapferen Herren nicht eine Tasse Tee?«
Er brachte sie in die Küche und ging wieder nach draußen. Der Feuerwehrmann trat mit besorgter Miene auf ihn zu.
»Entschuldigen Sie, besteht die Gefahr, dass da jemand verschüttet wurde?«
»Nein, nein. ›Papa‹ war der Name eines unserer Hunde. Er liegt unter dem Olivenbaum begraben. Oder besser gesagt, unter dem einstigen Olivenbaum.«
Der Feuerwehrmann schaute ihn zweifelnd an, aber als ein Kollege hinzutrat und den Kommissar begrüßte, den er von einem früheren Einsatz her kannte, trat er den Rückzug an und befasste sich wieder mit dem Erdrutsch. Nach zwei Tagen fast ununterbrochenen Regens hatte die Trockenmauer oberhalb des Gartens nachgegeben, und die terrassierte Erde war mit einer solchen Wucht heruntergerutscht, dass sie Oliven- und Mandelbaum entwurzelt und sämtliche Blumen begraben hatte, die seine Mutter mit so viel Liebe pflegte.
»Was für ein Schlamassel«, sagte Marco Luciani. »Was mache ich denn jetzt?«
»Sie müssen sie so schnell wie möglich wieder aufbauen«, sagte der Feuerwehrmann. »Sonst kommt, wenn es wieder zu regnen anfängt, der ganze Rest vielleicht auch noch hinterher. Außerdem fehlt jetzt auch der Schicht darüber die Stütze, und wenn die nächste Mauer ebenfalls nachgibt, dann besteht die Gefahr, dass eine Schicht nach der anderen ins Rutschen gerät und der gesamte Hügel runterkommt.«
Der Kommissar schüttelte den Kopf. »Ich fürchte, das wird nicht billig werden.«
»Darauf können Sie sich verlassen. Trockenmauern baut inzwischen kaum noch jemand. Nun gut, Sie können auch eine normale Mauer hochziehen lassen, aber davon rate ich ab, denn sie filtert nicht so gut. Und außerdem kostet auch das eine Stange Geld.«
»Ich hoffe, meine Eltern waren versichert.«
»Ja, schauen Sie mal nach. Aber dafür brauchen Sie eine ganz spezielle Versicherung, ansonsten wird das als höhere Gewalt angesehen, und dann ist es Essig. Ich fürchte, das müssen Sie aus eigener Tasche bezahlen. Andererseits, bei so einem schönen Haus ist es die Sache wert«, lächelte er, wie zum Trost.
»Also bist du mit Pasta al Pesto einverstanden? Das Nudelwasser kocht.«
»Ich esse kein Pesto, Mama«, rief Luciani aus dem Wohnzimmer. Das musste so etwa das vierzigste Mal sein, dass er ihr das sagte, er war allergisch gegen Parmesan, aber sie nahm diese Information einfach nicht auf. Wahrscheinlich hielt sie sie für vollkommen absurd.
»Also Butter und Parmesan.«
Da hätten wir’s, dachte der Kommissar, unter einem Dach mit der alten Mutter, die uns vergiften will. Na prima.
»Okay«, sagte er, »bestens.«
Er kam zu spät in die Küche, um noch zu verhindern, dass Donna Patrizia fast ein halbes Kilo Spaghetti in den Topf warf.
»Mama, du weißt, dass ich nicht mehr als achtzig Gramm davon esse.«
»Jetzt fang nicht schon wieder damit an, Marco! Du bist dürr wie ein Skelett, du musst was essen. Du tust nichts anderes, als zu rennen und zu arbeiten, da brauchst du Energie. Als zweiten Gang gibt es Fleischröllchen.«
Super, dachte der Kommissar, da ist nicht nur Parmesan, sondern auch Ei drin, für mich noch schädlicher.
Marco Luciani hätte mit seiner Mutter gerne über das Haus geredet, über die anstehenden Renovierungsmaßnahmen. Jetzt, da sie allein geblieben war, war Villa Patrizia einfach zu groß für sie. Sie schaffte es nicht mehr, das Anwesen in Ordnung zu halten, aber jedes Mal wenn er das Thema anschnitt, machte sie dicht. Und er war zu müde oder zu schwach, um weiter in sie zu dringen. Das letzte