KI-Angriff auf das Bewusstsein - Ingo Leipner - E-Book

KI-Angriff auf das Bewusstsein E-Book

Ingo Leipner

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  • Herausgeber: Info 3
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2024
Beschreibung

Der globale KI-Hype /// Künstliche Intelligenz ist weltweit auf dem Vormarsch, ChatGPT und andere KI-Systeme durchdringen unmerklich unseren Alltag. Das geschieht mit großen Verheißungen: KI bringe den Menschen neue Spielräume der Freiheit und Kreativität. – Wirklich? Das Gegenteil könnte der Fall sein: Jeder ChatGPT-Text reduziert geistige Fähigkeiten, weil sein „Urheber“ nicht mehr an der eigenen Kreativität arbeitet. Fehlt die Übung, leidet unser Geist! Diese tieferen Zusammenhänge stellt Ingo Leipner in verständlicher Weise dar, wenn er den KI-Angriff auf unser Bewusstsein schildert – jenseits simpler Medienkritik. Dieses Buch hilft, den globalen KI-Hype zu durchschauen und sich nicht dem scheinbar Unabwendbaren zu unterwerfen.

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Seitenzahl: 78

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Ingo LeipnerKI-Angriff auf das Bewusstsein

ISBN E-Book 978-3-95779-205-1ISBN gedruckte Version 978-3-95779-204-4Diesem E-Book liegt die erste Auflage 2024 der gedruckten Ausgabe zugrunde.E-Book-Erstellung: CPI books GmbH, Leck

Erste Auflage 2024

© Info3 Verlagsgesellschaft Brüll & Heisterkamp KG Frankfurt am Main, 2024

Lektorat: Jens Heisterkamp, Frankfurt am Main Korrektorat: Katharina de Roos, BonnCover: Frank Schubert, Frankfurt am Main, unter Verwendung eines Motivs von AlamySatz: Ulrich Schmid, de∙te∙pe, Aalen

Über dieses Buch

Künstliche Intelligenz ist weltweit auf dem Vormarsch, ChatGPT und andere KI-Systeme durchdringen unmerklich unseren Alltag. Das geschieht mit großen Verheißungen: KI bringe den Menschen neue Spielräume der Freiheit und Kreativität. – Wirklich?

Das Gegenteil könnte der Fall sein: Jeder ChatGPTText reduziert geistige Fähigkeiten, weil sein „Urheber“ nicht mehr an der eigenen Kreativität arbeitet. Fehlt die Übung, leidet unser Geist!

Diese tieferen Zusammenhänge stellt Ingo Leipner in verständlicher Weise dar, wenn er den KI-Angriff auf unser Bewusstsein schildert – jenseits simpler Medienkritik. Dieses Buch hilft, den globalen KIHype zu durchschauen und sich nicht dem scheinbar Unabwendbaren zu unterwerfen.

„Wir müssen schon jetzt die Freiheit des Menschen verteidigen gegen die wachsende Allgegenwart der Künstlichen Intelligenz. Sonst gerät unsere Freiheit in Gefahr, durch Bequemlichkeit zu sterben.“

Ingo Leipner

Über den Autor

Ingo Leipner, Dipl.-Volkswirt und Wirtschaftsjournalist, ist ein gefragter Referent in Sachen Digital-Kritik und leitet die eigene Textagentur EcoWords. Außerdem hat er Lehraufträge an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) und gibt Seminare zum professionellen Schreiben in der Wirtschaft.

Seine Texte sind u. a. erschienen in den Online-Ausgaben der Frankfurter Rundschau, Berliner Zeitung oder im Kundenblog Farbe des Geldes der Triodos Bank sowie in der Zeitschrift Forum Nachhaltig Wirtschaften. Seit 2021 ist er freiberuflich leitender Redakteur des Wirtschaftsmagazins econo. Ingo Leipner ist außerdem Autor von Büchern zur digitalen Transformation und zu Fragen der Medienpädagogik.

Inhalt

Vorbemerkung

1. Plastizität erwünscht

Muskelkater

Neuroplastizität

2. Ambivalenz erkannt

Stärkende KI

Schwächende KI

3. Realität ertränkt

Perfekte Täuschung

Medienmündigkeit

4. Denken verflacht

Schaden ohne KI

Mehr Schaden durch KI

5. Sprache simuliert

Halluzinationen einer KI

Menschenwürde im Visier

6. Schreiben verlernt

Illusion der Freiheit

Faszination des Schreibens

7. Erfahrung geraubt

KI-Staubsauger für Studierende

Optimierte Biografie

Ausblick

Kleines KI-Glossar

Anmerkungen

Vorbemerkung

Jeden Tag eilen neue Erfolgsmeldungen durch die Medien: Künstliche Intelligenz (KI) rettet Leben, weil sie Hautkrebs schnell erkennt. KI schützt das Klima, weil sie Modelle für Meeresströme entwickelt. KI bewahrt vor Unfällen, weil sie bei Gefahr rasch auf die Bremse tritt. KI hilft in der Archäologie, weil sie Keilschriften enträtselt. KI macht Wohngebiete sicher, weil sie Einbrüche voraussagt … Eine Technologie der Wunder, die das Leben vieler Menschen in Zukunft verbessern könnte – und bereits weltweit Umsätze in Milliardenhöhe auslöst. Warum dann eine „Kritik der künstlichen Vernunft“? Warum die Frage aufwerfen, ob Künstliche Intelligenz ein Angriff auf das menschliche Bewusstsein ist?

Wie unsere Beispiele zeigen, sind die Möglichkeiten des KI-Einsatzes so vielfältig, dass ein pauschales Urteil nicht angemessen erscheint. Und: Die Technologie ist erst viel zu kurz auf dem Markt, um genug Daten zu liefern, die eine seriöse Kritik untermauern würden. Das gilt besonders für ChatGPT, das im November 2022 seinen Siegeszug um den Globus antrat (zu einzelnen Fachbegriffen siehe das Glossar am Ende dieses Buches). Mit KI hatten Experten zwar seit Jahrzehnten experimentiert, erregten aber kein Aufsehen. Doch seit 2022 sieht die Welt anders aus: ChatGPT hat es in wenigen Monaten geschafft, Gesellschaft und Wirtschaft zu durchdringen sowie einen weltweiten Hype auszulösen. Mit Texten aus der „Feder“ einer KI, die eine eindrucksvolle Imitation menschlichen Schreibens produziert.

Dabei wirkt diese Entwicklung wie ein Wettlauf von Hase und Igel: Kaum erreicht die Kritik ein ernsthaftes Niveau, abgestützt auf wissenschaftliche Erkenntnisse – schon ist die KI-Forschung wieder meilenweit davongerannt. Was bleibt? Essayistik! Genau diesen Weg haben wir gewählt. Wenn es Daten gibt, nutzen wir sie gerne, um eine wissenschaftliche Basis für unsere Überlegungen zu schaffen. So greifen wir auch Erkenntnisse der Neurobiologie sowie der Sportwissenschaften auf und orientieren uns an Ideen von Rudolf Steiner.

Entscheidend ist aber der Versuch, die Leser auf eine kleine Reise mitzunehmen, um mögliche Konsequenzen der KI-Technologie zu erforschen. Manches zeichnet sich erst unscharf am Horizont ab, manches tritt schon deutlicher zu Tage. Daher ist dieser Text ein essayistisches Gedankenexperiment. Zu erkennen am häufigen Gebrauch des Konjunktivs und einiger Spekulationen, die sich gut begründen lassen. Sie sind dringend nötig, weil KI unsere Gesellschaft „umpflügt“ – und eine „Kritik der künstlichen Vernunft“ schon heute sprachfähig sein muss, trotz aller Unvollkommenheit. Sonst spülen die Wellen des globalen KI-Marketings alles weg, was an kritischen Gedanken noch vorhanden ist. Die ökonomische Dimension der Technologie ist so gewaltig, dass sie sich Bahn brechen wird. Egal, ob wir das gut finden oder nicht.

Genau aus diesem Grund ist unser KI-Essay entstanden, um ein kritisches Schlaglicht auf diese Technologie zu werfen. Es ist sicher unvollständig, schärft aber den Blick für wesentliche Aspekte des Themas. Es geht unter anderem um die Neuroplastizität im menschlichen Gehirn, den Unterschied zwischen einer „schwächenden“ und einer „stärkenden“ KI, die perfekte Täuschung durch „Sora“-Videos, die Illusion der Entlastung durch Technologie und die wissenschaftliche Hypothese kognitiver Verflachung. Stichworte sind aber auch die Halluzinationen von ChatGPT, das Problem der reduzierten Schreibkompetenz durch Sprachmodelle, die Entmündigung durch KI-Beratungstools und der Angriff auf das menschliche Bewusstsein. Und am Ende geht es nicht zuletzt um den drohenden Verlust unserer Freiheit, der durch eine Dominanz der KI zu befürchten ist.

Diese Freiheit könnte nicht erst verloren gehen, wenn die KI die Weltherrschaft übernimmt, was lediglich ein Science-Fiction-Szenario darstellt. Wir erleben jetzt schon einen schleichenden Prozess, begleitet vom Sirenengesang des Marketings. Daher haben wir dieses Buch geschrieben, um auf den subtilen Einfluss aufmerksam zu machen, den KIs wie ChatGPT bereits in der Gegenwart ausüben. Zum Beispiel, wenn das Sprachmodell Journalisten eine bessere Überschrift „schenkt“, was auf Knopfdruck locker möglich ist. Das sorgt für ein kurzes Glücksgefühl. Doch wer am Rechner sitzt, versäumt so eine Gelegenheit, ein paar Minuten sein Bewusstsein zu trainieren, indem er die richtigen Worte sucht. Das kann nicht ohne Folgen bleiben.

PS: Noch eine Bemerkung in eigener Sache. Oft taucht in unserem Text die KI wie ein handelndes Subjekt auf. Ein Beispiel aus den Zeilen weiter oben: „ChatGPT hat es in wenigen Monaten geschafft, Gesellschaft und Wirtschaft zu durchdringen.“ Das hat ausschließlich dramaturgische und stilistische Gründe, weil sich so das Essay leichter lesen lässt. Im Moment ist die KI-Entwicklung dezentral über die ganze Welt verteilt; eine allmächtige Welt-KI scheint noch als Dystopie in weiter Ferne. Obwohl Elon Musk fürchtet: KI habe das Potenzial, „gefährlicher als eine Atombombe zu sein.“1 Dennoch vermuten wir im Moment keine zentrale Macht, die sich hinter der großen Zahl von KI-Anwendungen verbirgt. Ihre Wirkung auf das menschliche Bewusstsein könnte trotzdem kritisch sein – auch ohne Rückgriff auf Verschwörungsmythen. Das wollen wir in diesem Buch zeigen.

Ingo Leipner im Juni 2024

1.

Plastizität erwünscht

Muskelkater

Unser Essay über Künstliche Intelligenz (KI) beginnt auf einem Sportplatz, denn das Zauberwort lautet: Plastizität. Ein Phänomen, das für die Muskulatur eines Leichtathleten entscheidend ist. Plastizität ist aber auch für unser Gehirn eine entscheidende Kategorie.

Wer regelmäßig auf einem Sportplatz seine Runden dreht, erhöht seine Leistungsfähigkeit. Sicher keine erschütternd neue Erkenntnis, aber interessant sind die Details: Ein Trainingsreiz muss die Muskeln auf einem Niveau fordern, das gewöhnliche Belastungen übersteigt. So bilden sich Mikrorisse in den Muskeln, ein „Muskelkater“ kann die Folge sein. Wichtig ist im Trainingszyklus: Es muss eine Phase der Erholung eingeplant werden, ungefähr 24 Stunden lang. Der Körper braucht sie, um „beschädigte“ Muskelfasern zu reparieren. Nur in dieser fest eingeplanten Ruhe kommt es zur „Hypertrophie“ der Muskeln, dem Aufbau neuer Muskelmasse.

Der Hintergrund: Eigentlich sind adulte Muskelzellen am Skelett nicht mehr in der Lage, sich durch Teilung zu vermehren. Deshalb heißen sie in der Biologie „enddifferenzierte Zellen“. Doch der Körper ist schlau: Angeschlagene Fasern werden nicht nur einer Reparatur unterzogen, sondern auch in eine dickere Form gebracht, um sie fit für künftige Herausforderungen zu machen. Diese Anpassung nennen Sportmediziner „Superkompensation“, weil sie über das geforderte Maß einer reinen „Reparatur“ hinausgeht.

So werden die Belastungen im Training zum wichtigen Faktor, damit sich Muskeln neuen Aufgaben anpassen. Das geschieht auf einer zellulären Ebene – und dabei lautet das entscheidende Wort: „Plastizität“. Es stammt aus dem Griechischen (plastiké) und steht für „Formbarkeit“, die eine dauerhafte Veränderung möglich macht. Der Gegensatz dazu ist die „Elastizität“, eine Eigenschaft, die es nach Veränderungen erlaubt, zum ursprünglichen Zustand zurückzukehren. „Plastizität“ gilt daher als eine Fähigkeit von Organismen, „sich der Umwelt in der Entwicklung und bei konkreten neuen Bedingungen anzupassen.“2

Mit dieser Einsicht springen wir vom Sportplatz ins Kinderzimmer, wo Plastizität sehr gefragt ist. Es geht immer um Lernprozesse, über die auch der Zeichner Charles M. Schulz nachgedacht hat. Sein Cartoon zu unserem Thema erschien 1957 – eine kleine Geschichte der Peanuts, die uns in die Welt der Entwicklungspsychologie katapultiert: Linus schnappt sich eine Keksschachtel, holt drei Kekse nacheinander heraus, um sie zu verbiegen:

1. Knacks, Sprechblase: „Mist.“

2. Knacks, Sprechblase: „Mist.“

3. Knacks, Sprechblase: „Mist.“

Dann läuft er zu Lucy. Sprechblase: „Seufz.“