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Wann kann mich mein Kind verstehen? Wann fängt es an zu sprechen? Läuft bei meinem Kind alles normal? Das sind wichtige Fragen besorgter Eltern und die Antworten darauf sind schwierig. Allerdings gibt es Theorien und wissenschaftliche Ansätze, die den Spracherwerb bei Kindern erklären und Tendenzen beschreiben. Dieses Buch stellt Theorien zum Spracherwerbsprozess vor, erklärt, wie sich die Wortbedeutung bei Kindern entwickelt, und diskutiert die Relevanz des Gedankenlesens für den Spracherwerb. Aus dem Inhalt: Spracherwerbsprozess, Wortbedeutungsentwicklung, Piaget, Fast-mapping, Ein- und Zweiwortsätze, Gedankenlesen, Patchwork-Theorie.
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Seitenzahl: 140
Veröffentlichungsjahr: 2013
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Impressum:
Copyright © 2013 ScienceFactory
Ein Imprint der GRIN Verlags GmbH
Druck und Bindung: Books on Demand GmbH, Norderstedt, Germany
Coverbild: http://pixabay.com
Kinder lernen Sprechen.
Simone Kaletsch (2001): Spracherwerb im Kleinkindalter
Einleitung
Theorien zum Spracherwerbsprozess
Angewandte Theorie
Anmerkungen
Literatur
Julia Zelonczewski (2008): Wortbedeutungsentwicklung bei Kindern
Einleitung
Unterscheidung zwischen „Begriff“, „Wort“ und „Bedeutung“
Theoretische Modelle zur Begriffs- und Bedeutungsentwicklung
Voraussetzungen für den Spracherwerb - Die Entwicklungstheorie von Piaget
Die ersten Worte
Der Fast-mapping Prozess
Erweiterung des kindlichen Wortschatzes
Die lexikalische Entwicklung – die Entstehung der Einwortsätze, Zweiwortsätze und Drei- und Mehrwortäußerungen
Schluss
Literaturverzeichnis
Yasmine Liebhart (2008): Relevanz von Kommunikation & Gedankenlesen für den L1 Spracherwerb bei Kindern
Zur Einleitung
Modelle des kindlichen Bedeutungserwerb
Relevanz des Gedankenlesens
Fazit & Ausblick: Die Patchwork-Theorie
Bibliografie
Wenn man sich mit dem Spracherwerb beim Kleinkind auseinandersetzt, so stellt man fest, dass es sich dabei um einen komplexen Themenbereich handelt. Aus diesem Grunde konnten wir uns natürlich nicht mit allen interessanten Punkten dieses Bereiches auseinandersetzen. Letztendlich einigten wir uns darauf, einen theoretischen Teil und einen eher praktisch orientierten Teil zu verfassen. Im ersten Teil der Arbeit haben wir uns der Theorie zugewandt. Wir befanden es als wichtig, erst einmal zu klären, was Sprache überhaupt ist. Danach haben wir uns mit dem Verlauf und den Theorien des Spracherwerbs befasst. Nach einer Einführung, die nur kurz den Zeitpunkt des Spracherwerbs darstellt, haben wir uns den verschiedenen Theorien der Spracherwerbsforschung gewidmet. An die Erläuterung der verschiedenen Ansätze schließt sich dann ein Kapitel über die Phasen des Spracherwerbs an. In diesem Teil tauchen dann noch einmal etwas ausführlicher die relevanten zeitlichen Abläufe auf. Während sich die Theorien und die Phasen des Spracherwerbs mit Aspekten befassen, die bei allen Kindern gleich sind, liegt bei der Erforschung von Spracherwerbsstilen der Schwerpunkt auf den Unterschieden zwischen individuellen Kindern. Wir haben dieses Thema als Abschluss für unser zweites Kapitel gewählt. Die Existenz einer an das Kind gerichteten Sprache kommt im letzten Kapitel zur Darstellung. Im zweiten Teil unserer Arbeit kommen wir noch einmal auf die Spracherwerbsstile zurück. Wir haben einen kleinen Jungen beobachtet und versucht herauszufinden, ob er auf solche verschiedenen Strategien zurückgreift. Anschließend finden sich einige Anmerkungen sowie das Literaturverzeichnis.
Der Spracherwerb im Kleinkindalter gilt als eine der bemerkenswertesten Leistungen des Menschen. Obwohl sie nur wenig systematische Anleitung und oft sogar falsche Informationen erhalten, erwerben gesunde Kinder innerhalb weniger Jahre ausgezeichnete Sprachkenntnisse. (vgl. Zimbardo 19956: 67)
Um sich aber mit diesem Thema näher auseinanderzusetzen, ist es durchaus sinnvoll, sich vorab Gedanken über den Begriff Sprache zu machen. Allgemein gesehen kann man einen Gegenstand sowohl nach seiner Beschaffenheit als auch nach seiner Funktion bestimmen. Auch die menschliche Sprache lässt sich erstens nach ihrer Beschaffenheit bzw. ihrer Struktur und zweitens nach ihrer Funktion definieren. Im ersten Fall kann man sagen, dass menschliche Sprechorgane wie Lippen und Zunge, Sprache als Sequenz von sinusförmigen Schwingungen erzeugen. (vgl. Vater 19962: 12) Die Sprechwerkzeuge dienen aber nur „nebenbei“ zur Spracherzeugung, denn in erster Linie sollen sie ihren Zweck als Werkzeug zum Atmen, Kauen, Schmecken usw. erfüllen. Zum Artikulieren wird vorwiegend ausgeatmete Luft benutzt, in einigen Fällen auch die Einatmungsluft. Beim Atmen weiten sich die Lungen, wenn das Zwerchfell gesenkt wird und die Rippen heben sich. Durch diese Volumenvergrößerung der Lungen kommt es zu einer Druckabnahme der Luft in den Lungen, was wiederum Luftzufuhr durch Mund- und Nasenhöhe über die Luftröhre bewirkt. Hebung des Zwerchfells und Senkung der Rippen erhöhen den Druck auf die Lunge, was zu einer Volumenverkleinerung und zum Ausstoß der Luft aus den Lungen führt. Von den Lungen gelangt die Luft durch die Luftröhre in den Kehlkopf, an dem die Stimmbänder befestigt sind. Die Stimmbänder können verschiedene Positionen einnehmen. Einige dieser Positionen sind relevant für die Lautproduktion. Beispielsweise werden bei geöffneten Stimmbändern stimmlose Laute erzeugt während z.B. Flüsterlaute erzeugt werden können, wenn die Stimmbänder nur am hinteren Ende geöffnet sind. (vgl. Vater 19962: 33) Auf diese Weise kann ein Mensch ohne Missbildungen oder Schäden an den Sprechwerkzeugen Geräusche bzw. Laute erzeugen. Diese Laute können nach einem bestimmten Regelsystem zu Wörtern zusammengesetzt werden. Jedes zusammengesetzte Lautbild ist zwar willkürlich, aber unlösbar mit einem Begriff verbunden. Der Sprecher einer Sprache weiß um die Bedeutung dieses Lautbildes, er ist eingeweiht in das System. Er beherrscht es normalerweise, Wörter nach den grammatikalischen Regeln einer Sprache zu Sätzen mit einer bestimmten Bedeutung zusammenzusetzen. (vgl. Vater 19962: 11-18) Auf diese Art und Weise kann er mit anderen in sein Sprachsystem eingeweihten Menschen kommunizieren. An dieser Stelle wird deutlich, dass man Sprache nicht nur nach ihrer Beschaffenheit bzw. Struktur beurteilen kann, sondern auch in ihrer Funktion als Kommunikationsmittel. Denn Sprache ist sowohl Erzeugung von Schallwellen als auch Kommunikation in sozialen Gruppen. (vgl. Vater 19962: 12) Eine soziale Gruppe, die über dieselbe Sprache verfügt, nennt man Sprachgemeinschaft. Ein normal entwickelter und sozialisierter Mensch, der in dieser Gemeinschaft aufwächst, ist in der frühen Kindheit in der Lage, sich das gesamte syntaktische, morphologische und semantische Regelsystem einer Sprache anzueignen. Er muss sich folglich nicht nur durch häufig unzulängliche Gesten und Zeichen mit seinen Mitmenschen verständigen, sondern er kann durch sprachliche Äußerungen mit Ihnen kommunizieren. Diese sprachlichen Grundfähigkeiten sind nicht von den Sprachgewohnheiten und –normen bestimmter Schichten oder Gruppen abhängig, sie stehen noch nicht einmal im direkten Zusammenhang mit über- oder unterdurchschnittlicher Intelligenz. (vgl. Volmert 19993: 208f)
Wenn wir von Sprache als Gegenstand wissenschaftlicher Forschung reden, dürfen wir nicht vergessen, dass der Begriff mehrdeutig ist. Sprache kann sowohl die (allgemeine) menschliche Kommunikationsfähigkeit als auch ein spezielles menschliches Kommunikationssystem einer Sprachgemeinschaft meinen. Auch die Gesamtheit der Ausdrucksmittel einer Sprache sowie die Art und Weise, wie man von ihr Gebrauch macht, sind von Bedeutung. Zusätzlich kann Sprache noch im metaphorischem Sinne gebraucht werden. Von Metaphorik spricht man, wenn ein sprachlicher Ausdruck nicht im „wörtlichen“ Sinne verwendet wird, so dass nur einige Merkmale des Ausdrucks erhalten bleiben. Die letzte Bedeutung von Sprache kommt aber nicht als Gegenstand der Sprachwissenschaft in Frage. Es ist ebenfalls noch wichtig zu erwähnen, dass zur Beschreibung der natürlichen Sprache (Objektsprache) einer Gemeinschaft eine Sprache zweiter Stufe (Beschreibungssprache) benutzt wird, die sogenannte Metasprache. (vgl. Vater 19962: 12ff)
Nachdem wir uns näher mit dem Sprachbegriff auseinandergesetzt haben, werden wir uns in den nächsten Kapiteln mit unserem Hauptthema beschäftigen, nämlich dem Spracherwerb beim Kind. Der Ausdruck Spracherwerb suggeriert, dass ein kleiner Mensch allmählich ein Instrument bzw. eine spezielle Fertigkeit der Gesellschaft, nämlich die Sprache und ihren Gebrauch, übernimmt. (vgl. Volmert 19993: 207)
Verlauf und Theorien des Spracherwerbs
Wann, aber vor allem wie, erwirbt ein kleines Kind die Sprache seiner Sprachgemeinschaft? Lange Zeit hat man den Beginn des Spracherwerbs mit dem Zeitpunkt der ersten verständlichen Wörter gleichgesetzt. (vgl. Volmert 19993: 20) Heute ist man der Meinung, dass dieser Zeitpunkt schon kurz nach der Geburt gekommen ist. Untersuchungen seit den 70er Jahren haben nämlich ergeben, dass ein Säugling bereits wenige Tage nach der Geburt ein emotionales und bald auch kognitives Verhalten gegenüber Sprachdaten zeigt, das von Reaktionen auf andere akustische Wahrnehmungen qualitativ abweicht. Versuche ergaben, dass Babys wenige Tage nach der Geburt die Stimmen ihrer wichtigsten Bezugspersonen erkennen. Manches spricht sogar dafür, dass es eine entsprechende akustisch-sensorische Prägung bereits im Mutterleib gibt. (vgl. Volmert 19993: 219) Optimale Bedingungen für den Spracherwerbsprozess hat ein Mensch zwischen den ersten Monaten und dem fünften Lebensjahr. Bereits um das siebte/achte Lebensjahr herum wird es schwierig, Defizite beim Erstspracherwerb wieder auszugleichen. Nach der Pubertät wird es fast unmöglich, eine andere Sprache grammatisch und phonetisch perfekt zu erwerben. Betrachtet man die syntaktisch-morphologischen Regeln, also die Grammatik, dann ist jedes Kind mit dem Eintritt ins Schulalter im Besitz dieses Regelapparats, der allerdings noch bis ins achte bzw. neunte Lebensjahr erweitert und verfeinert wird. Spätestens mit Vollendung des sechsten Lebensjahres verfügt ein Kind auch über die semantischen Regeln und die Regeln der Wortbildung. Durch diese grammatische Basiskompetenz kann es unbegrenzt viele neue Wörter und Wortbildungen dekodieren und verstehen. Neue Wörter und neue Wortbedeutungen wird ein Mensch sich aber sein Leben lang aneignen. (vgl. Volmert 19993: 209f)
Die Frage nach dem „Wie“ des Spracherwerbs ist schwieriger zu beantworten. Im folgenden Abschnitt wollen wir die vier Hauptpositionen in der Spracherwerbstheorie darstellen.
Wie bereits erwähnt, ist das „Wie“ des Spracherwerbs nicht ganz einfach zu erklären. Seit sich die Forschung mit diesem Thema befasst, haben sich verschiedene Theorien herausgebildet. Die Hauptströmungen in der Sprachentwicklungsforschung gingen von völlig entgegengesetzten Grundannahmen aus, die wir noch einmal genauer skizzieren möchten. Diese verschiedenen Theorien legten ihre Schwerpunkte auf sehr unterschiedliche Ebenen der Sprache. Sie drangen –wissenschaftshistorisch betrachtet – Zug um Zug in immer frühere ontogenetische Entwicklungsphasen vor. Konkret heißt das, dass die nativistische Theorie die syntaktische Ebene erschloss, die das Kind vom Ende des zweiten Lebensjahres bis zum Schulalter erwirbt, während die kognitivistische Theorie sich der semantischen Ebene zuwandte, die für das Kind zu Beginn des ersten Lebensjahres relevant wird. Die Interaktionisten erschlossen die pragmatische Ebene, deren bedeutsame Vorläufer in den letzten Monaten des ersten Lebensjahres auftauchen und die Entwicklungspsychobiologen die kommunikative Ebene, die mit den Anfängen der vorsprachlichen Interaktion beginnt und deren Wurzeln sich in der Phylogenese der Arten weit zurückverfolgen lassen. (vgl. Papoušek 1994: 21f) Wenn man also die vier Haupttheorien des Spracherwerbs betrachtet, sollte man diese Aspekte immer im Hinterkopf behalten und die verschiedenen Theorien durchaus auch kritisch betrachten.
Mit nativistisch ist in diesem Fall gemeint, dass man von angeborenen Fähigkeiten ausgeht. Der Mensch bringt eine genetische Ausstattung zum Spracherwerb mit. Diese wird durch die soziale Umwelt entfaltet und in eine bestimmte Richtung gelenkt. Einige Fakten sprechen dafür, dass es ein spezielles angeborenes Sprachvermögen des Menschen gibt: Vögel zum Beispiel imitieren die Lautketten von Menschen ziemlich gut, aber man kann davon ausgehen, dass sie den Sinn nicht verstehen. Vor einigen Jahren hat man auch versucht, Schimpansen Sprachlaute zu lernen. Dieser Versuch ist gescheitert, da der Bau des menschlichen Kehlkopfes sich vom Kehlkopf der Affen unterscheidet.
Im Bereich des optischen und akustischen Kanals verfügt der Mensch über eine unvergleichliche Differenzierungs- und Verarbeitungsfähigkeit. Durch den Bau des Gehirns stehen dem Menschen eine ungeheure Speicherkapazität und viele Möglichkeiten der informationellen Vernetzung zur Verfügung. Er ist mit Instrumenten ausgestattet, mit denen er komplexe sprachliche Daten verarbeiten, strukturieren und interpretieren kann. Die meisten Vertreter der nativistischen Theorie beziehen sich auf Chomsky und gehen davon aus, dass es einen angeborenen Apparat für die Sprachentwicklung gibt. Dieser ist der sogenannte Language acquisition device (LAD). (vgl. Volmert 19993: 210/211)
Der LAD enthält folgende Grundfähigkeiten: ein Hypothesenbildungsverfahren, sprachliche Universalien (substantielle und formale Universalien) sowie ein Hypothesenbewertungsverfahren. Diese drei Grundfähigkeiten müssen näher erläutert werden: Unter dem Begriff Hypothesenbildungsverfahren versteht man die Fähigkeit, Hypothesen über Laute zu bilden, die anderen folgen können oder nicht. Hypothesen über Lautketten zu bilden, die immer in Verbindung mit anderen auftreten können oder nicht, und Hypothesen über Lautketten zu bilden, die nur nach bestimmten anderen stehen oder nicht. Mit dem Begriff substantielle Universalien meint Chomsky, dass dem Kind ungefähr klar ist, wie und was zur Ausstattung der Sprache gehört. Damit ist gemeint, dass zur Sprache Vokale und Konsonanten sowie Nomen und Verben gehören. Unter dem Begriff formale Universalien versteht Chomsky „Vorkenntnisse und Annahmen“. Damit ist gemeint, dass Sätze sprachliche Aussagen beinhalten und dass Sätze aus Subjekt, Prädikat und Objekt bestehen. Unter dem Hypothesenbewertungsverfahren ist Folgendes zu verstehen:
„Das Kind müsse über Prozeduren verfügen, um die aufgestellten Hypothesen bewerten zu können, sie evtl. zu verwerfen bzw. durch andere mit größerer Erklärungskapazität ersetzen zu können. Nur so gelange das Kind zu einer angemessenen und vollständigen Beschreibung (=Grammatik) seiner Muttersprache. Chomskys Argumente werden u.a. empirisch begründet: Der sprachliche Input aus der Erwachsenensprache sei voller „Fehler“, lückenhaft und z.T. widersprüchlich. Außerdem sei das angebotene sprachliche Material in der fraglichen Zeit (zwischen dem 1. und 5. Lebensjahr) bei weitem nicht ausreichend, um den Aufbau dieses umfangreichen Regelsystems zu ermöglichen.“(Volmert 19993: 211)
Ein weiterer Vertreter der nativistischen Theorie ist Lenneberg. Nach seiner biologischen Argumentation gehört die Sprache zur Ausstattung des Menschen. Er ist der Meinung, dass von spezifischen physiologisch gesteuerten Reifungsprozessen das Wirken des Sprachverhaltens abhängt.
Die Sprachbereitschaft, ein Zustand aus kognitiven Strukturen, entwickelt sich im Verlauf der biologischen Reifung des Babys. Der Organismus wird mit Hilfe von Reifungsprozessen in diesen Zustand versetzt.
Allgemein gehen die Nativisten von einer kritischen Periode aus. In dieser Zeit kann und muss der Spracherwerb stattfinden. Dies bestätigt sich einerseits durch die Kenntnis, dass Sprachstörungen bei Kindern in der Regel leichter und schneller zu beheben sind als bei Erwachsenen und andererseits, dass bei geistig und sprachlich retardierten Kindern die Sprachentwicklung in der Pubertät „einfriert“. (vgl. Volmert 19993: 212)
Lenneberg ist der Auffassung, dass Sprache und Kognition eng zusammenhängen. Er meint, die kognitive Entwicklung eile der sprachlichen teilweise voraus.
Mit Hilfe von Kategorisierungsprozessen wird die Entfaltung sowohl der kognitiven als auch der sprachlichen Fähigkeit charakterisiert, d. h. auf dem Erkennen von Ähnlichkeiten und Unterschieden. Der Mensch ist hierdurch in der Lage, auf verschiedene Stimuli verschieden zu reagieren. Durch die Kategorisierung können innerhalb bestimmter Grenzen Ähnlichkeiten erkannt werden. Über diese Fähigkeit verfügen alle höheren Lebewesen, aber nur der Mensch kann diese Ähnlichkeiten benennen.
„Nach Lenneberg findet – in einer parallelen Entwicklung der sprachlichen und kognitiven Strukturen- eine fortschreitende Differenzierung der Kategorien statt. Der Prozess verläuft in zwei Richtungen:
-Differenzierung umfassender Kategorien in spezifischere, differenziertere;
-Integration von engen, spezifischen Kategorien in allgemeinere, umfassendere.“(Volmert 19993: 213)
Die Anhänger dieser Theorie gehen davon aus, dass das Sprachlernen aufgrund von Imitation erfolgt. Laute, Wörter und Sätze der Bezugspersonen werden von Kindern nachgeahmt. Von den Erwachsenen werden diese dann bestätigt oder korrigiert und so wird der Nachahmungsprozess gesteuert.
Man kann die Sprache als eine Form des erlernten Verhaltens betrachten. Wenn man dies so sieht, dann sind für dieses Lernen die allgemeinen Bedingungen eines Konditionierungsprozesses gültig. In Bezug auf den lerntheoretischen Ansatz wird meist B. F. Skinner genannt. Er hat mit seiner Theorie des Lernens am Erfolg die Reiz-Reaktionsprozesse untersucht. Sie weisen keine Bindung mehr an natürliche Reflexe auf. Nach Skinner beruht das Lernen am Erfolg auf eine bestimmte strukturierte Konditionierung. Der Erfolg tritt nur unter bestimmten Bedingungen ein. Besonders wichtig sind für das Erfolgslernen die positive und negative Verstärkung nach einem zufällig erfolgreichen Akt. Sollte ein Verhalten durch Belohnung verstärkt werden, dann wird es anschließend wahrscheinlich erneut auftreten. Ein Beispiel soll diesen Prozess verdeutlichen: Ein Kind, welches mit einem Ball spielt, artikuliert die Lautkette „Balla“. Der Erwachsene hört dies, nimmt den Ball, streichelt das Kind und wiederholt die Lautkette. Die positive Verstärkung entsteht durch das Streicheln. Das Kind wiederholt wahrscheinlich die Lautkette, damit es erneut zu dieser positiven Verstärkung gelangt.
Das Lernmodell, welches Skinner auf den Sprachlernprozess übertragen hat, ist kritisiert worden. Dieses Modell ist für die Erklärung des Grammatikerwerbs unzureichend. Für den Erwerb einzelner Sprachsymbole kann Skinners Theorie einige plausible Erklärungen liefern. Zur Ausbildung der komplexen Regelsysteme kann die Akkumulation von Reiz-Reaktions-Ketten nicht führen. Dafür sind weitere Fähigkeiten seitens des Kindes notwendig. Man muss eine ständig wirksame, kreative Eigentätigkeit des Kindes annehmen, damit es zur selbständigen Regelbildung, Regelbewertung und Regelkontrolle kommt. Aus der Sicht von Chomsky würde man sagen:
„ Die Lerntheorie (auch die Theorie des Erfolgslernens) kann nicht erklären, warum das Kind mit einer beschränkten Menge grammatisch-syntaktischer Regeln unendlich viele Sätze bilden und verstehen kann, auch solche, die es vorher noch nicht gehört hat.“
(Volmert 19993: 215)
Bei den kognitivistischen Ansätzen wird davon ausgegangen, dass der Spracherwerb mit der Ausbildung kognitiver Fähigkeiten zusammenhängt. Lenneberg kann man auch zu den Kognitivisten zählen. Er betrachtet Kognition als eine Funktion biologischer Reifung und Entfaltung angeborener Fähigkeit.
Der kognitivistische Ansatz geht der Frage nach, wie die sprachlichen und kognitiven Stufen und deren Entwicklung voneinander abhängen. Innerhalb des kognitivistischen Ansatzes herrschen zwei Positionen vor. Die erste Position geht davon aus, dass vor dem Spracherwerb bestimmte kognitive Strukturen vorhanden sein müssen. Das heißt, dass bestimmte kognitive Strukturen als Voraussetzung für den Spracherwerb angesehen werden. Die zweite Position geht jedoch davon aus, dass zunächst eine differenzierte Sprachstruktur vorhanden sein muss, um auch die kognitiven Erfahrungen weiterzubilden. In diesem Zusammenhang ist die Sapir-Whorf-Hypothese nennenswert. Sie besagt, dass man sich nur das sprachlich Vorgeformte und Strukturierte vorstellen und danach denken und planend handeln kann. (vgl. Volmert 19993: 214-216)
Piaget hat in den 20er Jahren eine Theorie zum Erwerb kognitiver Strukturen ausgearbeitet. Nach ihm verläuft die Entwicklung nicht kontinuierlich, sondern er unterscheidet zwischen verschiedenen Stadien der Entwicklung, die jedes Kind zur etwa gleichen Zeit durchläuft. Piaget nennt dazu vier Phasen. Bei diesem Modell ist zu beachten, dass die Übergänge zwischen den einzelnen Stufen nicht abrupt sind, sondern fließend. So ist es z. B. möglich, dass ein Kind in einigen Bereichen noch präoperational denkt und in anderen Bereichen denkt es logisch.