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Kampf der Königreiche, Spiel der Götter - Der zweite Band von Bernard Cornwells großer Artus-Trilogie. Nach der blutigen Schlacht von Lugg Vale hat Arthur die zerstrittenen Stämme Britanniens im Kampf gegen die germanischen Eindringlinge geeint. Die Erfüllung seines großen Traums von Gerechtigkeit und Ordnung in Britannien scheint greifbar nahe. Aber etwas hat der Kriegsherr über seinen kühnen Plänen vergessen – die alten Götter. Nur einer entsinnt sich noch ihrer grausamen Herrschaft über das Menschengeschlecht: Merlin, der Druide, der Schattenfürst.
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Bernard Cornwell
King Arthur: Der Schattenfürst
Historischer Roman
Aus dem Englischen von Gisela Stege
«Der ideen- und erfolgreichste Autor historischer Romane, den die Welt zur Zeit kennt.» Wall Street Journal
Nach der blutigen Schlacht von Lugg Vale hat Arthur die zerstrittenen britischen Stämme im Kampf gegen die germanischen Eindringlinge geeint. Die Erfüllung seines großen Traums von Gerechtigkeit und Ordnung in Britannien scheint greifbar nahe. Aber etwas hat der Kriegsherr über seinen kühnen Plänen vergessen – die alten Götter. Nur einer entsinnt sich noch ihrer grausamen Herrschaft über das Menschengeschlecht: Merlin, der Druide, der Schattenfürst.
Der zweite Teil der großen Artus-Trilogie
Bernard Cornwell, geboren 1944 in London und aufgewachsen in Essex, arbeitete nach seinem Geschichtsstudium an der University of London lange als Journalist bei der BBC, wo er das Handwerk der gründlichen Recherche lernte (zuletzt als «Head of Current Affairs» in Nordirland). 1980 heiratete er eine Amerikanerin und lebt seither in Cape Cod und in Charleston/South Carolina. Weil er in den USA zunächst keine Arbeitserlaubnis erhielt, begann er Romane zu schreiben. Im englischen Sprachraum gilt er als unangefochtener König des historischen Abenteuerromans. Seine Werke wurden in über 20 Sprachen übersetzt – Gesamtauflage: mehr als 30 Millionen Exemplare. Die Queen zeichnete ihn mit dem «Order of the British Empire» aus.
«Seit Marion Zimmer Bradley hat keiner die Geschichte von Arthur poetischer, aufregender und schöner nacherzählt.» Bild am Sonntag
Der Schattenfürst ist für Susan Watt,
die alleinige Urheberin
Der Schattenfürst ist der zweite Roman der Arthur-Trilogie und schließt unmittelbar an die im Winterkönig geschilderten Ereignisse an. Im ersten Band stirbt Uther, König von Dumnonia und Großkönig von Britannien, und sein Enkel, ein klumpfüßiges Kleinkind namens Mordred, wird sein Nachfolger. Arthur, ein illegitimer Sohn Uthers, wird zu einem von Mordreds Protektoren ernannt und steigt im Laufe der Zeit zum wichtigsten dieser Protektoren auf. Arthur ist fest entschlossen, den Eid zu erfüllen, den er Uther geschworen hatte, den Eid, dafür zu sorgen, dass Mordred, sowie er großjährig ist, Dumnonias Thron besteigt.
Außerdem ist Arthur entschlossen, den einander bekämpfenden britannischen Königreichen Frieden zu bringen. Der Hauptkonflikt betrifft Dumnonia und Powys, doch als Arthur aufgefordert wird, Ceinwyn, Prinzessin von Powys, zu heiraten, sieht es aus, als könnte der Krieg vermieden werden. Stattdessen geht Arthur jedoch mit der mittellosen Prinzessin Guinevere auf und davon, und diese Beleidigung löst einen jahrelangen Krieg aus, der erst endet, als Arthur König Gorfyddyd von Powys in der Schlacht von Lugg Vale besiegt. Dann geht der Thron von Powys an Cuneglas, Ceinwyns Bruder, über, der wie Arthur Frieden zwischen den Britanniern stiften will, damit sie ihre Speere konzentriert gegen den gemeinsamen Feind, die Sachsen (Sais), richten können.
Genau wie der Winterkönig wird auch dieses Buch von Derfel (ausgesprochen Derwel) erzählt. Derfel war ein sächsischer Sklavenjunge, der in Merlins Halle aufwuchs und schließlich einer von Arthurs Kriegern wurde. Arthur hatte Derfel nach Armorica geschickt (in die heutige Bretagne), wo er am aussichtslosen Kampf des britannischen Königreichs Benoic gegen die fränkischen Eindringlinge teilnahm. Unter den Flüchtlingen aus Benoic, die nach Britannien zurückkehren, ist auch Lancelot, König von Benoic, den Arthur jetzt mit Ceinwyn vermählen und auf den Thron von Siluria setzen will. Derfel hat sich in Ceinwyn verliebt.
Derfels Liebe gilt aber auch Nimue, seiner Kindheitsfreundin, die Merlins Gehilfin und Geliebte geworden ist. Merlin ist Druide und Anführer jener Partei in Britannien, welche die Insel den alten Göttern zurückgeben will. Zu diesem Zweck sucht er den Kessel, eins der dreizehn Kleinodien Britanniens, eine Suche, die für Merlin und Nimue weit wichtiger ist als irgendwelche Schlachten gegen andere Königreiche oder Eindringlinge. Merlins Gegner sind die Christen Britanniens, zu deren Anführern Bischof Sansum gehört. Sansum verlor einen großen Teil seiner Macht, als er sich Guinevere widersetzte. Inzwischen ist er in Ungnade gefallen und zum Abt des Klosters zum Heiligen Dornbusch in Ynys Wydryn (Glastonbury) degradiert worden.
Der Winterkönig endet damit, dass Arthur die große Schlacht von Lugg Vale gewinnt. Mordreds Thron ist gesichert, die südlichen Königreiche Britanniens schließen ein Bündnis, und Arthur wird, obwohl er selbst kein König ist, zu ihrem unbestrittenen Führer.
Ade: Lancelots Geliebte
Aelle: Ein Sachsenkönig
Agricola: Kriegsherr von Gwent, der König Tewdric dient
Ailleann: Arthurs ehemalige Geliebte, Mutter seiner Zwillingssöhne Amhar und Loholt
Amhar: Illegitimer Sohn Arthurs und Ailleanns
Arthur: Kriegsherr von Dumnonia, Mordreds Protektor
Balin: Ein Krieger Arthurs
Ban: Ehemaliger König von Benoic (einem Königreich in der Bretagne), Lancelots Vater
Bedwin: Bischof von Dumnonia und Kronratsmitglied
Bors: Lancelots Cousin und Champion
Brochvael: König von Powys nach Arthurs Zeit
Byrthig: Edling (Kronprinz) von Gwynedd
Cadoc: Christenbischof, gilt als Heiliger, Einsiedler
Cadwallon: König von Gwynedd
Cadwy: Rebellischer Fürst von Isca
Callyn: Champion von Kernow
Cavan: Derfels stellvertretender Hauptmann
Cei: Arthurs Kindheitsfreund, jetzt einer seiner Krieger
Ceinwyn: Prinzessin von Powys, Cuneglas’ Schwester
Cerdic: Ein Sachsenkönig
Culhwch: Arthurs Cousin, einer seiner Krieger
Cuneglas: König von Powys, Gorfyddyds Sohn
Cythryn: Beamter in Dumnonia, Mitglied des Kronrats
Derfel Cadarn: Der Erzähler, geborener Sachse, einer von Arthurs Kriegern, später Mönch
Dian: Derfels jüngste Tochter
Dinas: Silurischer Druide, Lavaines Zwillingsbruder
Diwrnach: Irischer König von Lleyn, einem Land, das früher Henis Wyren genannt wurde
Eachern: Einer von Derfels Speerkämpfern
Elaine: Lancelots Mutter, Bans Witwe
Emrys: Bischof von Dumnonia, Bedwins Nachfolger
Erce: Derfels Mutter, auch Enna genannt
Galahad: Lancelots Halbbruder, ein Prinz des (verlorenen) Benoic
Gorfyddyd: König von Powys, getötet in der Schlacht von Lugg Vale, Cuneglas’ und Ceinwyns Vater
Guinevere: Arthurs Gemahlin
Gundleus: Einst König von Siluria, getötet nach Lugg Vale
Gwenhwyvach: Guineveres Schwester, eine Prinzessin des (verlorenen) Henis Wyren
Gwlyddyn: Merlins Diener
Gwydre: Arthurs und Guineveres Sohn
Helledd: Cuneglas’ Gemahlin, Königin von Powys
Hygwydd: Arthurs Schildknappe
Igraine: Königin von Powys nach Arthurs Zeit, vermählt mit Brochvael
Iorweth: Ein Druide aus Powys
Iseult: Königin von Kernow, vermählt mit Mark
Issa: Einer von Derfels Speerkämpfern, später sein stellvertretender Hauptmann
Lancelot: Exilierter König von Benoic
Lanval: Ein Krieger Arthurs
Lavaine: Silurischer Druide, Dinas’ Zwillingsbruder
Leodegan: Exilierter König von Henis Wyren, Guineveres und Gwenhwyvachs Vater
Ligessac: Verräter im Exil
Loholt: Arthurs illegitimer Sohn, Amhars Zwillingsbruder
Lunete: Ehemalige Gefährtin Derfels, nunmehr Guineveres Hofdame
Maelgwyn: Mönch in Dinnewrac
Malaine: Druide aus Powys
Malla: Sagramors sächsische Gemahlin
Mark: König von Kernow, Tristans Vater
Melwas: Exilierter König der Belgen
Merlin: Oberster Druide von Dumnonia
Meurig: Edling (Kronprinz) von Gwent, später König
Mordred: König von Dumnonia, Norwennas Sohn
Morfans: «Der Hässliche», ein Krieger Arthurs
Morgan: Arthurs ältere Schwester, einst Merlins Oberpriesterin
Morwenna: Derfels älteste Tochter
Nabur: Christlicher Magistrat in Durnovaria
Nimue: Merlins Gefährtin und Oberpriesterin
Norwenna: Mordreds Mutter, von Gundleus getötet
Oengus Mac: Irischer König von Demetia, das früher Airem Dyfed hieß
Peredur: Lancelots und Ades Sohn
Pyrlig: Derfels Barde
Ralla: Merlins Dienerin, vermählt mit Gwlyddyn
Sagramor: Arthurs numidischer Befehlshaber, Lord der Steine
Sansum: Bischof in Dumnonia, später Derfels Vorgesetzter in Dinnewrac
Scarach: Issas Gemahlin
Seren: Derfels zweitälteste Tochter
Tanaburs: Silurischer Druide, von Derfel nach Lugg Vale getötet
Tewdric: König von Gwent, Meurigs Vater, später christlicher Eremit
Tristan: Edling (Kronprinz) von Kernow, Marks Sohn
Tudwal: Novize im Kloster Dinnewrac
Uther: Verstorbener Großkönig von Dumnonia, Mordreds Großvater
Die mit * gekennzeichneten Namen sind erfunden.
Abona: Avonmouth, Avon
Aquae Sulis: Bath, Avon
Benoic: Ein Königreich in der Bretagne (Armorica), das an die Franken verlorenging
Boduan: Garn Boduan, Gwynedd
Broceliande: Das überlebende britannische Königreich in Armorica
Burrium: Hauptstadt von Gwent. Usk, Gwent
Caer Ambra*: Amesbury, Wiltshire
Caer Cadarn*: South Cadbury, Somerset
Caer Gei*: Hauptstadt von Gwynedd. North Wales
Caer Sws: Hauptstadt von Powys. Caersws, Powys
Calleva: Silchester, Hampshire
Corinium: Cirencester, Gloucestershire
Cwm Isaf: Nahe Newtown, Powys
Dinnewrac*: Ein Kloster in Powys
Dolforwyn: Nahe Newtown, Powys
Dun Ceinach*: Haresfield Beacon, nahe Gloucester
Dunum: Hod Hill, Dorset
Durnovaria: Dorchester, Dorset
Ermids Halle*: Nahe Street, Somerset
Glevum: Gloucester
Halcwm*: Salcombe, Devon
ISCA Dumnonia: Exeter, Devon
ISCA Siluria: Caerleon, Gwent
Lindinis: Ilchester, Somerset
Lloegyr: Der Teil Britanniens, der von den Sachsen besetzt war, wörtlich «die verlorenen Lande». Im modernen Walisisch bedeutet Lloegyr England
Llyn Cerrig Bach: Der See der Kleinen Steine, heute Valley Airfield, Anglesey
Lugg Vale*: Mortimer’s Cross, Hereford & Worcester
Magnis: Kenchester, Hereford & Worcester
Nidum: Neath, Glamorgan
Pontes: Staines, Surrey
Ratae: Leicester
Die Steine: Stonehenge
Der Tor: Glastonbury Tor, Somerset
Venta: Winchester, Hampshire
Vindocladia: Römische Festung bei Wimborne Minster, Dorset
Ynys Mon: Anglesey
Ynys Trebes*: Die verlorene Hauptstadt von Benoic, Mont Saint-Michel, Frankreich
Ynys Wit: Die Isle of Wight
Ynys Wydryn: Glastonbury, Somerset
Erster Teil
Heute habe ich an die Toten gedacht.
Es ist der letzte Tag des alten Jahres. Der Adlerfarn auf dem Berg ist braun geworden, die Ulmen am Ende des Tals haben ihr Laub verloren, und das allwinterliche Schlachten des Viehs hat begonnen. Die Nacht vor Samhain, der Vorabend des neuen Jahres, ist gekommen.
Heute Nacht wird der Vorhang, der die Toten von den Lebenden trennt, sich erst bewegen, dann zerreißen und sich schließlich ganz auflösen. Heute Nacht werden die Toten die Schwerterbrücke überqueren. Heute Nacht werden die Toten aus der Anderwelt in diese Welt zurückkehren, aber wir werden sie nicht sehen. Sie werden nichts weiter sein als Schatten, nichts weiter als ein Wispern in einer windstillen Nacht, aber sie werden unter uns weilen.
Bischof Sansum, der Heilige, der unsere kleine Mönchsgemeinde regiert, spottet über diesen Glauben. Die Toten, sagt er, haben keinen Schattenkörper und können die Schwerterbrücke nicht überqueren, sondern liegen in ihrem kalten Grab und warten auf die letzte Wiederkehr unseres Herrn Jesus Christus. Es ist richtig, sagt er, dass wir der Toten gedenken und für ihre unsterblichen Seelen beten, aber ihre Körper sind dahin. Sie sind verwest. Ihre Augen sind zerschmolzen und haben dunkle Löcher in den Schädeln hinterlassen, Würmer zersetzen ihren Bauch, und pelziger Schimmel überzieht ihre Knochen. Die Toten belästigen die Lebenden in der Nacht vor Samhain nicht, behauptet der Heilige, und dennoch wird er Sorge tragen, dass am heutigen Abend ein Laib Brot neben der Herdstelle des Klosters liegt. Er wird vorgeben, dass es aus Nachlässigkeit geschah, doch neben der Asche des Küchenfeuers werden heute Nacht ein Laib Brot und ein Krug Wasser warten.
Ich selbst werde ein wenig mehr zurücklassen. Einen Becher Met und ein Stück Lachs. Kleine Geschenke, doch bessere kann ich mir nicht leisten; heute Abend werde ich die Gaben in den Schatten neben der Feuerstelle legen und in meine Klosterzelle zurückkehren, um die Toten willkommen zu heißen, die in dieses kalte Haus auf dem kahlen Hügel kommen.
Ich werde die Toten aufzählen. Ceinwyn, Guinevere, Nimue, Merlin, Lancelot, Galahad, Dian, Sagramor; die Liste würde zwei Pergamente füllen. So viele Tote. Ihre Schritte werden weder eine Binse auf dem Fußboden zerdrücken noch die Mäuse erschrecken, die im Reetdach des Klosters hausen; aber selbst Bischof Sansum weiß, dass unsere Katzen einen Buckel machen und aus den hintersten Winkeln der Küche fauchen werden, wenn die Schatten, die keine Schatten sind, an unsere Herdstelle treten und die Gaben an sich nehmen, die sie davon abhalten, Unheil zu wirken.
Deswegen denke ich heute an die Toten.
Ich bin jetzt alt, möglicherweise so alt, wie Merlin damals war, wenn auch bei weitem nicht so weise. Bischof Sansum und ich sind, glaube ich, die einzigen Menschen aus der großen Zeit, die noch am Leben sind, und ich allein erinnere mich voll Freude daran. Möglich, dass auch einige andere noch leben. In Irland vielleicht, oder im Ödland nördlich von Lothian, aber mir ist nichts davon bekannt. Ich weiß nur so viel: Falls einige andere noch leben sollten, dann verkriechen sie sich vor der hereinbrechenden Dunkelheit wie ich und wie die Katzen, die sich vor den Schatten dieser Nacht fürchten. Alles, was wir liebten, wurde vernichtet, alles, was wir bauten, niedergerissen, und alles, was wir säten, von den Sachsen geerntet. Wir Britannier klammern uns an die hohen, westlichen Lande und sprechen von Rache, aber ein Schwert, das gegen eine allumfassende Finsternis kämpft, gibt es nicht. Hin und wieder – dieser Tage viel zu oft – wünsche ich mir nur noch, bei den Toten zu sein. Bischof Sansum heißt diesen Wunsch gut und sagt mir, es sei richtig, dass ich mich danach sehne, zur Rechten Gottes im Himmel zu sitzen, aber ich glaube kaum, dass ich in den Himmel der Heiligen kommen werde. Ich habe viel zu viel gesündigt und fürchte deswegen die Hölle, hoffe gegen meinen christlichen Glauben jedoch, dass ich stattdessen in die Anderwelt komme. Denn dort, unter den Apfelbäumen des viertürmigen Annwn, erwartet mich eine Tafel, überhäuft mit Speisen und umdrängt von den Schattenleibern all meiner alten Freunde. Merlin wird dort schwatzen, belehren, grollen und spötteln. Galahad wird ihn ungeduldig unterbrechen, und Culhwch, von so viel Gerede gelangweilt, wird sich eine dicke Portion Rindfleisch stibitzen und glauben, dass es niemand bemerkt. Und Ceinwyn wird dort sein, meine geliebte, schöne Ceinwyn, um den Aufruhr zu besänftigen, der von Nimue ausgelöst wurde.
Aber ich bin noch immer mit dem Fluch des Odems geschlagen. Ich lebe, während sich meine Freunde laben, und solange ich lebe, werde ich an diesem Bericht über Arthur schreiben. Ich schreibe ihn auf Geheiß von Königin Igraine, der jungen Gemahlin König Brochvaels von Powys und Schutzherrin unseres kleinen Klosters. Da Igraine alles über Arthur zu erfahren verlangt, woran ich mich erinnern kann, begann ich, diesen Bericht niederzuschreiben, doch Bischof Sansum missbilligt meine Arbeit. Arthur sei der Feind Gottes, sagt er, eine Ausgeburt des Teufels. Deswegen schreibe ich den Bericht in meiner sächsischen Muttersprache nieder, deren der Heilige nicht mächtig ist. Igraine und ich haben dem Heiligen erklärt, dass ich das Evangelium unseres Herrn Jesus Christus in der Sprache der Feinde aufschreibe, und es kann sein, dass er uns glaubt; aber vielleicht wartet er nur ab, bis er uns diese Lüge nachweisen und mich dafür bestrafen kann.
Ich schreibe jeden Tag. Igraine kommt immer wieder ins Kloster, um zu beten, Gott möge ihrem Leib die Gnade einer Schwangerschaft schenken, und wenn sie mit ihren Gebeten fertig ist, nimmt sie die fertigen Pergamente mit und lässt sie von Brochvaels Gerichtsschreiber ins Britannische übersetzen. Ich glaube, dass sie den Bericht dabei ein wenig abändert, damit er Arthur so zeigt, wie sie ihn sich wünscht, statt so, wie er wirklich war – aber vielleicht spielt das keine Rolle, denn wer wird diesen Bericht je lesen? Ich gleiche einem Mann, der eine Wand aus Lehm und Flechtwerk errichtet, die einer unmittelbar bevorstehenden Flut widerstehen soll. Die Dunkelheit wird sich herabsenken, in der kein Mensch mehr liest. Dann wird es nur noch Sachsen geben.
Also schreibe ich über die Toten, weil das Schreiben mir die Zeit vertreibt, bis ich einer von ihnen werde: eine Zeit, in der Bruder Derfel, der demütige Mönch in Dinnewrac, wieder Lord Derfel Cadarn ist, Derfel, der Mächtige, Champion von Dumnonia und Arthurs geliebter Freund. Jetzt aber bin ich nichts als ein frierender, alter Mönch, der mit der einen Hand, die ihm geblieben ist, seine Erinnerungen niederschreibt. Und heute ist die Nacht vor Samhain, morgen beginnt das neue Jahr. Der Winter kommt. Das tote Laub liegt in regenblanken Verwehungen an den Rainhecken, auf den Stoppelfeldern tummeln sich die Rotdrosseln, Möwen kommen vom Meer her landeinwärts geflogen, und Waldschnepfen versammeln sich unter dem Vollmond. Da sich diese Jahreszeit, wie mir Igraine mitteilt, gut eignet, um über alte Zeiten zu schreiben, hat sie mir einen neuen Stapel Pergamente mitgebracht, ein Fläschchen frisch angerührte Tinte und ein Bündel Federkiele. Erzählt mir von Arthur, verlangt sie, vom goldenen Arthur, unserer letzten und schönsten Hoffnung, unserem König, der niemals König war, dem Feind Gottes und der Geißel Sachsens. Erzählt mir von Arthur.
Ein Feld nach der Schlacht ist ein furchtbarer Anblick.
Wir hatten gesiegt, doch unsere Herzen waren nicht hochgestimmt; wir empfanden nichts als Erschöpfung und Erleichterung. Zitternd saßen wir an den Feuern und versuchten, nicht an die Dämonen und Geister zu denken, die dort umherschlichen, wo die Toten von Lugg Vale lagen. Einige von uns schliefen, aber keiner schlief gut, denn uns verfolgten die Albträume, die das Ende einer Schlacht mit sich bringt. Ich erwachte in den dunklen Stunden, aus dem Schlaf geschreckt durch die Erinnerung an einen Speerstoß, der fast meinen Bauch durchbohrt hätte. Issa hatte mich gerettet, indem er den feindlichen Speer mit dem Rand seines Schildes beiseitestieß, ich aber schlug mich immer wieder mit dem herum, was um ein Haar geschehen wäre. Ich versuchte wieder einzuschlafen, doch die Erinnerung an jenen Speer hielt mich wach, bis ich schließlich kältezitternd und übermüdet aufstand und mich in meinen Mantel wickelte. Das Tal wurde von flackernden Feuern beleuchtet, und im Dunkel zwischen den Flammen trieben Schwaden von Rauch und Flussnebel dahin. Inmitten des Rauchs bewegte sich etwas, ob es nun aber Geister oder lebende Wesen waren, vermochte ich nicht zu sagen.
«Ihr könnt nicht schlafen, Derfel?», kam eine leise Stimme aus der Türöffnung des römischen Gebäudes, in dem König Gorfyddyds Leichnam lag.
Als ich mich umwandte, erkannte ich, dass es Arthur war, der mich beobachtete. «Ich kann nicht schlafen, Lord», bestätigte ich.
Langsam suchte er sich einen Weg durch die schlafenden Krieger. Er trug einen seiner langen, weißen Mäntel, die er so liebte, und in dieser rotglühenden Nacht schien der Umhang zu leuchten. Er war weder mit Schlamm noch mit Blut bespritzt, daran erkannte ich, dass er den Mantel sicher verwahrt haben musste, damit er nach der Schlacht etwas Sauberes anzuziehen hatte. Uns andere hätte es nicht einmal gekümmert, wenn wir den Kampf splitternackt überstanden hätten, solange wir nur am Leben waren, doch Arthur war ein anspruchsvoller Mensch. Er war barhäuptig, und in seinem Haar waren noch die Druckstellen zu sehen, die der Helm hinterlassen hatte. «Nach einer Schlacht kann ich niemals gut schlafen», sagte er, «mindestens eine Woche lang. Danach kommt dann endlich eine Nacht gesegneter Ruhe.» Lächelnd sah er mich an. «Ich stehe in Eurer Schuld.»
«Nein, Lord», sagte ich, obwohl er in Wahrheit doch in meiner Schuld stand. Sagramor und ich hatten Lugg Vale den ganzen langen Tag über verteidigt, hatten im Schildwall gegen eine riesige Schar von Feinden gekämpft, und Arthur war es nicht gelungen, uns zu retten. Letztlich war dann doch noch Hilfe gekommen, und mit ihr der Sieg, aber von allen Schlachten, die Arthur geschlagen hatte, war Lugg Vale einer Niederlage am nächsten gewesen. Bis auf die letzte.
«Ich jedenfalls werde diese Schuld in Erinnerung bewahren», sagte er freundlich, «auch wenn Ihr es nicht tut. Es wird Zeit, Euch reich zu machen, Derfel, Euch und Eure Männer.» Lächelnd ergriff er meinen Ellbogen, um mich zu einem Fleck Erde zu führen, wo unsere Stimmen den unruhigen Schlaf der Krieger, die in der Nähe der rauchenden Feuer lagen, nicht stören konnten. Der Boden war feucht, und in den tiefen Narben, die Arthurs schwere Rösser mit ihren Hufen hinterlassen hatten, hatten sich Regenpfützen gesammelt. Ich fragte mich, ob Pferde auch von der Schlacht träumten; dann fragte ich mich, ob die vor kurzem in der Anderwelt eingetroffenen Toten noch immer erschauerten, wenn sie an den Schwertstreich oder den Speerstoß dachten, der ihre Seele über die Schwerterbrücke geschickt hatte. «Gundleus ist tot, nehme ich an», unterbrach Arthur meine Gedanken.
«Er ist tot, Lord», bestätigte ich. Der König von Siluria war am frühen Abend gestorben, aber ich hatte Arthur seit dem Moment, da Nimue das Lebenslicht ihres Feindes auslöschte, nicht mehr gesehen.
«Ich habe ihn schreien hören», sagte Arthur mit unbeteiligter Stimme.
«Ganz Britannien muss ihn schreien gehört haben», gab ich ebenso trocken zurück. Nimue hatte dem König die finstere Seele Stückchen um Stückchen entrissen, während sie dem Mann, der sie einst vergewaltigt und ihr ein Auge genommen hatte, leise ihre Rache ins Ohr flüsterte.
«Also braucht Siluria einen neuen König», sagte Arthur und blickte das langgestreckte Tal hinab bis dahin, wo die schwarzen Erscheinungen in Dunst und Rauch dahintrieben. Die Flammen warfen Schatten auf sein glattrasiertes Gesicht, die es hager und eingefallen aussehen ließen. Er war kein schöner Mann, aber er war auch nicht hässlich. Sein Gesicht war einzigartig – schmal, knochig und kraftvoll. In Ruhe war es ein nachdenkliches Gesicht, das von Verständnis und Rücksicht zeugte, im Gespräch aber belebten es Begeisterung und ein stets bereites Lächeln. Damals war er noch jung, gerade erst dreißig Jahre alt, und in seinem kurzgeschnittenen Haar war noch kein Grau zu finden. «Kommt!» Er berührte meinen Arm und zeigte das Tal entlang.
«Ihr wollt unter den Toten wandeln?» Erschrocken wich ich zurück. Ich hätte lieber gewartet, bis die Morgendämmerung die Dämonen verjagte, bevor ich den Schutz des Feuerscheins verließ.
«Wir haben sie zu Toten gemacht, Derfel, Ihr und ich», gab Arthur zurück. «Deswegen sollten sie eher uns fürchten, meint Ihr nicht auch?» Er war kein abergläubischer Mensch, nicht wie wir anderen, die wir Segenssprüche begehrten, Amulette verwahrten und ständig nach Vorzeichen Ausschau hielten, die uns vor Gefahren warnten. Durch diese Geisterwelt bewegte sich Arthur wie ein Blinder. «Kommt», wiederholte er und berührte abermals meinen Arm.
Also gingen wir ins Dunkel. Sie waren nicht alle tot, die da im Nebel lagen; einige schrien ganz erbärmlich um Hilfe, aber Arthur, sonst gütig wie kein anderer, war taub für ihre schwachen Schreie. Er dachte an Britannien. «Morgen reite ich nach Süden», erklärte er. «Ich muss Tewdric aufsuchen.» König Tewdric von Gwent war unser Verbündeter, hatte sich aber geweigert, seine Männer nach Lugg Vale zu schicken, weil er überzeugt war, es könne keinen Sieg für uns geben. Der König stand nunmehr in unserer Schuld, denn wir hatten den Krieg auch für ihn gewonnen, doch Arthur war kein Mensch, der lange grollte. «Ich werde Tewdric bitten, Männer gen Osten zu schicken, gegen die Sachsen», fuhr Arthur fort, «aber ich werde auch Sagramor schicken. Damit dürfte die Grenze während des Winters gesichert sein. Eure Männer» – er schenkte mir ein flüchtiges Lächeln – «haben ein bisschen Ruhe verdient.»
Das Lächeln sagte mir, dass es keine Ruhe geben würde. «Sie werden tun, was immer Ihr ihnen auftragt», antwortete ich pflichtschuldigst. Wegen der wirbelnden Schatten ging ich mit steifen Schritten und machte mit der Rechten das Zeichen gegen das Böse. Manche der eben erst aus ihren Körpern gerissenen Seelen finden den Eingang zur Anderwelt nicht gleich, sondern wandern auf der Suche nach ihren alten Körpern und nach Rache an ihren Mördern ruhelos auf der Erde umher. Solche Seelen gab es im Lugg Vale in jener Nacht viele, und ich fürchtete mich vor ihnen; aber Arthur, der dieser Bedrohung nicht achtete, schlenderte durch das weite Feld der Toten, während er mit einer Hand den Saum seines Mantels raffte, um ihn vor dem nassen Gras und dem tiefen Schlamm zu schützen.
«Ich brauche Eure Männer in Siluria», erklärte er. «Oengus Mac Airem wird das Land plündern wollen, aber er muss im Zaum gehalten werden.» Oengus war der irische König von Demetia, der in der Schlacht die Seite gewechselt, Arthur so zum Sieg verholfen hatte und zum Lohn dafür Sklaven und Schätze aus dem Reich des toten Gundleus forderte. «Er darf sich einhundert Sklaven nehmen», bestimmte Arthur, «sowie ein Drittel von Gundleus’ Reichsschatz. Damit hat er sich einverstanden erklärt, aber er wird dennoch versuchen, uns zu betrügen.»
«Ich werde dafür sorgen, dass ihm das nicht gelingt, Lord.»
«Nein, nicht Ihr. Würdet Ihr Galahad den Befehl über Eure Männer geben?»
Mein Erstaunen verbergend, nickte ich. «Und was verlangt Ihr von mir?», fragte ich ihn.
«Siluria ist ein Problem», fuhr Arthur fort, ohne meine Frage zu beachten. Er blieb stehen und krauste bei dem Gedanken an Gundleus’ Reich die Stirn. «Das Land wurde schlecht regiert, Derfel, sehr schlecht regiert.» Er sagte es mit tiefem Abscheu. Für uns andere war eine schlechte Regierung so natürlich wie Schnee im Winter oder Blumen im Lenz, aber Arthur war aufrichtig entsetzt darüber.
Heutzutage haben wir Arthur als Kriegsherrn in Erinnerung, als den strahlenden Helden in schimmernder Rüstung, der ein Schwert zur Legende machte, er selbst aber hätte sich gewünscht, in der Erinnerung der Menschen nichts weiter zu sein als ein guter, aufrichtiger und gerechter Herrscher. Das Schwert verlieh ihm Macht, er aber verteidigte mit dieser Macht das Recht. «Es ist kein bedeutendes Königreich», fuhr er fort, «doch wenn wir dort nicht Ordnung schaffen, wird es uns endlose Probleme bereiten.» Er dachte laut, versuchte, jedes Hindernis vorauszusehen, das zwischen der Nacht nach der Schlacht und seinem Traum von einem friedlich vereinigten Britannien lag. «Die ideale Lösung», sagte er, «wäre wohl, es zwischen Gwent und Powys aufzuteilen.»
«Und warum tut Ihr das nicht?», fragte ich ihn.
«Weil ich Siluria Lancelot versprochen habe», antwortete er in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete. Ich sagte nichts, sondern berührte nur das Heft meines Schwertes Hywelbane, damit das Eisen meine Seele vor dem Bösen dieser Nacht beschütze. Stumm blickte ich nach Süden, wo die Toten wie eine Flutwoge vor der Baumbarrikade lagen, an der meine Männer den ganzen Tag lang gegen den Feind gekämpft hatten.
In dieser Schlacht hatte so mancher tapfere Mann gestritten, nur nicht Lancelot. In all den Jahren, die ich für Arthur gekämpft hatte, und in all den Jahren, die ich Lancelot kannte, hatte ich Lancelot kein einziges Mal in einem Schildwall gesehen. Ich hatte gesehen, wie er flüchtende Geschlagene verfolgte, und ich hatte gesehen, wie er Gefangene davonführte, um mit ihnen vor einer erregten Menschenmenge einherzustolzieren; in dem harten, schweißtreibenden, unnachgiebigen Druck eines kämpfenden Schildwalls jedoch hatte ich ihn noch nie gesehen. Er war der König von Benoic, um den Thron gebracht und ins Exil getrieben durch die Streitmacht der Franken, die aus Gallien hervorgebrochen war, um seines Vaters Königreich zu vernichten, und er hatte, soweit ich wusste, kein einziges Mal einen Speer gegen eine fränkische Kriegshorde erhoben, aber die Barden sangen in ganz Britannien von seiner Tapferkeit. Er war Lancelot, König ohne Land, Held unzähliger Kämpfe, das Schwert Britanniens, der schöne Leidenslord, ein Muster an Vollkommenheit, doch der fabelhafte Ruf war ausschließlich durch Bardengesänge entstanden und, soweit ich wusste, nicht im Mindesten durch das Schwert. Ich war sein Feind, und er der meine, aber wir waren beide Arthurs Freunde, und diese Freundschaft band unsere Feindschaft in einem unsicheren Waffenstillstand.
Arthur wusste von meiner Feindseligkeit. Er berührte meinen Ellbogen, und gemeinsam gingen wir weiter nach Süden, auf die Woge der Toten zu. «Lancelot ist Dumnonias Freund», betonte er. «Wenn also Lancelot in Siluria regiert, werden wir nichts von jenem Land zu befürchten haben. Und wenn Lancelot sich mit Ceinwyn vermählt, wird Powys ihn ebenfalls unterstützen.»
So, nun war es gesagt. Meine Feindseligkeit grenzte jetzt sogar an Zorn, und immer noch erhob ich keine Einwände gegen Arthurs Plan. Was hätte ich auch sagen können? Ich war der Sohn einer sächsischen Sklavin, ein junger Krieger mit einer Schar von Männern, doch ohne Land, während Ceinwyn Prinzessin von Powys war. Seren wurde sie genannt, der Stern, und sie funkelte in einem dunklen Land wie ein Sonnenstrahl, der auf Schlamm trifft. Sie war Arthur anverlobt worden, hatte ihn aber an Guinevere verloren, und dieser Verlust hatte den Krieg ausgelöst, dem die Schlacht von Lugg Vale soeben ein Ende gesetzt hatte. Jetzt sollte Ceinwyn um des Friedens willen Lancelot heiraten, meinen Feind, während doch ich, ein Niemand, sie von ganzem Herzen liebte. Ich trug ihre Brosche am Wams und ihr Antlitz im Herzen. Ich hatte sogar einen Eid geschworen, sie zu beschützen, und sie hatte den Eid nicht abgelehnt. Ihre Billigung hatte mich mit der wahnsinnigen Hoffnung erfüllt, dass meine Liebe zu ihr nicht hoffnungslos sei, aber sie war es dennoch. Ceinwyn war eine Prinzessin und musste einen König heiraten, ich aber war ein von einer Sklavin geborener Speerkämpfer und würde heiraten, wie es mir anstand.
Ich sagte nichts von meiner Liebe zu Ceinwyn, und Arthur, der in dieser Siegesnacht über Britannien verfügte, hegte keinerlei Argwohn. Warum sollte er auch? Hätte ich ihm gestanden, dass ich Ceinwyn liebte, hätte er das für so unerhört anmaßend gehalten wie den Wunsch eines Hahns auf dem Mist, sich mit einem weiblichen Adler zu paaren. «Ihr kennt doch Ceinwyn, nicht wahr?», fragte er mich.
«Ja, Lord.»
«Und sie mag Euch», sagte er, aber nur halb fragend.
«Das wage ich zu vermuten», antwortete ich ehrlich und dachte an Ceinwyns bleiche, silbrige Schönheit. Die Vorstellung, dass sie in die Obhut des eitlen Lancelot gegeben werden sollte, war mir verhasst. «Sie mag mich wohl», fuhr ich fort, «deswegen hat sie mir erklärt, dass sie für diese Vermählung keine große Begeisterung hegt.»
«Warum sollte sie auch?», gab Arthur zurück. «Sie ist Lancelot noch nie begegnet. Ich erwarte keine Begeisterung von ihr, Derfel, sondern Gehorsam.»
Ich zögerte. Vor der Schlacht, als Tewdric den Krieg, der sein Land zu zerstören drohte, verzweifelt zu beenden suchte, war ich mit einer Friedensmission zu Gorfyddyd gezogen. Diese Mission war fehlgeschlagen, aber ich hatte mit Ceinwyn gesprochen und ihr von Arthurs Hoffnung erzählt, dass sie sich mit Lancelot vermählen werde. Sie hatte die Idee nicht zurückgewiesen, sie aber auch nicht begrüßt. Damals hatte natürlich niemand daran geglaubt, dass Arthur Ceinwyns Vater in der Schlacht besiegen könnte; aber Ceinwyn hatte diese unwahrscheinliche Möglichkeit in Betracht gezogen und mich gebeten, von Arthur eine Gefälligkeit zu erbitten, falls er tatsächlich gewinnen sollte. Sie erbat seinen Schutz, und ich, der ich so sehr in sie verliebt war, legte das als Bitte aus, sie nicht zu einer Vermählung zu zwingen, die sie nicht wünschte. Jetzt berichtete ich Arthur, dass sie um seinen Schutz gebeten hatte. «Sie ist schon zu oft versprochen worden, Lord», setzte ich hinzu. «Und zu oft enttäuscht. Und ich glaube, sie möchte für eine gewisse Zeit in Ruhe gelassen werden.»
«Zeit!» Arthur lachte. «Sie hat keine Zeit, Derfel. Sie ist fast zwanzig! Sie kann nicht unvermählt bleiben wie eine Katze, die keine Mäuse fangen will. Und wen sonst könnte sie heiraten?» Er tat ein paar Schritte. «Sie hat meinen Schutz», sagte er dann, «aber könnte sie sich einen besseren Schutz wünschen als den, sich mit Lancelot zu vermählen und einen Thron zu besteigen? Und was ist mit Euch?», fragte er unvermittelt.
«Mit mir?» Sekundenlang dachte ich, er wolle mir vorschlagen, Ceinwyn zu heiraten, und mein Herz tat einen Sprung.
«Ihr seid fast dreißig», sagte er, «da wird es Zeit, dass Ihr Euch vermählt. Sobald wir wieder in Dumnonia sind, werden wir uns darum kümmern. Vorerst aber wünsche ich, dass Ihr nach Powys geht.»
«Ich, Lord? Nach Powys?» Wir hatten gerade erst gegen das Heer von Powys gekämpft und es besiegt, und ich konnte mir kaum vorstellen, dass ein feindlicher Krieger in Powys willkommen war.
Arthur packte meinen Arm. «In den kommenden Wochen, Derfel, ist es für uns das Wichtigste, dass Cuneglas zum König von Powys ausgerufen wird. Er meint zwar, dass niemand ihn herausfordern wird, aber ich möchte sichergehen. Ich wünsche, dass sich einer meiner Männer in Caer Sws aufhält – zum Beweis unserer Freundschaft. Nichts weiter. Ich möchte nur einem potenziellen Herausforderer klarmachen, dass er es nicht nur mit Cuneglas zu tun bekommen wird, sondern auch mit mir. Wenn Ihr dort seid und wenn man sieht, dass Ihr sein Freund seid, wird diese Botschaft klar und eindeutig sein.»
«Warum nicht einhundert Mann hinschicken?», fragte ich ihn.
«Weil es dann aussieht, als wollten wir Cuneglas mit Gewalt auf den Thron von Powys setzen. Das möchte ich vermeiden. Ich brauche ihn als Freund, und ich möchte nicht, dass er als besiegter Mann nach Powys zurückkehrt. Außerdem» – er lächelte – «wiegt Ihr allein einhundert Mann auf, Derfel. Das habt Ihr gestern bewiesen.»
Ich verzog das Gesicht, denn übertriebene Komplimente verursachten mir stets Unbehagen; doch wenn dieses Lob bedeutete, dass ich der richtige Mann als Arthurs Botschafter in Powys sei, war ich glücklich, denn dort wäre ich wieder in Ceinwyns Nähe. Noch immer bewahrte ich die Erinnerung daran, wie sie meine Hand berührt hatte, genau wie ich die Brosche bewahrte, die sie mir vor so vielen Jahren geschenkt hatte. Noch ist sie nicht mit Lancelot vermählt, sagte ich mir, und alles, was ich wollte, war die Chance, meine unrealistischen Hoffnungen zu nähren. «Und wenn Cuneglas zum König ausgerufen worden ist», erkundigte ich mich, «was soll ich dann tun?»
«Ihr wartet auf mich», bestimmte Arthur. «Ich werde so bald wie möglich nach Powys kommen; wenn wir den Frieden besiegelt haben und Lancelot glücklich verlobt ist, kehren wir nach Hause zurück. Und nächstes Jahr, mein Freund, werden wir die Heere Britanniens gegen die Sachsen führen.» Er sprach mit einer außergewöhnlichen Begeisterung für das Kriegshandwerk. Er war gut im Kampf und genoss die Schlachten wegen der entfesselten Erregung, die sie seiner sonst so zurückhaltenden Seele bescherten, suchte aber niemals den Krieg, solange ein Frieden möglich war, weil er auf das Schlachtenglück nicht bauen konnte. Die Launen von Sieg und Niederlage waren zu unberechenbar, und Arthur hasste es, wenn schöne Ordnung und behutsame Diplomatie den Unwägbarkeiten des Kampfes geopfert wurden. Nur würden Diplomatie und Takt die eindringenden Sachsen, die sich wie Ungeziefer westwärts über Britannien verbreiteten, niemals aufhalten. Arthur träumte von einem wohlgeordneten, gerecht regierten, friedlichen Britannien; die Sachsen hatten in diesem Traum keinen Platz.
«Dann marschieren wir im Frühling?», fragte ich ihn.
«Sobald sich das erste grüne Laub zeigt.»
«Dann möchte ich Euch zuvor um eine Gunst bitten», sagte ich.
«Und welche?», fragte er, hocherfreut, dass ich mir für meinen Anteil am Sieg etwas wünschte.
«Ich möchte mit Merlin ziehen, Lord», sagte ich.
Er antwortete nicht gleich. Stattdessen starrte er auf die nasse Erde, auf der ein stark verbogenes Schwert lag. Irgendwo im Dunkeln stöhnte ein Mann, schrie auf und verstummte. «Der Kessel», sagte Arthur schließlich mit schwerer Stimme.
«Ja, Lord», bekannte ich. Merlin war während der Schlacht zu uns gekommen, um beide Seiten zu bitten, den Kampf einzustellen und ihn auf der Suche nach dem Kessel von Clyddno Eiddyn zu begleiten. Der Kessel war das kostbarste Kleinod Britanniens, die magische Gabe der alten Götter, und seit Jahrhunderten verschwunden. Sein ganzes Leben widmete Merlin der Aufgabe, jene Kleinodien zurückzuholen, und der Kessel war sein größter Schatz. Wenn er den Kessel finden könne, erklärte er uns, werde er in der Lage sein, Britannien seinen rechtmäßigen Göttern zurückzugeben.
Arthur schüttelte den Kopf. «Glaubt Ihr wirklich, der Kessel von Clyddno Eiddyn sei während all der langen Jahre versteckt gehalten worden?», fragte er mich. «Während all der langen Römerjahre? Er wurde nach Rom geschafft, Derfel, und eingeschmolzen, um Fibeln, Spangen oder Münzen daraus zu machen. Es gibt keinen Kessel!»
«Merlin sagt, es gibt ihn, Lord», widersprach ich.
«Merlin hört auf Altweibermärchen», schalt Arthur zornig. «Wisst Ihr, wie viele Männer er für seine Suche nach dem Kessel verlangt?»
«Nein, Lord.»
«Achtzig, hat er mir erklärt. Oder hundert. Oder, noch besser, zweihundert. Er will nicht einmal sagen, wo sich der Kessel befindet, er will nur, dass ich ihm eine Armee gebe und sie irgendwohin in ein wildes Land marschieren lasse. Nach Irland, vielleicht, oder in die Wildnis im Norden. Nein!» Er versetzte dem verbogenen Schwert einen Fußtritt und stieß mir dann einen Finger tief in die Schulter. «Hört zu, Derfel, im nächsten Jahr brauche ich jeden Speer, den ich auftreiben kann. Wir werden die Sachsen ein für alle Mal erledigen, deswegen kann ich es mir nicht leisten, achtzig oder hundert Mann bei der Jagd nach einer Schüssel zu verlieren, die vor fast fünfhundert Jahren verschwunden ist. Sobald Aelles Sachsen besiegt sind, könnt Ihr Euch diesem Unsinn widmen, wenn Ihr unbedingt wollt. Aber ich sage Euch, es ist Unsinn. Es gibt keinen Kessel.» Er wandte sich ab und machte sich auf den Rückweg zu den Feuern. Ich folgte ihm, wollte mit ihm diskutieren, aber ich wusste, dass ich ihn niemals umstimmen konnte; denn wenn er die Sachsen besiegen wollte, würde er tatsächlich jeden Speer brauchen, den er auftreiben konnte, und deswegen würde er jetzt nichts tun, was seine Chancen auf einen Sieg im Frühling schmälern würde. Er lächelte mir zu, als wollte er damit die scharfe Ablehnung meiner Bitte ausgleichen. «Sollte der Kessel aber doch existieren, kann er auch noch ein bis zwei Jahre in seinem Versteck bleiben», sagte er. «Bis dahin aber, Derfel, habe ich vor, Euch reich zu machen. Wir werden Euch mit Geld verheiraten.» Er klopfte mir auf den Rücken. «Ein letzter Feldzug noch, mein lieber Derfel, ein letztes großes Töten, dann werden wir endlich Frieden haben. Absoluten Frieden. Und dann brauchen wir keinen Kessel mehr.» Sein Ton war triumphierend. In jener Nacht, mitten unter den Toten, sah er den Frieden tatsächlich vor sich.
Wir schlenderten auf die Feuer zu, die rund um die römische Villa brannten, in der Ceinwyns Vater Gorfyddyd auf dem Totenbett lag. Arthur war glücklich in jener Nacht, wahrhaft glücklich, denn er sah, dass sich sein Traum erfüllte. Und es schien alles so einfach zu sein. Es würde noch einen letzten Krieg geben und danach ewigen Frieden. Arthur war unser Kriegsherr, der größte Krieger von Britannien, doch in jener Nacht nach der siegreichen Schlacht inmitten der kreischenden Seelen der in Rauch gehüllten Toten sehnte er sich nur noch nach Frieden. Cuneglas von Powys, Gorfyddyds Erbe, teilte Arthurs Traum. Tewdric von Gwent war sein Verbündeter, Lancelot sollte das Königreich Siluria erhalten, und zusammen mit Arthurs dumnonischem Heer würden die vereinigten Könige von Britannien die eindringenden Sachsen schlagen. Unter Arthurs Protektion würde Mordred Dumnonias Thron besteigen, und Arthur würde sich zurückziehen, um den Frieden und den Wohlstand zu genießen, den Britannien seinem Schwert verdankte. So sah Arthur die Zukunft vor sich.
Aber er hatte die Rechnung ohne Merlin gemacht. Merlin war älter, weiser und raffinierter als Arthur, und Merlin hatte die Spur des Kessels gewittert. Er würde ihn finden, und seine Macht würde sich über Britannien verbreiten wie ein Gift.
Denn es war der Kessel von Clyddno Eiddyn. Es war der Kessel, der die Träume der Menschen zerbrechen ließ.
Und Arthur war trotz seiner praktischen Natur ein Träumer.
In Caer Sws war das Laub schwer von der Reife des Sommers.
Da ich König Cuneglas und seine geschlagenen Mannen nach Norden begleitet hatte, war ich der einzige Dumnonier, der anwesend war, als König Gorfyddyds Leichnam auf Dolforwyns Gipfel eingeäschert wurde. Ich sah die Flammen seines Totenfeuers hoch in die Nacht lodern, als seine Seele die Schwerterbrücke überquerte, um zu ihrem Schattenkörper zu gelangen. Das Feuer war von einem Doppelkreis von Powys-Speerträgern umringt, deren brennende Fackeln sich gemeinsam wiegten, als ihre Träger die Totenklage von Beli Mawr anstimmten. Die Männer sangen sehr lange. Ihre Stimmen hallten von den nahen Bergen wider wie ein Geisterchor. Es herrschte große Trauer in Caer Sws. So viele waren zu Witwen und Waisen geworden, und am Morgen nach der Einäscherung des alten Königs, als sein Totenfeuer noch eine Rauchsäule zu den nördlichen Bergen hinüberschickte, gab es noch mehr Grund zur Trauer, weil die Nachricht von Rataes Fall eintraf. Ratae war eine große Festung an der Ostgrenze von Powys gewesen, aber Arthur hatte sie an die Sachsen verraten, um ihnen den Frieden abzukaufen, während er gegen Gorfyddyd kämpfte. Bisher wusste noch niemand in Powys von Arthurs Verrat, und ich erzählte es ihnen nicht.
Ceinwyn bekam ich drei Tage lang nicht zu sehen, denn so lange wurde um Gorfyddyd getrauert, und zum Totenfeuer durften die Frauen nicht erscheinen. Stattdessen hüllten sich alle Frauen am Hof von Powys in schwarze Wolle und wurden in ihrer Frauenhalle eingeschlossen. Während der drei Tage gab es in ihrer Halle keine Musik, zu trinken erhielten sie nur Wasser, und ihre einzige Nahrung war trockenes Brot und ein dünner Haferbrei. Draußen vor der Halle versammelten sich die Krieger von Powys zur Akklamation des neuen Königs, während ich, Arthurs Befehlen folgend, in Erfahrung zu bringen suchte, ob jemand Cuneglas das Recht auf den Thron streitig machen würde, doch nirgends vernahm ich ein Wort des Widerspruchs.
Als die drei Tage vorüber waren, wurde die Tür zur Frauenhalle aufgestoßen. Eine Dienerin erschien in der offenen Tür und streute Gartenraute auf Schwelle und Stufen; gleich darauf quoll eine Rauchwolke aus der Türöffnung hervor, die uns verkündete, dass die Frauen das Ehelager des alten Königs verbrannten. Der Rauch drang wirbelnd durch Tür und Fenster der Halle ins Freie, und erst als er sich verzogen hatte, kam Königin Helledd von Powys die Stufen herabgeschritten, um vor ihrem Ehegemahl, König Cuneglas von Powys, niederzuknien. Sie trug ein Gewand aus weißem Leinen, das dort, wo ihre Knie den schlammigen Boden berührt hatten, deutliche Schmutzflecken aufwies. Cuneglas hob sie auf und küsste sie; dann geleitete er sie in die Halle zurück. Iorweth, oberster Druide von Powys und heute in einen schwarzen Mantel gehüllt, folgte dem König in die Frauenhalle. Die überlebenden Krieger von Powys, die in dichten Reihen aus Eisen und Leder die Holzwände der Halle säumten, sahen zu und warteten.
Während sie warteten, stimmte ein Kinderchor das Liebesduett von Gwydion und Aranrhod an, das Lied von Rhiannon und anschließend die endlos langen Verse von Gofannons Marsch nach Caer Idion; und erst als der letzte Gesang verklungen war, trat Iorweth, nunmehr in schneeweißer Robe und mit einem schwarzen, von Mistelzweigen gekrönten Stab in der Hand, vor die Tür, um zu verkünden, die Tage der Trauer seien vorüber. Die Krieger jubelten und lösten sich aus den Reihen, um ihre eigenen Frauen zu suchen. Morgen sollte Cuneglas auf Dolforwyns Gipfel zum König ausgerufen werden, und falls ihm jemand das Recht auf die Herrschaft in Powys streitig machen wollte, so bot ihm diese Ausrufung Gelegenheit dazu. Außerdem würde ich Ceinwyn zum ersten Mal nach der Schlacht wiedersehen.
Am folgenden Tag starrte ich, während Iorweth die Riten der Akklamation zelebrierte, immer nur Ceinwyn an. Sie stand da und beobachtete ihren Bruder, während ich sie voll Staunen darüber, dass eine Frau so lieblich sein konnte, bewundernd ansah. Jetzt bin ich alt, es ist also möglich, dass meine Erinnerung Prinzessin Ceinwyns Schönheit übertreibt, aber das glaube ich eigentlich nicht, denn nicht umsonst wurde sie seren genannt, der Stern. Sie war von durchschnittlicher Größe, aber sehr grazil gebaut, und da sie so zierlich war, wirkte sie sehr zerbrechlich, ein Eindruck, der, wie ich später erfuhr, gründlich täuschte, denn Ceinwyn besaß einen stählernen Willen. Ihre Haare waren ebenso blond wie die meinen, nur waren die ihren blassgolden, während die meinen eher die Farbe von schmutzigem Stroh aufwiesen. Ihre Augen waren blau, ihr Auftreten war zurückhaltend und ihr Antlitz so süß wie Honig aus einer wilden Wabe. An jenem Tag trug sie ein blassblaues Leinengewand, das mit dem silberweißen, schwarz gefleckten Pelz eines Hermelins besetzt war, dasselbe Gewand, das sie getragen hatte, als sie meine Hand berührte und meinen Eid entgegennahm. Ein einziges Mal nur begegnete sie meinem Blick und lächelte verhalten, und ich schwöre, mein Herz hat mindestens einen Schlag ausgesetzt.
Die Riten der Königs-Akklamation in Powys waren den unseren nicht unähnlich. Cuneglas wurde um Dolforwyns Steinkreis herumgeführt, man überreichte ihm die Symbole des Königtums, ein Krieger rief ihn zum König aus und fragte, ob es einer der Anwesenden wage, die Ausrufung anzufechten. Die Herausforderung wurde mit Schweigen beantwortet. Zwar rauchte hinter dem Steinkreis noch die Asche des großen Totenfeuers und kündete vom Tod eines Königs, aber das Schweigen im Umfeld der Steine bewies, dass nunmehr ein neuer König regierte. Dann wurden Cuneglas Geschenke überreicht. Ich wusste, dass Arthur selbst noch ein grandioses Geschenk überbringen würde; aber er hatte mir Gorfyddyds Kriegsschwert gegeben, das auf dem Schlachtfeld gefunden worden war und das ich nun als Zeichen für Dumnonias Wunsch, Frieden mit Powys zu halten, Gorfyddyds Sohn zurückgeben durfte.
Nach der Akklamation gab es ein Festmahl in der einsamen Halle, die auf Dolforwyns Gipfel stand. Es war ein karges Mahl, reicher an Met und Ale als an Speisen, aber es bot Cuneglas Gelegenheit, den Kriegern die Hoffnungen zu schildern, die er für seine Herrschaft hegte.
Zunächst sprach er von dem Krieg, der jetzt beendet war. Er nannte die Toten von Lugg Vale beim Namen und versicherte seinen Männern, dass diese Krieger nicht umsonst gestorben seien. «Was sie bewirkt haben», sagte er, «ist Frieden zwischen den Britanniern. Frieden zwischen Powys und Dumnonia.» Das löste einiges Grollen unter den Kriegern aus, doch Cuneglas beschwichtigte sie mit erhobener Hand. «Unser Feind», fuhr er fort, und sein Ton wurde auf einmal hart, «ist nicht Dumnonia. Unser Feind ist der Sachse!» Hier hielt er inne, und diesmal gab es kein missbilligendes Grollen. Die Männer warteten stumm und beobachteten ihren neuen König, der im Grunde kein großer Krieger war, aber ein guter und aufrichtiger Mann. Diese Eigenschaften traten deutlich auf seinem runden, ehrlichen, jungen Gesicht zutage, dem er vergeblich Würde zu verleihen suchte, indem er sich einen langen, geflochtenen Schnauzbart hatte wachsen lassen, dessen Enden ihm bis auf die Brust herabhingen. Er mochte zwar kein Krieger sein, aber er war klug genug, um zu wissen, dass er diesen Kriegern die Gelegenheit zum Kampf bieten musste, denn nur durch einen Krieg konnten sie Ruhm und Reichtum erlangen. Ratae, versicherte er ihnen, würde zurückerobert und die Sachsen für die Gräueltaten bestraft werden, die sie an den Bewohnern der Festung verübt hatten. Lloegyr, das Verlorene Land, würde von den Sachsen zurückgefordert werden, und Powys, einstmals das mächtigste aller britannischen Königreiche, würde sich wieder von den Bergen bis zur Nordsee erstrecken. Die römischen Städte würden wieder aufgebaut, ihre Mauern ruhmreich wieder errichtet und ihre Straßen wieder hergestellt werden. Für jeden Krieger von Powys würde es Ackerland geben, reiche Beute und sächsische Sklaven. Hierauf klatschten sie alle Beifall, denn Cuneglas stellte seinen enttäuschten Häuptlingen den Lohn in Aussicht, den solche Männer stets von ihren Königen erwarteten. Aber, fuhr er fort, nachdem er die Hand erhoben hatte, um den Jubel zu dämpfen, der Reichtum von Lloegyr würde nicht von Powys allein beansprucht werden. «Jetzt», gab er seinen Anhängern zu bedenken, «marschieren wir mit den Männern von Gwent und Seite an Seite mit den Speerkämpfern von Dumnonia. Sie waren die Feinde meines Vaters, nun aber sind sie meine Freunde, und aus diesem Grund ist auch Lord Derfel heute hier.» Er lächelte mir zu. «Und aus diesem Grund», fuhr er fort, «wird sich meine Schwester beim nächsten Vollmond Lancelot anverloben. Sie wird als Königin in Siluria herrschen, und die Männer jenes Landes werden mit uns gemeinsam marschieren – mit uns und mit Arthur und Tewdric –, um das Land von den Sachsen zu befreien. Gemeinsam werden wir unseren wirklichen Feind besiegen. Gemeinsam werden wir die Sais vernichten!»
Diesmal war der Jubel uneingeschränkt. Er hatte sie für sich gewonnen. Er stellte ihnen den Wohlstand und die Macht des alten Britannien in Aussicht, also klatschten sie in die Hände und trampelten mit den Füßen, um ihre Zustimmung zu beweisen. Cuneglas blieb eine Weile still stehen und ließ sie jubeln; dann nahm er einfach wieder Platz und lächelte mir zu, als wisse er, dass Arthur allem, was er gesagt hatte, beistimmen würde.
Ich blieb nicht länger auf dem Dolforwyn, denn die Trinkerei würde die ganze Nacht hindurch dauern. Stattdessen kehrte ich hinter dem Ochsenkarren, der Königin Helledd, ihre beiden Tanten und Ceinwyn beförderte, zu Fuß nach Caer Sws zurück. Die königlichen Damen wollten vor Sonnenuntergang wieder in Caer Sws sein, und ich folgte ihnen – nicht etwa, weil ich mich bei Cuneglas’ Männern nicht willkommen fühlte, sondern weil ich bisher noch keine Gelegenheit gefunden hatte, mit Ceinwyn zu reden. Also gesellte ich mich wie ein mondsüchtiges Kalb zu der kleinen Truppe von Speerkämpfern, die den Karren begleitete. Weil ich bei Ceinwyn Eindruck machen wollte, hatte ich mich an diesem Tag besonders sorgfältig gekleidet. Ich hatte mein Kettenhemd gereinigt, den Dreck von Stiefeln und Mantel gebürstet und meine langen, blonden Haare schließlich zu einem Zopf geflochten, der mir auf dem Rücken hing. Am Mantel trug ich zum Zeichen meiner Treue die Brosche, die sie mir geschenkt hatte.
Ich dachte, sie würde mich nicht beachten, denn während des ganzen langen Rückmarsches nach Caer Sws saß sie im Karren und blickte von mir fort; zuletzt aber, als die Straße um eine Biegung führte und die Festung in Sicht kam, wandte sie sich um und sprang vom Wagen, um am Wegrand auf mich zu warten. Die Speerkämpfereskorte trat beiseite, damit ich neben ihr gehen konnte. Als sie die Brosche sah, lächelte sie, machte aber keinerlei Anspielung darauf. «Wir haben uns gefragt, Lord Derfel», sagte sie stattdessen, «was Euch hierhergeführt haben mag.»
«Arthurs Wunsch, dass ein Dumnonier der Akklamation Eures Bruders beiwohnt, Lady», antwortete ich ihr.
«Oder wollte Arthur sichergehen, dass er auch wirklich zum König ausgerufen wurde?», fragte sie scharfsinnig.
«Das auch», gestand ich ein.
Sie zuckte die Achseln. «Es gibt keinen anderen, der hier König sein könnte. Dafür hat schon mein Vater gesorgt. Es gab einen Häuptling namens Valerin, der Cuneglas möglicherweise das Königtum streitig gemacht hätte, doch wie wir hörten, ist Valerin in der Schlacht gefallen.»
«Ja, Lady, das ist richtig», antwortete ich, setzte aber nicht hinzu, dass ich es war, der Valerin an der Furt von Lugg Vale im Zweikampf besiegt hatte. «Er war ein tapferer Mann, genau wie Euer Vater. Es tut mir leid für Euch, dass er tot ist.»
Ein paar Schritte lang schwieg sie, während Helledd, Königin von Powys, uns vom Ochsenkarren aus argwöhnisch beobachtete. «Mein Vater», fuhr Ceinwyn nach einer Weile fort, «war ein sehr verbitterter Mann. Zu mir aber war er immer gut.» Sie sagte es traurig, doch ohne zu weinen. Sie hatte all ihre Tränen bereits vergossen, und nun war ihr Bruder König geworden, und vor Ceinwyn lag eine neue Zukunft. Sie schürzte die Röcke, um über eine Schlammpfütze zu steigen. In der Nacht zuvor hatte es geregnet, und die Wolken im Westen verhießen noch mehr Regen. «Arthur wird also herkommen?», erkundigte sie sich.
«Er kann jeden Tag eintreffen, Lady.»
«Und er wird Lancelot mitbringen?»
«Das wird er wohl.»
Sie verzog das Gesicht. «Als wir uns das letzte Mal trafen, Lord Derfel, sollte ich mich mit Gundleus vermählen. Jetzt ist es Lancelot. Ein König nach dem anderen.»
«Ja, Lady», sagte ich. Es war eine unpassende, sogar dumme Antwort, aber ich war von jener ausnehmenden Nervosität geschlagen, die jedem Liebenden die Zunge bindet. Es gab nichts, was ich mir sehnlicher wünschte, als mit Ceinwyn allein zu sein, doch als ich plötzlich an ihrer Seite marschierte, konnte ich nicht aussprechen, was in meinem Herzen vorging.
«Und ich soll Königin von Siluria werden», sagte Ceinwyn, ohne Freude bei dieser Aussicht zu bekunden. Sie blieb stehen und deutete auf das weite Tal des Severn. «Gleich hinter dem Dolforwyn», erklärte sie mir, «gibt es ein kleines, verstecktes Tal mit einem Haus und einigen Apfelbäumen. Als ich ein kleines Mädchen war, dachte ich immer, in der Anderwelt müsse es so aussehen wie in diesem Tal: ein kleiner, sicherer Ort, an dem ich in Ruhe leben, glücklich sein und Kinder großziehen könnte.» Sie lachte über sich selbst und begann weiterzugehen. «Überall in Britannien gibt es junge Mädchen, die davon träumen, Lancelot zu heiraten und Königin in einem Palast zu werden, und ich wünsche mir nichts weiter als ein kleines Tal mit ein paar Apfelbäumen!»
«Lady», begann ich und nahm all meinen Mut zusammen, um auszusprechen, was ich ihr wirklich sagen wollte. Sie aber erriet sofort, was ich im Sinn hatte, und berührte meinen Arm, damit ich schweige.
«Ich muss meine Pflicht erfüllen, Lord Derfel», sagte sie als Warnung an mich, meine Zunge im Zaum zu halten.
«Ihr habt meinen Eid», stieß ich hervor. Das kam einem Liebesgeständnis so nahe, wie es mir in jenem Augenblick möglich war.
«Ich weiß», gab sie ernsthaft zurück. «Und Ihr seid mein Freund, nicht wahr?»
Ich wollte zwar mehr für sie sein als ein Freund, aber ich nickte. «Ich bin Euer Freund, Lady.»
«Dann werde ich Euch dasselbe sagen, was ich meinem Bruder gesagt habe», gab sie zurück. Sie blickte zu mir auf, und in ihren blauen Augen stand großer Ernst. «Ich weiß nicht, ob ich Lancelot heiraten möchte, aber ich habe Cuneglas versprochen, dass ich ihn mir ansehen werde, bevor ich mich entscheide. Das muss ich tun, aber ob ich ihn heiraten werde, weiß ich nicht.» Eine Zeit lang ging sie schweigend weiter, und ich spürte, dass sie erwog, ob sie mir etwas erzählen sollte. Schließlich beschloss sie, mir zu vertrauen. «Nachdem ich Euch das letzte Mal sah», fuhr sie fort, «suchte ich die Priesterin von Maesmwyr auf. Sie führte mich in die Traumhöhle und ließ mich auf einem Bett aus Menschenschädeln schlafen. Ich wollte unbedingt mein Schicksal erfahren, versteht Ihr, aber ich kann mich an keinen Traum erinnern. Dennoch sagte die Priesterin, als ich erwachte, der nächste Mann, der mich heiraten wolle, werde sich stattdessen mit den Toten vermählen.» Sie blickte zu mir auf. «Ergibt das einen Sinn?»
«Nicht den geringsten, Lady», antwortete ich und berührte das Eisen an Hywelbanes Heft. Wollte sie mich warnen? Wir hatten niemals von Liebe gesprochen, aber sie muss meine Sehnsucht gespürt haben.
«Für mich auch nicht», gestand sie. «Deswegen habe ich Iorweth gefragt, was diese Prophezeiung bedeutet, und er sagte mir, ich solle mir keine Sorgen machen. Die Priesterin spreche immer in Rätseln, weil sie unfähig sei, vernünftig zu reden, behauptete er. Ich glaube, dass das, was sie mir gesagt hat, bedeuten soll, dass ich mich überhaupt nicht vermählen darf, aber ich bin nicht sicher. Ich weiß nur eins, Lord Derfel: Ich werde mich nicht unbedacht vermählen.»
«Ihr wisst noch etwas, Lady», entgegnete ich. «Ihr wisst auch, dass mein Eid weiter gilt.»
«Auch das weiß ich», räumte sie ein und lächelte mir wieder zu. «Es freut mich, dass Ihr hier seid, Lord Derfel.» Mit diesen Worten lief sie leichtfüßig voraus und kletterte in den Ochsenkarren zurück. Mich ließ sie verwirrt über ihr rätselhaftes Verhalten zurück, ohne mir einen Hinweis zu geben, der meiner Seele Ruhe hätte geben können.
Drei Tage später kam Arthur nach Caer Sws. Er kam mit zwanzig Reitern und einhundert Speerkämpfern. Er brachte Barden und Harfenistinnen mit. Er brachte Merlin mit, Nimue und Goldgeschenke, die von den Toten im Lugg Vale stammten. Und er brachte Guinevere und Lancelot mit.
Als ich Guinevere sah, stöhnte ich auf. Wir hatten einen Sieg errungen und Frieden geschlossen, und dennoch fand ich es grausam von Arthur, die Frau mitzubringen, um derentwillen er Ceinwyn verschmäht hatte. Aber Guinevere hatte darauf bestanden, ihren Gemahl zu begleiten. Also traf sie in Caer Sws mit einem Ochsenwagen ein, der mit Pelzen ausgepolstert, mit gefärbtem Leinen verhängt und zum Zeichen des Friedens mit grünen Zweigen geschmückt war. Mit ihr im Wagen saß Königin Elaine, Lancelots Mutter; aber es war Guinevere, nicht die Königin, die Aufmerksamkeit erregte. Denn sie stand auf, als der Karren langsam durch das Tor von Caer Sws rollte, und blieb stehen, bis die Ochsen sie vor das Portal von Cuneglas’ großer Halle gezogen hatten, in der sie einstmals ein unerwünschter Flüchtling gewesen war und in die sie jetzt wie eine Eroberin zurückkehrte. Sie trug ein Gewand aus goldgefärbtem Leinen und Gold an Hals und Handgelenken, und ihr widerspenstiges, rotes Haar wurde mit einem Reif aus Gold gebändigt. Sie war schwanger, doch unter dem kostbaren goldfarbenen Leinen war die Schwangerschaft nicht zu sehen. Sie wirkte wie eine Göttin.
Wenn Guinevere wie eine Göttin aussah, hielt Lancelot wie ein Gott Einzug in Caer Sws. Viele Leute dachten, er wäre Arthur, denn er sah blendend aus auf seinem Schimmel mit der Schabracke aus hellem, mit goldenen Sternen besetztem Leinen. Er trug seine weiß emaillierte Schuppenrüstung, sein Schwert steckte in einer weißen Scheide, und von den Schultern hing ihm ein langer, weißer, mit Rot gesäumter Mantel. Sein dunkles, hübsches Gesicht wurde von den vergoldeten Kanten seines Helms umrahmt, der jetzt von einem Paar ausgebreiteter Schwanenschwingen gekrönt wurde statt von den Seeadlerschwingen, die er in Ynys Trebes getragen hatte. Die Menschen hielten den Atem an, als sie ihn sahen, und ich hörte, wie die geflüsterte Nachricht durch die Menge lief, dass dies wohl doch nicht Arthur sei, sondern König Lancelot, der tragische Held des verlorenen Königreichs Benoic und der Mann, der ihre Prinzessin Ceinwyn ehelichen werde. Bei seinem Anblick sank mir das Herz, denn ich fürchtete, er werde Ceinwyn mit seiner strahlenden Erscheinung blenden. Arthur, der ein Lederwams und einen weißen Mantel trug und dem es peinlich zu sein schien, überhaupt in Caer Sws zu sein, wurde von der Menge überhaupt nicht beachtet.
An jenem Abend gab es ein Festmahl. Ich glaube kaum, dass Cuneglas Guinevere gern empfangen hat; aber er war ein geduldiger, vernünftiger Mann, der sich – anders als sein Vater – nicht von jeder kleinen Kränkung beleidigt fühlte und Guinevere daher wie eine Königin behandelte. Er schenkte ihr Wein ein, reichte ihr Speisen und neigte ihr den Kopf zu, wenn er mit ihr sprach. Arthur, an Guineveres anderer Seite, strahlte vor Freude. Er sah immer glücklich aus, wenn er mit seiner Guinevere zusammen war, und es muss ihn sehr erfreut haben, dass sie in derselben Halle, in der er sie zum ersten Mal weit hinten bei dem minderen Volk hatte stehen sehen, nun mit so ausgesuchter Höflichkeit behandelt wurde.
Arthur widmete seine Aufmerksamkeit hauptsächlich Ceinwyn. Alle Anwesenden wussten, dass er sie einstmals verschmäht und das Verlöbnis gebrochen hatte, um die mittellose Guinevere zur Gemahlin zu nehmen, und viele Männer in Powys hatten geschworen, Arthur diesen Tort nie zu verzeihen, Ceinwyn aber verzieh ihm und machte diese Tatsache überdeutlich. Sie lächelte ihn an, legte ihm die Hand auf den Arm und neigte sich ihm freundlich zu, und später, als der Met sämtliche Feindseligkeiten hinweggeschwemmt hatte, ergriff König Cuneglas zuerst Arthurs und dann die Hand seiner Schwester, um sie beide in der seinen zusammenzufügen. Bei diesem Zeichen des Friedens brach die ganze Halle in Jubelrufe aus. Eine alte Kränkung war getilgt worden.
Kurz darauf nahm Arthur als symbolische Geste Ceinwyns Hand und führte sie zu einem Platz neben Lancelot, der bisher frei geblieben war. Wieder wurde laut gejubelt. Mit steinerner Miene sah ich zu, wie sich Lancelot erhob, um Ceinwyn zu empfangen, sich anschließend neben ihr niederließ und ihr Wein einschenkte. Er nahm einen schweren goldenen Armreif von seinem Handgelenk und überreichte ihn ihr, und obwohl Ceinwyn das kostbare Geschenk zunächst wortreich zurückwies, schob sie es sich dann doch auf den Arm, wo das Gold im Licht der Binsenfackeln glänzte. Da die Krieger auf dem Boden der Halle den Armreif zu sehen verlangten, hob Ceinwyn kokett den Arm, um den schweren Goldreif vorzuzeigen. Ich allein jubelte nicht. Ich saß einfach da, während der Lärm über mich hinwegdonnerte und schwerer Regen auf das Strohdach trommelte. Sie hat sich blenden lassen, dachte ich, auch sie hat sich von ihm blenden lassen. Der Stern von Powys war auf Lancelots dunkle, elegante Schönheit hereingefallen.
Ich hätte die Halle ja auf der Stelle verlassen, um mit meinem Elend in die regennasse Nacht zu fliehen, doch Merlin strich in der Halle umher. Zu Beginn des Festmahls hatte er an der Hohen Tafel gesessen, sie später jedoch wieder verlassen, um sich unter die Krieger zu begeben, hier stehen zu bleiben und dort einem Gespräch zu lauschen oder einem Mann etwas ins Ohr zu flüstern. Er hatte sein weißes Haar von der Tonsur aus zurückgestrichen, zu einem langen Zopf geflochten und mit einem schwarzen Band zusammengefasst und dasselbe mit seinem langen Bart getan. Sein Gesicht, so dunkel wie die römischen Kastanien, die in Dumnonia als große Delikatesse galten, war lang und schmal und tief gefurcht, seine Miene drückte Belustigung aus. Er heckt wieder etwas aus, dachte ich, während ich mich auf meinem Platz möglichst klein machte, damit er mich nicht zur Zielscheibe machen konnte. Ich liebte Merlin wie einen Vater, aber ich war nicht in der Stimmung für weitere Rätsel. Ich wollte nur so weit von Ceinwyn und Lancelot entfernt sein, wie es die Götter mir gestatteten.
Ich wartete, bis ich Merlin am anderen Ende der Halle wähnte und glaubte, ich könnte entkommen, ohne dass er mich bemerkte, aber genau in diesem Moment flüsterte mir seine Stimme etwas ins Ohr. «Wolltest du dich vor mir verstecken, Derfel?», fragte er mich und ließ sich mit einem mitleidheischenden Stöhnen neben mir auf dem Boden nieder. Er tat gern so, als hätte ihn die Altersschwäche eingeholt, daher massierte er sich theatralisch die Knie und jammerte über die Schmerzen in seinen Gelenken. Dann nahm er mir das Methorn aus der Hand und leerte es. «Sieh dir die jungfräuliche Prinzessin an», sagte er und deutete mit dem leeren Horn auf Ceinwyn, «wie sie ihrem grausigen Schicksal entgegengeht. Lass mich mal sehen.» Während er über seine nächsten Worte nachdachte, kratzte er sich zwischen den Flechten seines Bartes. «Ein halber Mond noch bis zum Verlöbnis? Die Vermählung vielleicht eine Woche später, dann eine Hand voll Monde, bis das Kind sie umbringt. Unmöglich, dass ein Kind durch diese schmalen Lenden gelangt, ohne sie zu zerreißen.» Er lachte. «Es wird sein, als wollte ein Kätzchen einen Stier gebären. Wahrhaft abscheulich, Derfel.» Er musterte mich mit schrägem Blick und genoss mein Unbehagen.
«Ich dachte», entgegnete ich verdrossen, «Ihr hättet Ceinwyn einen Glückszauber gegeben.»
«Das habe ich», bestätigte er gelassen, «aber was soll’s? Frauen wollen Kinder haben, und wenn es für Ceinwyn Glück bedeutet, von ihrem Erstgeborenen zerrissen zu werden, hat mein Zauber doch funktioniert, oder?» Lächelnd sah er mich an.