Klar zur Wende - Karl-Ludwig Kley - E-Book

Klar zur Wende E-Book

Karl-Ludwig Kley

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Beschreibung

Deutschlands wirkungsvollster Beitrag im globalen Kampf gegen den Klimawandel

Hochwasser, Hitzewellen, Austrocknung des Bodens, Waldsterben, Hungersnöte, Massenmigration – eine Hiobsbotschaft jagt die nächste. Aber ist dieser Alarmismus der richtige Weg, Menschen für die dringend benötigte Energiewende zu begeistern? Sind politischer Rigorismus und radikaler Aktivismus zeitgemäße Antworten auf komplexe Herausforderungen des Klimawandels? Oder sollten wir nicht besser in Lösungen denken? Und vor allem besonnen, aber entschlossen handeln?

Karl-Ludwig Kley, einer der führenden Manager der deutschen Wirtschaft, kennt die Herausforderungen der Klimakrise aus nächster Nähe. Und er sagt: Wir können die Wende schaffen. Wir haben dazu (fast) alles, was wir brauchen. Besonders die nötigen Technologien. Im Weg stehen wir uns selbst: mit überbordender Bürokratie, falschen politischen Prioritäten und einem gesellschaftlichen Diskursklima, in dem Klickraten, Ideologie und vermeintliche Moral mehr zählen als faktenbasierte Argumente. Die liefert Kley in diesem Buch – zusammen mit zahlreichen Beispielen aus der unternehmerischen Praxis: für einen pragmatischen, ziel- und lösungsorientierten Weg in eine klimafreundliche und nachhaltige Zukunft, für die wir unseren Wohlstand nicht aufs Spiel setzen müssen.

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Deutschlands wirkungsvollster Beitrag im globalen Kampf gegen den Klimawandel

Hochwasser, Hitzewellen, Austrocknung des Bodens, Waldsterben, Hungersnöte, Massenmigration – eine Hiobsbotschaft jagt die nächste. Aber ist dieser Alarmismus der richtige Weg, Menschen für die dringend benötigte Energiewende zu begeistern? Sind politischer Rigorismus und radikaler Aktivismus zeitgemäße Antworten auf die komplexen Herausforderungen des Klimawandels? Oder sollten wir nicht besser in Lösungen denken? Und vor allem besonnen, aber entschlossen handeln?

Karl-Ludwig Kley, einer der führenden Manager der deutschen Wirtschaft, kennt die Herausforderungen der Klimakrise aus nächster Nähe. Und er sagt: Wir können die Wende schaffen. Wir haben dazu (fast) alles, was wir brauchen. Besonders die nötigen Technologien. Im Weg stehen wir uns selbst: mit überbordender Bürokratie, falschen politischen Prioritäten und einem gesellschaftlichen Diskursklima, in dem Klickraten, Ideologie und vermeintliche Moral mehr zählen als faktenbasierte Argumente. Die liefert Kley in diesem Buch – zusammen mit zahlreichen Beispielen aus der unternehmerischen Praxis: für einen pragmatischen, ziel- und lösungsorientierten Weg in eine klimafreundliche und nachhaltige Zukunft, für die wir unseren Wohlstand nicht aufs Spiel setzen müssen.

Dr. Karl-Ludwig Kley, geb. 1951, war bis 2023 Vorsitzender des Aufsichtsrates des Energiekonzerns E.ON. Er ist Vorsitzender des Aufsichtsrates der Deutsche Lufthansa AG und war in den letzten 20 Jahren Mitglied in verschiedenen Aufsichtsgremien – darunter der Bertelsmann AG, Verizon Communications Inc., USA, und der BMWAG. Er war Finanzvorstand von Lufthansa, Vorsitzender der Geschäftsleitung der Merck KGaA, der Baden-Badener Unternehmergespräche und des Wirtschaftsbeirats des Goethe Instituts. Kley ist Honorarprofessor der WHU – Otto Beisheim School of Management und Vorsitzender des Kuratoriums der Fritz Thyssen Stiftung.

www.dva.de

KARL-LUDWIG KLEY

KLAR ZUR WENDE

So können wir das Steuer bei Klima und Energie noch rumreißen

ZEHN UNGEHALTENE REDEN

Deutsche Verlags-Anstalt

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Copyright © 2024 Deutsche Verlags-Anstalt in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München

Umschlaggestaltung: Büro Jorge Schmidt, München

Umschlagabbildung: © Thomas Pirot / laif

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

ISBN 978-3-641-31945-8V001

www.dva.de

Inhalt

Kapitel 1: Die Energiewende und das Wasserbett

Oder: Warum das Gute manchmal besser ist als das Beste

Kapitel 2: Eine Stromwende macht noch keine Energiewende

Oder: Bewährte Technologien und neue Netze bringen uns schneller voran

Kapitel 3: Im Rausch der Rotoren?

Oder: Vom langen und verschlungenen Weg der Windenergie

Kapitel 4: Energie, die von Feldern und Balkonen kommt

Oder: Warum Photovoltaik den Anschluss an intelligente Netze und kluge Politik braucht

Kapitel 5: Wundermittel Wasserstoff?

Oder: Von der Science-Fiction-Vision in die Wirklichkeit

Kapitel 6: Des Pudels Kern

Oder: Wie wir mit dem Atomausstieg unsere Zukunft riskieren

Kapitel 7: Versorgungssicherheit in der Tiefe erkunden

Oder: Fracking als unterschätzte Brückentechnologie

Kapitel 8: Auf dem Weg zur Speicherwende?

Oder: Alte Geister und neue Notwendigkeiten

Kapitel 9: Ganzheitlich Energie sparen

Oder: Jenseits von Steckdosen und Gaszählern

Kapitel 10: Wer will schon in die Röhre schauen?

Oder: Wie wir unser Energiesystem resilienter machen

(K)ein Schlusswort: Worüber wir streiten sollten. Und wie.

Kapitel 1 Die Energiewende und das Wasserbett

Oder: Warum das Gute manchmal besser ist als das Beste

Wer sich in diesen Tagen mit der Energiewende beschäftigt und mit den vielen Diskussionen, die darum geführt werden, der denkt wahrscheinlich nicht an die Reifen seines Autos. Warum auch? Das eine hat mit dem anderen wenig zu tun. Aber bei genauerem Hinsehen findet sich eine interessante Gemeinsamkeit – das Problem des Zielkonflikts. Beim Reifen wird in dieser Hinsicht klar und anschaulich, was bei der Energiewende viele übersehen: dass es bei ein und derselben Sache um sehr unterschiedliche Prioritäten gehen kann. Und zwar gleichzeitig.

Klar ist im Falle des Reifens zunächst einmal: Mit seiner Hilfe kommt die Kraft des Antriebs auf die Straße. Allerdings passiert das auf einer Fläche, die kaum größer ist als eine Postkarte. Genauer gesagt auf vier solcher Flächen. Wo Reifen und Straße einander berühren, wird aus Antriebsenergie Bewegungsenergie.

Damit kommt den Reifen eine weit größere Bedeutung zu, als unsere durchschnittliche Aufmerksamkeitsspanne für dieses Fahrzeugteil vermuten lassen würde. De facto hängt unser Leben davon ab, dass die Reifen genau das leisten, wozu sie konzipiert sind; dass sie nämlich unsere Bodenhaftung sicherstellen – bis an die Grenzen des physikalisch Machbaren.

Was aber ist das physikalisch Machbare? Die Frage ist auf den ersten Blick leicht zu beantworten. Denn ausgehend von den heute zur Verfügung stehenden Kautschuk-Mischungen und anderen »Zutaten« der modernen Reifenproduktion ist es ein Leichtes, Autoreifen so zu gestalten, dass sie ein Maximum an Haftung garantieren, mehr als wir im Alltagsgebrauch jemals wirklich benötigen. Aber so werden Reifen nicht entwickelt, jedenfalls nicht die Serienreifen für unsere Pkw. Denn die Aufgabe der Reifeningenieurinnen und -ingenieure ist wesentlich komplexer. Neben der Haftung insbesondere bei Nässe müssen sie sich noch um einige andere Eigenschaften ihres Produktes kümmern, weil wir als Konsumentinnen und Konsumenten darauf mindestens ebenso viel Wert legen. Auf den Komfort zum Beispiel, der wiederum mit dem Rollwiderstand zu tun hat und gleichzeitig den Energieverbrauch des Fahrzeuges beeinflusst. Denn was nutzt uns ein Reifen mit herausragenden Sicherheitseigenschaften oder super Energieeffizienz, wenn man darauf unterwegs ist wie die Flintstones in ihrem Steinzeitmobil: steinhart? Ein anderer Aspekt betrifft Haltbarkeit und Verschleiß. Schließlich will sich niemand alle paar Monate neue Reifen zulegen.

Das Problem dabei ist, immer wenn man eine der Eigenschaften verbessert, bedeutet das automatisch eine Verschlechterung bei mindestens einer der beiden anderen. Deshalb spricht man vom »Magischen Dreieck« der Reifenentwicklung. Perfekt auflösen lässt es sich nicht. Stattdessen müssen wir uns mit Kompromissen zufriedengeben. Mit Kompromissen allerdings, die sich sehen lassen können. Denn unter dem Strich sind wir mit unseren Reifen recht komfortabel und zugleich sicher unterwegs. Und auswechseln müssen wir die »Füße unserer Autos« so selten, dass wir kaum noch über sie nachdenken – obwohl sich das lohnen kann: besonders energieeffiziente Reifen sparen rund 7,5 Prozent Sprit.

So wie bei den Reifen ist es in vielen Bereichen – nicht nur in der Technik. Im Finanzwesen zum Beispiel gibt es das »Magische Dreieck« der Geldanlage. Es beschreibt das Spannungsverhältnis zwischen Sicherheit, Liquidität und Rendite. Oder denken Sie an das Dreieck aus Kosten, Zeit und Aufwand in der Projektsteuerung. Die Volkswirtschaft hat es sogar mit einem »Magischen Viereck« zu tun, das in letzter Zeit gar zum Sechseck erweitert wurde: Stabile Preise, hohe Beschäftigungsquote, stetiges Wachstum und außenwirtschaftliches Gleichgewicht sind kaum je in gleichem Maße zu realisieren. Noch schwieriger wird es, wenn Umweltschutz und gerechte Einkommensverteilung hinzukommen. Und auch die Energie, um die es in diesem Buch geht, hat ihr magisches Dreieck: Klimaschutz, Sicherheit und Bezahlbarkeit – auf nichts davon können und sollten wir verzichten. Aber alle drei Ziele gleichzeitig zu erreichen, ist alles andere als leicht.

Eine solche Liste der »magischen« Drei-, Vier- oder Sechsecke ließe sich noch lange fortsetzen. Und weil das so ist, liegt ein ganz grundsätzlicher Gedanke nahe – dass alles, was wirklich wichtig ist, auch kompliziert ist. Mindestens aber komplex. Einfache Lösungen gibt es nur für einfache Fragen. Das Wesen der für uns Menschen relevanten Dinge hingegen folgt so gut wie nie den Gesetzen der binären Logik. Eindeutigkeit ist meist eine Täuschung.

Stattdessen haben wir es ständig mit Zielkonflikten zu tun und können perfekte Lösungen allenfalls anstreben. Wenn es dann gut läuft, nähern wir uns über die Zeit einer zwar nicht optimalen, aber doch alles in allem zufriedenstellenden Lösung an. Besser wird es nicht. Und diese Erkenntnis entmutigt viele Menschen. Nach dem Motto: Warum soll ich mich anstrengen, wenn es am Ende ja doch kein perfektes Ergebnis geben wird? Die Antwort lautet: Damit es so gut wird, wie es eben geht.

Und selbst das verlangt uns viel ab. Denn um uns in den zahlreichen Zielkonflikten unseres Lebens zu entscheiden, müssen wir immerzu abwägen: Was ist uns wichtig? Und was vielleicht noch wichtiger? In privaten Dingen entscheiden wir das oft intuitiv, aus dem Bauch heraus. Bei Entscheidungen, die unser Zusammenleben in einer Gesellschaft oder gar auf diesem Planeten betreffen, empfiehlt sich das weniger. Hier ist rationale Güterabwägung gefragt.

Im öffentlichen Diskurs sollte es darum gehen, wer welche Gründe für oder gegen ein Vorhaben anführen kann. Und wie tragfähig diese nach den Gesetzen der Vernunft jeweils ausfallen. Dabei aber gilt: Ein vernünftiger Grund ist nicht schon deshalb und automatisch der einzig richtige. Es mag zu einer strittigen Frage mehrere Antworten geben, die vernünftigerweise richtig sind. Mal kann es sinnvoll sein, die Haltbarkeit eines Reifens in den Vordergrund zu stellen. Mal können gute Gründe für mehr Energieeffizienz sprechen. Das heißt: Worauf es ankommt, ist die Güte des Urteils und der vorausgegangenen Abwägung. Und die wiederum hängt von der Frage ab: Wie kommt ein Urteil zustande? An welchen Kriterien orientiert man sich?

Auf diesem Gebiet kann man grob zwei Denkschulen unterscheiden. Die einen halten ein Urteil und daraus folgende Handlungen erst und nur dann für gut, wenn es auf Maximen beruht, die sich vernünftigerweise nicht bestreiten lassen und die man deshalb – nach der Idee von Immanuel Kant – jederzeit zum Prinzip einer »allgemeinen Gesetzgebung« machen könnte. Hat man zum Beispiel jemandem etwas versprochen, muss man es halten. Ganz unabhängig von den jeweiligen Umständen und den Folgen einer solchen Haltung. Warum? Weil das Brechen von Versprechen die Institution des Versprechens selbst auflösen würde, was wiederum niemand wollen kann. Menschen, die so denken, sind äußerst prinzipientreu und eher wenig pragmatisch.

Die andere Denkschule kümmert sich nicht so sehr um das Prinzip und interessiert sich eher für die Folgen einer Handlung. Für sie ist das am besten, was am meisten nutzt. Deshalb kann man ein Versprechen in dieser Sichtweise durchaus auch mal brechen, wenn dadurch ein anderes wichtiges Ziel erreicht oder ein großer Nachteil vermieden wird. Das klingt zwar einleuchtend, bringt aber auch Probleme mit sich. Denn oft weiß man ja vorab gar nicht so genau, welche Folgen eine Handlung in der Zukunft haben wird. Und: Auch wenn eine Entscheidung großen Nutzen bringt, kann es ja doch sein, dass sie für einige Menschen mit – möglicherweise erheblichen – Nachteilen verbunden ist. Soll man das etwa ignorieren?

In der Praxis bleibt es deshalb schwierig, das eigene Urteil wirklich »wasserdicht« zu begründen. Wir müssen unsere Entscheidungen immer wieder in beide Richtungen auf die Probe stellen, indem wir uns fragen: Sind die Prinzipien solide, die wir unserem Entschluss zugrunde legen? Und: Wie gut können wir die Folgen verantworten, die unsere Entscheidung aller Voraussicht nach haben wird?

Im Fall der Energiewende, um die es in diesem Buch geht, werden beide Fragen im öffentlichen Diskurs zu selten gestellt. Und noch seltener gut beantwortet. Stattdessen verstricken sich die Kombattanten immer wieder in einen aussichtslosen Streit der beiden Positionen. Die einen positionieren sich als Vertreterinnen und Vertreter einer »reinen Lehre« und tun schlicht so, als gäbe es die vielen »magischen Vielecke« des Lebens gar nicht. Um den Klimawandel zu stoppen, stellen sie Maximalforderungen, die überwiegend ökologische Aspekte in den Blick nehmen. Wirtschaftliche und soziale Gesichtspunkte hingegen spielen für sie eine eher untergeordnete Rolle. Die anderen wiederum nehmen genau das zum Vorwand, um den Klimaschutz auf die möglichst lange Bank zu schieben und am Status quo vorerst nicht rütteln zu müssen.

Dabei ist auch und gerade rund um die Energiewende klar: Eine einfache oder perfekte Lösung wird es nicht geben. Wohl aber könnten wir zu »ziemlich guten« Kompromissen kommen. Erinnern wir uns: Auch in Sachen Energie haben wir es mit einem magischen Dreieck zu tun – genauso wie die Reifenhersteller, Volkswirte und alle anderen, die sich mit bedeutsamen Fragen beschäftigen. Dem Trilemma aus Klimaschutz, Sicherheit und Bezahlbarkeit.

Und nichts daran ist neu. In den vergangenen 50 Jahren gab es immer wieder Umwälzungen in der Energiepolitik. Auch viel Hin und Her, viel Vor und Zurück. Mal stand die Versorgungssicherheit im Mittelpunkt, mal der Verbraucherschutz, also die Bezahlbarkeit. Und in den letzten zwei Dekaden immer mehr Klima- und Umweltschutz. Zwar sind wir auf diesem Gebiet ein gutes Stück vorangekommen: Kein anderer Wirtschaftszweig in Deutschland hat in den zurückliegenden vier Jahrzehnten einen größeren Beitrag zur CO2-Reduktion geleistet als die deutsche Energiewirtschaft. Besonders der Ausbau der erneuerbaren Energiequellen hat dazu geführt, dass die Emissionen aus der Energieproduktion in diesem Zeitraum um 50 Prozent sanken, während beispielsweise der Verkehrs- oder Immobiliensektor seit Jahren bestenfalls auf der Stelle tritt.

Aber auch wenn wir heute knapp 50 Prozent unseres Stroms aus Sonne, Wind und Biomasse gewinnen, haben wir damit noch keine wirklich überzeugende Antwort auf das Trilemma der Energiewirtschaft insgesamt gefunden. Gemessen am Endenergieverbrauch machen die Erneuerbaren sogar nur 20,4 Prozent aus. So wie wir es bisher angehen, ist die Energiewende also weder eine ökonomische Erfolgsstory, noch bringt sie Versorgungssicherheit. Und: Auch ökologisch werden wir auf dem bisherigen Pfad nicht schnell genug ans Ziel kommen, um einen wirksamen Beitrag zum Klimaschutz leisten zu können.

Wie ließe sich das ändern?

Wer das herausfinden will, muss sich jeden einzelnen Aspekt des Trilemmas gründlich ansehen und fragen: Welche Ziele verfolgen wir jeweils im Einzelnen? Und wie könnten wir sie erreichen, ohne mit den Anforderungen aus den jeweils anderen Aspekten allzu sehr in Konflikt zu geraten?

Richtig und wichtig ist dabei, mit dem ökologischen Aspekt zu beginnen. Konkret bedeutet das: mit dem 1,5-Grad-Ziel aus dem Pariser Klimaabkommen von 2015. Und leider sind sich hier mittlerweile fast alle Expertinnen und Experten einig: Dieses Ziel ist realistisch nicht mehr zu erreichen. Zumindest sind wir eindeutig nicht auf einem Pfad, der für das Erreichen dieses Zieles reicht. Wir müssten auf globaler Ebene das Ruder deutlich herumreißen. Danach sieht es aber gerade nicht aus. Allein der russische Angriff auf die Ukraine hat dazu geführt, dass weltweit wieder deutlich mehr Kohle verbrannt wird, um Strom zu erzeugen – mit den bekannten Folgen für das Klima. Auch in China entstehen immer noch neue zusätzliche Kohlekraftwerke. Anstatt nun aber angesichts dieser alarmierenden Aussichten alles zu tun, um die CO2-Emissionen so schnell und so effizient wie möglich zu senken, verzetteln wir uns in den angesprochenen »Schwarz-Weiß-Diskussionen«.

Auf der einen Seite stehen dabei jene, die den Nutzen entsprechender Anstrengungen überhaupt in Frage stellen. Sie betonen die globale Dimension des Problems und sagen: Wenn ein Land wie Deutschland ohnehin nur für rund zwei Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich ist, dann lohnt sich der beträchtliche Aufwand einer Energiewende nicht. Stattdessen sollen andere Länder mit einem größeren Anteil am weltweiten CO2-Ausstoß in Vorleistung gehen – gerne mit technologischer Unterstützung westlicher Industriestaaten.

Diese Position übersieht allerdings gleich zwei wichtige Aspekte. Und zwar sowohl innerhalb der Nutzen-Logik als auch in prinzipieller Hinsicht. Was Ersteres betrifft, so muss man sich nur einmal vorstellen, die Welt der Staaten wäre eine Fußballmannschaft. Völlig selbstverständlich würden wir erwarten, dass jeder einzelne Spieler seinen Beitrag zu einem möglichen Sieg leistet. Und ebenso selbstverständlich würden wir es verwunderlich finden, wenn sich ein Verteidiger plötzlich an die Seitenlinie setzen würde – mit der Begründung, sein Beitrag zum Erfolg betrage ohnehin nur ein Elftel. Das Spiel müssten die anderen gewinnen.

Hinzu kommt, dass einer solchen Haltung – auf dem Fußballfeld ebenso wie in der internationalen Gemeinschaft – auch vertragspraktische Gründe entgegenstehen. Deutschland hat sich im Pariser Klimaabkommen dazu verpflichtet, alles in seiner Macht Stehende zu tun, um die eigenen CO2-Emissionen auf ein bestimmtes (dem 1,5-Grad-Ziel dienendes) Maß zu begrenzen. Das Nutzen-Argument geht also an dieser Stelle de facto ins Leere. Denn der angestrebte Nutzen kann ja eben nur erreicht werden, wenn alle Unterzeichner-Staaten (analog zu den Fußballspielern) ihren vereinbarten Beitrag leisten. Was sie im Übrigen auch angesichts ihrer historischen Verantwortung tun. Denn die gegenwärtige Problemlage ist ja wesentlich durch die überproportionale CO2-Belastung seitens der Industrieländer in den zurückliegenden rund 200 Jahren entstanden.

Andererseits ist es natürlich legitim, zu fragen: Wie weit genau gehen denn derartige Verpflichtungen? Welche Lasten können einem einzelnen Akteur legitimerweise auferlegt werden, um Ziele der Allgemeinheit zu erreichen? Stellen Sie sich etwa vor, bei einem Winterspaziergang kommen Sie an einem See vorbei. Sie beobachten, dass dort gerade ein Kind ins Wasser gefallen ist, und es ist offensichtlich – ohne Ihre Hilfe kann es nicht überleben. Dann ist zunächst einmal natürlich klar: Hier müssen Sie helfen, vielleicht sogar dann, wenn diese Hilfe für Sie selbst mit Risiken verbunden ist.

Doch so moralisch eindeutig diese Position auf den ersten Blick aussieht – im wirklichen Leben legen wir einen solch strengen Maßstab in der Regel nicht an. Würde es in dem Beispiel etwa tatsächlich zum Tod des Kindes kommen und der Spaziergänger vor Gericht angeklagt, könnte man ihm wahrscheinlich zwar unterlassene Hilfeleistung zur Last legen. Das Gericht müsste bei der Urteilsfindung aber auch den Grundsatz berücksichtigen, dass es niemandem per se zugemutet werden kann, sich selbst zu belasten oder in existenzielle Gefahr zu begeben, um andere vor ebensolchen Gefahren zu retten. Mit anderen Worten: Das Gericht würde vermutlich davon ausgehen, dass eine Güterabwägung im Sinne eines magischen Vielecks durchaus legitim ist – wer ohne Chance auf Rettung eines Opfers ins Wasser springt und dabei selber ertrinkt, hat nicht verantwortungsvoll, sondern kopflos gehandelt.

In diesem Kontext interpretiere ich auch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Klimaschutz-Pflicht des Staates vom Frühjahr 2021. Es fordert, die Freiheitsrechte künftiger Generationen zu gewährleisten und dabei zugleich in legitimer Weise unsere aktuellen Interessen zu wahren. Wollen wir diesen Grundsatz beherzigen, ist es von hoher Bedeutung, die Debatte um Klimarettung und Energiewende differenzierter anzugehen. Immer mit der Leitidee: Machbarkeit statt politischem Wirrwarr.

Gerne wird in diesem Zusammenhang das Narrativ vom First Mover vorgetragen. Es besagt: Entschlossene Energiewendepolitik schützt das Klima und bringt gleichzeitig einen wirtschaftlichen Vorteil für Industrie und Wirtschaft. Das Zauberwort dafür heißt Technologieführerschaft bei Schlüsselkompetenzen der Energiewende, wie beispielsweise Wasserstoff, Batterieproduktion oder Speicherverfahren. Einzige Herausforderung: Die Industrie muss nur schnell genug beim Aufbau entsprechender Technologien voranschreiten.

Damit das klappt, gibt es dann Rufe nach Subventions- und Förderprogrammen, die die Mehrkosten für Unternehmen decken und im Ergebnis der Welt zeigen sollen, dass klimaneutrale Technologien, made in Germany, verfügbar sind und die industrielle Transformation machbar ist – wenn man nur Spitzentechnologie für Klimaneutralität aus Deutschland importiert. Die Beweisführung für eine erfolgreiche Umsetzung dieser Strategie allerdings fehlt leider.

Tatsächlich funktionieren kann derartig »lenkende Industriepolitik« bestenfalls, sofern die dafür bereitgestellten Mittel beträchtlich sind und dazu zielgerichtet und langfristig verlässlich erfolgen. So wie jüngst im Falle des Inflation Reduction Act der Biden-Regierung in den USA. Damit fördern die Amerikaner ganz gezielt das Wachstum einer neuen »Klimaindustrie« in ihrem Land – und das mit deutlich weniger Bürokratie als hierzulande.

Aber auch in Deutschland kennen wir – im Prinzip – vergleichbare, wenn auch wesentlich bescheidenere Ansätze. Mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) sind wir zu Beginn der 2000er-Jahre in die Subvention der Solarindustrie eingestiegen. Als diese Subventionen für Anlagenbetreiber ein Jahrzehnt später aber deutlich reduziert wurden, zeigte sich sofort das Problem derartiger »Industriepolitik«: Das süße Gift der Subvention hatte dazu geführt, dass der Markt boomte und die Panel-Hersteller sich nicht um effiziente Produktionsverfahren kümmerten. Erst als die chinesischen Anbieter mit Dumping-Preisen den europäischen Markt fluteten und gleichzeitig die EEG-Umlage für die Anlagenbetreiber deutlich geringer ausfielen, war Wettbewerbsfähigkeit für die deutschen Panel-Hersteller plötzlich ein Thema – doch leider zu spät.

Das Ergebnis: Vom ehemaligen internationalen Marktführer in Sachen Solartechnologie sind wir im Wettbewerb auf einen der letzten Plätze abgestiegen – ohne jede Aussicht, den verlorenen Boden je wiedergutmachen zu können. Besser wäre es gewesen, die Mittel mehr auf Forschung und Entwicklung zu konzentrieren – dort sind wir stark und ist der Hebel größer.

Hinzu kam: Den Steuerzahler kostete die nach diesem Prinzip eingeleitete Energiewende weit mehr als ursprünglich veranschlagt. Hieß es erst noch, derartige Förderung koste die Stromkunden nicht mehr als eine Kugel Eis im Monat (so der damalige Umweltminister Jürgen Trittin von den Grünen), belasteten bald Steuern, die EEG-Umlage und ein ganzer Strauß weiterer Subventionen die Strompreise mit über 30 Milliarden Euro im Jahr. Die Eiskugel ist also in Wahrheit ganz schön teuer geworden.

Das EEG macht deutlich, wie verlockend die Idee staatlich gesteuerter Industriepolitik im Dienst hehrer Ziele auch sein mag, subventionierten Märkten fehlt oft die Wettbewerbsfähigkeit. Oder, um im oben erwähnten Bild zu bleiben: Es besteht die Gefahr, dass sowohl das Kind als auch der Retter ertrinken.