Kleine Briefe - Bediuzzaman Said Nursi - E-Book

Kleine Briefe E-Book

Bediuzzaman Said Nursi

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Beschreibung

Gibt es ein Leben nach dem Tode? Wo liegen die Hölle und das Paradies? Und warum wurde der Mensch aus dem Paradies ausgewiesen? Kann jemand Muslim sein ohne zu glauben? Warum lässt Gott auch unschuldige Menschen, sogar Tiere leiden? Gibt es eine absolute Gerechtigkeit? Diese und hunderte weitere essenzielle Fragen werden in dem über 6.000 Seiten starken Gesamtwerk Risale-i Nur des bedeutenden Gelehrten Bediuzzaman Said Nursi (1877-1960) beantwortet. Das Werk gilt als einer der originellsten und außergewöhnlichsten Korankommentare, die je verfasst wurden. Das Buch Mektubat - Die Briefe - ist ein Kernstück dieses Werkes. Es wurde bereits in viele Sprachen übertragen, auch auf Deutsch sind mehrere Übersetzungen erhältlich. Kennzeichnend für unsere Ausgabe Kleine Briefe zu großen Geheimnissen des Korans (Briefe 1-15) sind: ein besonderes Augenmerk auf Verständlichkeit unter Berücksichtigung des türkisch-osmanischen Ursprungstextes, Kommentare, Kurzportraits der wichtigsten Personen und Erklärung von über 200 Fachbegriffen, ohne die sich der Text dem Laien kaum erschließt, eine Verknüpfung des Textes sowohl mit dem Leben in der Gegenwart als auch mit historischen Quellen. Produktinformation Broschiert: 288 Seiten (Kunstleder-Einband) Verlag: Define (5. Juli 2016) Sprache: Deutsch ISBN-10: 3946463023 ISBN-13: 978-3946463023 Größe und/oder Gewicht: 14 x 2,4 x 21 cm

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Kleine

Briefe

zu großen Geheimnissen des Korans

Mit einem umfangreichen Kommentar von Maximilian Friedler

Bediuzzaman Said Nursi

Kleine Briefe zu großen Geheimnissen des Korans

Copyright © Define Verlag, 2019

Es ist nicht gestattet, Teile dieses Buches zu scannen, in PCs oder auf CDs zu speichern oder in PCs/Computern zu verändern oder einzeln oder zusammen mit anderen Vorlagen zu manipulieren, es sei denn mit schriftlicher Genehmigung des Verlags.

Erschienen im Define-Verlag

Korrespondenz:Wilhelmstr. 26-30 Haus 24 - 13593 BerlinTel: +49 69 / 83-83-8000

www.deinbuchshop.de

DIJITAL ISBN:978-3-946463-02-3

Einleitung

Bediuzzaman Said Nursi - ein Mensch sui generis

Vielleicht ergeht es ja jedem so, der einleitende Worte zu einem Werk schreiben möchte, dessen Verfasser eine Persönlichkeit war, die ihre eigene Lebenszeit weit überstrahlt hat. Ich persönlich jedenfalls empfinde diese Aufgabe als eine sehr schwierige Herausforderung. Über die Person, das Leben und die Visionen von Bediuzzaman Said Nursi wurden bereits mehrere dicke Bände verfasst. Da diese aber bisher nur zu einem geringen Teil in unsere Sprache übertragen wurden und das vorliegende Werk Kleine Briefe definitiv einer Einleitung würdig ist, möchte ich im Folgenden zumindest einige wenige Gedanken zur Person und zum Werk dieses Lehrmeisters zu Papier zu bringen.

Said Nursi war ein Universalgelehrter, der in den 83 Jahren seines Lebens viele ganz unterschiedliche Rollen einnahm und sich in keine Schublade stecken ließ. Er war ein ungewöhnlicher, einzigartiger Mensch, weshalb ihm seine verblüfften Lehrer schon im Alter von 14 Jahren aufgrund seines Genies und seines starken Gedächtnisses den Beinamen Bediuzzaman (der Einzigartige des Zeitalters) verliehen. Bediuzzaman war eine Persönlichkeit sui generis im klassischen Sinne, höchst facettenreich und kaum zu kategorisieren. Um Ihnen in dieser kurzen Einleitung dennoch einen ersten Eindruck von seinem Wirken zu vermitteln, möchte ich mich ihm auf zwei Ebenen nähern: in seiner Eigenschaft als Mensch und in seiner Eigenschaft als Verfasser und Autor des Werkes Risale-i Nur. Zwangsläufig überlappen sich diese beiden Ebenen in vielen Punkten, trotzdem werde ich den Versuch unternehmen, ein wenig zu differenzieren.

Der Mensch Said Nursi

Bediuzzaman Said Nursi wurde im Jahr 1876 oder 1877 in dem kleinen Dorf Nurs in der Provinz Bitlis geboren, einer Kurdenregion des Osmanischen Reichs, und er starb 1960 in der türkischen Stadt Urfa. Fast jede Szene seines Lebens spiegelt den Sinngehalt seines Beinamens Bediuzzaman wider. Diese Einzigartigkeit, die ihn von der Kindheit bis zum Tod auszeichnete, bot genügend Substanz für einen Roman von fünf Bänden, und verfilmt wurde sein Leben mittlerweile auch bereits mehrfach. Wer die frühen Werke des Alten Said studiert (Alter Said nannte er selbst die erste Phase seines Wirkens), wird feststellen, dass er sich zunächst als ziviler Bürger unermüdlich engagierte. Er beschäftigte sich intensiv mit Politik und Gesellschaft des Osmanischen Reichs sowie auch beispielsweise mit den Medien. Und gerade aus heutiger Sicht ist es erstaunlich, wie differenziert und aufrichtig er mit den Turbulenzen seiner Zeit umzugehen pflegte. Kein Zorn ließ ihn den Verstand verlieren, keine Grausamkeit verleitete ihn zu unmenschlichem Handeln. Nursis aufopferungsvoller Einsatz bei der Rettung armenischer Kinder und seine freimütige Kritik an den politischen Umständen weisen ihn als zutiefst ehrlichen, uneigennützigen Menschen aus. Eine empfehlenswerte Lektüre dazu ist der Dreizehnte Brief dieses Buches.

Die Literaten unseres Lichterlandes Europa sind zumeist geneigt, die historischen Personen politisch zu kategorisieren. Daher gehört es dazu, einige Zeilen über die politische Haltung des Lehrmeisters zu diskutieren.

Schon lange bevor das Osmanische Reich zusammenbrach, wurde Said Nursi mehrmals aufgrund seines Eintretens für eine parlamentarische Monarchie bzw. später wegen seines Republikanismus verhaftet. Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass er den Sozialismus als weniger schädlich für Glauben und Religion befand als den Kapitalismus, der mit seinen Ungerechtigkeiten und seiner Konsumorientiertheit die Menschen davon abhalte, über den Sinn ihres Lebens nachzudenken und ihren religiösen Pflichten nachzukommen. Über 50 Jahre lang stand er immer ausdrücklich auf Seiten der Demokraten in der Türkei, was ihn nicht daran hinderte, wenn nötig auch Stellung gegen explizit islamische Parteien zu beziehen. Wie aus dem Dreizehnten Brief hervorgeht, übte er scharfe Kritik an all jenen, die den Islam zu propagandistischen, parteipolitischen Zwecken missbrauchen, wofür er von zeitgenössischen Gelehrten wie oder Scheych ul-Islam Mustafa Sabri Efendi gerügt wurde. Seine Prinzipientreue bewahrte ihn immer wieder davor, sich von bestimmten Gruppen vereinnahmen und ausnutzen zu lassen. Folglich verbietet es sich auch, ihn als ausschließlich konservativ-liberal oder sozialistisch-konservativ zu definieren.

Der Autor und sein Werk, das Risale-i Nur

Das Risale-i Nur (Botschaft des Lichtes) liegt uns deshalb so am Herzen, weil es die islamischen Wissens- und Glaubensinhalte so einfach und gleichzeitig so tiefgründig und originell auf den Punkt bringt, wie kein anderes Werk in der islamischen Literatur es je vermocht hat. Die Glaubensinhalte des Islams finden heute sowohl in der Minderheits- als auch in der Mehrheitsgesellschaft kaum mehr Beachtung, da sich Medien und Öffentlichkeit auf Debatten um Terror, Kopftuch oder Schwimmunterricht fokussieren. Es ist verwunderlich, dass selbst in unserem Land, dessen Abend doch von Renaissance und Aufklärung erhellt wurde, fast ausschließlich über die sichtbaren Ausdrucksformen oder die geografischen Erscheinungsformen dieser Religion und der Religion allgemein diskutiert wird.

Noch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts stand der Kerngehalt der Religionen, Weltanschauungen und Credos ganz oben auf der Agenda. Die großen Theorien beherrschten die Gedankenwelt, sie trugen zur Eskalation der politischen Debatte bei und entfesselten schreckliche Kriege. Angespornt von den Ausführungen dialektischer Materialisten wie Karl Marx und Friedrich Engels gewann das Proletariat in einigen Ländern die Oberhand über die Kapitalbesitzer, und damit verbunden streckte sich eine aggressiv-atheistische Ideologie nach der Weltherrschaft. Zwar können die Kriege jener Zeit nicht als Konfessionskriege bezeichnet werden, aber der Kerngehalt des Glaubens stand aufgrund des aggressiven Atheismus stets auf der Agenda. Glaube und Religion wurden vom Materialismus kategorisch abgelehnt. Und alle Glaubensrichtungen – Judentum und Christentum ebenso wie Buddhismus oder Islam – waren von dieser Bedrohung betroffen.

Auf der politischen Ebene brachen große Monarchien wie das Kaiserreich, die K.-u.-k.-Monarchie und das Osmanische Reich zusammen, und während in Europa die Nationalstaaten auf der politischen Landkarte auftauchten, waren es auf der Landkarte des ehemaligen Osmanischen Reichs eher ‚fiktive‘ Nationen. Und Letztere sollten noch lange unter dem Joch des kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Kolonialismus ächzen. Eine bipolare Welt zwischen Kapitalismus und Kommunismus war entstanden.

Parallel zu dieser Entwicklung beschäftigte sich Said Nursi in seinem Opus magnum Risale-i Nur intensiv mit den Kerninhalten des Glaubens, dem Sinn des Lebens, der Quelle der Ethik und einer Erneuerung des Islams. Ganz im Gegensatz übrigens zu den zeitgenössischen Islamgelehrten, deren ganze Konzentration nach der Abschaffung des osmanischen Kalifats den politischen Auseinandersetzungen und Verwicklungen galt.

Die Themen des Risale-i Nur, ein Überblick

Das Risale-i Nur beginnt mit der Auslegung der ersten Worte des Korans -Bismillāh, im Namen Gottes -, deren Bedeutung bis dato nahezu alle Muslime quasi als Selbstverständlichkeit hingenommen hatten. Said Nursi hingegen wusste ihnen Inhalte zu entnehmen, die niemandem zuvor in den Sinn gekommen waren. Seine Ausführungen zur Besmele sind eine vom Koran inspirierte Lektüre, die in ihrer Beweisführung die Entstehungsprozesse in der Natur ebenso berücksichtigt wie das gesellschaftliche und persönliche Leben des Menschen. Es gelingt ihm scheinbar mühelos, den Gehalt der Besmele auf eine umfassende, sinnbeladene und originelle Weise darzustellen, die für seine Leserinnen und Leser leicht nachvollziehbar ist.

Im Gegensatz zur klassischen Literatur des qīl we qāl, einer Sammlung von verschiedenen Lehrmeinungen, schildert er seine eigene Meinung zum Thema im Lichte eines Koranverses, ohne andere Meinungen und deren Vertreter ausdrücklich zu erwähnen. Ganz sicher ist das Risale-i Nur kein klassisches Tefsīr-Werk. Zwar verfasste Said Nursi während des Zweiten Weltkriegs einen arabischen Kommentar zu den ersten 33 Versen der Sure El-Baqara und zur Eröffnung des Korans, der unter seiner fachkundigen Leserschaft durchaus Resonanz fand. Doch damit auch das einfache Volk von seinem Werk profitieren konnte, bevorzugte er ansonsten die osmanische Sprache.

Von jenem Bismillāh über die Tahiyyēt, Friedensgrüße an den Schöpfer, bis hin zu Salawāt, Friedensgrüßen an den Propheten des Pflichtgebetes, behandelt Said Nursi in seinem Werk sechs Pfeiler des Credos/Īmān in aller Ausführlichkeit: den Glauben an den Schöpfer, die Engel, die offenbarten heiligen Schriften, die Propheten, den Jüngsten Tag und die Vorherbestimmung Gottes. Hinzu kommen noch die ersten drei Säulen des Islams: das Glaubensbekenntnis, das Gebet und das Fasten. Jedoch widmet sich Said Nursi diesen Themen anders, als es die Katechismen, die Bücher der islamischen Normlehre, üblicherweise tun. Bei ihm steht nie das „Wie?“ im Mittelpunkt der Betrachtung, sondern immer das „Warum?“. Oder mit anderen Worten: Ihm geht es stets darum, die Weisheit und den Sinn und Zweck jener Pfeiler und Säulen herauszuarbeiten, und das mit rationalen Argumenten, die sich dem Verstand erschließen. Wer im Risale-i Nur Informationen über gottesdienstliche Handlungen und deren formelle Gültigkeit bzw. Ungültigkeit sucht, wird enttäuscht werden. Wer hingegen erfahren möchte, woher man weiß, ob es überhaupt einen Gott gibt und welche Attribute Er besitzen soll, darf sich auf eine höchst anregende Lektüre freuen.

Eine thematisch geordnete Aufstellung zu einigen Fragen, die im Risale-i Nur aufgeworfen und beantwortet werden, folgt am Ende dieser Einleitung. Diese und Hunderte weitere Fragen mehr werden im Risale-i Nur ausführlich beantwortet. Den übrigen Säulen des Islams - Pilgerfahrt und Zekāt- hingegen räumt das Werk nur relativ wenig Platz ein (lediglich im Rahmen einer Abhandlung über Sinn und Zweck der Ambivalenz in der islamischen Normlehre). Wie an den unten aufgeführten Fragestellungen ersichtlich wird, sind die Themen des Risale-i Nur auch für die Menschen unseres Zeitalters von großer Relevanz.

Die Originalität von Nursis Werk

Der Originalität von Said Nursis Werk in vollem Maße gerecht zu werden, übersteigt meine intellektuellen Kapazitäten. Stattdessen möchte ich sie Ihnen exemplarisch am Beispiel seines Projekts der Gründung einer Universität, der Ez-Zehra-Universität in Van, verdeutlichen.

Said Nursi genoss zwar nur etwa drei bis vier Jahre lang eine Medrese-Ausbildung, aber schon in dieser extrem kurzen Zeit verdiente er sich den Titel eines Lehrmeisters - und eigentlich auch den Ehrenmantel, der den erfolgreichen Absolventen symbolhaft überreicht wurde. Weil er zu diesem Zeitpunkt jedoch erst 14 Jahre alt war und nicht einmal das Alter der Pubertät erreicht hatte, weigerten sich die Gelehrten des osmanischen Kurdistans, ihm den Mantel auszuhändigen. Fortan wurde Said Nursi zum Autodidakten. Im Gegensatz zu anderen Gelehrten fokussierte er sich nicht ausschließlich auf die islamischen Wissenschaften, sondern interessierte sich auch für Naturwissenschaften. Er beschäftigte sich mit Mathematik, Physik, Chemie, Biologie und Geografie und verfasste auch einige Abhandlungen auf diesen Gebieten. Zehn Jahre blieb er in der Stadt Van, und in dieser Zeit reifte in ihm der Entschluss, eine Universität zu errichten, in der neben den religiösen Wissenschaften sowohl Geisteswissenschaften als auch Naturwissenschaften unterrichtet werden sollten. Denn die Natur- und Geisteswissenschaften betrachtete er als „das Licht der Vernunft“ und die religiösen Wissenschaften als „den Strahl des Gewissens und des Herzens“. Die Wahrheit trete erst dann hervor, wenn diese beiden Lichter eine Verbindung eingehen. Said Nursi betonte auch, dass die Natur ein Buch Gottes sei, in dem sich Seine Kunstfertigkeit in all ihren Facetten widerspiegle. Die heiligen Bücher und insbesondere der Koran wiederum seien so etwas wie Zusammenfassungen des Buches der Natur.

Während er noch in der Medrese von Van unterrichtete, reiste er nach Istanbul, um für seine Universität zu werben. Van als Standort betrachtete er vor allem deshalb als ideal, weil es genau im Zentrum der Region von Aserbaidschan und Kaukasien, dem Irak, der Türkei und den kurdischen Gebieten lag. Der Name seiner Universität sollte Medreset ez-Zehrā lauten, und sie sollte ein Gegenstück zur berühmten Dschāmi‘el-Ezher in Kairo bilden. Zusammen würden die Absolventen von Ez-Zehrā und El-Ezher - so Nursis Vision - die ganze muslimische Welt befruchten und eine neue intellektuelle Aufklärung hervorbringen. Tatsächlich wurde sein Projekt genehmigt; einmal während der Regierungszeit von Sultan Mehmet Reşad 1914 und später erneut nach Gründung der Republik. Allerdings scheiterte es beim ersten Mal aufgrund des Zusammenbruchs in Folge des Ersten Weltkriegs, und beim zweiten Mal an der antiislamischen Politik der frühen Republik Türkei.

Said Nursi fand einen neuen Weg über die Brücke des alten Ilm el-kelām (der islamischen Philosophie). In diesem Sinne war er ein Usūl-Gelehrter, der sich jedoch nicht in die Einzelheiten, sondern in die Grundprinzipien des Glaubens vertiefte. Allerdings kann der Weg, den er im Risale-i Nur verschriftlicht, kaum als klassische Kelām-Literatur bezeichnet werden. Seine Koran-Interpretationen orientierten sich überwiegend nicht an der klassischen Auslegung, sondern stellen, wie bereits unterstrichen, eine Sinn-inspirierte Auslegung dar.

Said Nursis Ez-Zehrā-Projekt ließ sich zwar letztlich nicht realisieren, doch liest sich das Risale-i Nur wie das Curriculum dieser Universität. Es beinhaltet noch tiefgründigere Sinngehalte aus dem Bereich der Koranexegese als Zemachscherīs Werk El-Keschschāf und noch versöhnlichere Argumente aus dem Bereich der Aqīde (Glaubenslehre), als El-Matūridī und El-Esch’arī sie ins Feld führen. Es diskutiert El-Ghazzali und Descartes sowie eine Fülle von neuen Erkenntnissen aus dem Bereich der Gnostik (Irfān), insbesondere des Sufismus, und geht dabei sogar über die Werke von Ibn Arabī und Mewlānā Dschelāleddīn Rūmī hinaus. Kurzum, das Risale-i Nur baut auf dem reichen Vermächtnis der islamischen Literatur auf und entwickelt es weiter. Folglich kann es nicht überraschen, dass das Studium dieses Werks vom Laien große intellektuelle Anstrengungen erfordert.

Eine Erwähnung wert ist außerdem, dass Said Nursi prinzipiell jede Art von Extremismus mied und fast immer den Mittelweg, den Weg der Vernunft lehrte. Zudem verzichtete er generell auf Pauschalisierungen und differenzierte überall dort, wo es ihm geboten schien; in Bezug auf Europa zwischen dem Europa der Aufklärung und der christlichen Werte und dem Europa des Kolonialismus, des Atheismus und der Weltkriege. Oder in Bezug auf das Schiitentum zwischen der Schia des Kalifats und der Schia der Gottesfreundschaft; das heißt: zwischen all denen, die den Vorzug von Imām Ali vor den anderen Gefährten darin sehen, dass er der alleinige und einzig legitimierte Führer der muslimischen Gemeinschaft sei, und all denen, die den Vorzug des Imam Ali in seiner persönlichen Eigenschaft als Gottesfreund sehen, ohne den anderen Gefährten damit Unrecht zu unterstellen.

Daneben fördert das Risale-i Nur bei seinen Leserinnen und Lesern die Dialogbereitschaft, indem es sie dazu ermuntert, in vielen Bereichen des Lebens zusammenzukommen und miteinander zu reden. Said Nursi selbst scheute nie davor zurück, selbst die provozierendsten Fragen geduldig zu diskutieren. Das sollte auch jungen Musliminnen und Muslimen den Mut geben, aufgeschlossen für andere Standpunkte zu bleiben.

Die Entstehungsgeschichte des Risale-i Nur

Das Risale-i Nur Gesamtwerk wurde größtenteils zwischen 1926 und 1953 niedergeschrieben, in einer Zeit, in der sich Said Nursi insbesondere mit den wichtigsten Themen des islamischen Credos und der islamischen Ethik befasste. Da seine Schriften damals von der Ein-Partei-Regierung in der Türkei verboten wurden, musste ihre Vervielfältigung handschriftlich erfolgen, anfangs durch Lesekreise in Nachbarstädten, später in ganz Anatolien. An dieser anspruchsvollen Aufgabe beteiligten sich Frauen, Männer, Kinder und alte Menschen, Bauern ebenso wie Unternehmer. Bis 1950 dürften sage und schreibe ca. 700.000 Exemplare in osmanischer Schrift auf diese Weise vervielfältigt worden sein. Über 800 Klagen gegen das Werk wurden vor Gericht verhandelt und ausnahmslos abgewiesen. Ende der 50er Jahre - Said Nursi war damals noch am Leben - wurde das Risale-i Nur erstmals auch in türkisch-lateinischer Schrift herausgegeben und im mündlichen Vortrag auf Korrektheit überprüft.

Letzten Endes etablierte sich Said Nursis Ez-Zehra-Universität also in den Herzen und Köpfen der Bewohner Anatoliens, auch wenn sie sich als Institution nicht wie geplant realisieren ließ.

Zu unseren Kleinen Briefen, die Sie gerade in Händen halten

Das Gesamtwerk des Risale-i Nur umfasst ein breites Spektrum der Glaubenswissenschaften. Vermutlich hatte Said Nursi ursprünglich gar nicht beabsichtigt, sein Wissen in dieser Form zu Papier zu bringen, als er sich aktuellen Problemen seiner Gesellschaft widmete oder auf die Fragen seiner Schüler einging. Letzteren schickte er seine Antworten als Briefe oder Abhandlungen und kontrollierte anschließend, ob sie mit deren Inhalt auch etwas anfangen konnten. Auf diese Weise entstand eine Art Feedback-Literatur, die er später in Teilen auch als Anhänge (Lâhikalar) zum Gesamtwerk veröffentlichen ließ.

Einige Briefe oder Strahlen wie beispielsweise der Vierzehnte Brief wurden allerdings überhaupt nicht niedergeschrieben. Weiterhin fehlen der Fünfundzwanzigste Brief, in dem er die ersten 25 Verse der Sure Yā-Sīn kommentieren wollte, der Dreißigste Brief, in dem er 30 Teilkapitel des Korans zusammenzufassen gedachte, der Zweiunddreißigste Brief, der eigentlich den Titel „32 Flammen“ tragen sollte, oder auch der Achtzehnte Blitz, dessen Abfassung er zukünftigen Schülern des Risale-i Nur überließ. (Auch mit anderen zunächst noch lückenhaften Passagen im Risale-i Nur verfuhr er ähnlich und legte ihre Bearbeitung zukünftigen Schülern ans Herz).

Diese Vorgehensweise zeigt auch, dass Said Nursi ganz bewusst einem Lehrplan folgte, der seine Schülerinnen und Schülern zur aktiven Mitarbeit anregte und sie dazu motivierte, das Risale-i Nur auch als ihr eigenes Produkt zu betrachten und daran mitzuarbeiten. Dieser Ansatz wiederum sprengte den Rahmen einer bloßen Feedback-Literatur. Er eröffnete ganz neue Dimensionen und bestätigt im Nachhinein den einzigartigen Charakter der Lehrtätigkeit Said Nursis. Insofern ist das Risale-i Nur einerseits ein Produkt, andererseits aber auch ein Prozess.

Die Briefe wurden zwischen 1929 und 1934 verfasst. Bediuzzaman ging es in diesen kleinen Briefen also zunächst einmal darum, die Fragen seiner Schüler zu beantworten. Daher sind sie in einem sehr persönlichen Stil gehalten, der keineswegs die Absicht erkennen lässt, sie irgendwann in der Zukunft einmal zu veröffentlichen und einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Zwischen 1926 und 1930 wurde bereits der Hauptteil der 33 Worte verfasst. Er galt den Schülern als das Hauptwerk ihres Lehrmeisters. Doch als Oberst Hulusi Yahyagil, der erste Adressat dieser Briefe und sein erster Schüler im Anschluss an das Exil, später diesen Wunsch äußerte, willigte Said Nursi ein und fügte dieser Sammlung noch weitere Briefe hinzu, die er nicht in Briefform, sondern als Abhandlungen verfasst hatte. Somit besteht das komplette Werk Briefe also aus 33 Briefen, die zusammen einen von insgesamt 12 Bänden des Gesamtwerks Risale i-Nur bilden.

Im Dezember 2014 war es mein Ausgangspunkt und Ziel, die ersten 18 dieser 33 Briefe möglichst originalgetreu zu übersetzen und mögliche Unklarheiten durch Anmerkungen in einem Fußnotenapparat zu beseitigen. Die Briefe wählte ich deshalb, weil ich all jenen jungen Musliminnen und Muslimen, die sich für die Botschaft des Korans interessieren, eine verhältnismäßig ‚leichte Kost‘ aus dem Gesamtwerk Risale-i Nur zur Verfügung stellen wollte. Diese Einstiegsbriefe sind zudem im Vergleich zu den folgenden kürzer und für Laien leichter verständlich.

Zu diesem Zweck versammelten wir uns mit einer Gruppe von Autoren und Laien zunächst für drei Tage, in denen wir von morgens bis abends gemeinsam an der Übersetzung arbeiteten. Dennoch gelang es uns nicht, mehr als drei Seiten des Originals in einer ersten Version zu übertragen. Offensichtlich waren wir zu diesem führen Zeitpunkt einfach noch nicht in der Lage gewesen, den Sinngehalt des Textes vollständig zu ‚verdauen‘. Bei dieser geringen Geschwindigkeit bestand natürlich die Gefahr, auf halber Strecke kapitulieren zu müssen. Also entschieden wir uns, uns auf 15 Briefe zu beschränken. Von nun trafen sich einige Mitglieder dieser Gruppe regelmäßig jeden Montag im Büro des Main-Donau Verlags, um unser ambitioniertes Projekt fortzuführen. Zuweilen waren wir lediglich zwei Editoren, und manchmal blieb ich auch ganz auf mich allein gestellt. Doch schlussendlich gestattete uns Gott der Allmächtige, unsere Arbeit erfolgreich zu beenden.

Vorgehensweise im Detail

Wie genau gingen wir bei unseren Sitzungen vor? Zunächst lasen wir den jeweiligen Brief zusammen im Original, bevor ich als Gruppenältester versuchte, Said Nursis Ausführungen erst allgemein und dann Satz für Satz zu erläutern. Danach begannen wir, die einzelnen Sätze zu übersetzen. Zur Feststellung des genauen Wortlauts verwendeten wir für osmanische Begriffe das Wörterbuch von Karl Steuerwald, für arabische Begriffe das Online-Wörterbuch El-Ma‘ānī und für persische Begriffe das Online-Wörterbuch Wāje-yāb. Als genauso wichtig erwies sich jedoch die Recherche nach unbekannten Wörtern in den übrigen Bänden des Risale-i Nur; denn ähnlich wie Immanuel Kant und G. W. F. Hegel entwickelte auch Said Nursi seine eigenen Begrifflichkeiten, und es war unumgänglich, deren Gebrauch auch an anderen Stellen seines Werkes zu prüfen. Manche Wörter stellten uns auf eine harte Geduldsprobe. Beispielsweise brauchten wir vier Stunden um herauszufinden, dass Said Nursi das Wort Yay (wörtlich: Bogen), das in keinem Wörterbuch verzeichnet war, im Sinne von „Weblitze“ gebraucht. Kaum weniger aufwendig war die Suche nach dem Wort Vesīka (wörtlich: Urkunde), das hier die Bedeutung „Freizügigkeitsurkunde“ trägt.

Wir folgten für unsere Ausgabe einem Mittelweg zwischen wortgetreuen und sinngemäßen Übersetzungen. Kein literarisches Werk kann in eine andere Sprache übertragen werden, ohne dass es an Sinngehalt einbüßen würde. Das Risale-i Nur, das nicht nur literarisch, sondern auch inhaltlich dem Erbe der ganzen islamischen Literatur Rechnung trägt, stellt in diesem Zusammenhang eine noch größere Herausforderung dar. Im Originalwerk finden sich zahlreiche Schachtelsätze und zum Teil sehr komplexe literarische Stilmittel. Die Leserschaft von heute hingegen ist so pragmatisch, dass sie mit diesen Sätzen und Stilmitteln wenig anfangen kann. Folglich lag uns in erster Linie am Herzen, unseren Leserinnen und Lesern den Sinngehalt unseres Werkes näherzubringen. Zu diesem Zweck unterteilten wir wo nötig Schachtelsätze in zwei oder drei Sätze und bevorzugten eine zeitgenössische, verständliche Sprache. Wo ein literarisches Stilmittel verwendet wurde, wiesen wir in der Fußnote darauf hin. Die Gedichte hingegen versuchten wir, in Reimform und im Vergleich zum Text freier zu übersetzen.

Anschließend präsentierten wir unseren Entwurf unserem geschätzten Lektor Wilhelm Willeke, der ihn mit fachkundiger Kompetenz und ausgeprägtem Sprachgefühl lektorierte. Dieses Lektorat durch einen ‚Außenstehenden‘, der nicht in die Übersetzungsarbeit aus dem Original involviert war, warf naturgemäß weitere Fragen auf, die wir erneut diskutieren mussten.

Als ein Forscher und Leser, der sich seit über 26 Jahren mit dem Gesamtwerk Risale-i Nur befasst, fühlte ich mich von der vermeintlich so leichten Kost abermals überwältigt, weshalb ich über einige Stellen nächtelang darüber brütete und manchmal erst Monate später darauf kam, was Said Nursi gemeint haben könnte. Fordernd waren besonders der Zehnte Brief, in dem es um das Wesen der Zeit, Imām mubīn und Kitāb mubīn geht. Darüber hinaus waren die Lektüre über den Standort der Hölle, die Allegorie unseres Jahrhunderts, der Huldigungssermon der Sterne sowie der Dritte Brief so tiefgründig, dass man leicht zwischen den Zeilen ertrinken konnte. Doch selbst in solchen Tiefen spürten wir den Geist von Lehrmeister Bediuzzaman, der unseren Verstand wie ein Steinadler packte und in schwindelerregende Höhen trug, von denen aus wir unseren Blick über die unentdeckten Täler und Wälder des Korans schweifen lassen konnten. Neben diesem spirituellen Beistand scheuten wir aber auch nicht davor zurück, professionelle, sachliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Beispielsweise für die Übersetzung des Wortes Demā im Gedicht über das Gottvertrauen bei der Mevlana-Universität Konya; mein Lösungsvorschlag hatte unser Team nicht überzeugen können.

Unsere besondere Wertschätzung galt den sachdienlichen Kommentaren von Abdullah Aymaz und der Übersetzung von Davud Korkmaz, die uns als leuchtende Wegweiser dienten. Da wir aber felsenfest davon überzeugt sind, dass sich Said Nursis Inspiration hauptsächlich aus dem Koran und der Sunna speiste, konsultierten wir für unsere Kommentare in der Regel immer zuerst die relevanten Verse und Hadithe. Dabei imponierte uns immer wieder von Neuem, wie Said Nursi in einem einzigen Absatz gleich mehrere Koranverse und Überlieferungen des Propheten zusammenfügt und sie auf die für ihn typische Weise kommentiert. Die Lektüre über den Standort der Hölle ist ein brillantes Beispiel dafür.

Eine weitere, noch hartnäckige Herausforderung unserer Arbeit bestand darin, dass Said Nursi offensichtlich bei seinen Schülerinnen und Schülern davon ausging, dass sie ein gewisses Basiswissen in Bezug auf den Koran und den Islam insgesamt besaßen. Den Musliminnen und Muslimen der Gegenwart hingegen ist dieses Wissen abhandengekommen, weshalb wir in unseren Anmerkungen zum Text über 250 Begriffe erläutern mussten. Ohne diese Erläuterungen könnte ein Laie an vielen Stellen des Werkes kaum nachvollziehen, was der Autor meint oder was ihm wichtig ist.

Überschriften, Zwischenüberschriften, Quellenangaben, Fußnoten und Kommentare

Ein Teil dieser Briefe wurde im Originalschriftwechsel des Lehrmeisters mit seinen Schülern von ihm selbst betitelt. So ist die Überschrift des Sechsten Briefs - „Über die Fremde“ (Gurbet Mektubu)- eine Eigenbezeichnung des Autors, die wir ins Deutsche übersetzt haben, und auch die Überschrift des Fünfzehnten Briefs „Ein großes Elixier“ (Bir iksir-i a’zam)- wurde vom Autor selbst gewählt.

Andere Überschriften, in eckigen Klammern dargestellt, wurden von uns eingefügt, um den Inhalt der jeweiligen Briefe kurz und bündig wiederzugeben. Hinzu kommen mancherorts Zwischenüberschriften in eckigen Klammern, die ebenfalls von uns stammen, um die ‚intellektuelle Verdauung‘ zu erleichtern und das inhaltliche Gewicht hervorzuheben. An einigen Stellen mögen diese Zwischenüberschriften als störend für den Lesefluss empfunden werden, doch darf man nicht vergessen, dass die Lektüre des Risale-i Nur nicht mit der eines Zeitungsartikels zu vergleichen ist.

Benennung des Werkes

Wie bereits erwähnt, hatten wir uns anfangs vorgenommen, die ersten 18 Briefe zu übersetzen, ehe wir unser Studium dann aus praktischen Gründen auf 15 Briefe beschränkten. Erst nachdem wir die Übersetzung und den Kommentar dieser 15 Briefe beendet hatten, begannen wir über einen passenden Namen für unser Buch nachzudenken. Umso mehr freute ich mich, als ich dann in dem Werk Fihrist lesen durfte, dass Said Nursi selbst diese ersten 15 Briefe als die „Kleinen Briefe“ bezeichnete und sie dadurch mit den „10 Kleinen Worten“ verglich. Dieser Tevâfuk- diese Fügung - überzeugte uns sofort. Sie war ein weiteres Indiz dafür, dass die feine Seele unseres Lehrmeisters nach wie vor über unsere Arbeit und sein Werk wacht. Somit stand unser Titel fest: Kleine Briefe. Und auch der Untertitel ist vom Autor selbst inspiriert, weil er das Risale-i Nur einmal folgendermaßen charakterisierte: Esrâr-i Kur’aniyeye dair yazılan sözler- Worte, die zu Geheimnissen des Korans verfasst werden. Daraus ergab sich also: Kleine Briefe zu großen Geheimnissen des Korans.

Danksagung

Mein erster Dank geht an Ugur Baykan und Osman Özdemir, zwei regelmäßige Mitglieder unserer Übersetzerrunde, und an Mehmet Oyran, der uns sehr unterstützte, indem er unsere Entwürfe kontrollierte. Nachdem bereits an unserer ersten dreitägigen Sitzung zahlreiche Freunde teilgenommen hatten, kamen in späteren Sitzungen noch weitere wie Yasin Cakir, Mehmet Koc und Samet Er hinzu, teils um mitzuhören, teils um mitzudiskutieren. Ich möchte sie hier alle namentlich erwähnen, auch diejenigen, die nur einmal dabei waren: Erdogan Karakaya, Fatih Yigit, Jens Walther, Metin Aysel, Muhammed Akdag, Numan Sarrac, Osman Akintürk, Sedat Hindi, Wilfried Irslinger, Yahya Isenmann, Yavuz Aydemir.

Besonders danken möchte ich darüber hinaus unseren Freunden Arhan Kardas, Abdullah Kulac und Wilhelm Willeke, die bei der Realisierung dieses Projekts mit Rat und Tat zur Seite standen; nicht zu vergessen auch unseren Geschäftsführer Metin Akbas, der von Anfang bis Ende häufig bei uns saß, um uns seine Solidarität zu bekunden.

Dieses Buch ist ein Versuch, die verborgenen Schätze des Risale-i Nur zu entdecken, ein kleiner mangelbehafteter Spiegel, der eine große strahlende Sonne reflektiert. Mögen unsere Übersetzung und unser Kommentar sowie auch der selbstlose Einsatz der Mitglieder unserer Gruppe das Wohlgefallen des Erhabenen, Barmherzigen Einen finden. Alles, was in dieser Arbeit zutreffend dargestellt ist und was sie fruchtbar machen könnte, verdanken wir Ihm. Alles, was sich im Nachhinein als unzutreffend und unzureichend herausstellen mag, ist meinen Unzulänglichkeiten geschuldet, für die ich unsere Leserinnen und Leser nicht nur um Verzeihung, sondern auch um Korrektur bitten möchte.

Elias Maximillian Friedler

Berlin-Spandau, 13. April 2016

Fragen zum Schöpfer

Warum kann es nur einen Gott geben?Wofür stehen Monismus, Pantheismus und Wahdet el-wudschūd?Könnte nicht auch die Natur Gott sein?Welche Attribute, Eigenschaften und Namen besitzt Gott?Ist Gott tatsächlich allmächtig?Wie kann aus Einheit solch eine so unglaubliche Vielfalt entstehen?In welcher Relation zueinander stehen Ursache und Wirkung?Warum befindet sich alles im Universum permanent im Wandel?Welche praktische Bedeutung hat der Glaube an einen Schöpfergott?Wie lässt sich Glaube definieren?Warum ist die Liebe die Raison d᾿être des Universums?Warum sucht Gott auch unschuldige Menschen und Tiere heim?Ist Gott ungerecht und unschön?

Fragen zum Menschen

Weshalb sind alle Geschöpfe Geschwister der Menschen?Warum ist die Liebe das Bindeglied zwischen Geschöpfen und Schöpfer?Kann aus medschāsī-Liebe wahre Liebe erwachsen?Weshalb ist die Barmherzigkeit der Liebe überlegen?Warum wird der Mensch auch als ‚kleines ‚Universum‘ bezeichnet?Sind die Handlungen des Menschen determiniert und prädestiniert, oder handeln wir aus freiem Willen?Welche Verantwortung trägt der Mensch für sein Handeln?Warum wurden die Menschen einst aus dem Paradies ausgewiesen, und warum sollen einige von ihnen später in der Hölle landen?Warum sind Wissen und Erkenntnis für die Entfaltung der menschlichen Potenziale essenziell?Welche kognitiven Prozesse spielen sich im Gehirn ab?Welche psychischen Mechanismen prägen den Menschen? Haben wir überhaupt einen Geist oder eine Seele?Wodurch zeichnet sich das menschliche Ego aus, und welchem Zweck dient es? Wie überwindet man seine Trägheit und Faulheit?Warum stehen Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit jeder erdenklichen Tugend im Wege?Warum wird man krank? Welchen Zweck erfüllt Krankheit?Wie lässt sich unsere beschränkte Lebensspanne auf Erden ‚verewigen‘?

Fragen zu den Propheten

Sind Propheten Übermenschen?Warum muss es Propheten geben?Welche Aufgaben haben die Propheten?War Muhammed ein Prophet?Welche Argumente beweisen die Prophetenschaft Muhammeds?Welche Wunder haben die Propheten und insbesondere der Prophet Muhammed gewirkt, und warum haben sie sie gewirkt?Wie wichtig sind die Hadithe und die Sunna des Propheten Muhammed für die Muslime?

Fragen zu Auferstehung und Jenseits

Bedeutet der Tod das Ende des Lebens, oder gibt es ein Leben nach dem Tod?Werden Mensch und Tier einst mit Körper und Geist auferstehen?Liegt der Weltuntergang wirklich im Bereich des Möglichen? Und falls ja, wem ist damit gedient?Lässt sich das Leben nach dem Tod vielleicht mit der Natur erklären?Welchen praktischen Nutzen bietet der Glaube an das Jenseits und das Jüngste Gericht?

Fragen zu Natur und Universum

Wie ist ein Atom beschaffen, und warum sind die Atome ständig in Bewegung?Wie spiegeln sich Gottes Attribute und Namen in der Schöpfung wider?Was kennzeichnet das Wesen der Natur, und was liegt jenseits von ihr?Haben auch Tiere eine Seele und einen eigenen Willen?Sind die Berge, Täler und Flüsse lebendig?Ist die Erde eine ‚Person‘?Wie entsteht die Zeit?Welche Funktionen erfüllen die Sterne?

Fragen zu den Offenbarungen und zum Koran

Kann Gott sprechen oder kommunizieren, und falls ja in welcher Form?Hat Gott tatsächlich mit Menschen gesprochen, und tut Er es auch jetzt noch?Was ist der Unterschied zwischen Offenbarung und Inspiration?Ist der Koran tatsächlich das Wort Gottes oder die Dichtung eines Menschen?Ist der Inhalt des Korans in sich verständlich, oder benötigt man die tradierte Literatur, um ihn richtig zu verstehen?Bestätigen die Aussagen des Korans und die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse einander, oder widersprechen sie sich?

Fragen zur religiösen Praxis

Warum sollte man beten?Benötigt Gott unsere Gebete?Welche Arten von Gebeten gibt es?Können auch Handlungen und Taten Gebete sein?Ist es nicht ermüdend, fünfmal am Tag zu beten?Warum richten sich die Zeiten der Pflichtgebete nach dem Stand der Sonne?

Fragen zur Ethik

Warum profitieren wir von Geschwisterlichkeit und positivem Denken?Weshalb sind Wahrhaftigkeit, Aufrichtigkeit und positives Handeln so wichtig?Darf man ein Schiff versenken, auf dem sich 99 Mörder und nur ein unschuldiger Mensch befinden?Worin unterscheidet sich die absolute Gerechtigkeit von der relativen Gerechtigkeit?Dürfen Menschen, die sich dem Dienst an Gott verpflichten, Lohn oder Gehalt für ihre Arbeit annehmen?Warum gibt es in der islamischen Normlehre so viele Rechtsschulen? Warum gilt eine Handlung in der einen Rechtsschule als erlaubt und in der anderen als verboten?

Fragen zur Gnostik

Können auch die Gottesfreunde (Heilige) Wunder wirken?Was versteht man unter Sufismus?Was ist das Sein, was ist das Nichtsein?Sind die Visionen der Gottesfreunde eine verbindliche Quelle?Kann man mit Geistern kommunizieren?

وَبِه۪ نَسْتَع۪ينُ

1

Erster Brief

[Über das Leben, den Tod, die Hölle und die Liebe]

بِاسْمِه۪ سُبْحَانَهُ، وَإِنْ مِنْ شَيْءٍ إِلاَّ يُسَبِّحُ بِحَمْدِه۪

Im Namen Gottes, des Erbarmers, des Barmherzigen.Ihn bitten wir um Unterstützung.

In Seinem Namen, gepriesen sei Er.1

Es gibt nichts, was Ihn nicht mit Seinem Lobpreis verherrlichen würde.

Dieser Brief besteht aus kurzen Antworten auf vier Fragen.

Frage eins: Ist der ehrwürdige Khidr2(῾aleyhisselēm) noch am Leben? Falls ja, warum wird dies von einigen bedeutenden Gelehrten nicht akzeptiert?3

Antwort: Er ist am Leben. Es gibt aber fünf Lebenssphären4, und Khidr befindet sich in der zweiten Sphäre. Deshalb zweifeln manche Gelehrte an seinem Fortleben.

Die erste Lebenssphäre ist unser Leben, in dem wir uns (hier und heute) befinden. Diese Lebenssphäre ist vielen Einschränkungen und Bedingungen unterworfen.

Die zweite Lebenssphäre ist das Leben von Khidr und Elias (῾aleyhimesselēm). Zu einem gewissen Grade herrscht in dieser Sphäre Freiheit, denn ihre Bewohner können sich an verschiedenen Orten gleichzeitig aufhalten und sind nicht an die Einschränkungen des Lebens gewöhnlicher Menschen gebunden. Zum Beispiel sind sie nicht dazu gezwungen, zu essen und zu trinken, können es aber tun, wann immer sie möchten.

Die Erlebnisse der Gottesfreunde5, die Augenscheinzeugen6 und spirituelle Entdecker7 sind, beleuchten, beweisen und bezeugen diese Lebenssphäre einmütig8.

Hinzu kommt, dass Gottesfreunde auf ihrer spirituellen Reise auch eine spirituelle Rangstufe oder Station (makām) passieren, die als Station des Khidr bezeichnet wird. Auf dieser Stufe treffen sie mit Khidr zusammen und werden von ihm persönlich unterwiesen. Allerdings kann es vorkommen, dass jemand, der sich gerade auf dieser Station aufhält, [von Außenstehenden] für die Person Khidr selbst gehalten wird.

Die dritte Lebenssphäre ist die der Propheten Jesus und Idrīs9(῾aleyhisselēm), die mit ihren physischen Körpern in den Himmel aufgefahren sind10, wo sie ein allen Notwendigkeiten des Lebens auf Erden enthobenes engelgleiches Leben führen und eine solche Feinheit und Leuchtkraft erlangt haben, dass sie Astralkörpern [bzw. Energiekörpern] ähneln.11

[Ein Exkurs über die Rückkehr Jesu]

In einer Überlieferung12 des Propheten Muhammed13(῾aleyhis salētu vesselēm) heißt es sinngemäß, dass Jesus (῾aleyhisselēm)