Kleine Gemeinschaften - Carmen Tatschmurat - E-Book

Kleine Gemeinschaften E-Book

Carmen Tatschmurat

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Beschreibung

Haben Klöster eine Zukunft? Zumindest in Europa kämpfen viele Gemeinschaften mit Überalterung, Mitgliederschwund und Nachwuchsproblemen. Neben den klassischen Großklöstern gab es jedoch schon immer kleine klösterliche Zellen, die ein ganz eigenständiges Modell geistlichen Lebens darstellen – und heute wieder zukunftsweisend sein können. Die Autorin Schwester Carmen Tatschmurat hat einige dieser kleinen Gemeinschaften besucht und mit den Schwestern und Brüdern gesprochen, die hier ihren Alltag zusammen meistern. Dabei wurde ihr deutlich, wie gut dieses Modell in unsere Zeit passt: klein, flexibel und hochspirituell. Jedes Mitglied ist voll verantwortlich, es gibt keine Nischen, in denen man sich verstecken kann. Gleichzeitig hat man unerwartet viele Gestaltungsmöglichkeiten, was das Leben in der Gemeinschaft, aber auch das Zusammenleben mit den Menschen im Umfeld angeht. Ein Buch voller Anregungen, die über den klösterlichen Bereich hinausreichen und Impulse für kleine Gruppierungen oder Gemeinschaften bieten, die sich zusammengeschlossen haben oder vorhaben, das zu tun.

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Seitenzahl: 257

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Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie. Detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Printausgabe

© Vier-Türme GmbH, Verlag, Münsterschwarzach 2024

ISBN 978-3-7365-0552-0

E-Book-Ausgabe

© Vier-Türme GmbH, Verlag, Münsterschwarzach 2024

ISBN 978-3-7365-0564-3

Alle Rechte vorbehalten

E-Book-Erstellung: Sarah Östreicher

Lektorat: Marlene Fritsch

Covergestaltung: Finken und Bumiller

Covermotiv: FOTO SALE/shutterstock

www.vier-tuerme-verlag.de

Carmen Tatschmurat

Kleine Gemeinschaften

Spirituelles Leben gemeinsam neu gestalten

Vier-Türme-Verlag

Inhaltsverzeichnis
Wozu dieses Buch?
Aufbau und Methode
Einige Vorbemerkungen
»Die Zukunft liegt bei den kleinen Gemeinschaften«
Die Dynamik des Anfangs
Spinat-Pfannenkuchenröllchen à la Schwester Josephine
Was nachklingt
»Sich selbst und die eigenen Möglichkeiten nochmal neu ausloten«
»Ordensleute für den Osten« – und was daraus heute geworden ist
Zupfkuchen als Mufins
Was nachklingt
»Ein Horchposten in der Welt«
Verbundenheit und Verbindlichkeit
Penne con funghi porcini secchi
Was nachklingt
»Eine geistliche Gemeinschaft hat nur dann eine existenzielle Berechtigung, wenn sie jedem hilft, seinen Weg zu Gott zu finden«
Das halb-eremitische Leben erproben
Nussecken à la Gabi, der wunderbaren Köchin in St. Romuald
Was nachklingt
»Den Urgemeindecharakter neu leben«
Mit der Cella mittendrin im Leben der Insel
Pancit – ein philippinisches Gericht
Was nachklingt
»Es ist wichtig, sich nicht konservieren zu müssen«
In Beziehung zum Ort und zur Geschichte Neues entstehen lassen
Aprikosenknödel (Merunkoví knedliky)
Was nachklingt
»Gott suchen, wo er nicht vermisst wird«
Eine »glückliche kleine Gemeinschaft«
Kartoffel-Bohnen-Eintopf mit Wechselburger Kümmelknackern
Was nachklingt
»Wir müssen die Zukunft des Ordenslebens von den kleinen Gemeinschaften her neu denken!«
Leben auf dem Berg und in der Welt
Gin Tonic Benedict nach Abt Jeremias Schröder
Was nachklingt
»Nicht: zu den Menschen gehen, sondern: bei den Menschen sein«
Benediktinisches Leben als Gestaltungsgrundlage
»Einmal essen – ein Mahl spenden«
Was nachklingt
»Wer geht, ist dem Weg ausgeliefert«
Ciabatta alla Karin
Was nachklingt
Gottes Wirken Raum geben
1. Verbindlichkeit in Freiheit, Freiheit in Verbindlichkeit
2. Beziehungsdynamik und menschliche Reife
3. Leitung bei flacher Hierarchie
4. Werkstätten und Baustellen für kreatives Gestalten
5. Klein sein und klein bleiben?
6. Drinnen und draußen
7. Von den Kleinen lernen?
8. Sich immer wieder neu erfinden
9. Der Geist des Herrn bewirkt Freiheit
Sind kleine Gemeinschaften nun ein Zukunftsmodell?
Glossar
Personenverzeichnis

Für Chiara, und alle, die mit ihr auf dem Weg sind.

Wozu dieses Buch?

Wie gestalten zwei, drei, vier Frauen oder Männer heute miteinander ein Leben, das spirituell geprägt ist? Diese Frage beschäftigt mich und meine Mitschwestern der Abtei Venio in München seit 2007, als wir eine Neugründung in Prag wagten. Hoffnungsvoll dachten wir, es werden sich regelmäßig neue Frauen anschließen und bald wird die Gemeinschaft selbstständig ihren Weg gehen. Das hat sich nicht bewahrheitet, bis heute lebten dort nie mehr als sechs Schwestern. Inzwischen freuen wir uns, dass wir uns nicht getrennt haben, sondern als eine kleine und eine größere Gemeinschaft an zwei Orten im Austausch leben.

Kleine klösterliche Zellen gab es schon immer. Sie sind ein ganz eigenständiges Modell geistlichen Lebens. Wir verbinden sie nur allzu leicht mit frommem Einsiedlertum und längst vergangenen Zeiten. Dagegen möchte ich zeigen, wie gut sie in unsere Zeit passen: klein, flexibel und hochspirituell. Jedes Mitglied ist voll verantwortlich, es gibt keine Nischen, in denen man sich verstecken kann. Und es gibt Gestaltungsmöglichkeiten. Die 1500 Jahre alte Regel des heiligen Benedikt kann neu ausbuchstabiert werden und ihre Kraft kann sich gegenwartsbezogen entfalten. Oder, wie es Abtpräses Jeremias im Gespräch sinngemäß formulierte: Die Gemeinschaften, die überlebt haben, haben sich immer wieder neu erfunden. In unserer Vorstellung sind sie (immer noch) »Sonderfälle«, in ganz vielen Gesprächen, nicht nur in den hier dokumentierten, hört man jedoch, dass die Zukunft in kleinen, überschaubaren Gemeinschaften liegt. Ich bin überzeugt, dass es zukünftig mehr kleine Gemeinschaften mit deutlich unter zehn Mitgliedern geben wird, ja, dass das wohl die Zukunft der Klöster – zumindest in Europa – sein wird. Das ist nicht zu bedauern, sondern erst einmal zu konstatieren. Als Benediktinerin und zugleich Soziologin geht es mir darum, zu fragen, was das bedeutet.

Das vorliegende Buch soll Anregungen geben, die über den benediktinischen Bereich hinausreichen, und Impulse setzen für kleine Gruppierungen, Gemeinschaften, Personen, die sich auf der Basis einer anderen Spiritualität oder von gemeinsam geteilten Werten zusammengeschlossen haben oder vorhaben, das zu tun. Die Erfahrungen, die in den Gesprächen formuliert wurden, geben dazu viel Stoff.

Ich habe mich im deutschsprachigen benediktinischen Raum auf die Suche gemacht. Ich suchte keine Gemeinschaften, die einmal groß waren und nun mit einer kleinen Gruppe alter Mönche oder Schwestern in viel zu großen Gebäuden zurechtkommen müssen. Mein Fokus liegt auf Gruppierungen, die in den vergangenen Jahren bewusst als Cella, als klösterliche Wohngemeinschaft, die außerhalb der großen Klöster und mit deren Unterstützung gegründet wurde und die eher nicht beabsichtigt, wesentlich größer zu werden. Begonnen haben sie vor höchstens zwanzig bis dreißig Jahren, manche sind viel jünger. Sie leben kein »Notfallprogramm« und versuchen nicht, eine klassische Klosterstruktur vollständig mit einer Handvoll Menschen aufrechtzuerhalten, sondern sie leben das, wozu Benedikt uns anweist: Sie stellen sich auf die örtlichen und personellen Gegebenheiten ein.

Im Einzelnen haben mich folgende Fragen bewegt, dieses Projekt anzugehen:

Ist es nicht an der Zeit, Abschied zu nehmen von der Idee, dass Gemeinschaften beständig wachsen müssen? Eine Frage, die sich auch auf anderen Ebenen unserer Gesellschaft immer deutlicher aufdrängt. Wenn die Entwicklung eher hin zu kleinen Gruppen geht, dann vielleicht auch deshalb, weil diese sich weniger mit Strukturen und organisatorischen Notwendigkeiten beschäftigen müssen und eine ganz eigene Strahlkraft entwickeln können?Welche besonderen Chancen haben solche Gruppen, um die Spannung, die zwischen Individualität und Gemeinschaftsleben entsteht, gut zu bewältigen? Mit welchen Herausforderungen sind sie konfrontiert?Wie kann spirituelles Leben in einer kleinen Gruppe authentisch gelebt werden, ohne dass sich die Einzelnen überfordern? Entwickelt sich hier eine neue gemeinschaftliche spirituelle und kreative Lebenskunst, die mit mehr Freude und Zufriedenheit einhergeht?Ist das Wirken des Heiligen Geistes in unserer Zeit gerade hier leise und zugleich beharrlich am Werk?

Besucht bzw. interviewt habe ich neun benediktinische und eine ökumenisch ausgerichtete Gemeinschaft, die dem Benediktinischen nahesteht. Zwei davon in der ehemaligen DDR, eine in Prag. Benediktinisch deshalb, damit eine Variable weitestgehend allen gemeinsam ist: die Spiritualität, basierend auf der Regel Benedikts, sowie die Traditionen im weitesten Sinn. Vor allem verbindet alle das gemeinsame Stundengebet. Und natürlich, weil ich dazu einen leichten Zugang fand.

Zu Wort kommen drei Frauen- und vier Männergemeinschaften sowie eine, in der Männer und Frauen getrennt-gemeinsam leben (Reichenau). Als »Sonderfälle« habe ich die Propstei St. Gerold besucht, in der nur ein Mönch lebt, der das Benediktinische in sein Team hinein vermittelt, sowie das ökumenische Stadtkloster in Zürich. Auch einige der anderen Klöster sind eher Stadtklöster, wieder andere haben eine je besondere Lage, auf einer Felsspitze, auf einer Insel, in ruhiger Landschaft.

Aufbau und Methode

Jede Gemeinschaft wird zunächst kurz skizziert, auch so, wie ich sie bei meinem Besuch erlebt habe. Dann folgt eine leicht überarbeitete Fassung des Gesprächs, das ich geführt habe. Am Ende jedes Abschnitts steht ein kleines persönliches Fazit dessen, was mir gerade an diesem Ort wichtig geworden ist.

Als kleines Extra habe ich jede Gemeinschaft gebeten, mir ein Kochrezept von einem Gericht zu schicken, das sie gerne essen. Denn eines wurde bei meinen Besuchen deutlich: Das gemeinsame Essen spielt eine wichtige Rolle. Die Bandbreite der kulinarischen Vorlieben ist groß, und auch darin spiegelt sich, wie unterschiedlich die Benediktsregel gelebt wird.

Am Ende greife ich noch einmal meine Fragen auf und ziehe eine Schlussbilanz. Ein Glossar im Anhang soll denen helfen, die in der klösterlichen Terminologie weniger bewandert sind. Zudem finden sich dort die Daten zu den Personen, mit denen ich gesprochen habe. Diese folgen nicht einem strengen Schema, sondern sind überwiegend von den Menschen selbst formuliert worden.

Dieses Buch enthält kein ausführliches Methodenkapitel, es entspricht auch nicht strengen sozialwissenschaftlichen Kriterien. Es soll eher Impulse geben, solche und ähnliche Modelle an anderen Orten zu beleben. Dennoch erfordert es mein Selbstverständnis, kurz Rechenschaft darüber zu geben, wie ich methodisch forschend an dieses Projekt herangegangen bin.

Grundsätzlich habe ich nicht den Anspruch, quantitative Daten über das Leben in kleinen Gemeinschaften generell zu erheben. Mein Vorgehen ist in der Tradition der qualitativen Sozialforschung angesiedelt: Mit jeder Gruppe (und/oder der Person, die der Gemeinschaft aktuell vorsteht) habe ich ein ca. einstündiges offenes Interview mit teilstandardisiertem Frageleitfaden geführt, das ich transkribiert und nach Schwerpunkten, die sich mir persönlich gezeigt haben, ausgewertet habe. Soweit möglich, habe ich ein bis zwei Tage im Rhythmus der Gemeinschaft mitgelebt.

Bei der Auswahl der Gemeinschaften habe ich mich auf solche mit einer Gruppengröße von möglichst nicht mehr als fünf Personen beschränkt. In der Psychologie der Gruppe wird davon ausgegangen, dass das die adäquate Größe einer Kleingruppe ist. Sobald es sechs oder mehr Personen sind, gelten andere Gesetze, vor allem braucht es dann mehr verbindliche Strukturen. Interessanterweise gab der Abt von Camaldoli den Gründungsbrüdern seiner Cella (St. Romuald) die Devise mit: »Nicht mehr als vier!«

Der Hauptvorteil, den ich als Insiderin habe: Ich kann gezielt Fragen auf der Basis gelebten benediktinischen Lebens stellen. Wir sprechen die gleiche spirituelle Sprache. Ich verstehe Anspielungen und Subtexte eher, als mir das etwa bei Jesuiten oder anderen Ordensgemeinschaften gelingen würde. Mir ist klar, dass ich als Benediktinerin und als eine, zu deren Gemeinschaft ebenfalls eine Cella gehört, nicht neutral bin, sondern im besten Sinn parteilich. Damit stehe ich in der Tradition der Kritischen Theorie und vor allem der Sozialwissenschaftlichen Frauenforschung, die in den 1970er-Jahren das Konzept der Parteilichkeit entwickelt hat. Wichtig ist mir dabei, Bewertungen nicht unterschwellig einfließen zu lassen, sondern sie explizit und damit diskursfähig zu machen. Daher werde ich erst am Ende jedes Interviews einige persönliche Einschätzungen geben.

Nicht verhehlen möchte ich bereits hier, dass meine Sympathie den kleinen Gemeinschaften gilt – jeder konkret und dem Modell als solchem. Das mag auch damit zusammenhängen, dass ich es mit zunehmendem Alter als entlastend empfinde, wenn nicht so viel in Großgruppen über Strukturen und Veränderungen des Alltagslebens diskutiert werden muss. Aus meinem Berufsleben an der Katholischen Stiftungshochschule München kenne ich neben nicht enden wollenden Strukturdebatten auch dies: Jemand hat eine Idee, und ihm/ihr wird mit viel Vertrauensvorschuss gesagt: »Mach’s!« Dadurch sind äußerst wichtige Entwicklungen angestoßen worden.

Unvermeidlich haben wir – die Brüder und Schwestern, mit denen ich gesprochen habe, und ich – unter Umständen gemeinsam blinde Flecke in der Wahrnehmung der Realität. Ich habe mich bemüht, dies zu minimieren, indem ich Menschen aus anderen Bereichen meine Texte zu lesen gegeben habe.

Einige Vorbemerkungen

Neue Geistliche Gemeinschaften sind derzeit stark im Fokus, was Machtmissbrauch in Form geistlichen Missbrauchs wie auch sexualisierter Gewalt betrifft. Das ist aktuell in den Gemeinschaften, um die es mir geht, soweit ich das sehen kann, kein Thema. Die Strukturen der kleinen Gruppierungen sind nach außen offen und überschaubar, die Hierarchie ist eher flach, es gibt keine charismatischen Führungspersönlichkeiten und vor allem: Die Mitglieder selbst sind stark und selbstbewusst. Dennoch ist Wachsamkeit geboten, wenn Gemeinschaften beginnen sollten, sich nach außen zu verschließen. Wo Jugendarbeit in größerem Umfang angeboten wird, wurde ein Präventionskonzept erstellt.

In den Interviews habe ich meine Fragen und Anmerkungen, soweit ich sie im Text belassen habe, mit einem grauen Balken gekennzeichnet. Außer­dem habe ich einige Überschriften eingefügt, um die Lesbarkeit zu erleichtern. Im Interview habe ich die Namen der Beteiligten oft mit einem Buchstaben abgekürzt. Diese können im Personenverzeichnis am Ende des Buchs nachgelesen werden.

Alle, mit denen ich gesprochen habe, mit Ausnahme der Bewohner:innen des Stadtklosters Zürich, sind Mitglieder des Benediktiner:innenordens, ich habe daher das Kürzel OSB generell weggelassen.

Die Gespräche fanden im Frühjahr bis Sommer 2023 statt. Soweit möglich, habe ich aktuelle Veränderungen nachträglich mit aufgenommen.

Ich danke allen, die sich bereiterklärt haben, mit mir zu sprechen, die ihre Hoffnungen, Fragen und Sorgen mit mir geteilt haben, die mir Unterkunft gegeben und mit denen ich einige Tage, manchmal auf engstem Raum, ihr Leben geteilt habe. Manches kam zur Sprache, für das hier kein Raum sein konnte. Ich hoffe, dass ich durch die Ermutigungen, die in diesem Buch stecken, ihnen allen etwas zurückgeben kann.

»Die Zukunft liegt bei den kleinen Gemeinschaften«

KATHARINENKLOSTER, ANGERMUND/DÜSSELDORF

Die Gemeinschaft in Angermund wurde im September 2022 von den Schwestern vom Heiligsten Sakrament in Köln-Raderberg gegründet. Das Katharinenkloster ist die jüngste der Gemeinschaften, die ich besucht habe. Im August 2022 berichtete Sr. Emmanuela Kohlhaas auf der Tagung der »Vereinigung der Benediktinischen Oberinnen im deutschsprachigen Raum (VBD)« davon, dass es nun in wenigen Wochen mit der geplanten Neugründung der Schwestern aus Köln-Raderberg losgehe. Im September 2022 begann sie mit vier weiteren Schwestern in dem von den Dominikanerinnen aufgegebenen Kloster der heiligen Katharina von Siena in Düsseldorf-Angermund ein Leben nach der Regel des heiligen Benedikt. Aufbrüche und Neuanfänge dieser Art sind selten geworden und haben eine große Attraktivität bis hinein in die Medien. Und auch ich wollte die Gemeinschaft möglichst bald kennenlernen.

So fuhr ich im April 2023 nach Düsseldorf. Am Bahnhof wurde ich von Sr. Tabita in einem kleinen roten Auto abgeholt und konnte unterwegs schon ihre große Lebendigkeit und die Freude, Teil der Gründungstruppe zu sein, unmittelbar spüren. Angekommen, beeindruckte (und verwirrte) mich das unerwartet große Backsteingebäude, angelegt im Fünfeck, das, wie ich später bei einer der Hausführungen sah, mehr Stockwerke hat, als vermutet, da es auf mehreren Ebenen gebaut wurde.

Gerade mal sieben Monate lebten die Schwestern zum Zeitpunkt meines Besuchs dort und dennoch war bereits eine klare Alltagsstruktur und eine gewisse Ruhe eingekehrt, was die wesentlichen Säulen des Lebens betrifft: Gebet und Arbeit sowie Gästebetrieb. Daher war nicht nur eine Frau zu Exerzitien im Haus, sondern auch ein Mitbruder aus Israel auf Zwischenstopp von einem Heimaturlaub. Geplant sind ca. vierzig Gästezimmer, einige konnte ich bereits bewundern. Auch ich bekam ein fertig eingerichtetes Zimmer mit Blick ins Grüne. An vielen Stellen haben die Schwestern eigenhändig den Boden herausgerissen, Wände gestrichen und Reparaturen vorgenommen und werden so ganz nebenbei schrittweise zu kundigen Handwerkerinnen.

Die Gemeinschaft in Angermund ist keine Cella, sondern ein Monasterium – ein Kloster, das zwar momentan klein, aber auf Wachstum angelegt ist. Allerdings sagt Sr. Emmanuela, dass sie eine Begrenzung auf eine bestimmte Größe für sinnvoll hält. Derzeit sind sie zu sechst.

Außer Sr. Benedikta, der Seniorin, sind alle Schwestern zwischen fünfzig und sechzig Jahre alt. Für einen Neustart dieser Art braucht es Klostererfahrung und Lebensreife. Neben den Schwestern lebt ein Priester im Haus. Jan Opiéla ist kein Ordensmann, sie nennen ihn aber Bruder Jan. Er ist pensioniert und würde, wenn nicht hier, dann irgendwo allein ohne Anbindung leben müssen. Ein Glücksfall, denn er und die Schwestern kennen sich schon von Köln. Es ist eine Win-Win-Situation für alle – nicht nur, weil Bruder Jan sehr gut kochen kann.

Ideen für die Nutzung der zahlreichen Räume und des großen Gartengeländes gibt es derzeit viele, etwa in den Garagen einen Laden und ein Café einzurichten, ein Stockwerk an Studierende zu vermieten usw. Außerdem wurde Anfang September 2023 eine Praxis für Sr. Clara, die eine Ausbildung als Heilpraktikerin für Psychotherapie hat, eröffnet. Sr. Emmanuela wird mit ihrer Coaching-Qualifikation demnächst auch einsteigen. Das alles ist auch unter finanziellem Aspekt wichtig. Es wird sich im Prozess des gemeinsamen Suchens zeigen, was sich davon umsetzen lässt.

Die Dynamik des Anfangs

Gespräch mit der Oberin Sr. Emmanuela Kohlhaas

Ich finde euch sehr spannend und habe schon viele Eindrücke bekommen. Am meisten fällt mir die Dynamik auf, die euch alle auszeichnet.

Es ist wirklich spannend. Es macht auch total Spaß. Und es ist ein Irrtum zu meinen, das sei nur bei einer oder zweien so, es betrifft die ganze Gruppe. Bis jetzt hat diese Gruppe auch nicht einmal gewackelt, was die Grundentscheidung für Angermund betrifft. Es sind nun gut siebeneinhalb Monate, dass wir hier sind. Der »Zauber des Anfangs« vitalisiert natürlich auch sehr.

Wir arbeiten aber nicht nur. Wir haben auch schon eine Woche Exerzitien gemacht, das war wirklich gut. Wir sind ganz heruntergefahren. Jetzt machen wir gemeinsam vierzehn Tage Ferien hier vor Ort. Wir müssen das Haus auch in dieser Zeit irgendwie hüten. Wir werden in diesen Tagen hier ideorhythmisch unterwegs sein, sprich, außer der Messe am Sonntag und ab und an morgens früh – das wird nicht jeden Tag sein – ist jede frei und versorgt sich selbst. Für Sr. Benedikta versuche ich gerade noch etwas zu finden, wo sie sich wohlfühlt.

Aber auch das ist toll: Sr. Benedikta ist hier irgendwie fünfzehn Jahre jünger geworden. Sie hat sich im letzten Jahr extra noch ein neues Knie verpassen lassen.

Und wenn sie pflegebedürftig wird?

Das bekommen wir hin. Wir behalten sie auf jeden Fall hier. Sie hat ein großes Zimmer, und eventuell hilft ein Pflegedienst. Sie war übrigens die Erste, die sich gemeldet und gesagt hat, dass sie mitkommen möchte. Alle, die jetzt hier sind, haben sich aktiv gemeldet. Es war nicht nötig, überhaupt nur die Frage zu stellen, wer will mit – so weit ist es gar nicht gekommen. Es geht nur freiwillig. Wir machen bisher auch alles selbst.

Angestellte habt ihr keine?

Nein, vorläufig nicht, und unsere Vorgängerinnen hier im Haus hatten ebenfalls keine. Wir machen das tatsächlich urbenediktinisch, wie es in der Regel steht: Alle haben Küchendienst, außer Sr. Benedikta. Wir haben einen Plan für den Vormittag und den Nachmittag und das Wochenende. Das klappt super, weil die Zufriedenheit sehr groß ist. Es ist ja ein typisches Klosterproblem, wenn über das Essen gemault wird. So kann jede etwas einbringen. Was gekocht wird, ist sehr unterschiedlich, und jede hat ihre Spezialitäten. Natürlich wird sich das auf Dauer ändern, wenn mehr Menschen im Haus sind und die Arbeiten differenzierter werden. Aber an dem Punkt sind wir noch nicht.

Ich fand das heute zum Beispiel genial: Da sind Brötchen von einer Veranstaltung übrig, und dann isst man mittags und abends auch noch einmal davon. Das ist in größeren Gemeinschaften nicht denkbar.

Diese Lockerheit spüre ich in Bezug auf vieles. Zum Beispiel, wenn du nach dem Mittagessen spontan erzählst, was der Mensch gesagt hat, der sich die Heizung angeschaut hat. Da muss man nicht extra einen Konvent oder ein Kapitel einberufen, um etwas zu klären.

Abgleichen und Verändern

Ein anderes Beispiel: Diese Mini-Entscheidung heute morgen, das Regina Coeli nicht zu beten. Wir haben es in Köln immer ab der zweiten Osterwoche auf deutsch rezitiert. Heute Morgen, als ich das Gotteslob zückte, weil ich die Oration nicht auswendig kann, dachte ich: Muss das sein? Diese Mini-Querschaltung, einfach kurz in den Raum hinein gefragt: »Sollen wir nicht singen? Ist doch schöner!« Nicken. Genau das ist es, was für uns alle eine tolle Erfahrung ist.

Das geht natürlich nur in einer kleinen Gemeinschaft.

Ja. Ich glaube, mit über zehn wäre es schwierig. Und es geht nur in einer Gemeinschaft, die sehr stark mit einem gemeinsamen Ziel unterwegs ist. Das Ziel lautet hier ganz schlicht: monastisches Leben. Wir haben gemerkt, dass wir, ohne nachzudenken, irgendwie unser Modell mitgebracht haben. Jetzt sind wir pausenlos dabei, abzugleichen und zu verändern und abzugleichen und zu verändern ...

Die Statio (die Schwestern versammeln sich vor Beginn der Gebetszeiten stehend und schweigend im Gang vor der Kapelle bzw. Kirche, um dann feierlich einzuziehen) zum Beispiel macht keinen Sinn – danach brauchen wir hier gar nicht zu fragen. Unsere Kukullen hängen auch noch weitgehend ungenutzt im Schrank. Wir haben sie im Winter mal bei Minustemperaturen herausgenommen.

Auch da stand am Anfang dieses Austarieren, die Frage: Welcher Raum ist es denn jetzt, in dem wir beten wollen? Wir haben schnell gemerkt, wir können uns total mit dieser Kirche identifizieren, trotz ihrer so anderen Sitzordnung, also im Kreis statt nach vorne zum Altar orientiert und ohne Chorgestühl. Die Kirche ist ein ausgesprochener Glücksfall! Der Kapitelsaal mit seinem Chorgestühl aus unserem ehemaligen Bonner Kloster, das uns die Schwestern aus Eibingen, wo es nach der Auflösung von Bonn gelandet war, zurückgegeben haben, ist auch schön, den nehmen wir im Bedarfsfall. Gut, dass wir ihn haben, wenn es kalt ist oder wenn wir vielleicht eine Gruppe im Haus haben oder Dinge parallel laufen.

Es hätte zum Beispiel sein können, dass der Beerdigungsgottesdienst heute parallel zur Mittagshore liegt. Dann können wir die Mittagshore entweder jeder für sich oder nebenan oder später oder gar nicht beten. Es geht darum, gemeinsam zu entscheiden: Ja, das ist jetzt dran. Nicht nach Lust und Laune, sondern es passiert eher automatisch, aus dem Bedürfnis heraus, dass es laufen soll.

Wir sind vor unserem Aufbruch gefragt worden, ob wir jetzt erstmal ein Jahr oder zwei Jahre renovieren, bevor wir einziehen. Nein. Wir haben sofort losgelegt. Wirklich sofort. Der erste Gast kam drei Tage nach unserer Ankunft ins Haus, ein Benediktiner aus Ettal, der hier zu Hause ist. Seine Familie wohnt in Duisburg. Er kannte das Haus von Jugend an, hatte Spaß daran und war inzwischen schon ein zweites Mal da.

Ein anderes Beispiel: Die Vigilien beten wir nur am Samstag und vor Feiertagen. Wir praktizieren schon lange eine Kombi, die wir in Köln erfunden haben: Komplet und Vigilien, unser Nachtgebet. Da gibt es einen kleinen Fahrplan, der folgendermaßen aussieht: Wir greifen das Evangelium der Messe noch einmal auf, es sind zweimal fünf Minuten Stille dazwischen, wir beten dann auch nur eine Nocturn. Das war eine heiße Diskussion, als wir das einführen wollten. Wir haben damals gemerkt: Es gibt nur noch ganz wenige Gemeinschaften, die zwei Nocturnen beten. Wir haben es am Ende mehrheitlich so beschlossen, mit dem Preis, dass eine Gruppe die fehlende Nocturn noch separat gebetet hat. Ich weiß nicht, ob sie es jetzt noch tun in Köln. Wenn wir hier abends lange in der Rekreation sitzen – wir haben immer viel zu bereden und zu erzählen –, haben wir aber auch die Courage, nur die Komplet zu beten.

Wir hatten bei der Umstellung von Latein auf Deutsch eine Schwester, die alles nochmal extra auf Latein privat gebetet hat.

Das darf man dann auch gelassen nehmen. Ich habe mir dazu schon einmal in Köln erlaubt zu zitieren: »Du aber, wenn du betest, geh in deine Kammer, schließ die Tür zu; dann bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist! Dein Vater, der auch das Verborgene sieht, wird es dir vergelten« (Mt 6,6). Dann habe ich entschieden: »Aber nicht in der Kirche.« Niemand sollte öffentlich unter Druck gesetzt werden. Eine Schwester hat sich den Kapitelsaal ausgesucht und hatte noch ein oder zwei Mitstreiterinnen. Die Praxis stirbt aber aus, so etwas überwächst sich, das ist auch normal in einer Gemeinschaft.

Wir machen diese Kombi in einem als Nachtgebet, weil wir das Bedürfnis hatten, dass die Komplet das letzte Tagesgebet sein sollte. Ich kenne viele Gemeinschaften, die mit der Zeit für die Vigilien experimentiert haben: morgens, abends, vor oder nach der Komplet. Oft bleibt dennoch das Gefühl: Das ist unbefriedigend. Deshalb haben wir 2016 in Köln unser Nachtgebet »erfunden«, es hat sich seitdem bewährt. Wir haben es mit hierher genommen.

Wir haben das Glück, dass fitte, erfahrene Sängerinnen mitgekommen sind. Wir müssen bisher gar nicht groß üben, nur, wenn wir etwas Neues lernen. Wir singen das Chorgebet immer auf Deutsch, auch an Hochfesten. Das haben wir umgestellt und gemerkt, das ist gut so. Lateinische Antiphonale haben wir erst gar nicht angeschafft, wenn nötig, verteilen wir Zettel mit einigen Gesängen wie dem Rorate Coeli, den O-Antiphonen (vor Weihnachten) usw. Wir haben aber zehn Graduale (lateinisches Choralbuch) angeschafft und singen die Messe ab und zu an Werktagen daraus. Das ist dann auch schön, für uns und unsere Gäste.

Ein spiritueller Ort

Eucharistiefeier habt ihr jeden Tag, weil Bruder Jan im Haus ist?

Ja, jeden Tag, und nicht nur wegen ihm. Wir haben tatsächlich eher einen Überhang an Zelebranten.

Das ist anders als bei uns!

Das ist interessant, dass es in der Großstadt so mühsam geworden ist, Zelebranten zu finden. Wir haben da großes Glück, und das ist für uns das zentrale Phänomen: das starke Echo des Umfeldes auf diesen Ort als spirituellen Ort. Die Schwester, die gerade zu Exerzitien da ist, sagt dasselbe: dieses Spüren des Ortes. Ein Gast, der nach Weihnachten zehn Tage hier war, sagte, das sei hier etwas wie ein spiritueller Quellort.

Das wäre eine meiner Fragen gewesen: Ein spirituelles Zentrum oder ein spiritueller Ort – das seid ihr einfach?

Das ist es, einfach so, zunächst ohne unser Zutun. Und das haben wir in einem höheren Maß »geerbt«, als wir geahnt hatten. Wir wollen es pflegen. Wir haben zudem schon längst begonnen, es zu unserem Ort zu machen. Das spiegeln die Menschen uns auch.

Und diese Unmittelbarkeit des Kontaktes! Stell dir vor, heute Morgen bei der Trauerfeier waren es knapp fünfzig in unserer kleinen Klosterkirche, gestern in der Sonntagsmesse doppelt so viele. Die erzählen es weiter, und es werden immer mehr. Als wir angefangen haben, waren es erst einmal so um die dreißig, die noch geblieben oder neugierig waren. Anfang Januar haben wir die Messe von 9:15 Uhr auf 10 Uhr verschoben, das bedeutete einen Sprung in den Besucherzahlen. Dann kam der nächste Sprung, als wir merkten, wir haben nicht mehr genug Gotteslobe (Gesangbücher). Also habe ich über das Domradio eine Meldung gemacht, die über Social Media verbreitet wurde. Es kamen sechzig Exemplare von der Katholischen Hochschulgemeinde in Wuppertal, und das Domradio hat ein Video dazu gedreht. An dem Sonntag danach waren erstmals mehr als einhundert Menschen in der Messe. Gestern auch. Manchmal müssen wir Stühle dazustellen und schauen, wo ist noch Platz. Ich liebe solche »Probleme«! Wir merken, es wächst, und zum Teil verjüngt es sich auch.

Wir haben am Samstag um 11:30 Uhr Messe. Die haben wir eingeführt, weil wir überlegt haben: Wenn Freitagabend Messe ist, ist ein weiterer Gottesdienst am Samstagmorgen zu nah beieinander, und am Samstagabend ist es schon eine Vorabendmesse. Wir haben uns gesagt: »Jetzt machen wir mal ganz leise ein Experiment mit einer Mittagsmesse.« Silvester fiel auf einen Samstag, da hatte ich Küchendienst. Ich komme also kurz vor halb zwölf in die erstaunlich volle Kirche und denke mir: »Wow, was ist denn hier los?« Und es kommen immer noch weitere neue Menschen.

Wo macht ihr eure Gottesdienste bekannt?

Eigentlich gar nicht. Wir haben draußen einen Aushang und eine rudimentäre Website mit nicht mehr als einer Seite im Netz. Das macht derzeit noch eine Schwester aus Köln, da sollte bald etwas Grundlegendes passieren. Das müssen wir übernehmen.

Was wir aber absolut nicht mehr brauchen, ist noch mehr Publicity. Es haben erstaunlich viele Medien angefragt, und wir haben vielen abgesagt.

Eine Neugründung ist natürlich eine Sensation heutzutage.

Das war uns in dem Maß nicht klar. Wir haben es so ein bisschen mitgekriegt bei der Gründung der Monastischen Gemeinschaften von Jerusalem 2009 in Köln und haben damals gedacht: Was soll das?

Der Blog im Domradio war schon früh klar1, und es gefällt uns, da das unseren Alltag nicht stört. Es gab sogar noch einen Spiegel-Artikel. Eine Redakteurin hat zweimal mehrere Tage mit uns gelebt. Sie war sehr interessiert und offen. Ein Team vom ARD-Morgenmagazin war ebenfalls hier. Da gibt es ein Video davon, die beiden Teammitglieder waren klasse.

Das könntet ihr doch auf eure Website setzen und die Videos verlinken.

Dass da noch nicht viel passiert ist, liegt eben daran, dass es noch keine von uns macht. In Köln befindet sich die Technik dazu und das wird gerade umgestellt. Wir wollten ursprünglich bei einer gemeinsamen Homepage bleiben. Dabei spielte auch das Modell eine Rolle, das haben wir von euch abgeschaut: eine Gemeinschaft an zwei Orten.

Der Bezug zum Mutterkloster

Das stimmt jedoch schon jetzt nicht mehr. Das sagte uns auch Abtpräses Jeremias von St. Ottilien, den haben wir zur Vorbereitung der Gründung zweimal bei uns gehabt. Manchmal entwickeln sich die Gemeinschaften sehr schnell in verschiedene Richtungen. Das ist gar nichts Schlimmes und nichts Böses. Das entspricht zudem der von Rom gewünschten Perspektive, dass wir auf jeden Fall ein unabhängiges Monasterium werden sollen.

Ist Köln für euch noch so etwas wie ein Mutterkloster?

Im Erleben ist das schon jetzt nicht mehr so. Du sagtest ja, als wir in der Zeit unserer Vorüberlegungen telefoniert hatten, auch von eurer Neugründung: »Die sind sehr selbstständig in Prag«, selbst in dieser kleinen Gruppe. Und dann ist wahrscheinlich eine Gruppe von fünf, mit Jan sind wir sechs, »Nummer Sieben« ist im Kommen, mindestens so selbstständig.

Bei irgendwelchen größeren Entscheidungen müsst ihr nicht im Mutterkloster fragen?

Natürlich fragen wir bei so großen Projekten wie dem Kostenvoranschlag für eine neue Heizung. Wir haben eine Summe bestimmt, ab der wir auf jeden Fall nachfragen, und wir schicken jeden Monat eine Abrechnung.

Ihr müsst aber eigentlich finanziell selbstständig sein oder werden.

Werden – wobei wir tatsächlich schon letzten Monat erstmals schwarze Zahlen geschrieben haben.

Mit dem Gästehaus, wenn das läuft, habe ich da keine Sorge!

Ja, und dann zeigen sich im Moment weitere Perspektiven. Eine hast du heute Morgen erlebt, die Trauerfeier. Wir haben so zwei, drei Möglichkeiten, die wir gerade ausprobieren: Was macht für unsere Kräfte Sinn? Was macht vor allem auch für das spirituelle Leben Sinn?

Es ist schön und erfüllend, jeden Sonntag viele Menschen hier zu haben. Da geht es um den Gottesdienst und um das Zentrale in unserem Leben. Und danach kommt die Begegnung bei einer Tasse Kaffee. Aber das heißt, wir sind auch alle jeden Sonntagmorgen dabei, mischen uns unter das Volk. Das geht hier viel organischer als in Köln. Wir hatten dort auch damit begonnen und die Messe verlegt. Corona hat das etwas ausgebremst. Aber während in Köln vielleicht drei, maximal fünf von dreißig Schwestern kamen, sind es hier immer alle. Außerdem ist es eine Kirche, in der man miteinander feiern kann, nicht so eine »Bühnensituation« wie in vielen anderen Kirchen. Für solche Zwecke ist eine neugotische Anlage schwierig.

Du hast auch Glück mit den Schwestern, dass alle kommunikativ sind und das gerne machen, es gibt wohl keine, die sagt: Das kann ich nicht, will ich nicht.

Das hat sich zum Teil auch erst hier entwickelt.

Flexible Zeiten

Im Moment denken wir alle: Gott sei Dank haben wir in vierzehn Tagen Ferien! Wir müssen schon aufpassen, dass wir uns nicht erschöpfen. Vor allem, weil wir ein paar ausgesprochene Nachteulen unter uns haben, und wenn man dann seine Grenze nicht kennt ... Für uns war es ein wichtiger Schlüssel, die Laudes eine Stunde nach hinten zu verlegen, also auf 7 Uhr. Ich war erst skeptisch mit der Abendmesse um 18 Uhr, aber das läuft gut – vor allem, weil wir uns entschieden haben: erst die Vesper, dann eine halbe Stunde Betrachtung, dann die Messe. Das hat das Ganze entschleunigt. Unsere Vorgängerinnen hatten werktags immer ein Vesperamt. Das mögen wir nicht. Das ist ein Schlauch und letzten Endes unbefriedigend. Da findet dann keine richtige Vesper statt.

Zur Messe unter der Woche, kommen da auch Leute aus der Umgebung?