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In diesen warmherzigen Romanen der beliebten, erfolgreichen Sophienlust-Serie wird die von allen bewunderte Denise Schoenecker als Leiterin des Kinderheims noch weiter in den Mittelpunkt gerückt. Denise hat inzwischen aus Sophienlust einen fast paradiesischen Ort der Idylle geformt, aber immer wieder wird diese Heimat schenkende Einrichtung auf eine Zerreißprobe gestellt. Diese beliebte Romanserie der großartigen Schriftstellerin Patricia Vandenberg überzeugt durch ihr klares Konzept und seine beiden Identifikationsfiguren. Melodisch läutete die Schulglocke die nächste Unterrichtsstunde ein. Der Pausenhof war voll Kinder jeglicher Jahrgangsstufen, die nun in das Gebäude zurückströmten. Vicky Langenbach allerdings, die im Kinderheim Sophienlust lebte und dort sehr glücklich war, marschierte zielstrebig auf die nicht sehr hohe Mauer zu, die den Pausenhof in zwei Hälften teilte. Mühelos schwang sie sich auf das Mäuerchen und ließ die Beine baumeln. Aus einer Stofftasche holte sie eine Dose mit dem Pausenbrot hervor. Unvorhergesehen würde nämlich die nächste Schulstunde ausfallen, weil Herr Krämer, der Fachlehrer für Kunstunterricht, plötzlich krank geworden war. Vicky mochte Herrn Krämer sehr gern, doch eine Freistunde war natürlich auch nicht zu verachten. »Eva, magst du dich zu mir setzen? Du kriegst auch die Hälfte von meinem Pausenbrot!« Vicky hob die rechte Hand und winkte ihrer Freundin zu. »Hier bin ich!« Sie klatschte mit der Handfläche auf den freien Platz neben sich und strahlte Eva an. Eva Lohner, ein hübsches blondes Mädchen von zwölf Jahren, blieb abrupt stehen. Sie, die sonst so fröhlich und aufgeschlossen war, schien über die Einladung gar nicht begeistert zu sein. Mit gesenktem Kopf marschierte sie auf die Mauer zu. »Ich mag nichts essen«, brummelte sie, setzte sich jedoch neben Vicky. Die spürte sofort, dass etwas ganz und gar nicht in Ordnung war mit der Schulfreundin. »Geht es dir nicht gut, Eva? Du siehst traurig aus.
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Seitenzahl: 109
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Melodisch läutete die Schulglocke die nächste Unterrichtsstunde ein. Der Pausenhof war voll Kinder jeglicher Jahrgangsstufen, die nun in das Gebäude zurückströmten. Vicky Langenbach allerdings, die im Kinderheim Sophienlust lebte und dort sehr glücklich war, marschierte zielstrebig auf die nicht sehr hohe Mauer zu, die den Pausenhof in zwei Hälften teilte. Mühelos schwang sie sich auf das Mäuerchen und ließ die Beine baumeln. Aus einer Stofftasche holte sie eine Dose mit dem Pausenbrot hervor.
Unvorhergesehen würde nämlich die nächste Schulstunde ausfallen, weil Herr Krämer, der Fachlehrer für Kunstunterricht, plötzlich krank geworden war. Vicky mochte Herrn Krämer sehr gern, doch eine Freistunde war natürlich auch nicht zu verachten.
»Eva, magst du dich zu mir setzen? Du kriegst auch die Hälfte von meinem Pausenbrot!« Vicky hob die rechte Hand und winkte ihrer Freundin zu. »Hier bin ich!« Sie klatschte mit der Handfläche auf den freien Platz neben sich und strahlte Eva an.
Eva Lohner, ein hübsches blondes Mädchen von zwölf Jahren, blieb abrupt stehen. Sie, die sonst so fröhlich und aufgeschlossen war, schien über die Einladung gar nicht begeistert zu sein. Mit gesenktem Kopf marschierte sie auf die Mauer zu. »Ich mag nichts essen«, brummelte sie, setzte sich jedoch neben Vicky.
Die spürte sofort, dass etwas ganz und gar nicht in Ordnung war mit der Schulfreundin. »Geht es dir nicht gut, Eva? Du siehst traurig aus. Was ist los? Magst du mit mir darüber reden?« Mit angehaltenem Atem wartete Vicky auf Evas Reaktion. Sie wusste nicht viel von deren Familie, nur dass der Vater Rechtsanwalt und die Mutter Hausfrau war.
Eva schüttelte den Kopf. »Ich mag nichts erzählen. Außerdem kannst du mir sowieso nicht helfen.« Es klang abweisend, doch Vicky ließ sich nicht einschüchtern.
»Versuch es doch einfach. Ich verspreche dir auch, dass ich alles, was du mir sagst, für mich behalten werde.« Ganz deutlich spürte Vicky, dass es in Evas Leben ein Problem gab. Schon seit einigen Wochen war die Freundin im Unterricht nicht mehr aufmerksam, ihre Klassenarbeiten waren schlechter geworden, und an den gemeinsamen Unternehmungen an manchen Nachmittagen hatte sie gar nicht mehr teilgenommen. Irgendetwas hatte sich in Evas Leben verändert. »Ist etwas mit deiner Mutter? Ist sie krank? Wenn ich irgendwie helfen kann, lass es mich wissen. Du könntest auch für einige Zeit zu uns nach Sophienlust kommen, wenn du möchtest. Ich bin sicher, Nick und Tante Isi hätten nichts dagegen. Aber natürlich nur, wenn auch deine Eltern einverstanden sind«, versicherte sie hastig, weil sie auf einmal das Gefühl hatte, ihr zu nahe getreten zu sein mit diesem Angebot.
Eva warf ihr einen nachdenklichen Blick zu. »Ich weiß nicht … So etwas erzählt man nicht weiter. Bestimmt geht es auch bald wieder vorbei.« Ihre Augen schwammen in Tränen. Sie musste ihre ganze Kraft zusammennehmen, um nicht zu weinen. Das Schluchzen saß schon ganz weit oben in ihrem Hals, und sie konnte kaum mehr atmen.
Vicky war ziemlich erschrocken über Evas plötzliche Reaktion, doch sie zeigte es nicht. Zu viel schon hatte sie in Sophienlust erlebt und wusste genau, dass man einen verzweifelten Mensch nicht drängen durfte. Hier half nur abwarten, bis Eva von selbst bereit war, ihr Herz bei der Freundin auszuschütten. Mitfühlend legte sie ihre Hand auf Evas und rechnete damit, dass die sie zurückzog. Doch nichts geschah. Eva hielt ganz still. Ihr Blick war starr auf ihre Knie gerichtet, und ihr Atmen hörte sich an wie ein ganz leises Schluchzen.
»Meine Mutter ist krank«, sagte sie nach einer Weile leise. »Mein Papa sagt, dass man sie einfach in Ruhe lassen muss. Das würde von selber wieder weggehen. Aber daran glaube ich nicht. Ich höre die beiden abends oft streiten, und meine Mutter wirft meinem Vater dann vor, dass er uns einfach im Stich lassen wollte. Meistens hat meine Mutter dabei eine Flasche Wein in der Hand, und je länger sie mit meinem Vater streitet und dann trinkt, umso wirrer wird sie. Ich verstehe es nicht. So war sie früher nicht. Seit mein Vater eine Freundin hat, ist es noch schlimmer geworden. Es geht bei uns drunter und drüber. Ich kann nur in meinem Versteck bleiben und alles anhören, ohne dass ich helfen kann.« Jetzt schaute sie Vicky an. Sie atmete schwer, und über ihre Wangen liefen Tränen.
»Das ist ja furchtbar. Arme Eva! Hast du eine Idee, wie ich dir helfen kann? Vielleicht sollte ich Tante Isi bitten, mit deinen Eltern zu reden? Das Beste wäre, du würdest wirklich eine Zeitlang bei uns wohnen. So könntest du zur Ruhe kommen, und deine Eltern werden sich vielleicht auch schneller einig, wenn sie eine Weile allein sind und keine Rücksicht auf dich nehmen müssen.« Während sie das sagte, fühlte sich Vicky richtig erwachsen. Das verständnisvolle Miteinander, das in Sophienlust gelebt wurde, schien sie bereits verinnerlicht zu haben. Sie wollte unbedingt eine Lösung finden, damit die Freundin wieder lachen konnte. »Wenn du erlaubst, werde ich erst einmal mit Schwester Regine sprechen. Sie wird wissen, wie es weitergehen soll. Einverstanden?«
Nach langem Nachdenken zuckte Eva mit den Schultern. »Ich weiß nicht, ob es richtig ist. Ich weiß aber auch nicht, ob es falsch ist. Es ist nur so, dass es eigentlich überhaupt keinen Ausweg, überhaupt keine Lösung gibt. Was immer ich tue, es kann genauso richtig wie falsch sein. Ja, ich erlaube dir, mit Schwester Regine zu sprechen. Du hast mir schon so viel von ihr erzählt, dass ich hoffe, sie wird die beste Entscheidung treffen. So kann es jedenfalls nicht mehr weitergehen. Ich habe jedes Mal, wenn meine Eltern sich streiten, Angst, dass sie irgendwann einmal handgreiflich werden. Das hab ich schon im Fernsehen gesehen, dass sich Eltern gegenseitig umgebracht haben.«
Vicky schüttelte heftig den Kopf. »So weit wird es nicht kommen! Schließlich haben sich deine Eltern einmal geliebt. Sollte das auf einmal vorbei sein? Sie haben gerade eine Krise, und die müssen sie irgendwie in den Griff kriegen. Du kommst heute Mittag nach der Schule gleich mit mir nach Sophienlust. Du wirst sehen, es kommt alles wieder in Ordnung. Und jetzt kriegst du ein Stück von meinem Pausenbrot, danach lachst du wieder. Versprochen?«
Eva nickte. Es fiel ihr jedoch sehr schwer, ein fröhliches Gesicht zu machen. Plötzlich fühlte sie sich wie eine Verräterin an ihren Eltern. Doch sie hatte einfach mit dieser Belastung allein nicht mehr fertig werden können. »Danke für dein Angebot, Vicky. Du bist eine echte Freundin. Versuchen wir es also, egal wie es ausgeht. Ich kann einfach nicht mehr.«
Zufrieden nickte Vicky vor sich hin. Sie war überzeugt davon, richtig gehandelt zu haben. Und das war ein gutes Gefühl.
*
Steffen Lohner war ein attraktiver Mann. Mit gelegentlichen Besuchen im Fitness-Center hielt er sich in Form, und die Natur hatte es zudem sehr gut mit ihm gemeint und ihm auch in seiner Lebensmitte seine volle dunkle Haarpracht gelassen.
Er wusste, dass er mit seinen 52 Jahren noch immer ausgezeichnete Chancen bei den Frauen hatte. Da er bis vor Kurzem überzeugt gewesen war, seine Frau zu lieben, war er jedoch jeder Versuchung aus dem Weg gegangen. Doch dann war ihm Silke Wagner im Büro als rechte Hand zugeteilt worden. Dieser wundervollen Frau konnte auch der treueste Ehemann nicht widerstehen, fand er jedenfalls. Sie besaß alles, was er sich in seinen kühnsten Träumen bei einer Frau gewünscht hatte.
Anscheinend empfand Silke ebenso wie er selbst, denn sie zeigte ihm in kleinen Gesten, bewundernden Blicken und anerkennenden Worten, dass ihr der neue Chef ausgesprochen gut gefiel. So blieb es nicht aus, dass Steffen nicht nur ihre rechte Hand nahm, sondern auch gleich ihre linke. Was bedeutete, dass sie inzwischen regelmäßig zweimal die Woche zusammen in ein gemütliches, etwas abseits gelegenes Restaurant gingen und anschließend zu Silke nach Hause. Flüchtig fragte sich Steffen, warum seine Ehe zu kriseln begonnen hatte. Ja, es war der stetig steigende Alkoholkonsum seiner Frau Barbara gewesen. Hatte er sie darauf aufmerksam gemacht, war der Streit da gewesen. Zwar versuchte Barbara, ihr Problem vor ihm zu verbergen, aber ihr Verhalten und der Atem, der immer nach Wein roch, sprachen Bände. Er hatte das leise Gefühl, dass es so nicht mehr lange weitergehen konnte. Zurzeit lebte er jedenfalls nur noch von einem Feierabend mit Silke bis zum nächsten.
Unglücklich saß Barbara Lohner derweil im Wohnzimmer auf dem Sofa und wartete darauf, dass ihr Mann nach Hause kam. Heute war wieder so ein Abend, den er vermutlich seiner Freundin vorbehalten hatte. Natürlich war ihr das nicht verborgen geblieben. Es waren immer die Abende am Dienstag und Freitag, an denen ihn angeblich dringende Geschäfte in der Kanzlei festhielten. Sie glaubte es nicht mehr.
Jetzt marschierte der Zeiger der Uhr bereits auf Mitternacht zu. Barbara hatte das Gefühl, als würde ihr jemand den Hals zudrücken. Sollte sie noch eine neue Flasche Wein öffnen?
Als sie Schritte im Flur hörte, zuckte sie erschrocken zusammen. Steffen kam nach Hause! Hastig versteckte sie die Flasche, die sie gerade geleert hatte, hinter dem Sofa und war froh, dass die andere noch verschlossen auf dem Tisch stand. So konnte sie behaupten, nichts getrunken zu haben. Sie erhob sich und ging zur Tür. Erschrocken bemerkte sie, dass sich ihre Beine anfühlten, als wären sie aus Gummi. Der Druck, der sich immer mehr in ihrem Magen aufbaute, machte ihr das Atmen schwer. Sie spürte, wie sich der bekannte Schweißausbruch ankündigte, der seit einiger Zeit folgte, wenn sie getrunken hatte. Hastig setzte sie sich wieder hin.
»Steffen! Bist du das, Steffen?« Ihre Stimme klang kläglich.
Es dauerte eine ganze Weile, bis vorsichtig die Wohnzimmertür geöffnet wurde. »Du bist ja noch wach. Ist was passiert?« Zögernd betrat Steffen das Wohnzimmer. Er wirkte ein bisschen so, als ob er ein schlechtes Gewissen hätte, doch ein gelöster Ausdruck lag dennoch auf seinem Gesicht.
Barbara schnupperte. In der Luft lag der Duft eines fremden Parfüms. »Warst du wieder bei ihr?«
Steffens Gesicht verschloss sich augenblicklich. »Was willst du, Barbara? Hast du nicht schon genügend Unheil angerichtet? Ich habe den ganzen Tag gearbeitet und bin jetzt müde. Du machst mich wahnsinnig mit deiner dauernden Eifersucht. Lass mich einfach zu Bett gehen. Wenn wir miteinander reden, endet es ja doch nur im Streit. Darauf habe ich keine Lust mehr.«
»Ach, tatsächlich?« Barbaras Stimme troff vor Hohn. »Ich dachte, du würdest endlich den Mumm aufbringen, mir zu sagen, dass eine jüngere, schönere Frau meinen Platz an deiner Seite eingenommen hat. Oder irre ich mich da?« Kaum hatte sie es ausgesprochen, merkte sie, dass sie einen Fehler gemacht hatte.
Das Gespräch verlief genau in die Richtung, die sie hatte vermeiden wollen. »Entschuldige bitte. Das hätte ich nicht sagen sollen. Eigentlich wollte ich mit dir reden, weil ich merke, dass es unserer Tochter nicht gut geht. Sie bekommt schließlich unsere Auseinandersetzungen mit und fürchtet vermutlich, dass sie ihr Zuhause verliert.«
»Eva ist nicht unsere Tochter. Sie ist die Tochter deiner Schwester. Wir haben sie lediglich adoptiert, weil …«
»… weil du nicht in der Lage warst, selbst ein Kind zu zeugen.«
Das hatte gesessen. Steffen spürte, wie es in seinem Inneren zu rumoren begann. Mit diesem Satz hatte Barbara einen großen wunden Punkt getroffen. Er konnte schließlich nichts dafür, dass er als Junge eine schlimme Infektion bekommen hatte, die seine Fruchtbarkeit so beeinträchtigt hatte, dass die Aussicht, ein eigenes Kind zu zeugen, nur bei zwanzig Prozent lag. Barbara hatte das von Anfang an gewusst. Dennoch hatte sie seinen Heiratsantrag angenommen.
»Das war gemein«, antwortete Steffen gefährlich leise. »Ich wollte ohnehin nie Kinder haben«, log er. »Du hattest es dir den Kopf gesetzt, dass wir eine richtige Familie sein müssten, damit du glücklich wirst. Bist du glücklich?« Er grinste sie verächtlich an, dann fiel sein Blick auf die Flasche, die noch immer auf dem Tisch stand. »Oh, so allein heute?«, fragte er spöttisch. Er ging um den Tisch herum und holte hinter dem Sofa die leere Weinflasche hervor. Triumphierend hielt er sie hoch. »Du glaubst tatsächlich, du könntest so etwas vor mir verbergen? Ich sehe es an deinen glasigen Augen, dass du wieder einmal nicht widerstehen konntest. Glaubst du wirklich, dass du mich auf diese Weise halten kannst? Du gibst ein ziemlich armseliges Bild ab, meine Liebe. Du bist nicht mehr die Frau, in die ich mich einmal verliebt habe.« Er wandte sich ab und ging zur Tür. Ehe er das Wohnzimmer verließ, drehte er sich noch einmal zu Barbara um:
»Ich hab unsere Ehe nicht kaputt gemacht. Das hast du ganz allein geschafft. Dein immer größer werdender Alkoholkonsum ist mir einfach zuwider.«
»Und wenn ich damit aufhöre? Ich kann das«, versicherte sie und nickte dabei eifrig wie ein kleines Kind, das den Eltern versprechen wollte, auch immer ganz artig zu sein.