KMU-Management II: Willensdurchsetzung - Bernd J. Schnurrenberger - E-Book

KMU-Management II: Willensdurchsetzung E-Book

Bernd J. Schnurrenberger

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Beschreibung

Willensdurchsetzung gehört untrennbar zur Willensbildung, wenn man ernsthaft von Führung und Management sprechen will. Dazu braucht es proaktives Handeln und adäquate Maßnahmen! Egal ob auf die eigene Person (Selbstmanagement) oder auf eine Organisation bezogen: Hier geht es um die zielkonforme Gestaltung realer Verhältnisse. Entscheidend dafür ist "Energie" als Ressource sowie passende Strukturen, welche die Zielerreichung "automatisch" unterstützen. KMU-Management: In der Fundierung wissenschaftlich, in der Umsetzung praxisorientiert & pragmatisch, im Stil salopp und bestens lesbar.

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Seitenzahl: 247

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Einflussfaktoren des Kaufverhaltens von Konsumenten (in Anlehnung an Fritz/v.d. Oelsnitz 2001, S. 47 nach Balderjahn 2003a)

Abbildung 2: Akteure im Prozess einer Standortentscheidung (Schnurrenberger 2000, S. 144)....

Abbildung 3: Rollen der Akteure in Standortentscheidungsprozessen (Auf Basis KOTLER et al. 1993, S. 47 nach Schnurrenberger 2000, S.88)

Abbildung 4: Entscheidungskategorien in Abhängigkeit des Informationsstands (nach Meyer: Entscheidungstheorie, 1999, S. 18)

Abbildung 5: Zusammenhang zwischen dem Grad der Komplexität einer Entscheidung und dem Nutzen intuitiver Entscheidungsmethodik (Eigene Darstellung)

Abbildung 6: Faktoren bei Bildung von Standort-Consideration Sets (Schnurrenberger 2000, S. 160)

Abbildung 7: (Ideal-) Kompetenzen der Führung (in Anlehnung an Eckrich 2003, S. 29)

Abbildung 8: T-Modell: Kombination generalistischer und spezieller Fachkompetenz bzw. Wissens (Eigene Darstellung)

Abbildung 9: "Mobby-Dick-Funktion": Zusammenhang zwischen Stärke der Unternehmenskultur/Gruppenkohäsion und Erfolg (Eigene Darstellung)

Abbildung 10: Elemente und Wirkungsbedingungen eines Kommunikationsprozesses (nach Balderjahn/Scholderer 2007, S. 188)

Abbildung 11: Klassifikation Elemente der Kommunikation (Balderjahn 2003a in Anlehnung an Kroeber-Riel/Weinberg: 2003, S. 529)

Abbildung 12: Psychologie: Eisberg-Modell (Ruch/Zimbardo 1974, S. 366 angelehnt an Freud, S. nach Wiska 2006)

Abbildung 13: Kommunikatives Situationsmodell (Schulz von Thun 1998, S. 13 ff.;306 ff.)

Abbildung 14: Balance der operativen Führung (nach Pagé 2001, S.6)

Abbildung 15: Einstellungen/Mitarbeiterverhalten ggü. Veränderungen (Vahs 2009, S. 228)

Abbildung 16: Verlauf eines Veränderungsprozesses aus der Sicht der betroffenen Personen (vgl. Streich, R. K. 1997 S. 243 nach Vahs 2009, S. 232)

Abbildung 17: Change Management: 3 Phasen-Modell (in Anlehung an Lewin 1947 nach Staehle 1994. S. 563f.)

Abbildung 18: Wandel als Veränderung von Gleichgewichtszuständen (vgl. Lewin 1963, S. 236 ff., Staehle 1999, S. 592 nach Vahs 2009, S. 252)

Abbildung 19: Instrumente zur Akzeptanzförderung (nach Niemeier et al., 2010 S. 9)

Abbildung 20: Optimaler (organisatorischer) Strukturierungsgrad (Gutenberg 1983/Seiwert 1978 nach Schreyögg/Geiger 2016)

Abbildung 21: „Eisenhower-Prinzip" der Aufgabenerledigung (vgl. Bischof/Bischof 2004, S. 46f.)

Abbildung 22: Interpretation des Unternehmens als lebender Organismus – Zellstruktur (Eigene Darstellung)

Abbildung 23: Funktionale Organisation (Vahs 2009, S. 118)

Abbildung 24: Divisionale Organisation (Vahs 2009, S. 122)

Abbildung 25: Matrix- bzw. Tensor-Organisation (Vahs 2009, S. 128)

Abbildung 26: Ansatzpunkte zur Prozesserneuerung und -verbesserung (Bleicher 1991, S. 196 nach Dilleru/Stoi 2013, S. 575)

Abbildung 27: Virtuelle Unternehmung bzw. Partnernetzwerk (nach Pagé 2000, S. 81)

Abbildung 28: Normative Unternehmensführung: Zielsystem, Leitbild, Kodex, Unternehmenskultur (Eigene Darstellung)

Abbildung 29: Intention vs. Realisierung – Emergente Strategien (Mintzberg 1978 bzw.Macharzina/Wolf 2010, S. 260)

Abbildung 30: Marketingwelle: Grundlage der Marketing-/Mediaplanung (Eigenes fiktives Beispielinspiriert durch Grimm 2004, S. 35ff.)

Abbildung 31: PPK-C-Modell der Handlungsfelder des Online-Marketing (Eigene Darstellung).

Abbildung 32: Promotion-Mix des Online-Marketing (in Anlehnung an Wieland 2002, S.4)

Abbildung 33: Webcontrolling: Kontaktebenen, Conversion-Rates (Eigene Darstellung)

Abbildung 34: Inhalte und Themen der Bände I, II und III (Eigene Darstellung)

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Experiment Gewinnsicherung vs. Verlustvermeidung (nach Balderjahn 2003)

Tabelle 2: Experiment "Hyperbolic Discounting" (nach Dobelli 2014, S. 210)

Tabelle 3: Rationaler Kern sog. "Entscheidungsanomalien" oder "Denkfehler" (Eigene Zusammenstellung/Interpretation)

Tabelle 4: Verfahren zur Aufbereitung entscheidungsrelevanter Daten, Bewertungsverfahren (in Anlehnung an Vahs/Burmester 2002, S. 193)

Tabelle 5: Anforderungen an "gute Checklisten" bzw. Entscheidungskriterien (Eigene Zusammenstellung)

Tabelle 6: Beispielskizze: Bewertung von Geschäftskonzepten per Checkliste (Eigene Darstellung)

Tabelle 7: Beispielskizze: Bewertung von Geschäftskonzepten per Nutzwertanalyse bzw. Punktwertverfahren (Eigene Darstellung)

Tabelle 8: Beispielskizze: Vergleich "Original vs. Überarbeitung" der Bewertung von Geschäftskonzepten per Nutzwertanalyse (Eigene Darstellung)

Tabelle 9: Management/-spielräume bei der Evaluation von Risiken/Unsicherheit (Eigene erweiterte Darstellung auf Grundlage von Schelle 2004, S. 109ff)

Tabelle 10: Beispielskizze: Bewertung von Geschäftskonzepten per erweiterter Nutzwertanalyse als "Entscheidung unter Unsicherheit I" (Eigene Darstellung)

Tabelle 11: Beispielskizze: Bewertung von Geschäftskonzepten per Erweiterter Nutzwertanalyse als "Entscheidung unter Unsicherheit II" (Eigene Darstellung)

Tabelle 12: Spieltheorie: Beispiel-Setting "Vertrauensspiel"

Tabelle 13: Management von "Mitspielern" und Anspruchsgruppen (erweitert auf Basis Schelle 2004, S. 99ff.)

Tabelle 14: Ausgewählte Aspekte der Anwendung normativer Entscheidungs-Verfahren (Eigene Zusammenstellung)

Tabelle 15: Physische und psychische Grundfertigkeiten für erfolgreiches unternehmerisches Handeln (Eigene Ergänzungen auf Basis Merath 2014, S. 358)

Tabelle 16: Selbstwertgefühl: Einflussfaktoren (Nach Rahn 2008, S. 214f./Crisand 2002)

Tabelle 17: Komponenten einer (sozialen/fachlichen) Stärke/Kompetenz (Groth 2015 nach Gasche 2016, S. 85)

Tabelle 18: Phasen der Team-Entwicklung (Dillerup-Stoi 2013, S. 536)

Tabelle 19: Kohäsionsfördernde und -hemmende Faktoren in Gruppen (in Anlehnung an Staehle, 1994, S. 263)

Tabelle 20: Medientheorie: einseitige/zweiseitige, synchrone/asynchrone, push/pull-Kommunikation (Eigene Zusammenstellung)

Tabelle 21: Merkmale der Personal- vs. Verhandlungsführung (nach Macharzina/Wolf 2010, S. 605)

Tabelle 22: Checkliste (Extensive) Gesprächs-/Verhandlungsvorbereitung (Eigene Zusammenstellung)

Tabelle 23: Körpersprache & Gestik in 11 Beispielen (in Anlehnung an: businessletter.SYSTEMS-world.de 2003)

Tabelle 24: Drei Werkzeuge der Rhetorik und ihre relevanten Aspekte (Aristoteles; eigene Anmerkungen)

Tabelle 25: Rollen von Gremienteilnehmern und Umgang (angelehnt an Rahn 2008, S. 198)

Tabelle 26: Merkmale/Stilmittel destruktiver Gesprächsführung (Eigene Interpretation der Merkmale dysfunktionalen Denkens nach Furtner/Baldegger 2013, S. 72f.)

Tabelle 27: Führungsstile: Führung von Gruppen und Individuen (Rahn 2008, S. 196f.)

Tabelle 28: Selbstmanagement-Tipps für einzelne Persönlichkeitstypen (Auf Basis von Rahn 2008, S. 195ff.)

Tabelle 29: Arten und Merkmale von Widerstand (auf Basis Vahs 2009, S. 229ff., Lieber 2007, S. 140)

Tabelle 30: Maßnahmen zur Überwindung von Widerstand (Kotter et al. 1979, S. 389 nach Staehle 1999, S. 981)

Tabelle 31: Merkmale Nicht-charismatische vs. Charismatische Führung (Conger/Kanungo 1987, S. 647 nach Lang/Rybnikova 2014, S. 98)

Tabelle 32: Normalität, Charisma, Stigma – Facetten von Führungseigenschaften (Steyrer, 1995, S. 223 nach Lang/Rybnikova 2014, S. 97)

Tabelle 33: Führung durch "positive Selbstwert-Verstärkung" (Eigene Interpretation auf Basis der Selbstwert-Faktoren nach Rahn 2015)

Tabelle 34: Empirisch feststellbare "Führungstypen" (In Anlehnung an: Bundesministerium für Arbeit und Soziales: Führungskultur Im Wandel 2012, S. 12f.)

Tabelle 35: Laufende Aktivitätenliste (Proaktive Planung)

Tabelle 36: Merkmale motivierender Arbeitsaufgaben (Rausch/Schley 2015, S. 11)

Tabelle 37: Vor-/Nachteile der informellen Aufbau-Organisation (nach Reinemann 2011, S. 58)..

Tabelle 38: Vor-/Nachteile der funktionalen Aufbau-Organisation (auf Basis Vahs 2007 nach Reinemann 2011, S. 59, Frese 2011)

Tabelle 39: Vor-/Nachteile der divisionalen Aufbau-Organisation (auf Basis Vahs 2007 nach Reinemann 2011, S. 61, Frese 2011)

Tabelle 40: Gegenmaßnahmen bei (Projekt-) Planabweichungen (Patzak/Rattay 2009, S .342 nach Dillerup/Stoi 2013, S. 546)

Tabelle 41: Erfolgsfaktoren Aufbau/Erhalt eines Franchise-Systems (Frei in Anlehnung an Deutscher Franchiseverband e.V. 2008)

Tabelle 42: Funktionen von Leitbild, Kodex, Zielsystem (Eigene erweiterte Zusammenstellung auf Basis Balderjahn 2003c, S. 20ff.)

Tabelle 43: Internetbasierte Instrumente im Marketing-Mix (Eigene Darstellung)

1 Einführung: Von der Willensbildung zur Willensdurchsetzung

Willensbildung ohne folgende -durchsetzung mag vieles sein: Visionär, träumerisch, spaßig. Beide Teile gehören jedoch untrennbar zusammen, wenn man ernsthaft von Führung und Management sprechen will. Egal ob auf die eigene Person (Selbstmanagement) oder eine Organisation bezogen: Hier geht es um die zielkonforme Gestaltung realer Verhältnisse. Dazu braucht es "Energie" als Ressource sowie passende Strukturen, welche die Zielerreichung "automatisch" unterstützen. Wir unterscheiden im vorliegenden 2. Band unseres Werks folgende Themen:

In Kap. 2 werden Entscheidungen aus verhaltensorientierter Sicht und in Kap. 3 aus normativ-präskriptiver Sicht behandelt. Leitfrage ist, welche Techniken beitragen können, möglichst "gute" Entscheidungen zu treffen. Entscheidungen können einerseits als Abschluss der Willensbildung stehen, können – wie z.B. bei Gremienentscheidungen – bereits aber auch schon Teil (individueller) Willensdurchsetzung sein.

In Kap. 4 geht es um die Schaffung und nachhaltige Sicherstellung proaktiver Handlungsfähigkeit als grundlegende Voraussetzung für zielorientierte Realitätsgestaltung. In Kap. 5 werden die Instrumente des eher persönlichen Einsatzes zur Willensdurchsetzung behandelt: Projektmanagement, Personalführung, Techniken der persönlichen Kommunikation, Besonderheiten des Umgangs mit Veränderungen bzw. etwaigen Widerständen.

In Kap. 6 geht es um eher strukturelle Gestaltungsmöglichkeiten: Den Aufbau unterstützender Funktionen im offiziellen Ziel- und Controllingsystem, organisatorischen Lösungen im Bereich Aufbau- und Prozessorganisation. Kap. 7 schließt mit vertiefenden Ausführungen zu begleitenden Marketing-, PR-, und v.a. Online-Kampagnen.

2 Entscheidungspraxis - Verhaltensorientierte Analyse

Wie in Band I aufgezeigt, können und sollen wir aus einer Vielzahl von Quellen Informationen, Ideen und Impulse aufnehmen. Diese "Offenheit" ist erst einmal grundsätzlich sinnvoll, aber auf kurz oder lang entsteht die Notwendigkeit, Informationen zu bewerten, zu filtern. Schließlich gilt es, verbindliche Entscheidungen zu treffen über Ziele und Maßnahmen, kurz-, mittel- und langfristiger Art.

Die Entscheidungstheorie und -forschung teilt sich in zwei grundlegende Kategorien. Erstens - und in der BWL-Literatur meist auch vorrangig behandelt - die "normative Entscheidungstheorie". Diese konzentriert sich darauf, wie man bei der Entscheidungsfindung vorgehen sollte. Sie zeichnet sich damit durch ihren präskriptiv/normativen Charakter aus und bemüht sich um eine weitgehend rationale Sicht auf die Dinge. Es werden Empfehlungen, Rezepte und Regeln erarbeitet (wir kommen in Kap. 3 ausführlich darauf zu sprechen).

Zweitens existiert aber die sog "verhaltenswissenschaftliche Entscheidungsforschung". Dieser Bereich ist entsprechend eher deskriptiv bzw. explikativ orientiert. Es wird vorrangig untersucht, wie Entscheidungen in der Realität und Praxis ablaufen, wobei ein gewisser Fokus darauf liegt, zu analysieren, inwieweit die Entscheidungspraxis etwaigen Ansprüchen an Rationalität, Objektivität etc. genügt.

Bei letzterem kann man sich schon denken, was herauskommt. Nämlich, dass es oft nicht so läuft wie in der rationalen Entscheidungstheorie vorgesehen. Warum dies so ist? Aus Nachlässigkeit, Schlampigkeit oder mangelnden rationalen "Kapazitäten" der entscheidenden Akteure? All dies mag in Einzelfällen eine Rolle spielen. Ausschlaggebender ist jedoch, dass viele verhaltenswissenschaftlich beschriebene Phänomene ganz einfach typisch "menschliche" Züge beschreiben. Insofern macht es wenig Sinn, larmoyant die mangelnde Vernunft und Rationalität zu "bejammern". Stattdessen müssen diese Phänomene erkannt, beachtet und quasi "eingehegt" bzw. "einkalkuliert" werden. Nur auf solcher – realistischer und lebensnaher - Basis können normativ-rationale Entscheidungsregeln sinnvoll und erfolgsträchtig eingesetzt werden.

Historisch entstand die verhaltenswissenschaftliche Entscheidungsforschung aus der Kritik am "rationalen Menschenbild des homo oeconomicus", des stets optimal informierten und vernünftig agierenden "Ideal-Entscheiders", sowie der oftmaligen Ignoranz gegenüber organisationalen Aspekten wie z.B. den Spezifika von Gruppenentscheidungen. Wir betrachten in den folgenden Abschnitten daher zunächst, welche realen Phänomene bei Individualentscheidungen zu beobachten sind (Kap. 2.1), welche Besonderheiten zusätzlich bei Gruppenentscheidungen eine Rolle spielen (Kap. 2.2) und schließen den Komplex mit einer Untersuchung der Frage, ob hinter - scheinbar- irrationalen Phänomenen nicht doch manchmal auch ein "rationaler Kern" zu finden ist (Kap. 2.3).

2.1 Erkenntnisse der Verhaltensforschung zu Individualentscheidungen

2.1.1 Einflussfaktoren aus verhaltenswissenschaftlicher Sicht

Die verhaltenswissenschaftliche Forschung hat u.a. einen starken fachhistorisch bedingten Bezug zur Erforschung des Käufer– bzw. "Konsumentenverhaltens"1. Es lag immer schon im Interesse der Marketingleute, möglichst viel über ihre potentiellen Kunden zu wissen – nicht zuletzt über deren Verhalten bei Kaufentscheidungen. Nun mögen manche argumentieren, die Entscheidungen von Führungskräften und Managern hätten nichts mit Konsumentenentscheidungen zu tun, da alles viel rationaler, sachlicher etc. ablaufen würde. Andererseits gilt aber: Mensch bleibt Mensch, auch wenn sicherlich Unterschiede zwischen "Business-" und "Consumer-" Entscheidungen vorliegen. Wer würde schon die Hand dafür ins Feuer legen wollen, dass folgend skizzierte Einflussfaktoren bei Geschäftsentscheidungen überhaupt keine Rolle spielen?

So unterscheidet die Verhaltenswissenschaft zunächst vier empirisch beobachtbare Typen von Entscheidungsprozessen:

impulsiv, d.h. ohne großes Nachdenken; auf externe oder interne Reize reagierend (Innere Bilder, Wunschdenken, s.u.)

habituell, d.h. gewohnheitsmäßig und wieder ohne großes Nachdenken

limitiert, d.h. eher rational und bewusst – aber innerhalb einer - ggf. nicht rational getroffenen – Vorauswahl (z.B. nur unter etablierten Marken)

extensiv, d.h. sorgfältig, umfassend und systematisch. Mehr oder weniger also, wie es die rationale normative Entscheidungstheorie postuliert.

Welcher Entscheidungsstil zur Anwendung kommt, hat einerseits mit der zu behandelnden Sachfrage zu tun. Je wichtiger das Thema ist, umso eher wird man extensiver an die Entscheidung herangehen. Je unwichtiger etwas ist, desto eher habituell oder auch impulsiv. Aber auch individuelle Neigungen spielen eine Rolle und können zu spezifischen persönlichen Entscheidungsstilen führen. Daneben können diverse weitere interne und externe Einflüsse eine Entscheidung beeinflussen (vgl. Abb. 1).

Unterschieden werden einmal individuell-"interne" psychische Einflussfaktoren. Die Aktivierung bzw. das Involvement sagt z.B. etwas darüber aus, welches Interesse, welchen Stellenwert wir einer Sachfrage beimessen, wie sehr (oder wie wenig) wir "dafür brennen". Weiter können individuelle Emotionen, Bedürfnisse oder Motive einen Einfluss auf die Bewertung der Sachfrage haben. Ebenso unsere individuellen Einstellungen, unser Wahmehmungs- und Lernverhalten.

Daneben wirken eine Reihe eher sozial bedingter Faktoren: Unsere Prägung durch Kultur, Milieu, Umfeld und dort gelebte Normen und Werte wird eine Rolle spielen. Ebenso Vorbilder, wichtige Beeinflusser oder die Wirkung kommunikativer Interaktion beim Einholen von Informationen oder der Diskussion von Entscheidungstatbeständen.

Abbildung 1: Einflussfaktoren des Kaufverhaltens von Konsumenten (in Anlehnung an Fritz/v.d. Oelsnitz 2001, S. 47 nach Balderjahn 2003a)

Die Einfluss-Stärke jedes einzelnen Faktors ist schwerlich quantifizierbar und mag in verschiedenen Situationen auch unterschiedlich virulent zum Ausdruck kommen. Es schadet aber sicher nicht, für die o.g. Phänome auch im B2B bzw. Management-Kontext sensibilisiert zu sein.

2.1.2 "Entscheidungs-Anomalien": Eine umfangreiche Sammlung

Die Verhaltenswissenschaftler verfolgen in ihrer Forschungspraxis oftmals das Anliegen, "nicht-rationale" Phänomene im Kontext von Entscheidungen zu identifizieren und zu belegen. Von Vertretern des "rationalen Lagers" werden solche Phänomene – etwas abfällig – Entscheidungsanomalien genannt. Das sind laut Definition "systematisch beobachtbare Abweichungen des Entscheidungsverhaltens vom Rationalmodell"2.

Es ist gut, die wichtigsten davon zu kennen3. Denn diese Kenntnis kann uns erstens helfen, unser eigenes Entscheidungsverhalten bewusster zu reflektieren und zweitens den Einfluss verschiedener Effekte bei anderen zu erkennen bzw. "einzukalkulieren"4.

Ein erstes – sehr wichtiges, weil auch vielschichtiges - Phänomen ist das sog. "Wunschdenken". Es bewirkt, dass wir die Dinge so sehen, wie wir sie gerade sehen wollen (zumindest in etwa). Man kann sich das vorstellen, wie wenn ein optischer Filter vor eine Kameralinse gelegt wird und bewirkt, dass alles plötzlich ganz rosa aussieht (oder im Gegenteil auch: ganz duster). Da die Realität oft vielschichtig und komplex ist, bedeutet Wunschdenken eben nicht unbedingt, eine völlig unreale Wahrnehmung zu haben, etwa Dinge zu sehen die es gar nicht gibt. Eher ist es so, dass wir uns für unsere Wahrnehmung die Dinge aussuchen, die uns "in den Kram" passen und die anderen einfach ausblenden, also eine gefilterte, selektive Wahrnehmung kultivieren. Das Wunschdenken wurzelt – wie ja der Begriff sagt – in unseren ureigenen Wünschen, Motiven, Bedürfnissen. Diese sind jedoch nicht einmal uns selbst immer voll bewusst!

Um sicher zu stellen, dass "unser Blick für die Realität nicht getrübt wird", müssen wir uns den Effekt bewusst machen bzw. immer einmal wieder darüber nachdenken, ob wir gerade objektiv analysieren (können) oder nicht. Ggf. sind andere Meinungen einzuholen (auch wenn wir die dann vermutlich gerade gar nicht hören wollen..)5. Eigenes Wunschdenken kann aber auch einen starken Motivator darstellen! So gesehen ist es ein "zweischneidiges Schwert": Sehr hilfreich für die Willensdurchsetzung (Stichwort: "positives Denken") – eher ambivalent bis evtl. sogar schädlich bei der nüchternen Analyse im Vorfeld der Willensbildung und Entscheidung.

Mehrere weitere einschlägige Phänomene haben mit der Interpretation unserer Umwelt und unserem Umgang mit Komplexität zu tun. Kaum jemand wird gerne ein hilfloser Spielball unkontrollierbar erscheinender fremder Kräfte sein. Daher strebt bereits jedes Kleinkind nach (Welt-) Verständnis, sucht und identifiziert Regeln nach denen die Dinge zu funktonieren scheinen und handelt zukünftig unter Berücksichtigung dieser Regeln: Bspw. kann man mit "freundlich lächeln" etwas bekommen, was man sonst nicht bekommt. Dabei können uns jedoch Ableitungsfehler unterlaufen. D.h. wir schließen sehr gerne aus ein- oder zweimaligen Erfolgen mit einer bestimmten Taktik, Strategie oder "Masche" darauf, dass diese immer funktionieren wird. Vielleicht lag der Erfolg aber nur am Zufall? Das sog. "Anfängerglück" soll ja vorkommen und nur zu gerne schließen wir aus Erfolgen auf eigene Leistung oder Talent - aus Misserfolgen aber auf widrige Umstände.

Ähnlich ist es mit der Präferenz für eigene Erfahrungen. Erfahrungen, die wir persönlich machen, sind für uns wichtig und wir vertrauen den daraus "gelernten Lektionen" weitaus mehr als z.B. irgendwelchen empirischen Studien, die uns irgendjemand vorlegt und die behaupten, statistisch wäre alles ganz anders6. Das ist gut und recht – wenn wir uns nur sicher sein können, dass unsere Erfahrungen einigermaßen "repräsentativ" waren – und vor allem auch heute noch gültig sind! Sonst kann das "Festklammern" an alten Rezepten auch einengen oder gravierende Nachteile mit sich bringen.

Angesichts der vielen Reize denen wir – gewollt oder ungewollt - ausgesetzt sind, ist ein Minimum an Filterfunktionen geradezu existenzwichtig7. Ein Filterinstrument ist der Rückgriff auf sog. Schemata. Diese nutzen wir ganz automatisch, indem wir Menschen, Dinge, Ereignisse, Wahrnehmungen – meist blitzschnell und eher intuitiv – irgendwie einordnen: sympathischunsympathisch, nützlich-unnütz, gefährlich-ungefährlich etc.

Die schnelle Einordnung funktioniert mittels Schlüsselinformationen, d.h. wir analysieren hier nicht gründlich in der Tiefe, sondern wir – oder unser Unterbewusstsein - beachten nur wenige Indikatoren und sortieren dann umgehend alles in erklärende Kategorien ("Schubladen"). Ein gutes Beispiel dafür ist die Einschätzung eines uns erstmals begegnenden Menschen, die in Sekundenbruchteilen ablaufen kann. Als Indikatoren zur Kategorisierung werden eigene, jüngere Erfahrungen, Erlebnisse oder Analogien herangezogen8. Das "erleichert" natürlich das Leben enorm, da man sich nicht ermüdend lange mit jeder Kleinigkeit auseinandersetzen muss. Die Gefahr besteht aber darin, ein "Schubladendenken" zu kultivieren, welches uns den Blick für die Realitäten verstellt. Man könnte es auch "Denken-in-Vorurteilen" nennen.

Ganz ähnlich ist es mit sog. "Skripten", besser bekannt als Gewohnheiten (im persönlichen Bereich) oder eingespielten Prozessen (im Betrieb). Auch diese erleichtern natürlich enorm das persönliche bzw. betriebliche Leben: Ja, es wäre sogar völlig kontraproduktiv, jeden Ablauf ständig "neu zu erfinden". Stellen wir uns nur einmal vor, der Wecker klingelt morgens um 06:00h – und wir fangen erst einmal an, in Ruhe darüber nachzudenken, was im einzelnen nun zu tun wäre! Kein guter Start, könnte man sagen, zumindest sicher kein schneller. Besser fährt man garantiert, indem man einer "eingespielten Routine" folgt. Irgendwie sind diese (heute: eingefahrenen) Prozesse ja in der Vergangenheit entstanden und vermutlich gibt es Gründe dafür, dass sie so aussehen, wie sie es tun.

Oder besser ausgedrückt: Vermutlich gab es diese Gründe einmal. Womit aber nicht sichergestellt wäre, ob jeder solcher Prozess auch heute noch Sinn macht. Manchmal halten wir nur aus Phlegma und passiver Bequemlichkeit an Routinen fest, die schon lange keinen Sinn mehr machen. Als Fazit kann man daher festhalten: Ob im Selbstmanagement oder im Betrieb - eigene "Schemata" und "Skripte" sollten dann und wann auf den Prüfstand.

Auch interessant sind Ergebnisse zum Thema Gewinn- und Verlustbewertung. Machen Sie das Experiment selbst: Was würden Sie in den folgenden beiden Test-Szenarien jeweils wählen, Alternative A oder B?

Szenario 1:

A: Sicherer Gewinn von 250 Euro

B: 25%ige Chance, 1000 Euro zu gewinnen und 75% Chance, nichts zu gewinnen.

Szenario 2:

A: Ein sicherere Verlust von 750 Euro

B: 75%ige Chance, 1000 Euro zu verlieren und einen 25%ige Chance, keinen Verlust zu machen

Tabelle 1: Experiment Gewinnsicherung vs. Verlustvermeidung (nach Balderjahn 2003)

Nun, geht man streng rational an die Sache heran, so ergeben sich für A und B jeweils identische Erwartungswerte und demgemäß müsste es uns schwerfallen eine Entscheidung zu treffen9. Doch so gehen wohl die meisten von uns nicht an die Sache heran. Stattdessen wählen sie nach anderen Kriterien, nicht zuletzt entsprechend der individuellen Risikoneigung. Übrigens wählen in Szenario 1 erfahrungsgemäß die meisten "Probanden" Alternative A. Man spricht daher von der sog. "Tendenz zur Gewinnsicherung". Was man hat, das hat man, sozusagen. In Szenario 2 wählen die meisten jedoch Alternative B. Sie versuchen also, einen Verlust doch noch irgendwie zu vermeiden. Auch mit dem Risiko, durch diesen Versuch noch höhere Verluste einzufahren. Man sagt ja: Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Letzteres erinnert an das sog. "Sunk-Cost-Paradoxon". Das ist die Neigung, eine - selbst mehr oder weniger schon völlig offensichtliche – Pleite (incl. der bereits auf Nimmer-Wiedersehen "versenkten Kosten") einfach nicht akzeptieren zu wollen und stattdessen durch immer neue lnvestitions-"Nachschläge" dem schlechten Geld noch gutes hinterherzuwerfen. Die rationale Wirtschaftswissenschaft rät hiervon eindeutig ab (aber betrachten wir einmal das reale Geschehen an den Finanzmärkten oder in der Politik).

Eine Teilerklärung dafür liefert wiederum der sog. Status-Quo-Effekt. Dieser besagt, dass man – egal bei welcher Aktion - hinterher nicht schlechter dastehen möchte als davor. Im Extremfall verhält man sich wie ein ständig verlierender Glücksspieler, der hofft, die Pechsträhne werde schon einmal ein Ende haben und deshalb auch noch das "letzte Hemd verpfändet", um nur weiterspielen und "sein Glück vielleicht noch wenden" zu können. Man kann diesen Wunsch (rein menschlich) ja verstehen. Aber manchmal läuft es halt anders und eine Abschreibung ist angesagt: Verlieren gehört auch zum Leben. Wünsche hin – Wünsche her.

Die sog. Kontrollillusion, die menschliche Neigung, zu glauben, Dinge seien kontrollierbar (die es aber nicht sind) mag auch damit zu tun haben. Dies gilt auch für das Verhältnis des "modernen Menschen" zur Natur – von der er glaubt sie beherrschen zu können (während es letztlich doch meist umgekehrt ausgeht).

Funktioniert etwas nicht wie intendiert, stellen sich bspw. alle sorgsam analysierten Entscheidungsalternativen bei näherer Prüfung als unattraktiv heraus, könnte man auch zu Rationalisierungen neigen. Das sind in diesem Zusammenhang keine Kürzungen, sondern wir definieren Sinn, Zweck und Ziele der Sache nachträglich einfach um, konstruieren ex post eine vermeintlich rationale Logik hinein bzw. "reden uns etwas schön". Beispielsweise, indem wir behaupten, gar "nicht wirklich" nach einer Alternative gesucht zu haben ("Im Grunde wollte ich eh nichts investieren jetzt" oder "im Grunde brauchen wir jetzt eh keinen neuen Mitarbeiter" etc.).

Machen wir das bereits im vorhinein, so wirken womöglich sog. mentale Buchungsprozesse - dies entspricht der geistigen Vorwegnahme zukünftiger Ergebnisse, wie z.b. der Kenntnis von Informationen, Fakten, Handlungen anderer. Das Phänomen bewirkt, dass wir solcherart antizipierte Ergebnisse bei ihrem realen Eintritt leichter akzeptieren. Auch dies kann zweischneidig sein: Ein negatives Beispiel läge vor, wenn eine zum Pessimismus neigende Person jede Niederlage nur als neuen Beweis ansieht, "eben ein Verlierer zu sein". Ein positives Beispiel läge vor im bewussten "Durchspielen" eines Worst-Case-Szenarios, um im Falle des realen Eintritts nicht nur materiell sondern auch mental bestmöglich darauf vorbereitet zu sein. Manche nennen dies "Zweckpessimismus".

Ganz generell scheinen "die Dinge" für uns in vieler Beziehung "relativ zu sein". So lernen wir vom Effekt der Problempräsentation (framing effect), dass allein schon die Art der Formulierung einer Botschaft bzw. die Darstellungsweise, die "Einrahmung" von Fakten, unsere Bewertung dieser Fakten beeinflusst (PR- und Marketingleute wissen das schon länger). Stellen wir uns nur vor, wir würden dieselbe Branchen-Fachinformation a) einmal auf einer seriös-professionell anmutenden Webseite und b) ein anderes Mal auf einer Seite im Webdesign-Stil der 90er Jahre vorfinden! Ob dies wohl eine Auswirkung auf unsere Einschätzung zur Güte der Fachinformation hätte? Vermutlich bei vielen schon, obwohl Webdesign (hier: "Verpackung") nicht zwingend mit fachlicher Marktforschungs-Expertise (hier: "Inhalt") zu tun hat.

Der Primacy-Recency-Effekt ist ein Phänomen, welches dazu führt, dass bei einer Folge diverser Info's die früher (primacy) und später (recency) erfassten Informationen stärker wahrgenommen bzw. "leichter gelernt" werden als dazwischen übermittelte Informationen. Dieser Effekt wird gerne von Vertrieb und Marketing genutzt, indem zu Anfang bzw. am Schluss einer kommunikativen Botschaft die "schlagkräftigsten" Argumente platziert werden.

Quantität statt Qualität gilt im Kontext von Informationsmanagement und Entscheidungen gleich in zweierlei Hinsicht: Erstens lassen wir uns i.d.R. von schierer Informations- und Datenmasse beeindrucken. Stellen wir uns vor, ein von uns beauftragter Consulter legt einen Arbeitsbericht vor, welcher mehrere hundert Seiten beinhaltet (großteils natürlich Anhang). Lesen wir diesen "Buchstabenfriedhof" komplett durch? Wohl kaum. Aber – evtl. nach kurzen Stichproben – "nehmen wir mit", dass die Analyse des Consulters sehr fundiert zu sein scheint. Schließlich war da jemand gar fleißig und hat viele, viele Informationen zusammen getragen (bzw. kopiert).

Dies scheint umso mehr noch zu gelten, wenn – zweitens - der Anhang nicht v.a. aus Text ("Prosa" – nennen das manche) sondern aus Zahlen und Statistiken besteht. Warum? Weil wir Zahlen automatisch eine gewisse Objektivität, Fundiertheit (oder gar Wissenschaftlichkeit) unterstellen. Dies muss aber überhaupt nicht der Fall sein, denn Statistiken können falsch, irreleitend oder schlicht "redundante Zahlenfriedhöfe" sein. Manchmal handelt es sich gar nur um "Pseudo-Zahlen". Dies gilt z.B. für subjektiv in Form von Punktwerten quantifizierte, gewichtete und aggregierte Verbaleinschätzungen wie bei den in der BWL sehr beliebten Nutzwertverfahren (vgl. Kap. 3.2) oder auch bei Ratingskalen. Dennoch: Zumindest in Managementkreisen wirken Zahlen meist überzeugender als "Prosa" (s.o.).

Doch gleichzeitig sind Zahlen für uns ebenfalls sehr relativ. Dies lernen wir aus dem Phänomen der Ankerheurisitik. Gemäß dieser Heuristik bilden Entscheider Urteile über ihnen nicht sicher bekannte Sachverhalte, indem sie zunächst von bekannten Informationen ausgehen (Anchoring), und darauf aufbauend ihre eigenen – dann oft sehr hypothetischen - Folgekalkulationen vornehmen (Insufficient Adjustment)10. Stellen wir uns z.B. vor, ein nach Finanzanlagen suchender Münchner bekommt ein Immobilienangebot aus Mecklenburg-Vorpommern. Vemutlich wird er es spontan günstig finden, selbst wenn der qm-Preis deutlich höher liegt als bei vielen Vergleichsobjekten im übrigen Mecklenburg-Vorpommern. Denn unser Münchner lässt sich mehr oder weniger von dem beeinflussen, was für ihn "normale Preise" sind. Unsere Einschätzung davon, ob etwas teuer oder günstig ist, hängt – v.a. bei mangelhafter objektiv-statistischer Informationslage - oft von solch individualhistorisch bedingten "Anker-"Erfahrungswerten ab (s.o. Präferenz für eigene Erfahrungen).

Wird uns die Einschätzung mittel- bis langfristiger Konsequenzen (einer potentiellen Entscheidung) zu komplex, so wählen wir oftmals einfach einen kurzen Entscheidungshorizont, um die Sache "überschaubarer" zu machen. Bspw. werden nur Anschaffungskosten einer Investition verglichen, nicht aber die "Total Cost of Ownership", d.h. zusätzlich zu den Kosten der Anschaffung auch die für Wartung, Nutzung, Betrieb, Reparatur und Entsorgung.

Womöglich werden auch langfristige Auswirkungen bei strategischen Entscheidungen – unbewusst oder auch bewusst (fahrlässig?) - nicht berücksichtigt. Im Fall von Entscheidern, die evtl. gar nicht mehr im selben Amt sein werden, wenn die langfristigen Folgen eintreten, könnte sich dieser Effekt noch verschärfen, v.a. wenn es sich nicht um verantwortungsvolle Persönlichkeiten handelt. Im schlimmsten Fall läge eine "Nach-mir-die-Sintflut"-Einstellung vor. Abhilfe schafft da nur, starke Instrumente für Sanktionspotentiale und Anreize auf mittel- bis langfristigen Horizont anzusetzen.

Bei Entscheidungen kann auch das Phänomen der kognitiven Dissonanz eine wichtige Rolle spielen. So bezeichnet die (Sozial-) Psychologie einen als unangenehm empfundenen Gefühlszustand, der dadurch entsteht, dass ein Mensch mehrere "konkurrierende" Kognitionen hat. Wahrnehmungen, Gedanken, Meinungen, Einstellungen, Wünsche oder Absichten – die nicht miteinander vereinbar sind bzw. nicht "harmonieren"11. Im Kontext der (stattfindendenen bzw. bevorstehenden) Entscheidungsfindung sind v.a. folgende Aspekte ausschlaggebend, unter denen kognitive Dissonanz sich ankündigen kann:

wenn die Entscheidungsalternativen alle ähnlich attraktiv erscheinen (und man bei Auswahl einer Alternative notgedrungen auf die komparativen Vorteile der anderen verzichten muss) oder man sich

gewahr wird, dass eine favorisierte Lösung deutlich aufwendiger und damit unattraktiver wird als ursprünglich erwartet.

Dann besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass wir versuchen den dissonanten Zustand durch Umdeutung oder