Knights of Fire - May Skeletón - E-Book

Knights of Fire E-Book

May Skeletón

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Beschreibung

Breite deine Flügel aus – lass sie den Wind spüren – und flieg! Nicklas: Eine neue Stadt ... Ein neuer Anfang ... Eine Leidenschaft ... Nicklas ist der letzte Nachkomme der Cergunth – Eisdrachen. Sein Erbe hängt am seidenen Faden, denn die Kriege mit den Erd-, Feuer- und Luftdrachen haben seinen Bestand nahezu ausgerottet. Um für eine Weile unterzutauchen, beschließen die letzten zehn Männer, eine alte Feuerwache in Portage Lake zu renovieren und ein neues Leben zu beginnen. Catrìona: Gefangen im Eis ... Fernab von allen Wünschen und Träumen ... Und dennoch brennt ihr Herz ... Catrìona ist Reporterin aus Leidenschaft. Umso schmerzlicher ist es, als sie aus New York nach Hause zum Portage Lake gerufen wird, um den Verlag ihres Onkels zu unterstützen. Mit der Kolumne: Frag Cat fühlt sie sich absolut herabgewürdigt. Nur eines verspricht Abwechslung und triggert ihr Reporterherz: Das Notizbuch, das sie von einer alten Dame erhalten hat. Als plötzlich dutzende Brandanschläge verübt werden, die sich nicht mehr nur auf die Wälder Maines beschränken, müssen sowohl Nicklas als auch Catrìona ihre Herzen öffnen und Feuer fangen. Eine Firefighter – Dragonshifter – Romance mit Romantasy Elementen.

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BOOK ONE

May Skeletón

 

 

Für all die tapferen Feuerwehrmänner, die stets ihr Leben riskieren, um uns zu retten, aber nie die Anerkennung erhalten, die sie verdienen!

 

 

Und natürlich auch für dich, Kamikaze.

Du hast mein Leben mit den richtigen Funken wiederbelebt und bist immer in meiner Nähe, damit die Flammen mich nicht verbrennen können.

Ich liebe dich über alles <3

 

Franziska Göbke

Giekersgasse 1

99734 Nordhausen

 

Texte: Copyright May Skeletón

Cover: Franziska Göbke unter Verwendung von Bildlizenzen von Shutterstock.com und canva.com

Lektorat: Nightwolve Books

 

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne die schriftliche Genehmigung der Autorin untersagt. Jegliche Vervielfältigung ist nur mit Zustimmung der Autorin zulässig.

Sämtliche Personen und Handlungen dieser Geschichte sind frei erfunden. Jede Ähnlichkeit mit real existierenden oder verstorbenen Personen oder Ereignissen ist rein zufällig.

 

Triggerwarnung

„Triggered“ und „getriggert“ bedeuten insbesondere, dass etwas eine starke emotionale Reaktion auslöst. Eine Folge vom „getriggert“ sein ist, dass eine Person nicht mehr rational denkt, sondern sehr emotional wird.

Es ist wichtig, dass du als Leser diesen Punkt NICHT geflissentlich überliest oder gar überschreitest!

Ich möchte dich als Leser bitten, meine Warnung zu beachten, die ich keinesfalls bis ins kleinste Detail ausformulieren kann.

Gewalt, Mobbing, Bulimie, gleichgeschlechtliche Liebe und Suizid bilden nur einen kleinen Teil dessen, den du lesen könntest. Wenn es im Vorfeld zu schweren traumatischen Erlebnissen gekommen ist, dann bitte ich dich, das Buch an dieser Stelle nicht weiterzulesen.

Solltest du in einer akuten Situation sein, dann hol dir bitte Hilfe. Es ist keine Schande und keine Schwäche. Im Leben gibt es Momente, in denen es dir nicht gutgehen darf.

 

Eine mögliche Anlaufstelle ist das Hilfetelefon: https://www.hilfetelefon.de/gewalt-gegen-frauen/mobbing.html

Bitte geh immer sorgsam mit dir und deiner Gesundheit um.

Deine May

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Vorwort

 

Bevor ihr in einen neuen Roman von mir eintaucht, einige Worte dazu ... Wie ihr wisst, bin ich immer bemüht, meine Bücher und die darin befindlichen Themen so authentisch wie möglich zu halten. Machen wir uns nichts vor, das klappt nicht immer. Deshalb möchte ich an dieser Stelle eine Anmerkung geben. Auch wenn ich meinen Liebsten bis aufs Messer genervt habe, tausend und abertausende Fragen gestellt habe, werden viele Szenen vermutlich nicht an den realen Alltag eines Feuerwehrmannes herankommen. Zum einen liegt es daran, dass meine Jungs eben keine normalen Männer sind, zum anderen aber auch, weil viele Punkte für die Dramaturgie einfach besser klingen.

Das hier ist ein fiktiver Roman, in dem meine Protagonisten viele Dinge tun, die von der „Normalität“ abweichen. Bitte vergesst das nicht.

Ich versuche dennoch, so authentisch wie nur möglich zu bleiben.

Also ... viel Spaß mit den Knights of Fire. ;-)

Prolog

 

In Russland gibt es einen Brauch, der junge Bräute vor ihrer Hochzeit zu einer Feuertaufe zwingt. Nur die reinste von drei ausgewählten jungen Frauen muss sich dem Urteil stellen, das die Ältesten für sie erwählt haben. Einem brutalen Ritual, beginnend mit einem Lied, gesungen, um das Ungeheuer zu rufen.

Ein Mädchen muss mit ihm gehen.

Ein Mädchen muss das Schicksal erfüllen und einen neuen Nachkommen gebären. Sie wird nie ihrem Bräutigam gegenüberstehen, sondern in hellblauen Flammen vergehen.

Schon als Kind habe ich mich mehr zu dem Unmöglichen hingezogen gefühlt als die meisten meiner Freundinnen. All meine Zeit habe ich mit Büchern verbracht, die mir eine Welt offenbart haben, die es nie geben wird.

Inzwischen bin ich vierundzwanzig. Meine kindliche Fantasie ist nicht gebrochen.

Leider bringt es mich nicht weiter, denn als Reporterin in einem kleinen Städtchen hoch oben in Maine, wird nur gefordert, was der Realität entspricht. Und das ist gelinde gesagt nichts, denn in Portage Lake ticken die Uhren anders.

Warum ich zurückgekehrt bin, frage ich mich immer noch. Das spannendste, was hier draußen in der Abgeschiedenheit passieren kann, ist ein Unwetter.

Denke ich zumindest, bis Portage Lake und Umgebung von schweren Bränden heimgesucht werden. Zuerst betrifft es nur den Wald, doch schon bald greifen die ersten Anschläge auf die Stadt über.

Es ist an der Zeit, einen genaueren Blick auf die kleine Feuerwache zu richten, die erst seit kurzem wieder in Betrieb ist.

Ich weiß nichts über die Männer, die seitdem Tag und Nacht im Einsatz sind. Doch das werde ich, denn wenn ich eines bereits tief in mir spüren kann, dann, dass diese Kerle ein Geheimnis hüten.

Und wer, wenn nicht ich, würde dem auf die Schliche kommen.

1 – Catrìona

 

 

Der Ausblick zum See wird durch einen leichten Nebelschleier verdeckt, der sich in den frühen Herbsttagen um Maine gelegt hat. So wie der leicht dunstige Duft nach Wald, Erde und Regen. Ein bisschen Eis mischt sich darunter. Genau das, was mich daran erinnert, wie ungern ich eigentlich in diesem kleinen Kaff namens Portage Lake lebe. Nicht, dass ich wirklich eine Wahl hatte. Nein, eher habe ich mich dazu überreden lassen.

Familie steht über allem – selbst über den Wünschen und Träumen, die ein junges Mädchen gesponnen hat, seitdem sie denken kann. Wahnwitzige Ideen, deren Realität fernab jedes logischen Menschenverstandes zu sein scheinen.

Vermutlich sollte ich Bücher schreiben, anstatt jeden Tag den gleichen Mist. Reporterin? Dass ich nicht lache! Ich bin allenfalls eine Therapeutin für regionalen Blödsinn.

„Fragen sie Cat!“

Noch immer kann ich darüber nur mit dem Kopf schütteln. Als ob eine Kolumne das ersetzt, was ich in der Großstadt zurücklassen musste. Spannung, Spiel und jede Menge Spaß. Enthüllungsreportage hat mich seit jeher gereizt. Doch was sollte ich hier schon enthüllen?

Erneut sehe ich aus dem Fenster, lasse den Blick über die Einöde wandern, ehe er an der alten Feuerwache kleben bleibt. Sie hat etliche Jahre leer gestanden. Erst vor wenigen Monaten ist ein ganzer Trupp anmarschiert und versucht seitdem, die alten Mauern wieder mit neuem Glanz zu füllen.

Bisher habe ich keine Anstalten gemacht, die Geschichte, die im Ort kursiert zu glauben. Warum auch? Schließlich ist es normal, dass zehn gestandene Feuerwehrmänner, die perfekt aus dem nächstbesten Erotikkalender stammen könnten, hierher ziehen. Fuck off – Sarkasmus Ende.

Natürlich bin ich nicht so blind wie die Großmütter, die hier leben. Nein. Ich spüre das Kribbeln unter meinen Nägeln. Ich rieche ein Geheimnis, wenn es vor mir im Hexenkessel gebraut wird.

Am liebsten möchte ich sofort meinen Block schnappen, einen Stift und runter in diese Wache spazieren.

Guten Tag. Mein Name ist Catrìona MacGilleFhialain. Ich arbeite für die hiesige Tagezeitung und möchte einen Artikel über euch schreiben.

Leider kann ich genau das nicht, denn auf mich wartet: Fragen sie Cat!

Seufzend wende ich den Blick ab, setze mich auf den Bürostuhl und klappe den Laptop auf. Meine Motivation sinkt mit jedem Atemzug, da ich weiß, was für ein Rotz in meinem Postfach auf mich wartet. Unzählige ungelesene Mails von Menschen, die gern ihre Geschichte erzählen wollen. Langweiliges Gewäsch. Jede Unterwäschekollektion der Marke „Obdachlos“ wäre spannender.

Trotzdem muss ich eine davon auswählen, einen Artikel verfassen, nachdem ich mich mit der Person unterhalten habe, und ihn am Ende der Woche einreichen. Läuft, nicht wahr?

Mühselig klicke ich mich durch die ersten der über hundert Mails, die ich weder gelesen habe, noch ihnen Beachtung schenken will.

Allein übers Wochenende sind über sechzig neue dazu gekommen.

Zeile für Zeile überfliege ich den Text, ehe ich auf etwas sehr Interessantes stoße. Im ersten Moment denke ich an einen Scherz, doch dann öffne ich die Mail.

Gierig saugen meine Augen jedes Wort auf, verarbeiten es in Windeseile, während mein Kopf sich bereits die ersten Notizen und Fragen zurechtlegt.

Zum ersten Mal verspricht eine Geschichte durchaus interessant zu werden.

Schnell notiere ich die Adresse auf meinem Notizblock, ehe ich den Laptop schließe und wie ein aufgescheuchtes Huhn aufspringe.

Wahrscheinlich ist an der Geschichte nicht mehr als ein sinnloses Gewäsch einer alten Frau und dennoch spüre ich das Feuer, das durch meine Adern rauscht, mein Herz schneller schlagen und meine Atmung sich verdreifachen lässt.

Mein Büro liegt im hinteren Teil des zweistöckigen Verlagsanwesens, weit ab von den anderen. Leider muss ich, wenn ich gehen will, durch die Gruppe der anderen Mitarbeiter, die ich für gewöhnlich meide. Ich habe es nicht so mit Menschen. Jedenfalls nicht, wenn ich mit ihnen GUT FREUND sein soll. Meine freundlichen Kommunikationen spielen nur im Job eine Rolle. Ansonsten interessieren mich Menschen nicht. Die gekünstelte Welt aus Freundschaft, Partnerschaft oder weiß der Geier was, überlasse ich den Mitleidigen.

Anstatt, wie von mir geplant, einfach nur schnell durchzuhuschen, werde ich ausgerechnet von meinem Onkel abgefangen.

„Schön, dass ich dich sehe, Cat. Ich war ohnehin auf dem Weg zu dir.“

Notgedrungen bleibe ich stehen. Mein innerer Kampfzwerg rollt die Augen und seufzt genervt auf. Doch nach außen hin bin ich ganz die professionelle Reporterin, die stets ein Lächeln auf den Lippen trägt.

„Wie kann ich dir helfen, Onkel Sherman? Eigentlich bin ich gerade auf dem Weg, um meine neue Story vorzubereiten.“

„Eigentlich heißt, du kannst zwei Minuten abzwacken“, meint er mit Nachdruck. Dabei wippen die lichten grauen Haare mit jedem seiner Schritte, die er ohne Vorwarnung Richtung Büro einschlägt.

Ganz die brave Nichte, die ich hier sein muss, folge ich ihm, schließe artig die Tür hinter mir, warte allerdings, bis er mir einen Platz anbietet. Er tut es nicht.

„Hör zu. Heute Morgen kam eine Einladung hereingeflattert. Die neue Feuerwache wird in wenigen Tagen eröffnet und mit einem kleinen Fest abgerundet. Alle meine Reporter sind beschäftigt, sodass ich dich gern schicken möchte. Zu deinen Verpflichtungen der Kolumne, eine willkommene Abwechslung. Dem stimmst du mir doch zu, oder?“

Mein Lächeln bleibt einer Zustimmung gleich professionell. Innerlich jedoch, brenne ich.

„Natürlich. Leg mir die Informationen auf den Tisch. Ich kümmere mich darum, wenn ich von meinem Job zurück bin.“

Er würdigt mich keines Blickes, winkt mich stattdessen mit der Hand aus seinem Büro. Ich brodele. Jeder Atemzug macht es so unglaublich schwer, nicht einfach aus der Haut zu fahren.

Schneller als beabsichtigt, beinahe schon auf der Flucht, stürme ich zum Treppenhaus, renne die Stufen hinunter, bis ich das Gebäude verlasse.

Feuchte, kalte Luft strömt mir entgegen, die von süßem Tannenduft geschwängert ist. Ich atme tief durch, suche den Fixpunkt, der mich bisher immer wieder auf den Boden der Tatsachen geführt hat. Darauf bin ich stolz! Ich bin auf meine verquere Art stolz.

Vom Gebäude aus schlage ich den Pfad zu den Mitarbeiterparkplätzen ein. Kaum mehr als eine freigeräumte Fläche, die notdürftig mit Teer gegossen wurde. Was eben der Stadt möglich war und wahrscheinlich noch die nächsten hundert Jahre Bestand haben würde. Kein Vergleich zu New York. Dort hatte ich nicht nur einen tollen Job, sondern auch das Leben, was ich mir immer gewünscht habe.

An meinem kleinen Wagen angekommen, setze ich mich schnell auf den Fahrersitz. Die Kälte ist mir doch rascher unter die Haut gegangen, als mir lieb sein könnte.

Mehr als einmal habe ich mich gefragt, warum ich nachgegeben habe. Ja, Familie sollte an erster Stelle stehen. Ich als Teil davon zu gleichen Teilen wie alle anderen.

Wieso musste dann nur ich mein gewohntes Leben aufgeben? Alles, wofür ich studiert und jahrelang gearbeitet habe? Das ist nicht fair und jeder verfickte Tag macht es nur noch schlimmer.

Am liebsten würde ich schreien, bis keine Luft mehr in meiner Lunge ist, die kleinen Bläschen schmerzhaft platzen und wenigstens der Schmerz dafür sorgt, dass ich mich lebendig fühle.

Wie so oft schlucke ich meine Gedanken, nebst dem Wunsch alles hinzuwerfen, hinunter.

Ich habe einen Job, der mich zur Abwechslung richtig fesselt. Zumindest bis zu dem Punkt, wenn sich die Frau als Geschichtenspinnerin herausstellt. Sie wäre nicht die Erste, die ich in meiner Zeit hier kennenlernen musste. Für ein bisschen Ruhm und ein kleines Foto in einer popligen Zeitung sind Menschen bereit, über Leichen zu gehen.

Vom Verlagshaus aus Portage Lake heraus sind es nur wenige Minuten. Viel Zeit nimmt die alte Landstraße in Anspruch, denn ich hatte damals die glorreiche Idee, mit meinem Cooper ins Nirwana zu ziehen. Jeder verfickte Arsch fährt einen Jeep – ich merke wieder Mal, warum das so ist.

Die Schlaglöcher sind größer als das Plumpsklo meiner Tante. Ja, richtig gehört. Meine Tante hält nicht viel von moderner Technik. Das gilt leider auch für eine Sanitäreinrichtung. Es gibt kein Küchengerät und ein Fernseher ist noch immer ein Fernglas.

Wer es braucht! Ich bestimmt nicht. Eher im Gegenteil. Mir fehlt mein luxuriöses Leben. Vor allem eine Badewanne mit heißem Wasser. Oder aber ein kleines Geschäft mit Parfum. Etwas in der Richtung. Nur ein bisschen.

Das ist so unfair. So ...

Meine Gedanken verabschieden sich für einen Moment. Der kleine Waldweg hat sein Ende gefunden, sodass ich einen herrlichen Blick auf die Berge erhasche, auf dessen kleine Klippe das Bauernhaus meiner Leserin steht.

Die Landschaft entschädigt, ohne Frage – ersetzen kann sie meine Hochhäuser, Taxis und Modeboutiquen allerdings nicht.

Ich parke mein Auto direkt vor der einladenden Terrasse, ehe ich meine sieben Sachen zusammensuche und aussteige.

Ich weiß nicht so wirklich, was mich gleich erwartet. Wirklich nicht. Der kurze Anriss ihrer Geschichte klang nach mehr – so oder so. Aber machen wir uns nichts vor. Auch die Lady, die kurz nachdem ich ausgestiegen bin, aus dem Haus eilt, sieht so aus, als wäre sie auch nur eine kleine Betrügerin, die Aufmerksamkeit will.

Nun, zum Teil werde ich ihr diese zukommen lassen.

Warum?

Ganz einfach, ich habe eine Schwäche für Drachengeschichten.

 

2 – Nicklas

 

 

Schweiß rinnt meinen Rücken hinab. Jeden einzelnen Tropfen, klein wie groß, spüre ich, wie er sich seinen Weg bahnt, ehe er auf den Boden tropft und mit dem Dreck unter mir vermischt.

In der Luft wirbeln einzelne Staubkörner umher, die permanent meine Aufmerksamkeit fordern. Sie sind ein Teil der Atmosphäre um mich herum. Der stumme Part viele Botschaften, die uns die Natur zur Verfügung stellt. Mit den Jahren habe ich gelernt, darauf zu vertrauen und sie zu verstehen.

Im Moment sagen sie mir, dass jemand die Tür geöffnet hat, was mein messerscharfes Gehör ohnehin wahrgenommen hat.

Selbst den Geruch des Fremden kann ich riechen, obgleich ich am anderen Ende der Feuerwache stehe.

Einen Grund zum Eingreifen sehe ich allerdings nicht. Das Herz des Besuchers schlägt langsam. Weder zeigt es Angst, noch ist es eine Bedrohung für mich.

Der Duft nach Eisen und Motorenfett allerdings offenbart schon vor dem Eintreten, wer mein Besucher ist.

„Moin Jungs. Ich wollte mal sehen, wie es läuft, da ich gerade in der Nähe war.“

Wohl eher, weil in dieser kleinen Stadt nichts geschieht und der Sheriff aus diesem Grund sehr unterfordert zu sein scheint.

„Läuft Chef. Aber ich nehme an, das haben Sie von uns erwartet, oder?“

Er sieht sich um. Dabei gleitet sein Blick immer wieder ruhig zu mir, als würde er noch etwas anderes auf dem Herzen tragen.

„Anfangs hätte ich es nicht für möglich gehalten, dass jemand der alten Wache neues Leben einhauchen könnte.“

Da ich stets meine Hausaufgaben mache, weiß ich, dass sein Großvater früher Firefighter gewesen ist. Es interessiert ihn wirklich.

„Wo sind ihre Jungs?“

Automatisch will ich in den Himmel schauen, verkneife es mir jedoch.

„Sie wollten eine kleine Auszeit und sind im Wald zelten“, lüge ich mit stoischem Selbstbewusstsein.

Dem Sheriff erklären zu müssen, dass sie direkt über unseren Köpfen schweben und sich ihr Futter jagen, das wäre dann doch eine Sache, die nicht besonders klug ist.

„Kann ich nachvollziehen, wenn ich sehe, wie schnell sie vorankommen. Wenn sie noch Hilfe beim Fest brauchen, dann lassen sie es mich wissen. Ich werde meine Streife dann mal fortsetzen.“

Beinahe hätte ich gelacht. Aus Respekt vor einem Mann, der rein vom Papier älter ist als ich, verabschiede ich mich höflich.

Erst nachdem ich die Tür einrasten hören kann, stehe ich wieder auf.

Der Gedanke daran, dass meine letzten Jungs ohne mich aufgebrochen sind, weckt die Ruhelosigkeit. Ich hätte sie vermutlich begleiten sollen, anstatt darauf zu beharren, die ersten Pläne zu erstellen.

In wenigen Tagen werden wir die Feuerwache in Betrieb nehmen und zukünftig Portage Lake schützen. Darauf haben wir seit Monaten hingearbeitet. Haben Schweiß, Zeit und Schlaf geopfert. Was wir hier tun, machen wir aus voller Überzeugung.

In diesem Punkt bin ich wie mein Vater und sein Vater davor. Wir schützen die Menschen. Für uns sind sie kein Spielzeug oder Gebärmaschinen.

Nicht alle unserer Spezies sehen es so wie unsere Zunft, was vor vielen Jahren einen schlimmen Krieg hinaufbeschworen hat. In den Jahrhunderten meiner Existenz habe ich meine Linie zerbrechen sehen. Heute sind wir von allen vier Drachengattungen diejenigen, die bald nicht mehr existieren könnten. Die Zeit der Eisdrachen neigt sich dem Ende zu ... außer, ich finde endlich einen Weg, neue Nachkommen zu produzieren. Womit ich vor dem nächsten, ziemlich unlösbaren Rätsel stehe. Ein Drache sucht sich nicht irgendeine Frau aus der Mitte, wie es die Legenden in bunten malerischen Geschichten erzählen. Nein, wir müssen eine Gefährtin finden, die für uns bestimmt ist. Eine Dualseele, die schon vor Jahrtausenden auserkoren wurde, um an unserer Seite zu leben.

Ich habe viele Dekaden miterlebt, habe Menschen kommen und gehen sehen ... Der Partner, der für mich bestimmt zu sein scheint, wurde offenbar noch nicht in diese Welt geboren. Vermutlich hat das Schicksal auch längst ganz andere Pläne, die es verfolgt. Bisher wollte ich keinen Gedanken daran verschwenden, dass die Zeit der Drachen vorbei sein könnte.

Ich meine richtig vorbei. Keine Schonfrist, um dem Schöpfer zu beweisen, dass wir noch heute die Schutzpatronen der Menschen sind.

Wenn ich so darüber nachdenke, dann ist jener Zustand bereits nach dem Mittelalter erloschen. Zu dem Zeitpunkt, als die Menschen sich gegen uns gewendet haben. Wir waren nicht länger die Guten in der Geschichte, sondern Monster. Hässliche Fratzen ihrer Angst, die sie vernichten mussten. Der Ruf der Bevölkerung wurde größer und mit der Zeit blieb den Herrschern nur noch ein einziger Weg offen: Sie mussten uns vernichten.

Ich weiß nicht, wie viele Brüder ich verloren habe. Weiß nicht, wie viele Drachen zum Opfer der Angst der Menschen geworden sind.

Einstimmig zogen wir uns zurück, lebten von nun an im Verborgenen, was uns dank der menschlichen Gestalt gut gelungen ist. Doch auch dieser Weg beinhaltet einen kleinen Haken. Unser Stoffwechsel gleicht dem Hunderter ausgewachsener Männer, sodass wir ständig auf Nahrungssuche sind. Am besten in unserer Tiergestalt. Nur so können wir schnell viel Nahrung in uns aufnehmen und verarbeiten.

Im Gegensatz zu meinen Jungs stelle ich meine Versorgung nur zu einem Minimum auf. In den letzten Wochen und Monaten empfand ich es als sicherer, nicht in meiner wahren Gestalt durch den Nachthimmel zu fliegen. Hier in Maine, umgeben von Wäldern und verborgen durch die Berge, können wir gut unentdeckt bleiben. Ein Risiko gehe ich dennoch nicht ein. Einen knapp vier Meter großen Drachen, mit einer Flügelspannweite von mehr als fünfzehn Metern zu erklären, ja da fällt mir auch nicht wirklich eine gute Ausrede ein. Gerade die Menschen neigen dazu, ihre Sichtungen auf Onlineplattformen breitzutreten und in Windeseile versammeln sich Reporter ohne Ende in der kleinen Stadt, die wir uns für den Neustart ausgesucht haben.

Ein bisschen Ironie ist es schon, dass wir ausgerechnet als Feuerwehrmänner unsere Tarnung aufrechterhalten wollen. Mit Sicherheit nicht, weil wir das Feuer lieben, wie es den meisten Drachen wohl nachgesagt wird. Eher, weil wir die Herren der Kälte sind. In uns lodert eine andere Form der Flamme. Hellblau mit weißen Zungen, das unverwechselbare Zeichen, zu welcher Spezies wir gehören.

Meine Gedanken verschwimmen, während ich mich ganz auf die letzten Flügelschläge meiner Männer konzentriere. Gleichmäßig, mit dem Wind und in ihm verborgen, setzen sie wenige Kilometer entfernt zur Landung an. Tagsüber ist es gefährlich, ganz gleich, wie viele Meilen zwischen ihnen und der Feuerwache liegen.

Ich verstehe sie ja, kenne den Drang, der auch mir ständig vor Augen führt, dass ich meine Flügel ausbreiten und fliegen muss. Wir sind nicht geschaffen, Menschen zu sein. Wir sind Wächter, Diener der Sterblichen.

Mit der Feuerwache kann ich einen Teil meines Glaubens, meiner Erziehung leben, wie ich es von meinem Vater und Großvater gelernt habe. Wie viel Schmerz und Leid die Menschen uns auch zugefügt haben, sie standen beide zu unserer Schöpfung.

Inzwischen bin ich in die große Halle gegangen. Die Engine, unser Löschfahrzeug steht bereit und wartet auf ihren ersten Einsatz. Gleich daneben steht der Battalion, der Kommandowagen. Mehr braucht es in einer kleinen Stadt wie Portage Lake nicht.

Auch auf die üblichen Bezeichnungen versuchen wir weitestgehend zu verzichten. Unter uns, denn vor dem National Fire Protection Association existieren sie schon. Ohne ihre Zustimmung hätten wir keine Chance, unsere Wache zu betreiben. Dafür haben wir in den letzten zwei Jahren sämtliche Lehrgänge besucht, Einsätze absolviert und unsere Auszeichnungen erhalten. Ein lästiges Übel, doch eines, das wir in Kauf nehmen mussten.

Wir sind keine Spinner, die denken, sie können sich in die Pampa absetzen und kleine Firefighter spielen. Vermutlich hat das auch der Chief der Kleinstadt gedacht, denn er hat uns bis auf die Unterhose nackt gemacht. Er wollte alles wissen, alles sehen, bevor er ebenfalls seine Zustimmung eingeräumt hat. Dem Stadtrat war es einerlei. Er hat sich wie ein kleines Kind darüber gefreut, dass den Job überhaupt jemand übernehmen wollte. Nicht, dass es sich überhaupt lohnen würde. In Portage Lake passiert nichts. In den letzten Wochen, seit unserer Ankunft, konnte ich keine nennenswerten Vorkommnisse vermerken. Außer man zählt dazu, dass Michael Haller erneut bei Misses Handley Eier aus dem Stall geklaut hat. Hier ist es so ruhig wie der See, nach dem die Stadt benannt ist. Doch das ist okay. Ich erwarte keine spannenden Rettungseinsätze, bei denen wir die Helden spielen müssen. Einige Unfälle, irgendwelche sinnlosen Kellereinsätze oder vielleicht ein kleines Feuer. Vermutlich sogar eher nur eine tägliche Rettung von Misses Millies Katze, die sich wiederholt in den Baum geflüchtet hat, um der rüstigen Rentnerin zu entkommen.

Alles vollkommen ungefährlich und langweilig. Perfekt, um auch vor den anderen Drachengattungen im Nebelwirrwarr des Tages zu verschwinden. Dasselbe gilt für die Aeten, den Ältesten. Eine Gruppe ausgewählter Menschen, die unser Geheimnis kennen und hüten. Doch nicht nur das, sie sind die Richterlichkeit, denn auch unter Drachen gibt es Gesetze. Etwas, das seit mehreren Jahrhunderten nicht mehr ausgeführt wurde. Manche, ich insbesondere, glaube, dass die Aeten längst nicht mehr existieren. Sie wurden ausgelöscht, um den Feuerdrachen ihren Siegeszug zu erleichtern. Sie streben nach der Alleinherrschaft und dem Ende, der menschlichen Lebensform. Obwohl das die menschliche Rasse schon gut allein schafft. Wenn es so weiter geht und sie ihren Kurs nicht ändern, dann steht ihnen nicht nur die nächste Säuberung bevor – sie werden sich selbst gegenseitig hinrichten.

3 – Catrìona

 

 

Die Farm, das Haus, als was auch immer ich es bezeichnen soll, ist bis in den letzten Winkel sauber – klinisch rein sozusagen. Selbst die alte Kaffeetasse, die seinerzeit mit Sicherheit aus den Fünfzigern stammt, wirkt, als wäre sie nicht benutzt worden. Das Gold, das den Rand säumt, weist nicht eine einzige Lücke auf. Auch das aufwendig bemalte Blumenmuster ist nicht mit einem Massenfabrikat zu verwechseln.

Seltsam, dass mich ausgerechnet dieses Detail fesselt, da doch meine Gastgeberin diejenige sein sollte, die mich für sich einnehmen müsste. Was ich bei meiner Ankunft vollkommen übersehen habe, war die riesige Narbenwand, die nicht nur die Hälfte ihrer linken Gesichtshälfte einnimmt, sondern auch weiter über ihre Schultern und dem Dekolletee ziehen. Brandverletzungen, wie ich vermute. Das Gewebe zeigt eindeutige Muster auf, die keine andere Schlussfolgerung zulassen.

Leider auch im gegenteiligen Sinne. Die Dame scheint weitaus verwirrter und hat für „ihre Art“ dessen, was ihr passiert ist, nur eine gute Geschichte gefunden? Eine Ausflucht, um sich der Realität nicht zu stellen. Ich meine es nicht böse, doch mir sind schon sehr viele Menschen über den Weg gelaufen, die sich in einer Story verstrickt haben, nur um ihr Trauma zu verarbeiten. Eine Geschichte, die den Schmerz der Wahrheit nimmt. So sind wir Menschen gestrickt. Wir erfinden unsere Wahrheit, weil die Lüge allemal besser klingt.

„Nun“, beginne ich nach langem Schweigen und eindeutig zu viel schwarzem Tee, den ich eigentlich nicht mag, „Warum wollten Sie, dass ich mir Ihre Geschichte für die Kolumne anhöre?“

Die alte Dame stellt in Seelenruhe die Tasse zurück auf den Untersetzer, ehe sie diesen auf dem Tisch abstellt. Die Hände faltet sie vor ihrem Bauch und hebt erst im Anschluss ihren Blick.

Augen, die eine Menge Leid gesehen haben, blicken mir entgegen. Dunkle Schatten und tiefe Furchen liegen direkt darunter. Sie hat gelebt, geliebt und einiges an Schmerz ertragen. Der Anblick ruft Respekt in mir hervor.

„Wissen Sie, Ms. Cat, ich bin schon zweiundneunzig Jahre alt. Mit sechszehn habe ich meinen Mann kennengelernt und nur ein Jahr darauf haben wir geheiratet. Hier draußen, fernab, haben wir uns ein kleines Paradies geschaffen.“

Ich weiß noch nicht, worauf sie hinauswill, doch ich höre ihr zu.

„Zu den Blütezeiten wimmelte es hier von Tieren. Hühner, Gänse, sogar drei Rinder konnten wir uns leisten. Auch die Ernte war immer ein Erfolg, selbst zu den schlechtesten Bedingungen. Oftmals habe ich Gott dafür gedankt, dass er seine Hand über uns gehalten hat. Anders konnte es nicht sein.“

Wieder gönnt sie sich eine bedeutungsvolle Pause, in der sie mich nicht ansieht. Ihre Gedanken scheinen weit in die Vergangenheit gereist zu sein, fernab von allem, was sie gerade umgibt.

Ich spüre die Ruhe, die sich über das kleine Wohnzimmer mit der hellen Blumentapete legt. Sie ist nicht unangenehm und dennoch weit davon entfernt, mich zu entspannen. Zwischen den kleinen Lichtstrahlen, die durch das Fenster ins Zimmer dringen, kann ich die Spannungen spüren, als würde sich alles um mich herum aufladen.

„Einmal im Jahr bat mich mein geliebter Ehemann darum, eine Auszeit nehmen zu dürfen. Wissen Sie, Ms Cat, ich habe nicht ein einziges Mal danach gefragt, was er in diesen sieben Tagen macht oder wohin er geht. Nie. Nicht, weil ich nicht total neugierig gewesen bin, sondern weil ich ihm vertraut habe. So, wie es in einer Beziehung sein sollte. Vertrauen ist der Schlüssel, der das Fundament bildet. Ohne zerbricht es in seine Einzelteile und selbst wenn der Rest stimmt, wird es unmöglich, die Beziehung zu halten.“

Ich muss schlucken, angesichts der tiefen Bedeutung ihrer Worte. Die Welt hat sich verändert, nicht unbedingt zum Besseren. Viele Dinge, darunter die Liebe, sind zu einem notwendigen Muss geworden, das kaum noch jemand zu schätzen weiß.

Ich komme aus New York, wo Liebe und Partnerschaft daraus bestehen, nicht auf der Stelle zu treten. Heutzutage wird man als Frau nur noch verarscht und ausgenutzt. Eine richtige Beziehung, wahre Gefühle und Durchhaltevermögen? Solche Männer existieren nur noch in den alten Märchenbüchern.

„Über sechzig Jahre ist er einmal im Jahr, immer zur selben Zeit, gegangen. Bis er nicht mehr zurückkam.“

Graue Augen fixieren mich. Ich kann die Tränen darin nicht nur erahnen, ich sehe sie deutlich.

„Was ist passiert?“, frage ich räuspernd nach, da mir meine Stimme nicht so recht gehorchen will.

„Eine Woche ging ins Land, dann eine weitere, bis ich es nicht mehr ausgehalten habe. Niemand konnte mir sagen, was mein Mann getan hat oder wohin er gegangen ist. Nicht einmal ich kannte sein Geheimnis. Ich war so blind vor Liebe, dass ich mich im Stillen dafür geohrfeigt habe, ihn nie gefragt zu haben.“

Etwas, das ich durchaus verstehen kann. In beiderlei Hinsicht. Keine Ahnung, wie ich an ihrer Stelle damals reagiert hätte.

„Es vergingen viele weitere Wochen. Niemand kam, um mir von seinem Tod zu berichten oder aber, mir etwas anderes mitzuteilen. Die Stille hat mich regelrecht aufgefressen und an mir genagt, wie eine kleine Ratte, die einen bei lebendigem Leib auffrisst. Es kam, wie es kommen musste. Der Hof vegetierte dahin, da ich die Kraft nicht mehr fand. Mein gesamtes Leben stürzte und stürzte und ...“

Unbewusst habe ich den Atem angehalten und versuche nun, ihn langsam aus meinen Lungen zu pressen.

„Was geschah dann?“ Am liebsten würde ich an meinen Nägeln kauen.

„Ich habe mich auf die Suche gemacht. Irgendwann vergingen der Schmerz und die Trauer. Was zurückblieb, war Wut. Pure Wut. Ich wollte wissen, was er in all den Jahren gemacht und mich von ihm fortgeführt hat. Also habe ich das halbe Haus auf den Kopf gestellt, alles, was ich in die Finger bekommen habe, wurde nach einem Hinweis abgesucht.“

Statt weiterhin auf dem gemütlichen Sessel sitzen zu bleiben, steht sie auf und geht zu einem alten Sekretär hinüber.

„An der unwahrscheinlichsten Stelle bin ich fündig geworden. Ist das nicht seltsam? Er hat sich nicht einmal Mühe gegeben, ihn zu verstecken.“

Da sie mir mit dem Rücken zugewandt steht, erkenne ich im ersten Moment nicht, was sie aus der Schublade zieht.

„Ich denke, Sie können mehr mit den Kritzeleien anfangen, doch seien Sie sich dessen bewusst, dass das Wissen darum einen hohen Preis verlangt.“

Wortlos gleitet ein altes, aus Leder gebundenes Notizbuch in meinen Schoß. Der Band ist ausgeblichen, das einst weiche Material inzwischen rau und mit Rissen übersät.

„Ich bin zu alt, um das Geheimnis länger mit mir zu tragen, doch es sollte an die Öffentlichkeit, bevor es zu spät ist.“

Vorsichtig gleiten meine Finger darüber und schieben die Außenhülle zur Seite. Die Einträge, die sich bereits auf dem ersten Blatt befinden, sind in einer Handschrift geschrieben, die mich Mühe zu lesen kostet.

„Die Drachen sind nach Maine zurückgekehrt und bald wird der Krieg erneut ausbrechen.“

Obwohl mich das Notizbuch fesselt, sehe ich auf. Die alte Dame hat sich an den Hals gefasst, ihre Atmung geht schwer.

Ich brauche nicht lange darüber nachzudenken und springe auf, um sie vorsichtig zurück auf den Sessel zu hieven.

„Meine Aufgabe ist erfüllt. Jetzt sind sie dran, Ms Cat.“

Wie gern würde ich auflachen, doch in Anbetracht der ernsten Situation ist mir alles andere als danach.

„Was ich jetzt tun werde, ist den Rettungsdienst rufen.“

Und genau das tue ich. Mein Handy liegt in der Hand, während ich die 911 anrufe und ...

„Verdammt.“

Schnell ziehe ich den bewusstlosen Frauenkörper auf den Boden, suche nach den Vitalzeichen wie Atmung und Puls, doch beides ist nicht mehr vorhanden.

„Rettungsdienst, welcher Notfall liegt vor?“

Ich rattere alles hinunter, was mir einfällt, ohne die Hilfsmaßnahmen einzustellen. Keine Ahnung, wie lange ich das nicht mehr getan habe, oder wann mein Kurs war, doch zum Glück scheint in dieser Situation alles von allein zu laufen.

Es dauert, bis die ersten Kräfte auftauchen und mich erlösen. Wie lange sie gebraucht haben, kann ich nicht sagen – nur, dass die alte Dame es nicht schaffen wird. Woher auch immer ich das so genau weiß. Vielleicht daher, dass dem Haus plötzlich diese gemütliche Wärme fehlt, die es noch vor kurzem ausgestrahlt hat.

Ich greife hinter mich, nehme den Einband vom Tisch, wo ich ihn zuvor hingelegt hatte, und meine Tasche, ehe ich für einen Moment nach draußen gehe. Die Luft hat sich verändert, obwohl sie noch genauso ist wie vorhin.

Sie fühlt sich anders an.

---ENDE DER LESEPROBE---