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Nach einer hinterlistigen False-Flag-Aktion, stehen sich Ost und West säbelrasselnd gegenüber. Der deutsche Verteidigungsminister versteckt sich als Gorillapfleger auf einem Kreuzfahrtschiff, beim Schnulzensänger Manni Rammelhammer geht eine Schönheitsoperation total daneben und der Messerwerfer des Zirkus Trallafitti sucht dringend einen neuen Assistenten. Ist die Welt noch zu retten? Ahnungslose Touristen, korrupte Politiker und eiskalte Killer auf einer mörderischen Kreuzfahrt. Schwarz, schräg und vollkommen respektlos!
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Seitenzahl: 274
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Wolfgang Müller, Jahrgang 1958, lebt mit seiner
Familie in einem kleinen Dorf im Sauerland.
Neben dem Hochseesegeln und der Malerei,
hat er das Schreiben für sich entdeckt.
Dies ist sein viertes Buch.
Dieses Buch ist auch als E-Book erhältlich.
Copyright der gedruckten Ausgabe: © Wolfgang Müller
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Für Uschi, Elke und Michael, meine Testleser
Geld macht nicht korrupt, kein Geld schon eher.
Deutsches Sprichwort
Ähnlichkeiten mit
lebenden Personen,
Institutionen oder Schauplätzen
sind rein zufällig.
Sollte sich,
obwohl es, wie gesagt, nicht beabsichtigt war,
jemand wiedererkennen,
so hat er sich das selbst zuzuschreiben.
Prolog
Drei Wochen zuvor in Hamburg
Zirkus Trallafitti, Genua
Nautilus Reederei, Hamburg
Genua, Abreisetag
Rezeption der Happy Sea
Brücke der Happy Sea
Zirkus Trallafitti, Unterdeck
Bordbar
Suite 100
Bundeskanzleramt, Berlin
Brücke der Happy Sea
Rezeption der Happy Sea
Praxis Dr. Sophia Edelkamp-Flottgrebe
Happy Sea Kabinenbereich
Rezeption der Happy Sea
Happy Sea, Küche, 14 Uhr
Bundeskanzleramt, Berlin
Zirkusworkshop auf dem Oberdeck
Innenkabine 522
Washington D.C.
Happy Sea, Oberdeck
Suite 100
21:30 Uhr desselben Tages
Praxis Dr. Sophia Edelkamp-Flottgrebe
Algier
Salon des Bordfriseurs
Happy Sea, Brücke
Zirkus Trallafitti, Unterdeck
Speisesaal
Happy Sea, Oberdeck
Gibraltar
Kapitänskajüte
Kleiner Speisesaal
Zirkus Trallafitti, Unterdeck
Suite 101
Zirkus Trallafitti, Unterdeck
Bundeskanzleramt Berlin
Zirkus Trallafitti, Unterdeck
Happy Sea, Hochzeitszimmer
Speisesaal
Suite 101
USS Philadelphia
Happy Sea Oberdeck
Brücke der Happy Sea
USS Philadelphia
Happy Sea Brücke
USS Philadelphia
Happy Sea Brücke
USS Philadelphia
Happy Sea Brücke
Epilog
»Ich habe einen Termin mit Herrn Dr. Dr. Bellmeyer.«
»Sehr wohl der Herr, wen darf ich melden?«, fragte der Empfangschef der Genueser Luxusherberge.
»Josef Schmid, mein Name.«
Der unscheinbare, mit einem eleganten Anzug sowie einem augenscheinlich teueren Mantel bekleidete Herr, zauberte diskret einhundert Euro unter das Anmeldeformular und schob es dem Empfangschef entgegen.
Schmidt legte Wert auf gute Kontakte zum leitenden Hotelpersonal.
Der Rezeptionist nahm den Hörer ab, sprach kurz ein paar Worte und nickte Schmidt dann freundlich zu. »Herr Dr. Dr. Bellmeyer erwartet Sie in zehn Minuten - Suite 602 - die Aufzüge befinden sich dort drüben links.«
Oben in seiner Suite suchte Cornelius Bellmeyer hektisch, diverse, im Zimmer verstreut liegenden Kleidungsstücke zusammen und zog sich an.
»Larissa Schatz, gleich kommt ein wichtiger Kunde. Würde es dir etwas ausmachen, dich im Nebenzimmer anzuziehen, ich habe den Termin mit diesem Schmidt total verschwitzt.«
Larissa Belmonte schlenderte betont langsam, nur mit einem winzigen, schwarzen Slip bekleidet auf Cornelius zu.
»Und wenn nicht, mein Hasi?«, gurrte sie provozierend, mit betörend, rauchiger Stimme.
Dicht vor ihrem derzeitigen Geliebten blieb sie stehen und rieb aufreizend ihre harten Brustwarzen an seinem, mehr als deutlich über den Gürtel quellenden Bauch.
»Bitte Larissa Schatz, es ist wichtig. Danach hast du mich eine ganze Woche nur für dich allein. Also sei so nett - warte nebenan. Der Kunde muss ja nicht wissen, dass du hier bist. Bitte zieh dir vorher etwas über, du weist, nebenan wartet Bosco.«
Bosco hieß mit vollem Namen Bosco Strozzi und fungierte als sein Leibwächter. Er arbeitete seit zwei Jahren für den deutschen Politiker.
Damals hatte eine militante, siebzigjährige Tierschützerin sich die Kleider vom Leib gerissen, ihren runzligen Körper mit Schweineblut übergossen, sich dann auf ihn geworfen, ihn zu Boden gerissen und ihm Schweinemist in Haare und Gesicht geschmiert.
Dieser Vorfall, der drei Tage lang die Medien beherrschte, brachte Cornelius so sehr aus dem Gleichgewicht, dass sein Psychoanalytiker ihm eindringlich zu einem Ressortwechsel und einem Leibwächter geraten hatte.
Die nackte, blutbesudelte Oma, verfolgte ihn bis heute in außerordentlich plastischen Alpträumen. Der Geruch von Schweinemist, aber auch von sonstigen tierischen Exkrementen, ließ fortan fiese rote Pusteln in Bellmeyers Gesicht entstehen. Aus diesem Grund hatte er im letzten Jahr auch die Einweihung eines Schweinemastbetriebes im heimatlichen Wahlkreis absagen müssen. Vor sechs Monaten wurde er als Landwirtschaftsminister aus gesundheitlichen Gründen abgelöst und auf Grund seiner, angeblich herausragenden Kompetenz, zum Verteidigungsminister ernannt.
Vom Krieg verstand Bellmeyer genau so wenig, wie vorher von der Landwirtschaft. Das spielte aber keine Rolle, wie er vor Jahren, als er sich für die politische Laufbahn entschied, feststellen durfte.
Nach einem abgebrochenen Studium der Geographie auf Lehramt, verlegte er sich aufs Taxi fahren. Nebenher engagierte er sich bei den Grünen. Die Partei passte am Besten zu seiner damaligen, leicht ökologisch gefärbten Weltanschauung. In der Partei entdeckte man schnell sein Talent, Worthülsen überzeugend abzusondern. Die Parteiführung schickte ihn auf diverse Fortbildungslehrgänge, um die rhetorischen Fähigkeiten ihres vielversprechenden neuen Mitglieds weiter zu verfeinern. Mit dem Farbdrucker gefälschte Schul-und Universitätsabschlüsse, sowie zwei gekaufte Doktortitel dubioser, ausländischer Bildungsinstitute halfen bei einem bilderbuchartigen Aufstieg. Mittels der ihm zugeschanzten Ämter schoss auch sein Einkommen in komfortable Höhen. Cornelius schuf sich über die Jahre ein trautes Heim, Familie, Auto und Urlaub in fernen Ländern.
Plötzlich war er Teil des Systems, nicht mehr nur taxifahrender Studienabbrecher ohne Anstellung und mit nix auf der Tasche. Es fühlte sich gut an, dazuzugehören, auf Partys eingeladen zu werden und mit einflussreichen Leuten über flache Witze zu lachen. Man respektierte ihn. Der erste Ministerposten ließ nicht lange auf sich warten. Er lernte, dass man, auch ohne von irgendetwas eine Ahnung zu haben, alles erreichen konnte, wenn man nur in der Lage war, sich gut zu verkaufen. Und das konnte Cornelius.
Irgendwann, es war eher ein schleichender Prozess, glaubte er wirklich, seine Stellung auf Grund überragender Kompetenz verdient zu haben.
Dass das Erreichen der Position des Landwirtschaftsministers nicht nur sein Verdienst war, bemerkte er, als eines Tages ein Lobbyist, nennen wir ihn der Einfachheit halber Fritz oder Franz oder so, vorbeischaute.
Dieser bat ihn höflich, aber bestimmt, eine Gesetzesvorlage zu verhindern, welche einem großen Düngemittelhersteller Umsatzeinbußen beschert und den Bürgern des Landes das Leben um ein paar Jahre verlängert hätte.
Als er, sich dem letzten Rest Verantwortungsgefühl beugend weigerte, klingelte kurz darauf sein Telefon. Eine Stimme machte ihm unmissverständlich deutlich, wer dafür gesorgt hatte, dass er da war, wo er war. Dass ein Minister über diverse Kleinigkeiten stolpern könne und dass ein Leben ohne Geld und Einfluss recht mühsam sein konnte.
Cornelius entschied sich damals, wie so viele andere auch, für den bequemeren Weg. Zu wichtig war ihm der erreichte Status, sowie der ihm - seiner Meinung nach - zustehende Platz in der Gesellschaft. Dafür hatte er hart gearbeitet - also seiner Meinung nach.
Jetzt, als Verteidigungsminister, vertrat Cornelius mehr denn je die Überzeugung, der richtige Mann auf dem richtigen Posten zu sein. Dafür sprach sicherlich auch, das ihm entgegengebrachte Vertrauen der Parteispitze.
Nachdem sich Larissa ins Nebenzimmer zurückgezogen hatte, klopfte es an der Tür.
»Ja Bitte! - Ah Herr Schmidt, schön Sie zu sehen!«
»Die Freude ist ganz auf meiner Seite Herr Minister!«
»Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?«
»Nur ein Wasser bitte, der Arzt hat mir Alkohol strengstens verboten.«
»Oh, das tut mir leid.«
»Aber deshalb sollen Sie ja nicht darben, Herr Doktor, Doktor Bellmeyer. Ich habe mir erlaubt, Ihnen eine Kleinigkeit mitzubringen.«
Mit diesen einschmeichelnden Worten stellte er einen, in Geschenkpapier verpackten Karton auf den Tisch. Das dezente Etikett an der Schleife verriet einen exklusiven Shoppingtempel als Herkunftsnachweis des hochpreisigen Mitbringsels.
Nach ein wenig Small Talk kam Schmidt, der mit wirklichem Namen natürlich anders hieß, auf sein eigentliches Anliegen zu sprechen.
»Sind Sie in der leidigen Angelegenheit, die Ausfuhrpapiere für die landwirtschaftlichen Maschinen betreffend, schon weiter gekommen?«
»Tja, die Sache ist etwas delikat. Ihnen dürfte bekannt sein, dass das dort angegebene Empfängerland als Risikogebiet für die Ausfuhr von Kriegswaffen eingestuft ist.«
»Kriegswaffen? Was für ein hässliches Wort, landwirtschaftliches Gerät klingt doch wesentlich humaner, finden Sie nicht? Entwicklungshilfe zur Selbsthilfe, wie man so schön sagt. «
»Aber Herr Schmidt, wir wissen doch beide, was hier gespielt wird. Verkaufen Sie mich jetzt bitte nicht für dumm.«
»Nichts läge mir ferner Herr Doktor Bellmeyer. Sind Sie sich dessen bewusst, dass an dem Deal, außer der deutschen Firma Moselblech, nebst zahlreichen Zulieferbetrieben, auch ein ganzes Konsortium einflussreicher Hersteller aus den USA und Frankreich beteiligt ist. Wenn die Komponenten der Firma Moselblech nicht in einem Monat per Schiff in Dubai eintreffen, können die - äh - landwirtschaftlichen Geräte weder montiert, noch zum Einsatz gebracht werden! - Herr Minister, davon hängen Menschenleben ab!«
»Jetzt verdrehen Sie aber die Tatsachen. Die Geräte sollen doch über Umwege an jene Kriegsparteien geliefert werden, welche wir angeblich in Syrien bekämpfen. Erklären Sie mir doch mal bitte den tieferen Sinn hinter dieser Fluchtursachenbekämpfung, Herr Schmidt.«
»So kommen wir glaube ich nicht weiter, Herr Bellmeyer. Sie scheinen vergessen zu haben, wer Sie in den Sessel gehoben hat, in dem Sie jetzt sitzen. - Sie planen eine Kreuzfahrt? - Mit Ihrer Gemahlin, wie ich annehme. Ich könnte mir vorstellen, dass Ihre Frau sich über ein wenig Reiseliteratur wie diese hier, freuen würde.« Mit den Worten drapierte Schmidt ein paar kompromittierende Fotos auf den Tisch.«
Die großformatigen Bilder zeigten, in hochaufgelöster Offenheit, Cornelius ausschweifendes Schlafzimmerleben mit Larissa Belmonte. Und das, aus allen erdenklichen Perspektiven.
»Woher haben Sie ---!!?«
»Wir haben unsere Quellen Herr Bellmeyer.«
Die Unterschlagung seines akademischen Titels signalisierte Cornelius, dass ab sofort ein anderer Ton herrschte.
»Wir erwarten, dass die Exporterlaubnis bis morgen Abend auf unserem Schreibtisch liegt«, sagte Schmidt im Befehlston, bevor er mit leiser, aber bedrohlicher Stimme fortfuhr: »Bellmeyer, - da steckt ein Finger in Ihrem Arsch, - und wenn der sich krümmt, - dann nicken Sie, - ob Sie wollen oder nicht. Dieser Finger hat Sie in den Sessel gehoben, in dem Sie momentan sitzen, - und das hat der nicht aus reiner Nächstenliebe getan. Ist das so weit bei Ihnen angekommen?«
Dem Verteidigungsminister wurde schlagartig klar, dass er seine Seele dem Teufel verkauft hatte. Die Gutmenschallüren konnte er sich für den Wahlkampf aufheben. Hinter diesem Schmidt standen Leute, die in der Lage waren, ihm sein Leben von heute auf morgen zu nehmen, und das nicht nur im bildlichen Sinn.
»Sie können sich auf mich verlassen Herr Schmidt«, presste er zähneknirschend hervor.
»Sehen Sie, es geht doch. Betrachten Sie Ihre Kreuzfahrt als bezahlt Herr Doktor Doktor Bellmeyer. Wir haben uns erlaubt, Sie nebst Frau Belmonte auf die beste Suite umzubuchen, die auf dem Schiff zu bekommen war. Ich wünsche Ihnen eine vergnügliche Reise. Grüße an die Frau Gemahlin und die Kinder.« Schmidt hob bei der Erwähnung der Kinder warnend die Brauen, bevor er die Suite verließ.
Commissario Rossi und Sergante Frattini mäanderten durch den mittäglichen Stoßverkehr Genuas. Auf den zerschlissenen, schwarzen Plastiksitzen ihres zivilen Alfa Romeo klebend, genossen sie den Duft der pulsierenden Metropole am Mittelmeer.
»Frattini, kurbel bitte das Fenster hoch. - Ich weiß nicht, was schlimmer ist, diese fürchterliche Hitze oder der Mief der Straße.«
»Rossi, bitte melden!«, quäkte blechern die Stimme der hübschen Rosalia aus dem Funkgerät.
»Hier Rossi, was hast du auf dem Herzen?«
»Würdet ihr bitte im Interconti vorbeischauen, dort soll ein Koffer gestohlen worden sein!«
Rossi war mit seinen 40 Dienstjahren der Vorgesetzte des jungen Kollegen Frattini, der erst seit einem Jahr in der Abteilung für Raubdelikte arbeitete. Die beiden kamen gut miteinander aus. Rossi hatte vorher der Mordkommission angehört, sich aber nach 35 Dienstjahren versetzen lassen.
Zu der Zeit fühlte er sich nicht mehr in der Lage, die schrecklichen Bilder von zerstückelten Leichen, toten Kindern und Ähnlichem, abends im Büro zu lassen. Sie hatten ihn immer öfter bis in seine Träume verfolgt. Irgendwie hatte Rossi das Gefühl, dass das nicht gut für ihn war. Jetzt wollte er es, die letzten paar Jahre bis zur Pensionierung, ruhiger angehen lassen. Dass er in der Abteilung für Raubdelikte unterfordert war, störte ihn nicht im Geringsten. Nach dem Tod seiner Frau, vor zwei Jahren, war jeglicher Ehrgeiz von ihm gewichen. Er machte seinen Job und mehr nicht. Das reichte ihm vollkommen.
»Ruf jemanden aus der Trachtengruppe, wir haben jetzt noch einen Überfall auf `nen Kiosk zu bearbeiten!«
»Negativ, im Moment ist niemand verfügbar. Die sind alle am Fußballstadion, beim Spiel Madrid gegen Bayern. Dort ist der Teufel los.«
»Da wäre ich jetzt auch lieber, allerdings auf der Tribühne und mit `nem Becher Gerstensaft in der Hand. Also gut, wir übernehmen - sind sowieso gerade in der Nähe.«
Nach fünfzehn Minuten betraten die beiden Polizisten die Hotellobby. Der Portier hatte die Polizei nur ungern im Hause, deshalb ließ er die Ermittler direkt zum mutmaßlichen Tatort auf Zimmer 622 bringen.
Das Telefon in der Suite des Verteidigungsministers klingelte erneut.
»Kann man hier nicht mal in Ruhe sein Mittagessen genießen!«, polterte Bellmeyer los. Er war noch immer ausgesprochen sauer auf diesen aufgeblasenen Lobbyisten Schmidt.
»Bellmeyer?!«, brüllte er in den Hörer.
»Hier ist die Rezeption, entschuldigen Sie die Störung Herr Doktor Doktor Bellmeyer. Ein Monsieur Maxime Dubois wünscht, Sie zu sprechen.«
»Oh! Ja, selbstverständlich. Sagen Sie ihm, er möchte bitte heraufkommen.»
»Wer ist denn da, Mausi?«
»Eine Überraschung, mein Schatz. Deshalb must du auch jetzt für eine Stunde shoppen gehen, sonst würdest du zu früh sehen, was ich für dich habe machen lassen. Ich werde es dir auf unserer Kreuzfahrt geben.«
»Oh! Da bin ich aber gespannt!«
Hier hast du meine Karte Liebling, geh und kauf dir was Schönes.«
»Gerne, mein Hasi! Jetzt hast du mich wirklich neugierig gemacht!«, schnurrte Larissa und verließ die Suite, während sich der stark übergewichtige Verteidigungsminister, vermutlich zum Ärger seines Hausarztes, wieder über das fettige T-Bone Steak hermachte.
Ein paar Minuten später klopfte es an der Zimmertür.
»Herbein!«, rief er mit vollem Munde.
Obwohl dieser Besucher ein lang ersehntes Geschenk für Larissa angefertigt hatte, durfte er ruhig spüren, wer hier das Sagen hatte.
»Kommen Sie herein Dubois! Ich darf doch zu Ende essen, während wir uns unterhalten? Es wäre schade um das schöne Stück Fleisch. - Na los, dann zeigen Sie doch mal, was Sie mir mitgebracht haben!«
»Oui Monsier! Isch `abe `ir in Kofer! Ist wirklisch três magnifik gewordä! Meinä Meisterwerkä!«
Dubois, dem man den durchgeknallten Künstler auf den ersten Blick ansah, wuchtete einen roten Rollkoffer auf den, ihm nicht angebotenen Stuhl. Theatralisch lies er die Verschlüsse aufschnappen. Dann öffnete er in einer schwungvollen Bewegung den Deckel.
»Voilà!«, strahlte, der mit einem bunten, großblumig gemusterten Sakko bekleidete Künstler seinen Kunden an.
Cornelius starrte entgeistert auf den geöffneten Koffer, während Maxime ihn noch immer erwartungsvoll anblickte.
»Ist das nischt magnifik?«
Dann, als Bellmeyer nicht reagierte, blickte auch der Franzose auf den Koffer herab und erstarrte bei dem Anblick diverser weiblicher Reisebekleidung.
»Oh no!!! Was hat da passierä?! Kofär mus geworde sein échanger, oder wie Sie sagän würdä, värtauscht, an Fliegehafän! Grande désastre!«
»Sie wollen mit Ihrem Kauderwelsch doch wohl nicht andeuten, dass irgend so eine dahergelaufene Tussi, jetzt mit dem Geschenk für meine Freundin durch die Gegend rennt?!!«, schrie Cornelius aufgebracht und warf erbost, sein Steakbesteck klirrend auf den Teller.
Dubois stand hilflos wie ein Schuljunge vor dem Schreibtisch des Politikers.
»Isch fürchte, so es ist Monsieur. Es tut mir unändlisch leid, das Alläs. Isch abär jetztä kann auch nischt änderän.«
Cornelius lief rot an. Blasebalgartig pumpte er Luft in seine Lungen, bevor er beide Fäuste mit der Kraft eines Dampfhammers auf die Tischplatte krachen ließ.
»SIE SIND WOHL VON ALLEN GUTEN GEISTER VERLASSEN! - KANNÄ ISCHÄ NISCHTÄ ÄNDÄRÄN!!!«
Unglücklicherweise erwischte die Rechte seiner beiden niedersausenden Fäuste, die Spitze des Steakmessers, welche ein paar Zentimeter über den Tellerrand hinausragte. Das mit Wellenschliff versehene Schneidwerkzeug wurde dadurch wie von einem Katapult beschleunigt. Wild kreiselnd sirrte es auf den Franzosen zu, durchtrennte dessen, mittlerweile deutlich hervortretende Halsschlagader zur Gänze und blieb danach vibrierend, im dezenten Dunkelblau des Teppichbodens stecken. Das Blut des Franzosen spritzte meterweit durch die Suite.
Cornelius sprang entsetzt auf. Seinen Stuhl dabei polternd umwerfend, stürzte er sich von planlosem Aktionismus beflügelt auf den spastisch zuckend daliegenden Dubois.
Ohne weiter darüber nachzudenken, griff er mit der einen Hand nach dem, im Teppich steckenden, bluttriefenden Steakmesser und versuchte mit der andern, der pulsierenden Blutfontäne Einhalt zu gebieten.
In dem Moment klopfte die Zimmerkellnerin.
Cornelius schrie in seiner Hektik: »Ja!!!«, und setzte mit diesem unscheinbaren, kleinen Wort, eine Folge von Ereignissen in Gang, die nicht nur sein Leben für immer verändern würden.
Die ahnungslose Frau trat ein, um das Essgeschirr abzuräumen. Beim Anblick des, über dem Sterbenden knienden, blutbesudelten Politikers, fing sie hysterisch an zu schreien.
Commissario Biagio Rossi und Sergante Frattini hatten ihre Untersuchung, das gestohlene Gepäckstück in Zimmer 622 betreffend, soeben ergebnislos abgeschlossen. Angelockt vom panischen Geschrei der Zimmerkellnerin, stürmten beide in Bellmeyers Suite.
Frattini erfasste mit einem Blick die Situation. Diensteifrig stürzte er sich auf den mutmaßlichen Täter, um ihm, unter vollstem körperlichen Einsatz, die mutmaßliche Tatwaffe zu entwinden.
Der so entstandene Lärm, ausgelöst durch den sich, warum auch immer, heftig gegen den Polizisten wehrenden; und dazu »Lassen Sie mich los!«, schreienden Politiker, Cornelius Bellmeyer, weckte im angrenzenden Raum dessen Leibwächter Bosco Strozzi aus dem Mittagsschlaf.
Noch nicht ganz wach, stürzte dieser ins Zimmer, erfasste ebenfalls mit einem Blick die Situation; - blutbesudelter Schutzbefohlener, drei unbekannte Eindringlinge, davon einer leblos am Boden liegend; - und handelte, wie man es ihm auf der Leibwächterschule beigebracht hatte.
In einer fließenden Bewegung zog und entsicherte er seine neun Millimeter Sig Sauer, rollte sich filmreif auf dem Teppich ab, schoss dem Sergeanten als Primärziel in die Stirn, kam dicht vor dem zweiten Angreifer wieder auf die Beine und setzte diesen, als Sekundärziel, mit geübtem, harten Handkantenschlag gegen die Halsschlagader, vorübergehend außer Gefecht. Schnell, effektiv und mit auf das Nötigste reduziertem Personenschaden.
»Boss! Alles ine Ordenung?! Sinde Sie verletzte?!! Was iste denn hier überhaupt passiert? Wer sinde die Leute?!«, fragte Bosco, dessen Atem nicht sonderlich schneller ging als vor seinem Einsatz.
Er beugte sich über den erschossen daliegenden Mann und zog einen Ausweis aus der Innentasche der Lederjacke des Toten.
»Polizei!!? Scheiße Boss, Polizei! Iche habe Bulle getotet.«
Jetzt beschleunigte sich Boscos Herzfrequenz erheblich. Der Leibwächter stürzte eilig zu dem anderen, bewusstlos am Boden liegenden Mann und betrachtete auch dessen Polizeiausweis mit vor Schreck geweiteten Augen.
»Iche bine tote! Iche habe Polizisten getotet! Porca Miseria! Dieser hier hate mich gesehen! Wasse iste mit die tote andere Mann!? Der ganze Zimmere vollgeblutet?«
»Den, - äh -, den habe ich getötet, - aber nur aus Versehen.«
»SIE??! Warum??!«
»Ich sagte doch, AUS VERSEEEHEN!«
Cornelius betrachtete die skurrile Situation aus zwei Leichen, nebst einem Bewusstlosen und konstatierte pragmatisch: »Wir müssen weg. Wir müssen uns aus dem Staub machen, sonst sind wir am Arsch. Am besten ins Ausland. Aus der Scheiße holt uns kein Anwalt dieser Welt wieder heraus. Diplomatische Immunität hin oder her.
Bosco schaute seinen Arbeitgeber an. Er erkannte, dass dessen Einschätzung der verfahrenen Situation, durchaus zutreffend war.
Nur das WIR wollte ihm nicht gefallen.
»Iche werde allein abhauen Boss, Sie sinde nur Klotz an Bein!«
»Aber das kannst du doch nicht machen, du arbeitest für mich! Außerdem kenne ich hier in Italien niemanden!«
»Das nichte meine Problema!«
»Bosco, ich habe Geld, - viel Geld, - ich kann uns damit ins Ausland bringen. Wir müssen es nur irgendwie auf das Kreuzfahrtschiff schaffen, auf dem ich mit Larissa sowieso gebucht bin. Ich nehme dich mit!«
Strozzi kam nach einigen Überlegungen zu dem Schluss, dass das Geld dieses schwammigen Weicheis, wie er Bellmeyer insgeheim titulierte, tatsächlich noch von Nutzen sein könnte.
»Gut, aber iche bestimmen von jetze an wasse wir mache, iste das klaro!?«
»Alles klar Bosco, - sonnenklar!«
»Dann aufe zu Hafen, Bellemeyer, aber pronto, bevore der Eine hier wieder wache wird.«
»Ich muss noch Larissa anrufen, dass wir uns auf dem Schiff treffen!«
»Das kannste du auch von unterwegs aus mache, los avanti!!«
Cornelius, der geflissentlich überhörte, dass er von seinem Untergebenen jetzt geduzt wurde, folgte diesem gehorsam auf den Hotelflur.
Holger Pfeifer residierte in seinem bequemen, ledernen Chefsessel. Der sechsundvierzigjährige Geschäftsführer der Nautilus Reederei schaute in Gedanken aus den großen Panoramafenstern seines Büros auf das rege Treiben im Hamburger Hafen.
Wie schnell doch die Zeit verging.
Acht Jahre war es jetzt her, seit der damalige Reederei Chef, Hans-Werner Klose, nach einer höchst dramatischen Kreuzfahrt, zusammen mit der ehemaligen Buchhalterin Arabella Ziegler, in der Karibik untergetaucht war.
Ein befreundeter Autor hatte über die aberwitzige Reise sogar einen Roman geschrieben, nachdem Holger ihm die Ereignisse geschildert hatte.
Er trauerte den beiden allerdings keine Träne nach. Beinahe hätten sie die Reederei durch ihre Gier in den Ruin getrieben.
Demnächst würde er seine große Liebe, Samantha Klose heiraten. Ihr Mann Hans-Werner war vor einiger Zeit für tot erklärt worden, daher stand der Hochzeit nichts mehr im Wege.
Seit Kloses Verschwinden leitete Holger die Firma. Samantha legte ihr Hauptaugenmerk auf die Unterstützung diverser Hamburger Boutiquen. Unterstützt wurde Holger von seiner hübschen Sekretärin Bernadette Möhrenschläger.
Die junge Dame war damals von Samantha persönlich eingestellt worden. Bernadette sah phantastisch aus, war außerordentlich kompetent, fühlte sich sexuell allerdings mehr zu Frauen hingezogen. So war Holger vor ihr sicher und die Reederei konnte sich zudem über eine fähige Mitarbeiterin und ein repräsentables Aushängeschild freuen.
»Holger, ich habe den Manni in der Leitung, darf ich durchstellen?«
»Aber gerne Bernadette. - Herr Rammelhammer, wie ist die Lage an der Sangesfront, - Stimmbänder alle geschmeidig?«
Manni Rammelhammer fuhr seit Jahren immer mal wieder als Entertainer auf der Happy Sea, dem größten Kreuzfahrtschiff der Nautilus Reederei.
»Wegen der Stimme rufe ich an, Herr Pfeifer. Die ist seit gestern nicht mehr in Ordnung. Mein Arzt hat mit für drei Wochen das Singen, - ja - eigentlich sogar jegliche Absonderung von Geräuschen, verboten. Ich werde also bei der Kreuzfahrt in drei Wochen, nicht auftreten können.«
»Das ist schade, Herr Rammelhammer, aber kurieren Sie sich ruhig gründlich aus. Ihre Personalkabine steht Ihnen selbstverständlich trotzdem zur Verfügung, - falls Ihnen der Sinn nach einer Kreuzfahrt steht, - mal nur so zur Erholung, meine ich.«
»Das ist sehr großzügig Herr Pfeifer, vielleicht nehme ich das Angebot an.«
Holger beendete das Gespräch und grinste Bernadette breit an.
»Weist du, was der Arzt unserem Ballermann-Barden verboten hat? - Jegliche Absonderung von Geräuschen.«
»Damit hat er den Nagel auf den Kopf getroffen!«, antwortete Bernadette lachend. Der hat ihn bestimmt schon mal singen gehört.«
»Tja, ich verstehe auch nicht, was den Leuten an Manni so gefällt.
Was machen wir denn nun mit der Kreuzfahrt in drei Wochen? Jetzt fehlt uns ein wenig Entertainment.«
»Ich denke darüber nach Holger. - Luigi Mangiare ist in der anderen Leitung, ich stelle ihn durch.«
»Luigi du alter Mafioso, wie laufen die Geschäfte?«
»Holger, du alte Haus, lebest du noche? Ihr habte schon länger nichte bei mire bestellt!?«
Luigis betrieb einen Lebensmittelhandel im Hafen Genuas. Er rüstete Schiffe mit Proviant aus. Sein Geschäft zählte eher zu den Kleineren der Branche. Luigis Stunde schlug immer dann, wenn die Großen nicht schnell genug liefern konnten. Dann sorgte er zuverlässig, über verschiedene legale und illegale Kanäle, für die benötigte Ware. Qualität und Frische gehörten nicht zu den bestechendsten Eigenschaften, der von ihm gelieferten Lebensmittel. Der Preis jedoch war stets unschlagbar. Das lag an den nicht immer sauber dokumentierten Herkunftsnachweisen der Nahrungsmittel. Einiges war hier und dort von diversen Lastwagen gefallen und bei Luigi zufällig wieder aufgetaucht. Auch eine lückenlos nachgewiesene Kühlkette leicht verderblicher Waren suchte man bei ihm vergeblich.
Luigi, du weist, dass wir - im Gegensatz zum alten Klose - immer Wert auf Qualität und Frische legen. Was glaubst du, was mir unser Küchenchef erzählen würde, wenn ich dem noch einmal mit lebenden Schweinen oder vergammeltem Salat käme.«
»Die Schweine damals, ware nichte meine Idee, Holger, dasse weist du. Die Salate, - ok - da iche gebe dir rechte. Abere du weiste ja, wenn keiner kann liefern, Luigi kennte immer eine Weg! Denk male wieder anne mich, wenne du Profiante brauchst Holger. - Unde sonste? Alles benissimo?!«
»Sonst ist soweit alles in Ordnung Luigi, die Kreuzfahrt-Geschäfte laufen gut, aber das weist du ja sicher auch.«
»Holger, warume ich anrufe, iche habe da eine Freund eines Freundes, eines Freundes. Der hate eine kleine Zirkus unde nixe viele Geld, du verstehste?! Diese Freunde, sucht eine possibilitá, eine Möglichkeite zu fahre günstig mite Zirkus nache Teneriffa. Kennst du vielleichte jemande, der könnte dasse möglich mache?«
»Ein ganzer Zirkus? Das übersteigt glaube ich die Kapazität der Happy Sea, Luigi.«
»Iste nur eine ganze kleine Zirkus, Holger. Nure zwei Wagen, eine Zauberer, eine Messerwerfer, eine starke Auguste unde eine kleine Affe, nixe viele Platze, Holger. Die würde auch gebe Vorstellung aufe Schiff, wenn du wolle, - completamente gratis!!«
»Tja Luigi, ich könnte tatsächlich in drei Wochen einen Ersatz für unseren Sänger gebrauchen, aber die beiden Wagen von diesem Zirkus, die sind glaube ich ein bisschen zu groß für unsere Ladeluken.«
»Holger, dasse ich habe auch schon zu Freund gesagt. Aber der meinte, die Wage, Sie könne zerlegen, dann nichte mehr groß, dann alles passen!«
»O.k. Luigi, ich spreche das mit dem Kapitän durch. Ruf mich bitte morgen noch mal an, dann sage ich dir, ob es klappt.«
»Holger danke für deine Mühe, du hast etwasse Gute bei mire! Arrivederci meine Freund!«
»Bernadette, vielleicht hat sich unser Entertainmentproblem gelöst, mach mir bitte eine Verbindung zu Kapitän Hellemann.«
Fritz Hellemann fuhr seit zwei Jahren als Kapitän auf der Happy Sea. Damals, auf der katastrophalen Kreuzfahrt, nach der auch Reedereichef Klose spurlos verschwand, war er noch Bootsmann. Danach hatte er, auf Drängen des damaligen Schiffsführers, Knuth Hinrichs, die Seefahrtschule besucht und vor ein paar Jahren sein Kapitänspatent erlangt. Zwischenzeitlich heiratete er Hermine, die Assistentin der damaligen Hotelchefin Gerlinde Klüsenpichler. Nachdem Gerlinde in den wohlverdienten Ruhestand getreten war, bekleidete nun Hermine den Posten der Hotelchefin des Kreuzfahrtschiffs.
»Hallo Fritz, Holger hier, alles klar soweit an Bord?«
»Alles in Butter auf`m Kutter, Boss!«
»Wo treib ihr euch gerade herum?«
»Was soll die Frage Chef, das sehen Sie doch jederzeit im Internet.«
»Wo du recht hast, hast du recht Fritz. Ihr steht ständig unter Beobachtung«, entgegnete Holger lachend, mit Blick auf seinen Computermonitor. »Wann ist Hermine so weit?«
»Der Arzt meint in drei Wochen, ich hab sie gestern zum Flughafen gebracht. Sie müsste mittlerweile zuhause in Hamburg angekommen sein. Es soll ein Junge werden, sagt der Arzt!«
»Ja dann gratuliere ich schon mal. - Warum ich anrufe, Fritz-.«
Holger berichtete ihm von Luigis Bitte, den Zirkus mit nach Teneriffa zu nehmen.
»Wenn wir die Wagen ein wenig zerlegen könnten, so dass sie durch die vorderen Ladeluken passen, sehe ich da kein Problem Boss. Ist mal was Neues, einen Zirkus an Bord zu haben, - abgesehen natürlich von dem alltäglichen Zirkus mit den Reisegästen. - Wann reisen Sie und Samantha an?«
Fritz tat sich schwer damit, seinen Chef weiterhin zu duzen. Früher, als sie beide Angestellte der Reederei waren, war das normal. Heute stellte sich die Situation anders dar. Holger war Geschäftsführer und bald wohl auch Ehemann der Reedereibesitzerin. Wenn es möglich war, vermied Fritz die persönliche Anrede.
»Samantha weiß noch immer nicht, was sie alles mitnehmen möchte und ich habe auch noch einiges im Büro zu erledigen. Ich denke, es wird knapp, aber wir werden es irgendwie schaffen, vor dem Ablegen an Bord zu kommen«, lachte Holger
»Ich habe da so Gerüchte gehört, Chef.«
»Ich weiß nicht, wovon du sprichst, Fritz. Ich muss Schluss machen, da ist jemand in der Leitung. Bis bald!«, würgte Holger das Gespräch ab.
Letzte Woche hatte Pietro zum ersten Mal daneben geworfen. Zum Glück, nicht während einer Vorstellung.
Pietro Agostini und seine Frau Rebecca waren vor kurzem in Genua, nachts auf offener Straße, von ein paar Kleinganoven überrumpelt und ausgeraubt worden. Einer der Gangster hatte die Dreistigkeit besessen Rebecca zum Abschied auch noch zu küssen, während ein anderer Pietro festhielt. Nachdem sie wieder zu Hause waren, hatte er ihr vorgeworfen, sich nicht genügend, gegen den Kuss des dreisten Diebs gewehrt zu haben. Ein handfester Ehekrach war die Folge.
In Wahrheit war Pietro sauer über die eigene Hilflosigkeit in der Situation.
Beim Training am nächsten Tag kam der Überfall wieder zur Sprache. Er warf seiner Frau erneut vor, sie habe es doch genossen, von dem Gangster geknutscht zu werden. Pietro redete sich dermaßen in Rage, dass er ihr in einem kurzen unkonzentrierten Moment, mit dem Wurfmesser, den linken kleinen Finger glatt abtrennte.
Ein fähiger Chirurg konnte den Finger glücklicherweise wieder annähen, aber die Unsicherheit blieb.
Seit dem Tage weigerte sich Rebecca, als Zielscheibe für ihren Gatten zu fungieren.
Auch Pietro spürte nach dem Vorfall ein leichtes Zittern, wenn er ein Messer zum Wurf ansetzte.
Da sie nicht krankenversichert waren, hatte die Operation außerdem ein großes Loch in ihre Rücklagen gerissen.
Jacopo Colombo stand hinter dem verschlissenen Vorzelt des alten hölzernen Zirkuswagens. Er beobachtete Pietro, der mit den Messern trainierte und ab und zu aus heimlich aus einem Flachmann trank. Er machte sich große Sorgen, wie es mit der Nummer weitergehen sollte. Dass seine Tochter sich jetzt als Zielscheibe verweigerte, konnte er gut nachvollziehen. Bei der Nummer war schließlich alles echt, vor allem die scharfen Klingen.
Eben hatte er die Nachricht bekommen, dass ihrer Reise nach Teneriffa nichts mehr im Wege stand. In drei Wochen sollte es losgehen. Als Bezahlung hatte er mit der Reederei ein paar Auftritte auf dem Kreuzfahrtschiff vereinbart. Zur Not müssten sie dort auf die Messernummer verzichten. Aber es gab ja immer noch seinen Sohn. Gut, dass der noch zu ihm hielt. Raimondo trat unter dem Namen Topas im Zirkus als Magier auf, obwohl er mit seiner Nummer locker das Zeug für Las Vegas gehabt hätte. Aber er wollte seinen Vater so lange unterstützen, wie es ihm möglich war.
Jacopos Ehefrau Giada, mit ihrer spektakulären Schlangennummer, riss das Publikum ebenfalls noch immer zu Begeisterungsstürmen hin. Und dann war da natürlich Penelope, wegen der die Menschen von weither anreisten.
Jacopo wartete, bis Pietro den Flachmann wieder verstaut hatte. Er machte sich hinter dem Vorzelt bemerkbar und betrat die kleine Wiese, auf der sein Schwiegersohn mit den Wurfmessern trainierte.
»Na, wie läuft`s Pietro?«
Pietro warf auf eine Übungsscheibe, die mit dem Umriss einer Person bemalt war. Die Messer saßen alle sauber neben der Linie - bis auf eines, das nicht so ganz passte.
»Na, das siehst du doch, irgendwas stimmt nicht mit mir. Seit dem überflüssigen Streit mit deiner Tochter ist irgendwie der Wurm drin. Von hundert Würfen geht einer knapp daneben. Das ist exakt einer zu viel.«
»Nur die Ruhe, das wird schon wieder. Nächste Woche geht es ab in die Sonne, das haben wir uns verdient. Ich hab` im Süden Teneriffas schon ein paar lukrative Standorte klargemacht. Sagt dir der Name Luigi Mangiare etwas? - Dieser Gemüsehändler unten aus dem Hafen, - der hat uns `ne kostenlose Überfahrt auf einem Kreuzfahrschiff besorgt.«
»Bernadette, - Roger mailte mir eben, er hätte heute Nacht die Idee gehabt, einen Tai Chi Kurs mit anzubieten. Er lässt fragen, ob wir ihm bis zur Abreise einen Asiaten als Lehrer besorgen könnten?«
»Der ist ja goldig, ich soll bis nächste Woche einen arbeitslosen Chinesen auftreiben, der auch noch Tai Chi beherrscht. Na ich schaue mal, was ich für unseren Roger tun kann.«
Roger Reimann absolvierte vor Jahren, als er noch Sportstudent war, seine erste Reise als Animateur auf der Happy Sea. Danach hatte er Blut geleckt. Nach erfolgreichem Abschluss seines Studiums wechselte er nicht wie geplant ins Lehramt, sondern wollte die Welt kennen lernen. Da bot sich der Job als Animateur auf dem Kreuzfahrtschiff geradezu an. Mittlerweile war Roger zum Chef des Entertainmentbereichs aufgestiegen.
»Ist dort die Agentur für Arbeit? - Ja? -, dann bin ich hoffentlich richtig. Möhrenschläger mein Name, ich rufe im Auftrag der Nautilus Reederei an. Wir hätten den Job eines Tai Chi Lehrers zu vergeben«, erklärte Bernadette ohne viel Hoffnung auf eine positive Antwort.
»Was müsste der oder die Arbeitssuchende denn für Voraussetzungen mitbringen, Frau Möhrenschläger?«, fragte Sachbearbeiter Hermann Stöckefinger.
»Tja, - schwere Frage, - ich würde mal vermuten er sollte Tai Chi beherrschen«, entgegnete Bernadette ironisch. Sie hasste es, sich mit dummen Fragen herumschlagen zu müssen.
Ihre Ironie prallte jedoch wirkungslos vom Beamten Herman Stöckefinger ab.
»Taischi? Was darf ich darunter verstehen?«
Oha dachte Bernadette, das würde schwierig werden.
»Fangen wir noch mal neu an, Herr Stöckefinger. Haben Sie Asiaten im Angebot?«
»Einen Augenblick bitte. - Ja! Also, im Moment ist nur ein Asiat bei uns als arbeitssuchend gemeldet.«
»Welche Fähigkeiten bringt die Person mit?«
»Lassen Sie mich nachschauen, ---Herr Hop Sing, 42 Jahre alt. Der Mann hatte ein eigenes Restaurant, das leider Konkurs anmelden musste.«
»Das hört sich ja phantastisch an, schicken Sie mir den Herrn doch bitte morgen hier in der Reederei vorbei, danke.«
»Na, hast du einen Tai Chi Lehrer gefunden?«, fragte Holger, der das Gespräch mit einem Ohr verfolgt hatte.
»Das werden wir morgen sehen. Ich hoffe jetzt einfach mal, dass alle Asiaten Tai Chi beherrschen. Und wenn nicht, dass sie etwas Ähnliches überzeugend vermitteln können.«
»Gibt es schon genug Anmeldungen für unser Single-Reisen Angebot? Du weist schon, Rogers Idee mit dem Speed Dating, nach dem Motto, zweisam und nicht einsam auf hoher See.«